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Veröffentlicht am 19.05.2023

Spannend, unterhaltsam, lesenswert

Provenzalische Täuschung
2

Pierre Durand ermittelt wieder – eigentlich. Denn als Gilbert Langlois tot in einem Bach gefunden wird, fällt der Verdacht auf Pierre. Er wird von dem Fall abgezogen, was ihn jedoch nicht daran hindert, ...

Pierre Durand ermittelt wieder – eigentlich. Denn als Gilbert Langlois tot in einem Bach gefunden wird, fällt der Verdacht auf Pierre. Er wird von dem Fall abgezogen, was ihn jedoch nicht daran hindert, seine eigenen Recherchen anzustellen. Diese führen ihn auch nach Mazan auf die Trüffelfarm der Marechals.

Die „Provenzalische Täuschung“ ist mein erster Fall der Pierre-Durand-Reihe. In dem fiktiven Dörfchen Sainte-Valérie habe ich mich bald zurechtgefunden, der Plan des beschaulichen Ortes auf der Cover-Innenseite ist eine gute Orientierungshilfe.

Pierre war mir gleich sympathisch, er ist ein liebenswerter Polizist mit Leib und Seele, der mit seiner Charlotte inmitten der Hochzeitsvorbereitungen steckt. Neben dem vielschichtigen Fall gehören auch diese privaten Momente dazu, gewürzt mit all den Köstlichkeiten, die die provenzalische Küche zu bieten hat. Spätestens dann, als Charlotte mit ihrer Seezunge und dem getrüffelten Kartoffel-Sellerie-Stampf aufwartet, wäre ich am liebsten mit ihnen am Tisch gesessen. Aber siehe da – als kulinarische Zugabe sind einige Rezepte abgedruckt, ich bin begeistert. Aber nicht nur wegen all dieser Leckerbissen habe ich das Buch mit allen Sinnen genossen, es hat so viel mehr zu bieten.

Der komplexe Fall gestaltet sich schwierig, die Ermittler kommen nicht recht voran. Verdächtige gibt es so einige, jeder hätte ein Motiv. Auch scheinen die Ereignisse rund um den Algerienkrieg eine Rolle zu spielen. Die unrühmliche Vergangenheit Frankreichs und den damit einhergehenden Konflikt um die Unabhängigkeit Algeriens hat die Autorin gekonnt mit einbezogen. Ich finde es immer sehr inspirierend, wenn neben der Unterhaltung auch geschichtliches mit einfließt.

Neben Pierre, meinem absoluten Lieblingsakteur, sind auch alle anderen Figuren lebensnah und gut nachvollziehbar dargeboten, jeder einzelne hat seine Eigenheiten und seine Macken wie etwa die junge, übereifrige Polizistin, die nicht nur einmal übers Ziel hinausschießt. Carbonne möchte ich noch kurz herauspicken - ein liebenswerter, aber auch schlitzohriger Charakter, der auch Pierres Ziege mitversorgt. Über ihn und seine Schrulligkeit habe ich des Öfteren geschmunzelt. Es sind diese kleinen, feinen Häppchen, die zwischendurch den kriminalistischen Teil auflockern, garniert mit allerlei Gaumenfreuden. Und – die Handlung schreitet trotz etlicher Wendungen voran, sie bleibt spannend bis zum Schluss, das Ende ist dann nochmal so ganz anders als erwartet.

Sophie Bonnet hat mich mit ihrer „Provenzalischen Täuschung“ bestens unterhalten und in mir den unbedingten Wunsch nach mehr erweckt. Beim nächsten Fall für Pierre Durand, seinem zehnten, werde ich wieder dabei sein und bis dahin die Vorgängerbände nachlesen.

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Veröffentlicht am 08.05.2023

Die stillen Helden von Dieulefit

Die Kinder von Beauvallon - Der Spiegel-Bestseller nach wahren Begebenheiten
2

Ein ganzes Dorf im Widerstand – wie war das möglich? In den 1940er Jahren, als die Juden aller Rechte beraubt und in den Vernichtungslagern ein schreckliches Ende fanden, gab es auch Menschen, die selbstlos ...

Ein ganzes Dorf im Widerstand – wie war das möglich? In den 1940er Jahren, als die Juden aller Rechte beraubt und in den Vernichtungslagern ein schreckliches Ende fanden, gab es auch Menschen, die selbstlos waren. Bettina Storks erzählt in ihrem historischen Roman, der auf wahren Begebenheiten beruht, die Geschichte der „Kinder von Beauvallon“ und ihren Rettern.

