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Veröffentlicht am 25.02.2021

Zwiespältig

Kim Jiyoung, geboren 1982
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Ist es ein Roman? Oder eher eine sozialwissenschaftliche Abhandlung? Etwas von beidem. Zwischendurch gibt es immer wieder Fußnoten, wie in einer wissenschaftlichen Arbeit Angaben zur Herkunft der demographischen ...

Ist es ein Roman? Oder eher eine sozialwissenschaftliche Abhandlung? Etwas von beidem. Zwischendurch gibt es immer wieder Fußnoten, wie in einer wissenschaftlichen Arbeit Angaben zur Herkunft der demographischen Daten, die im Text mitgeteilt werden. Das ist meiner Meinung nach auch die Crux dieses Romans: man erfährt sehr viel über die Situation der Frauen in Südkorea, die so viel anders nicht ist als bei uns vor ca. 70 Jahren, aber das Einzelschicksal von Jiyoung wird so kühl geschildert, dass einen zwar die Fakten erschüttern, die Erzählung einen jedoch emotional nicht packen kann. Das Buch liest sich trotz Fußnoten durchaus flüssig, aber es fehlt der gewisse Hoffnungsschimmer, damit es einem Spaß machen könnte. Jiyoungs Lage ist ziemlich hoffnungslos, die gesellschaftlichen Erwartungen erdrücken sie. Nachdem es ihr tatsächlich gelungen ist zu studieren und schließlich auch einen relativ guten Job zu finden (immer unterstützt von ihrer Mutter, die ihrer Tochter gern ihr eigenes Schicksal ersparen möchte), lernt sie einen netten jungen Mann kennen und heiratet ihn. Aber nun ist auch die Schwiegerfamilie im Spiel, die dringend einen Stammhalter erwartet ... viel früher, als es Jiyoung lieb ist. Als sie schwanger wird, erscheint es für alle logisch, dass sie ihren hart erkämpften Job aufgibt. Das Geld, das ihr Mann nach Hause bringt, reicht hinten und vorne nicht, weshalb sie sich dann schließlich einen schlecht bezahlten Teilzeitjob sucht, der sich mit Kinderversorgung und Haushalt kombinieren lässt. Und dafür hat sie studiert? Sie fühlt sich ständig müde und ausgelaugt und wird depressiv und psychisch krank. Das ist sehr traurig und deprimierend. Sicher ein wichtiges feministisches, und für Korea bahnbrechendes Buch, aber dass es zum Bestseller geworden ist, erstaunt mich.
Für uns als westliche Leser wirkt das alles sehr weit entfernt und exotisch, dabei sind dieselben Denkweisen - wenn auch in abgeschwächter Form - doch auch bei uns immer noch gang und gäbe!

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Veröffentlicht am 30.11.2020

Authentische Schilderung der Nachkriegsgeneration in West-Berlin

Ada
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Dies war mein erstes Buch von Christian Berkel und der Autor versteht es, eine unterhaltsame und fesselnde Geschichte zu erzählen. Dass es sich bei diesem Roman um den zweiten Band einer Trilogie handelt, ...

