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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.09.2017

Harter Tobak

Kukolka
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Samira wächst in den 90ern in einem ukrainischen Waisenhaus auf. Doch mit 7 Jahren flüchtet sie vor den herzlosen Erziehern, vor den grausamen anderen Kindern und versucht sich ins Land ihrer Träume durchzuschlagen: ...

Samira wächst in den 90ern in einem ukrainischen Waisenhaus auf. Doch mit 7 Jahren flüchtet sie vor den herzlosen Erziehern, vor den grausamen anderen Kindern und versucht sich ins Land ihrer Träume durchzuschlagen: Deutschland. Weiter als bis zum örtlichen Bahnhof kommt sie allerdings nicht, wo sie von Rocky aufgesammelt wird. Der betreibt ein lukratives „Business“: einen Kindertrupp zum Betteln und Stehlen schicken. Samira wird in die Truppe aufgenommen.

Lana Lux hat sich eine sehr ernste Thematik ausgesucht und verschont den Leser nicht: jede harte Grausamkeit, jede realistische Gewalttat, die ganze Härte, die Samiras Alltag bestimmt, werden schonungslos aufgezeigt. Die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund, entsprechend derb ist die Sprache, obwohl insgesamt recht einfach gehalten. Immer wieder muss man sich Samiras Alter vor Augen führen, sie wird (muss) verdammt schnell erwachsen werden. Es ist erstaunlich wie stark sie doch ist, was sie alles erträgt; und trotzdem schleicht sich irgendwann der Gedanke ein, warum sie als Kind ausbrechen konnte, als Teenager aber nicht mehr. Die psychische Abhängigkeit wird sehr glaubhaft dargestellt und gibt (wie eigentlich alle Aspekte des Buches) viel Stoff zum Nachdenken. An manchen Stellen hat mir die Autorin zu dick aufgetragen, insgesamt fand ich ihre Geschichte jedoch sehr überzeugend. Harter Tobak, gekonnt erzählt; der Leser wird gefordert und zumindest mit einem kleinen Hoffnungsschimmer belohnt. Ein toller Erstling!

Veröffentlicht am 24.08.2017

Aufschlussreich und gut geschrieben

Drogen
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Johann Hari hat sich in jahrelanger intensiver Recherche mit dem weltweiten Kampf gegen die Drogen befasst. Anhand sehr berührender Erzählungen greift er Einzelschicksale heraus, die verschiedenste Facetten ...

Johann Hari hat sich in jahrelanger intensiver Recherche mit dem weltweiten Kampf gegen die Drogen befasst. Anhand sehr berührender Erzählungen greift er Einzelschicksale heraus, die verschiedenste Facetten dieser Thematik beleuchten (sicherlich nicht alle, aber der britische Journalist bemüht sich um einen guten Überblick). Der kleine Drogendealer von der Straße kommt genauso zu Wort wie die mexikanische Familie, die in einer von Drogenkartellen beherrschten Stadt lebt. Diese Geschichten ergänzt Hari mit sehr gut aufbereiteten Fakten und wissenschaftlichen Hintergründen, liefert einen guten Überblick über aktuelle Studien zur Thematik und wirft auch einen Blick in die Vergangenheit. Er zeigt auch, dass das Denken vieler von eingeimpften Halbwahrheiten beherrscht wird, die wissenschaftlich inzwischen widerlegt wurden. Hari widmet einen Großteil seines Buches, um die Sinnlosigkeit des harten Drogenkrieges aufzuzeigen; und die neuen Wege, die einen anderen, menschenwürdigeren Umgang mit Süchtigen beschreiten. Anhand von praktischen Beispielen aus der Schweiz oder Urugay zeigt er, dass es geht. Entkriminalisierung und Legalisierung von Besitz und Konsum wird ebenso thematisiert, wie die Unverhältnismäßigkeit der Strafen, die einen z.B. in den USA erwarten können. Sprachlich wirkt dieses Buch oft weniger wie ein nüchternes Sachbuch, sondern eine Ansammlung von Erzählungen. Der Autor schreibt sehr flüssig und erschlägt einen nicht mit Zahlen und Daten, sondern bettet sie sinnvoll ein. Einzig den Aufbau fand ich manchmal etwas ungeschickt, gerade im ersten Drittel wirkten die einzelnen Kapitel noch etwas unlogisch strukturiert. Insgesamt hat mir dieses Buch jedoch sehr gut gefallen, es liefert neue Informationen und reichlich Denkanstöße.

Veröffentlicht am 12.07.2017

Nachdenklicher, düsterer Roman

Die Summe aller Möglichkeiten
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In einem französischen Touristenstädtchen an der Côte d‘Azur wird Antoine, der Spielemacher der örtlichen Fußballmannschaft bei seiner Arbeit auf dem Campingplatz zusammengeschlagen. Dieser Vorfall hat ...