Im Oktober 1940 haben Lily Blum und ihre Eltern gerade mal zwei Stunden Zeit, um einen Koffer zu packen, mehr ist nicht erlaubt. Schweren Herzens muss Agnes ihre Freundin Lily ziehen lassen, beide sind sie neun Jahre alt. Im letzten Augenblick zerreißt Lily ein Bild von ihnen beiden, jede bekommt die Hälfte und sie geben sich das Versprechen, eines Tages das Foto wieder zusammenzukleben.

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1965, Agnes ist die weibliche Stimme des Südwestfunks Freiburg. Fortschrittliche Themen sind tabu, die Prüderie dieser Zeit ist deutlich spürbar. Wolfgang Schober, ihr Förderer im Funk, erzählt ihr von einem kleinen Dorf in Frankreich, von Dieulefit, einem Zufluchtsort für die Verfolgten während des Zweiten Weltkrieges und deren Helfer. Agnes Interesse ist geweckt, auch weil sie hofft, hier eine Spur ihrer Freundin Lily zu finden.

Lilys Weg verfolge ich ab dem Zeitpunkt, als sie 1940 abgeholt wird. Sie wird mit ihren Eltern in das Internierungslager Gurs verfrachtet. Julie, eine Fluchthelferin, holt sie hier heraus und bringt sie nach Dieulefit. Aber bis sie und die anderen Kinder in Sicherheit sind, müssen sie immer bangen, entdeckt zu werden.

Diese beiden Erzählstränge lese ich im Wechsel und bald bin ich mittendrin in der ausgezeichnet recherchierten Geschichte, die von der Résistance, dem Kinderhilfswerk OSE, von den mutigen Fluchthelfern, aber auch von den Grausamkeiten der Nationalsozialisten oder der Vichy-Anhängern erzählt, um nur einiges zu nennen.

Immer wieder greife ich zu Büchern, in denen die stillen Helden und ihr selbstloses Handeln eine herausragende Rolle spielen und doch weiß ich wenig, zu wenig. Dies wird mir umso klarer, je mehr ich davon lese. Auch Dieulefit und die Schule Beauvallon waren mir kein Begriff. Ich bin der Autorin dankbar, dass sie mir einen Einblick in diese für viele so lebensgefährliche Zeit gewährt hat. Ja, Lily und Agnes sind fiktiv, sie stehen stellvertretend für die Kinder von damals und deren Schicksal. Und es gab sie, die stillen Helden und auch die Gründerinnen der Schule, die Guten Feen von Beauvallon und viele, die im Geheimen geholfen haben. Ein ist eindringlicher Roman, der es wert ist, gelesen zu werden, der innerlich aufwühlt und doch aufzeigt, dass es sowas wie Menschlichkeit, ein Füreinander-da-sein immer gegeben hat, immer geben wird.

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Veröffentlicht am 08.05.2023

Genussvoller Périgord-Krimi

Lorbeerglanz
5

Noch immer bin ich gedanklich in Saint-André-du-Périgord, der Wahl-Heimat der deutsch-französischen Kommissarin Marie Mercier. Julie Dubois, die Autorin von „Lorbeerglanz“, hat mich auch mit ihrem dritten ...

Noch immer bin ich gedanklich in Saint-André-du-Périgord, der Wahl-Heimat der deutsch-französischen Kommissarin Marie Mercier. Julie Dubois, die Autorin von „Lorbeerglanz“, hat mich auch mit ihrem dritten Périgord-Krimi nicht nur gut unterhalten, sie hat mich auch tief eintauchen lassen in die idyllische Landschaft, hat mir Maries Kölner Familie näher gebracht und ihre Großtante Léonie hat mir mit so manch Köstlichkeiten Appetit auf mehr gemacht.

Eigentlich will Marie die Tage mit ihrer Familie genießen aber wie so oft kommt ihr auch diesmal ein Mord dazwischen. Der Tote ist kein geringerer als der Besitzer eines gut gehenden Sternerestaurants, er wurde mit einem prähistorischen Dolch ermordet. Schon mysteriös, dass er als leidenschaftlicher Sammler dieser kostbaren Raritäten ausgerechnet mit einem Stück antiker Kunst getötet wurde. Der sehr fein gearbeitete Dolch aus Stein, einem Lorbeerblatt nachempfunden, wurde ihm in die Brust gerammt. Marie fährt zu Edith Boisset, der Witwe des Ermordeten. Diese führt sie in das private Museum ihres Ehemannes, in dem er all die erworbenen Artefakte gehütet hat wie einen Schatz. Da Pierre durch den Stich einer Lorbeerspitze ums Leben kam liegt es nahe, dass ihm seine Sammelleidenschaft zum Verhängnis wurde.

