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Veröffentlicht am 24.08.2017

Feierlichkeit des Erzählens

Pirasol
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Pirasol ist der Name der Villa, in der die 84jährige Gwendoline Suhr und die einige Jahre jüngere Thea Hartwig seit langen gemeinsam leben. Diese Villa kann eine Festung sein, aber auch zum Gefängnis werden.

Dem ...

Pirasol ist der Name der Villa, in der die 84jährige Gwendoline Suhr und die einige Jahre jüngere Thea Hartwig seit langen gemeinsam leben. Diese Villa kann eine Festung sein, aber auch zum Gefängnis werden.

Dem Buch ist ein Zitat der großartigen Dichterin Hilde Domin vorangestellt. Das deutet schon auf den hohen Ton des Romans hin, dem auch ein gewisse Pathos inne ist. Das ist nicht negativ gemeint, den daraus entsteht eine Feierlichkeit des Erzählens. Ein Stil, der sich vom Einheitsbrei der meisten zeitgenössischen Literatur abhebt, auch wenn er altmodisch wirken kann.

Auffällig auch die Erzählstruktur. Die Autorin setzt sinnvoll Zeitsprünge ein.
Gwendolines Erinnerungen reichen zurück in die Zeit, als ihr Vater in der schlimmen Zeit verhaftet und nach Sachsenhausen verbracht wurde, die Jahre ihrer unglücklichen Ehe mit dem besitzergreifenden Willem und ihrem Sohn.
Gegen den Jungen war Willem sogar gewalttätig. Das Gefühl, ihr Kind nicht beschützen zu können, ist für Gwendoline die schlimmste Qual.
Diese Szenen vermögen zu berühren, da die Autorin sie sehr sensibel und mit Detailgenauigkeit schildert.

Gwendoline musste harte Zeiten durchmachen. Auch die Jahre nach dem Krieg waren nicht leicht, das Eheleben mit dem älteren, sadistischen Mann war eine Qual.
Schlimm, dass selbst nach Willems Tod mit Thea sich noch so ein Parasit bei ihr einnistet. Aber da steckt noch etwas anderes dahinter.

Sprachlich ist der Roman feinfühlig gemacht. Es gibt zahlreiche Sätze, die bemerkenswert sind.
Manchmal ist das geschilderte für den Leser nicht einfach zu ertragen, aber es ist ein wichtiges Buch.

Susan Kreller schafft eine Sprache, die angemessen ist, den gepeinigten der Welt, die sich selbst nicht äußern können, eine Stimme zu geben.
Das halte ich für eine große Leistung.

Veröffentlicht am 23.08.2017

Parallelen

Das Schicksal der Sterne
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Das Schicksal der Sterne ist ein Jugendroman, indem sich die Wege eines Jungen und eines Alten kreuzen. Adhib aus Afghanistan erlebte die Ermordung seines Vaters durch die Taliban mit und musste flüchten. ...

Das Schicksal der Sterne ist ein Jugendroman, indem sich die Wege eines Jungen und eines Alten kreuzen. Adhib aus Afghanistan erlebte die Ermordung seines Vaters durch die Taliban mit und musste flüchten. In Deutschland trifft er Karl, der einst als Kind den zweiten Weltkrieg miterlebte und aus Schlesien flüchten musste. Neben dem zeitgenössischen Plot gibt es immer wieder ergreifende Rückblicke, die den Leser emotional anspricht. Der Roman profitiert von den Details der berichteten Widrigkeiten bei der Flucht die sowohl damals wie auch heute sehr hart und gefährlich waren. Der Autor zeigt überraschende Parallelen auf.

Eine ähnliche Konstellation mit Alt und Jung gab es in Peter Härtlings letzten Jugendroman Djadi, Flüchtlingsjunge.
Daniel Höra schreibt aber einen anderen Stil und lässt die beiden Parteien gleichberechtigt zu Wort kommen. Das ist überzeugend und führt zum gelingen des nicht einfachen Stoffes.
Das der Roman trotz so einiger geschildeter Härten nicht düster wird, liegt am Wortwitz, der sich z.B. in den Dialogen zwischen Karl und Mildred entwickelt und an Adhibs positiver Lebenseinstellung. Dabei gaben sie es auch nach ihrer Flucht in der neuen Heimat nicht leicht. Immerhin profitieren sie von ihrer Freundschaft zueinander.
Viele der Beschreibungen halte ich für sehr glaubhaft und nachvollziehbar.

