Profilbild von Michael_B_M

Michael_B_M

Lesejury Star
online

Michael_B_M ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Michael_B_M über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.05.2021

Hommage an „Die große Zelda“ im Schatten des literarischen Genies

Tage mit Gatsby
10

Wer kennt ihn nicht, Francis Scott Key Fitzgeralds weltberühmten „Der Große Gatsby“. Mit seinen Protagonisten Daisy, Tom, Jay, Jordan, George und Myrtle, einer Reihe von Nebencharakteren sowie dem Erzähler ...

Wer kennt ihn nicht, Francis Scott Key Fitzgeralds weltberühmten „Der Große Gatsby“. Mit seinen Protagonisten Daisy, Tom, Jay, Jordan, George und Myrtle, einer Reihe von Nebencharakteren sowie dem Erzähler Nick stellt der Roman eines der bedeutendsten Werke der amerikanischen Literatur und eines der wichtigsten Gesellschaftsporträts der Nachkriegsjahre nach dem ersten Weltkrieg dar. Insbesondere in den USA ist es die Zeit der Prohibition, der „Roaring Twenties“, des „Jazz Age“, der „Lost Generation“ und natürlich auch der „Flappers“, die mit viel Selbstbewusstsein, ihren ersten Emanzipationsversuchen und ihrer Mode eine ganz eigene, neue Lebensphilosophie etablieren wollen. Eine der herausragendsten und schillerndsten Persönlichkeiten dieser Epoche ist die Stil-Ikone und Frau des großen Schriftstellers - Zelda Sayre Fitzgerald. Sie ist die Hauptfigur in Joséphine Nicolas‘ Erstlingswerk „Tage mit Gatsby“, in welchem uns die Autorin sehr faszinierend und emotional mitreißend die Zusammenhänge und Hintergründe zur Entstehungsgeschichte des „Großen Gatsby“ näher bringt. Joséphine Nicolas lässt dem Leser dabei auf allerhöchstem sprachlichen Niveau die gesamte Handlung so authentisch und lebensnah aus Sicht von Zelda Fitzgerald erzählen, dass man das Gefühl bekommt, ständiger Begleiter Zeldas zu sein, Zelda direkt zuzuhören und auch an ihren Gedanken und Emotionen teilzuhaben. Der Sprachstil wurde dazu perfekt an die „Zwanziger“ adaptiert; sämtliche Orte, an denen sich die Fitzgeralds damals aufhielten, wurden von der Autorin aufgesucht, um sich noch besser in ihre Charaktere hinein versetzen zu können.

Das Buch beginnt mit der Widmung „Once again to Zelda“, gefolgt von einem Zitat Francis S. Fitzgeralds, in dem er Zweifel äußert, ob Zelda und er überhaupt real seien oder vielmehr Figuren in einer seiner Geschichten. Es wird genau diese interessante Frage sein, die sich der Leser am Ende des Buches im Hinblick auf die Vorlage „Der Große Gatsby“ auf die eine oder andere Art ebenso stellen wird.
Wir erfahren im Verlauf des Buches, wie sich die beiden gegen die Einwände von Zeldas Familie kennen und lieben gelernt haben, wie Zelda aus dem Elternhaus ausbricht, (nach Scotts Ideen) zum „Flapper“, Party- und It-Girl geformt wird, gleichzeitig aber auch Scotts Muse und engste Beraterin ist. Skrupellos bedient Scott sich der Ideen und Emotionen in ihren Tagebüchern und ihrem Alltagsleben, veröffentlicht teils mit, teils ohne ihre Zustimmung Zeldas Texte. Darüber hinaus versucht er Zeldas Talent zum Schreiben kleinzureden und sie am Veröffentlichen ihrer eigenen Literatur zu hindern.
Die beiden lieben sich, die beiden hassen sich; sie können nicht ohne einander, aber genauso wenig miteinander – es ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Hassliebe. Wir erfahren von Alkoholexzessen, unzähligen Partys, Ehekrisen, Fremdgehen, Geldnot, Scotts Schreiben von Kurzgeschichten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes, Treffen und Flirten mit allerlei Prominenz jener Epoche, der Reise von den USA nach Paris, weiter nach Südfrankreich (hierzu wurde auch das wunderschön passende Buchcover gewählt), nach Rom und Capri und wieder zurück in die USA. Wir lesen auch vom französischen Piloten Jozan, der Zelda das Herz bricht und sie in eine tiefe Krise stürzt. Schließlich hören wir auch von Zeldas und Scotts kleiner Tochter Scottie, die zeitweise in kleinen Hotelzimmern zwischen Alkoholflaschen und Exzessen oder bei befreundeten Familien aufwächst, vorwiegend von der Nanny betreut wird und von ihren überforderten Eltern nie die Aufmerksamkeit und Liebe bekommt, die eine Zweijährige unbedingt benötigt. Und zu guter Letzt erfahren wir auch von Scotts und Zeldas bitterem Ende.