Die Ermittlungsarbeiten gestalten sich schwierig, zumal ein zweiter, ähnlich gelagerter Mord, für zusätzliche Verwirrung sorgt. Verdächtige gibt es mehrere, eigentlich ist mir keiner so ganz geheuer, jedem würde ich alles zutrauen. Auch meine ich, das Mordmotiv zu erahnen und doch lässt sich der Kreis der möglichen Täter lange nicht eingrenzen. Und da taucht immer wieder ein geheimnisvoller Begriff auf, mit dem niemand was anfangen kann. Geschickt spielt die Autorin mit ihren Lesern, legt Fährten aus, die letztendlich ins Nichts führen. Die Aufklärung lässt lange auf sich warten und sie verblüfft – das Ende ist dann doch gut nachvollziehbar.

Maries engster Mitarbeiter Richard Martin, auf den sie sich blind verlassen kann, ist ihr auch hier eine große Hilfe, auch wenn ihn privat etwas zu bedrücken scheint. Und die Meinungsverschiedenheiten mit Michel, ihrem Liebsten, stören die ansonsten so perfekte Idylle zwischen den beiden. Neben der Ermittlungsarbeit sind die kleinen Nebenstorys, auch all die Köstlichkeiten, die Léonie Tag für Tag auftischt, das Salz in der Suppe, um im kulinarischen Jargon zu bleiben.

Da ich vor einiger Zeit „Kalte Blüten“, den Vorgängerband, gelesen habe, fühlt es sich an wie heimkommen nach einer längeren Reise. Marie und die ihren waren mir nach den ersten Seiten wieder vertraut, auch Léonie wird sich ähnlich gefühlt haben, als sie von ihrer Kreuzfahrt von Georges und den beiden Hängebauchschweinen Augustine und Joseph, beide geschniegelt und gestriegelt, begrüßt wurde – ein Empfangskomitee vom Liebenswertesten.

„Lorbeerglanz“ ist ein Krimi mit viel Lokalkolorit und einer sympathischen Protagonistin. Ja, auch hier wird gemordet und die Einzelheiten detailreich geschildert, genussreich aufgelockert durch all die kulinarischen Köstlichkeiten und die idyllischen Landschaftsbeschreibungen. Gerne bin ich wieder dabei, wenn Marie Mercier zu ihrem nächsten Fall gerufen wird.

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Veröffentlicht am 03.05.2023

Sehr spannend

Geheimnisse sterben nicht: Roman
2

Was ist das? Ein Betrunkener mitten auf der Fahrbahn und noch dazu blendet sie ein entgegenkommendes Auto. Jana muss reagieren, schließlich will sie nicht, dass dieser leichtsinnige Fußgänger zu Schaden ...

Was ist das? Ein Betrunkener mitten auf der Fahrbahn und noch dazu blendet sie ein entgegenkommendes Auto. Jana muss reagieren, schließlich will sie nicht, dass dieser leichtsinnige Fußgänger zu Schaden kommt, also steuert sie dagegen. Im Krankenhaus wacht sie auf, den Unfall hat sie überlebt, dabei aber ihr Baby verloren. Auf Lukas haben sie sich gefreut – Jana und Felix, ihr Ehemann. Die Polizei zweifelt ihre Aussage hinsichtlich des Betrunkenen, von dem jede Spur fehlt, an. Dieser Unfall, bei dem Jana ihr Baby verloren hat, ist der Anfang vom Ende. Ihr geliebter Felix entfernt sich immer mehr von ihr. Als er dann stirbt, gehen sie von Selbstmord aus, sein Tod jedoch entpuppt sich als Mord. Und nicht genug damit, wird Jana auch bedroht, ihre Wohnung wird durchsucht, sie ist hier nicht mehr sicher und daher verhilft ihr Hahn, der Polizist ihres Vertrauens, zu einer neuen Existenz fernab ihrer Heimat.