Das Schicksal der Sterne ist ein Roman der bewegt und dem ich viele Leser wünsche.

Veröffentlicht am 23.08.2017

Tristesse mit Atmosphäre

Nach Onkalo
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“Nach Onkalo” ist eine Romanperle, die mich an ganz besondere, ansprechende Independent-Filme erinnert. Ruhig erzählt, es passiert wenig! Schräge Figuren, originell und manchmal liebenswert, manchmal weniger. ...

“Nach Onkalo” ist eine Romanperle, die mich an ganz besondere, ansprechende Independent-Filme erinnert. Ruhig erzählt, es passiert wenig! Schräge Figuren, originell und manchmal liebenswert, manchmal weniger. Dazu ein trister Schauplatz in der Provinz, fernab der Hektik und des Komforts. Doch auch hier zeigt sich in den Naturbeschreibungen eine raue Schönheit. Das alles ist jenseits der gängigen Lesegewohnheiten.

Neben der ziemlich ziellosen Hauptfigur Matuschek, der nach dem Tod seiner Mutter nahezu bindungslos alleine lebt, gibt es auch ein paar bemerkenswerte Nebenfiguren. Allen voran Matuscheks Nachbar Igor, der zum Freund wird oder den alten Rentner und Taubenzüchter Witt. Ein ungemütlicher Typ ist Lewandowski, der offenbar windige Geschäfte macht.

Matuscheks Alltag ist Tristesse ohne Höhepunkte, mit wenig Abwechslung, außer gelegentlichen Angelausflügen und Gesprächen mit Igor.
Dann trifft er Irina, mit der er eine Beziehung beginnt. Ein möglicher Ausweg aus der Einsamkeit.

Kerstin Preiwuß schreibt detailgenau, in manchen Szenen kann das empfindlichen Lesern zu viel werden. Doch der Detailreichtum wird auch gezielt und ökonomisch eingesetzt. Überflüssiges und unnötig ausschmückendes wird ausgespart, dennoch erzeugen ihre Sätze aussagekräftige Bilder beim Lesen.

Die Momente der Stille wechseln mit plötzlichen Ausbrüchen, z.B. auf einer Autofahrt bei starken Regen mit Unfall oder wenn Matuschka die Nerven verliert, rumschreit und wütet. Dazu die Bedrohung des fiesen Lewandowski. Auch das sind Elemente, die den Roman mitbestimmen. Das Leben von Matuschek ist nicht erfüllt, er bleibt ein Sonderling und lebt in seinen Begrenzungen, die er eher unfreiwillig akzeptiert. Ein Thema ist somit auch die Einsamkeit.

Kerstin Preiwuß ist eine begabte Autorin, die von der Lyrik kommt und gekonnt mit Sprache umgeht. Diese Sprache spricht mich sehr an, da sie Überfrachtung vermeidet und viel Atmosphäre erzeugt.

Veröffentlicht am 20.08.2017

sprachliches Meisterwerk

Dann schlaf auch du
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Dieses Buch ist kein Thriller, dennoch habe ich es mit großen Interesse und Spannung gelesen. Es gibt zwar die Morde, aber kein Krimielement. Die Täterin ist von Anfang an klar, nicht jedoch ihr Motiv. ...

Dieses Buch ist kein Thriller, dennoch habe ich es mit großen Interesse und Spannung gelesen. Es gibt zwar die Morde, aber kein Krimielement. Die Täterin ist von Anfang an klar, nicht jedoch ihr Motiv.
Der Mord an zwei kleinen Kindern durch ihre Nanny, die ihre engste Vertraute war, ist mehr als schrecklich.
Ich muss gestehen, der letzte Auslöser für die Bluttat erschließt sich mir auch nach Ende des Romans nicht, da das Verhältnis zwischen den Kindern und ihrer Mörderin so eng war. Das wurde so intensiv geschildert wie auch die Persönlichkeiten der Kinder gut herausgearbeitet wurden. Das schafft nicht jede Autorin.