Dies war mein erstes Buch von Christian Berkel und der Autor versteht es, eine unterhaltsame und fesselnde Geschichte zu erzählen. Dass es sich bei diesem Roman um den zweiten Band einer Trilogie handelt, war mir vor der Lektüre nicht bewusst, aber ich kam auch ohne die Kenntnis des ersten Bandes problemlos in die Geschichte hinein. Ich bin ein paar Jahre jünger als die fiktive Ada, aber in vielem decken sich ihre Erlebnisse einer westberliner Nachkriegsjugend mit meinen. Besonders eindrückliche Ereignisse waren der Mauerbau, das Stones-Konzert in der Waldbühne, die Ermordung von Benno Ohnesorg während der Demos anlässlich des Schah-Besuchs, die Studentenrevolte und Woodstock (dort war ich zwar nicht, aber trotzdem gehört das irgendwie zur kollektiven Erinnerung).
Die gesamte Familie durchläuft die typische Entwicklung im Wirtschaftswunderland, man kommt allmählich zu Geld und hat einen - ziemlich spießigen - Freundeskreis, mit dem man regelmäßig zusammenkommt. Die Mutter ist Jüdin und war deshalb mit ihrer Tochter aus Deutschland geflohen: erst nach Paris, dann nach Argentinien. Als sie mit der neunjährigen Ada nach Berlin zurückkehrt, ist es für das kleine Mädchen sehr schwierig, sich dort zu Hause zu fühlen. Dann heiratet die Mutter Adas Vater (wobei die tatsächliche Vaterschaft ein Rätsel bleibt), einen Arzt mit eher nicht ganz reiner Weste während der Nazizeit. Die Mutter, Sala, erzieht ihre Kinder katholisch, das jüdische Erbe wird ausgespart. Überhaupt wird in der Familie über viele Themen nicht gesprochen und Ada beginnt, sich zur Rebellin zu entwickeln.
Das ist gut lesbar und interessant, allerdings bin ich trotzdem mit Ada nicht richtig warm geworden. Das mag zum einen daran liegen dass ein Mann in der Ich-Form als Frau erzählt, was manchmal nicht so ganz hinhaut, zum anderen daran, dass ich Adas Aktionen und Reaktionen nicht immer ganz nachvollziehbar fand.
Fazit: Eine unterhaltsame Lektüre, die Erinnerungen weckt und zum Nachdenken anregt.

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Veröffentlicht am 17.06.2023

Ein Leben als Fan

Idol in Flammen
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Das ist die Geschichte von Akari, einer japanischen Schülerin im Teenageralter. Die Autorin beschreibt die obsessiven Ausmaße, die das Fan-Sein bei ihr annimmt. Sie hat ganz offensichtlich schwere psychische ...

Das ist die Geschichte von Akari, einer japanischen Schülerin im Teenageralter. Die Autorin beschreibt die obsessiven Ausmaße, die das Fan-Sein bei ihr annimmt. Sie hat ganz offensichtlich schwere psychische Probleme, leidet unter Depression und Magersucht. Sie hat enorme Minderwertigkeitsgefühle, fühlt sich als unfähiges, dummes Trampel und wächst in einer dysfunktionalen Familie auf. Von ihrer Mutter und Schwester erfährt sie keinerlei Unterstützung, nur Vorwürfe und Genörgel. Die Beschäftigung mit ihrem Idol ist ihre Fluchtstrategie. Das geht so weit, dass ihr ihr Schicksal vollkommen gleichgültig ist und sie die Schule abbrechen will.
Es ist interessant, etwas über die asiatische Idol-Kultur zu erfahren, die es in diesen Ausmaßen bei uns nicht gibt. Letztendlich steckt eine gnadenlose Ausbeutung sowohl der Fans, als auch der sogenannten Idol-Groups dahinter. Die Autorin beschreibt das alles eindrücklich und gut, aber ich muss sagen, ich finde das Ganze ziemlich erschreckend.
Mich hat dieses schmale Bändchen traurig, aber auch aggressiv gemacht. Mir wäre ein etwas dickeres Buch mit mehr Hintergrundinformation lieber gewesen; man merkt, dass Akari schwer gestört ist, man ahnt, dass die familiären Umstände schuld daran sein könnten, aber ich hätte doch lieber mehr "Butter bei die Fische" gehabt. Es ist definitiv eine Kunst, so minimalistisch zu schreiben, aber mein Geschmack ist es nicht. Ich fand die Beschreibung dieses trostlosen Lebens, die Selbstzweifel dieser jungen Frau, ihre Art mit den Problemen umzugehen, erschütternd: das Buch lässt mich bedrückt und ratlos zurück.

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Veröffentlicht am 29.03.2025

Gewollt und nicht gekonnt

Die Kurve
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Mit diesem angeblichen Krimi konnte ich so gar nichts anfangen. Vielleicht auch besonders, weil ich vorher gerade mit Begeisterung SKIN CITY von Johannes Groschupf gelesen hatte. Der macht vor, wie es ...