Zeitgleich erfahre ich von Niklas, dem ehemaligen Polizisten. Er und sein Kollege Salim vom Drogendezernat waren das Dream-Team schlechthin. Aus und vorbei, Niklas wurde verurteilt, nachdem er in eine Schlägerei mit schlimmem Ausgang verwickelt war und nun ist er – nach zwei Jahren – mit Bewährungsauflagen aus dem Gefängnis entlassen worden.

Was haben die beiden miteinander zu tun? Jana und Niklas leben in unterschiedlichen Welten und doch führt sie das Schicksal zusammen. Jana ist traumatisiert, zu viel hat sie erleiden müssen und auch bei Niklas meint man, dass mehr hinter dieser Figur steckt. Nicht nur die beiden Hauptakteure, auch die anderen Charaktere agieren auf ihre Weise schlüssig, auch wenn es den Anschein hat, dass sie allesamt etwas zu verbergen haben.

Zwischendurch sind Tagebucheinträgt von Felix zu lesen, auch diese sehr nebulös. Was steckt dahinter? Er benennt Big Boss, der im Hintergrund alle Fäden spinnt. Lange Zeit ist nicht klar, wer damit gemeint ist, die Auflösung hat mich dann kalt erwischt. Nicht nur dieser Part ist klug und durchdacht eingefädelt, all die Geheimnisse – und es sind so einige – haben irgendwie miteinander zu tun, zumindest denke ich beim Lesen, dass es so sein müsste.

Wie es denn wirklich war? Das sollte man sich unbedingt selber erlesen, denn es lohnt sich. Lotte R. Wöss hat einen spannenden und ja, einen geheimnisvollen Roman vorgelegt, dem ich mich – einmal angefangen – nicht entziehen konnte.

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Veröffentlicht am 26.04.2023

Stimmige Milieustudie

Das Café ohne Namen
2

Im „Café ohne Namen“ werden Geschichten erzählt und einige davon hat Robert Seethaler in besagtem Café, das eigentlich gar keines ist, aufgeschrieben. Hier gehen ganz normale Menschen ein und aus, sie ...

Im „Café ohne Namen“ werden Geschichten erzählt und einige davon hat Robert Seethaler in besagtem Café, das eigentlich gar keines ist, aufgeschrieben. Hier gehen ganz normale Menschen ein und aus, sie unterhalten sich, trinken was, auch so manches Mal über den Durst. Und sie machen Brotzeit, Jause wird das wohl in Wien genannt.

Wir schreiben das Jahr 1966, es ist schon eine ganze Weile her. In Wien treffen wir auf Robert Simon, den Gelegenheitsarbeiter auf dem Karmelitermarkt. Er wohnt zur Untermiete bei einer Witwe und greift zu, als ihm eine Gastwirtschaft angeboten wird. Sein Café, wie er es nennt, hat Zulauf vom ganzen Viertel. Es gibt nicht allzu viel, Bier und Wein und auch alkoholfreie Getränke reichen vollkommen aus, daneben schmiert er Schmalzbrote mit und ohne Zwiebel, auch die eingelegten Salzgurken gehen gut und im Winter kann er nicht genug Punsch einkochen, das Rezept hat ihm die Witwe verraten.

Irgendwann verirrt sich Mila auf der Suche nach Arbeit hierher, so mache Gestalt hält Ausschau nach Liebschaften und Jascha, die immer noch von Tito schwärmt, will eine Taube retten. René, der Ringkämpfer, wird Stammgast und der Fleischer von gegenüber, der schon wieder Nachwuchs bekommt, beklagt diesen Umstand einmal mehr. Der alte Georg wird in seinem Suff Zeuge, wie die Reichsbrücke mit einem gewaltigen Rumms einstürzt, um nur einiges aufzuzählen – ein buntes Völkchen trifft sich hier.

Wien erholt sich vom Krieg, der mittlerweile zwanzig Jahre vorbei ist und wir treffen auf Menschen voller Sehnsucht. Es herrscht Aufbruchstimmung. Robert Seethaler gibt seinen Figuren all das mit, was das Leben ausmacht. Sie sind mit ihren Sorgen, aber auch mit ihrem Lebensmut greifbar. Er ist ein exzellenter Geschichtenerzähler. Sein unaufgeregter Erzählstil vermittelt ein stimmiges Gesamtbild, eine Melange aus all den Schicksalen, aus all den Charakteren, die im „Café ohne Namen“ aufeinandertreffen.

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