In einem französischen Touristenstädtchen an der Côte d‘Azur wird Antoine, der Spielemacher der örtlichen Fußballmannschaft bei seiner Arbeit auf dem Campingplatz zusammengeschlagen. Dieser Vorfall hat Auswirkungen auf die Leben seiner Bekannten, Freunde und Feinde.

Olivier Adam hat mich mit seinem Roman fasziniert. Jedes Kapitel ist aus der Sicht einer anderen Person geschrieben, jedes Kapitel liefert neue Einblicke in das Geschehen. Egal ob es sich dabei um Personen handelt, die Antoine sehr nahestehen oder ob es zufällig ausgewählte Touristen sind: jeder ist irgendwie in das große Ganze verstrickt. Der Autor verwebt diese einzelnen Episoden sehr geschickt, nach anfänglichen Schwierigkeiten findet man sich als Leser schnell zurecht. Man erkennt, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat, denn quasi alle Figuren erleben gerade eine persönliche Krise, einen Schicksalsschlag. Somit ist der Ton meist eher düster und oft eher melancholisch. Die Unruhe und aufgewühlte Stimmung umrahmt der Autor mit einem Sturm, den er über das kleine Dorf ziehen lässt. Ein rundum gut durchdachter Plot. Sprachlich beschränkt sich Adam oft auf kurze Sätze, die umso prägnanter formuliert sind. Seine Szenarien wirken authentisch und geben eine ansprechenden Gesellschaftsstudie wider. Vom Stil her eher anspruchsvoll geschrieben, thematisch düster und nachdenklich machend, hat mich dieser Roman doch in der Summe sehr gut unterhalten.

Veröffentlicht am 11.07.2017

Kurzweiliger Thriller

Die Lieferantin
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In nicht allzu ferner Zukunft boomt das Drogengeschäft im Darknet. Spitzenverkäufer ist die Lieferantin, bei der man bequem per App bestellt und die Drogen per Drohne prompt geliefert bekommt. Klar, dass ...

In nicht allzu ferner Zukunft boomt das Drogengeschäft im Darknet. Spitzenverkäufer ist die Lieferantin, bei der man bequem per App bestellt und die Drogen per Drohne prompt geliefert bekommt. Klar, dass diese Neue den Alteingesessenen aus dem Londoner Milieu die Geschäfte vermiest. Die Jagd beginnt.

Ich kannte noch kein Buch der Autorin, hatte aber schon viel Gutes gehört und war dementsprechend neugierig. Enttäuscht wurde ich nicht. Die Lieferantin liefert Spannung auf hohem Niveau, wirft aber gleichzeitig auch kleine Gedanken zum Nachgrübeln auf. Natürlich spielen Drogen, deren Legalisierung und Suchterkrankungen eine Rolle, aber auch Rassismus und Machtgefüge. Ich fand die Mischung sehr ansprechend. Beck schreibt flüssig, hält den Spannungsbogen sehr gut. Auch ihre Charaktere fand ich überzeugend, selbst wenn der eine oder andere aus dem Milieu etwas klischeehaft rüberkam. Insgesamt ein runder, realistischer Thriller, der mich sehr gut unterhalten hat.

Veröffentlicht am 01.07.2017

Dickes B

Berlin für die Hosentasche
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Deutschlands Hauptstadt ist gefragt wie nie, dementsprechend gibt es auch Reiseführer wie Sand am Meer. Umso schöner, dass der Autor eine neue und informative Art gefunden hat, dem Neu- oder Altberliner ...

Deutschlands Hauptstadt ist gefragt wie nie, dementsprechend gibt es auch Reiseführer wie Sand am Meer. Umso schöner, dass der Autor eine neue und informative Art gefunden hat, dem Neu- oder Altberliner bzw. –besucher die Stadt an der Spree näher zu bringen. Natürlich wartet er auch mit den „üblichen“ Fakten auf: Einwohnerzahl, Fläche, Verkehrswege etc. kann jeder in 2 Sekunden bei google & Co. nachlesen. Wo es die beste Currywurst oder gar ein Museum dazu gibt, schon eher nicht. Gutberlet ist außerdem ein großer Listenschreiber, wer die tollsten Exponate in Berliner Museen, die schönsten Kinos oder eben die besten Currywurstbuden sucht, wird schnell in der entsprechenden Liste fündig. Doch der Autor gibt auch einen umfassenden Überblick über die jüngere und ältere Geschichte der Stadt, über Wirtschaftsgeschichte, Politik und Zukunftsvisionen. Gerade diese Kapitel fand ich sehr interessant und ich habe noch einiges dazu gelernt. Das Buch ist sehr angenehm zu lesen, keine dröge Reiseliteratur, sondern in einem solchen Ton verfasst, dass ich dem Autor die Liebe zur Stadt durchaus abnehme. Berlin für die Hosentasche ist dickes Büchlein, das reichlich Information und Unterhaltung bietet und definitiv Lust macht, alles noch einmal live und vor Ort zu „überprüfen“.