Mit diesem angeblichen Krimi konnte ich so gar nichts anfangen. Vielleicht auch besonders, weil ich vorher gerade mit Begeisterung SKIN CITY von Johannes Groschupf gelesen hatte. Der macht vor, wie es richtig geht. Das Titelbild und die Leseprobe fand ich recht vielversprechend, die Dialoge erinnerten mich zunächst sogar an die Sprache von Groschupf. Irgendwie cool, lässig und schnoddrig. Doch das täuschte, die Dialoge wurden immer kryptischer, zwar flüssig zu lesen, aber irgendwie nichtssagend, geprägt von gewollter Coolness.
Carl, ehemals Sozialarbeiter und Leiter eines Jugendzentrums in Herne – der titelgebenden Kurve, einer umgewidmeten ehemaligen Tankstelle – hat irgendwann einen kriminellen Weg eingeschlagen: er leitet eine Agentur für kriminelle Dienstleistungen, seine Angestellten hat er aus dem Kreis seiner ehemaligen Schutzbefohlenen rekrutiert, die alle ihre besonderen Talente einbringen können. Abgesehen davon, dass alle Beteiligten moralisch eher „sehr elastisch“ sind, konnte ich in den vielen kurzen Kapiteln keine wirkliche Krimihandlung erkennen und konnte mir keinen Reim darauf machen, was der Autor uns damit sagen will. Es geht eigentlich mehr um die Geschichten der einzelnen Figuren aus Carls Dunstkreis, aber auch da werden nur zu wenige Informationen gegeben, um die Charaktere wirklich zu verstehen. Die Schreibweise ist zwar flott und gut und schnell lesbar, aber eine zusammenhängende Geschichte entsteht nicht aus den einzelnen Vignetten, auch wenn sie teilweise recht unterhaltsam sind.

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Veröffentlicht am 26.02.2025

Kann mit dem ersten Band nicht mithalten – Verworren und nicht sonderlich spannend!

Das Mörderarchiv: Der Tod, der am Dienstag kommt
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Der erste Band dieser neuen Serie hatte mir recht gut gefallen, weshalb ich mich auf den zweiten Band gefreut habe. Leider bin ich ziemlich enttäuscht worden!

Einige Leser haben sich beklagt, dass sie ...

Der erste Band dieser neuen Serie hatte mir recht gut gefallen, weshalb ich mich auf den zweiten Band gefreut habe. Leider bin ich ziemlich enttäuscht worden!

Einige Leser haben sich beklagt, dass sie vieles nicht verstanden haben, weil sie den 1.Band nicht kannten. Doch ich empfand trotz Kenntnis des ersten Bandes auch vieles als unverständlich. Andere Autoren von Krimi-Reihen verstehen sich oft recht gut darauf, wesentliche Informationen nochmal kurz zu wiederholen, so dass auch Neulinge gut in die Handlung hineinkommen. Das habe ich hier vermisst, denn wenn man etwas vor einem Jahr oder mehr gelesen hat, tut eine kleine Auffrischung auch gut.

Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen, einmal jetzt mit Annie als Protagonistin, und die zweite Ebene sind die 60er Jahre, wie Frances sie in ihrem Tagebuch beschreibt. Ziemlich viele der Personen aus Frances’ Tagebuch leben auch heute noch und haben Kontakt zu Annie. Frances’ Tagebucheinträge lesen sich gut, sie bilden einen kohärenten Erzählstrang. Anders sieht es in der Jetztzeit aus, da habe ich einen stringenten Aufbau vermisst. Anders als in Band 1 wirkt Annie jetzt reichlich naiv und unbedarft, ihre sogenannten Ermittlungen sind ein hilfloses Herumstochern, die Dialoge sind recht hölzern, der Autorin sind kleinere Fehler bei Altersangaben etc. unterlaufen und Annie und die sie umgebenden Personen wirken nicht wie Menschen aus Fleisch und Blut. Die finale Auflösung der neuen Morde, die immer noch mit den alten Geschichten aus den 60ern zusammenhängen, hat mich nicht überzeugt und wirkt arg konstruiert. Es bleibt trotz Auflösung, verworren, oberflächlich und unrealistisch.

Ich hatte den Eindruck, dass die Autorin nach dem Erfolg des ersten Bandes unter Druck stand, ein zweites Buch zu schreiben, vermutlich auch eine Verlagsdeadline erfüllen musste und daher dieses Buch zu schnell erstellt hat. Die Lektüre war nicht sonderlich spannend, mir fehlte auch der Humor und ich habe den Krimi mit nur mäßigem Interesse zuende gelesen. Schade!

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