Das Thema bleibt brisant. Man kann kein Verständnis für die Tat des Kindermädchens Louise haben, wobei immerhin ihre schwierige Lebenssituation erklärt wird.

Ich schätze an dem Buch, dass die Autorin ihre Figuren nicht denunziert. Auch die Eltern der Kinder, ein Paar aus der Mittelschicht, werden nicht einseitig dargestellt. Myriam und Paul sind ein normales Paar. Das Myriam nach der Geburt des zweiten Kindes wieder arbeiten muss, kann ich verstehen, auch wie sie zwischen Beruf und Mutterrolle etwas zerrissen ist. Ein Kindermädchen wie Louise, auf die sich die Kinder gleich einlassen und die auch noch putzt und kocht, ist ein Segen für die Kleinfamilie.
Aber man versteht, wie es zu gegenseitigen Abhängigkeiten kommen kann und das Louise trotz der Nähe letztlich als eigene Persönlichkeit außen vor bleibt. Das ist ein Problem, vor denen viele Eltern stehen.
Mich wunderte aber, dass das Paar nach dem Mord nicht mehr im Fokus stand. Es wird nahezu ausschließlich die Zeit nach der Einstellung von Louise bis zum Zeitpunkt der Morde gezeigt.

Man muss auch noch den Stil der Autorin erwähnen, der einen speziellen Ton erzeugt, ein eigener Sound. Bei dem schweren Thema nutzt die Autorin eine leichte Sprache, die sie aber sehr sorgfältig und genau ausführt. Das Buch ist nicht schwierig zu lesen, aber es ist doch anspruchsvolle Literatur.
Ich war davon ziemlich beeindruckt und würde gerne weitere Bücher von Leila Slimani lesen. Mal sehen, was in Zukunft von ihr noch erscheinen wird.

Veröffentlicht am 17.08.2017

Jenseits aller Afrikaromantik

Der Sandmaler
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Der Sandmaler ist die Geschichte von Elisabeth und Stefan, zwei junge Schweden, die für 2 Wochen nach Afrika fliegen. Geschildert wird aus Stefans und aus Elisabeths Sicht. Elizabeth empfindet die Reise ...

Der Sandmaler ist die Geschichte von Elisabeth und Stefan, zwei junge Schweden, die für 2 Wochen nach Afrika fliegen. Geschildert wird aus Stefans und aus Elisabeths Sicht. Elizabeth empfindet die Reise ambivalent. Sie ist überempfindlich, wo Stefan gelassen bleibt, ihn ereicht so schnell nichts. Überhaupt sind die zwei sehr unterschiedlich, obwohl sie aus der gleichen Gegend kommen, sogar zusammen zur Schule gegangen sind. Doch Stefan stammt aus reichen Haus, ist entsprechend gepampert und Elisabeth kommt aus einem kleinbürgerlichen Milieu. Detailliert wird in einem relativ flachen Stil geschildert. Henning Mankells Frühwerk hat noch nicht die sprachliche Qualität späterer Afrikaromane wie etwa "Erinnerung an einen schmutzigen Engel".
Aber das habe ich erwartet und meine Leseerwartung von Anfang an darauf eingestellt.
Henning Mankell war ein genauer Beobachter, das merkt man auch in dieser Novelle und kann sich deswegen bald einen Eindruck von Afrika nach Ende der Kolonisierung machen. Krasse Unterschiede zwischen Europa und Afrika werden deutlich, zum Beispiel anhand der Armut und fehlenden Perspektiven, sogar schon für Kinder.

Die Handlung bleibt unspektakulär, konzentriert sich darauf, wie die Protagonisten das Land wahrnehmen und von der Fremdheit irritiert sind.
Gerne möchte Stefan in Afrika eine Eroberung machen und mit einer schwarzen Frau schlafen. Elisabeth hingegen nimmt immerhin die Wirklichkeit jenseits der Reisebroschüren wahr und bemüht sich, die Menschen hier kennenzulernen.
Das zeigt, wie wichtig es ist, zu verstehen und sich weiter zu entwickeln.

Das Buch hat mich beeindruckt. Ich hatte nicht so viel erwartet und bin deswegen sehr zufrieden mit diesem klugen Roman.