Grandios gelingt es Joséphine Nicolas die gesamte Handlung zusammen mit der damit verbundenen Gefühlswelt dem Leser, eingefärbt durch Zeldas Blick auf das Geschehen, sehr glaubhaft und authentisch zu vermitteln. Gleichermaßen erkennt der Leser, wie Scott Fitzgerald sein gesamtes Umfeld detailliert beobachtet und instrumentalisiert, sich die Emotionen und Eigenschaften aller zu Nutze macht und all das auf wunderbarste Weise in seine Geschichten zu integrieren vermag. Selbst die vernachlässigte kleine Scottie wurde von ihm in seinen Roman übernommen. Zum Abschluss wartet „Tage mit Gatsby“ dann auch noch mit einem beeindruckenden Epilog auf, der sich tief in die Erinnerungen des Lesers eingräbt.

Fazit: Mit ihrem Debüt-Roman hat Joséphine Nicolas sicherlich einen der aktuell allerbesten deutschsprachigen Romane geschrieben, der den Leser vom Anfang bis zum Ende mitreißt und in dessen Geschichte Realität und Fiktion ideal miteinander verwoben sind. Sprachlich, informativ und emotional ist „Tage mit Gatsby“ auf allerhöchstem Niveau. Wer „Der große Getsby“ mag, wird „Tage mit Gatsby“ lieben. Nach Joséphine Nicolas Roman liest man den „Großen Gatsby“ nochmal mit einem ganz neuen und frischen Blick auf das dortige Geschehen, möglicherweise ja sogar durch die Augen des mysteriösen Dr. T. J. Eckelburg. Für mich persönlich zählt „Tage mit Gatsby“ bereits jetzt zu den absoluten Lesehighlights des Jahres 2021.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Geschichte
Veröffentlicht am 30.05.2021

Tod und späte Einsichten eines unvollendeten Schriftstellers

Schnee auf dem Kilimandscharo
0

(Anmerkung: Da es sich um eine Kurzgeschichte handelt, scheint es mir unmöglich eine vernünftige aussagekräftige Rezension schreiben zu können, ohne dabei zu SPOILERN.)

„Schnee auf dem Kilimandscharo“ ...

(Anmerkung: Da es sich um eine Kurzgeschichte handelt, scheint es mir unmöglich eine vernünftige aussagekräftige Rezension schreiben zu können, ohne dabei zu SPOILERN.)

„Schnee auf dem Kilimandscharo“ ist vermutlich die bekannteste Kurzgeschichte des großen Ernest Hemingway. Die Geschichte wurde 1936 veröffentlicht und handelt von dem Schriftsteller Harry, der sich zusammen mit seiner Lebensgefährtin Hellen auf einer Fotosafari in Afrika befindet und sich beim Fotografieren einer Herde Wasserböcke im Grunde genommen nur leicht verletzt. Allerdings wurde die Wunde nur unzureichend versorgt, der Wundbrand hat sich entzündet und Harry hat das Gefühl daran sterben zu müssen. Anfangs hatte die Wunde geschmerzt, aber nun sind die Schmerzen vorbei. Da ihr Lastwagen defekt ist, müssen sie ihr Lager mitten in der Wildnis aufschlagen. Harry nutzt die Zeit um, unterbrochen von Fieberschüben, nochmals über sein Leben zu sinnieren. Dabei fällt ihm auf, dass er seine Lebensgefährtin, die sich liebevoll um ihn kümmert, nicht mehr wirklich liebt, vielleicht nie wirklich geliebt hat, sondern lediglich aus Bequemlichkeit mit ihr zusammen ist und sich von der Witwe aushalten lässt, da sie einerseits gut im Bett ist und andererseits reich ist und nie eine Szene macht. Er hat das Gefühl von den Geiern bereits beobachtet zu werden und eine Hyäne schleicht, angezogen vom Geruch seiner Wunde, unentwegt um das Lager herum. Verschiedene Frauen aus seinem Leben fallen ihm wieder ein und Lebensabschnitte aus seiner Kindheit und aus seiner Kriegszeit kommen ihm wieder ins Gedächtnis, u.a. eine Geschichte über einen Jungen, der jemanden erschossen hat und dafür ins Gefängnis musste, das aber nicht nachvollziehen konnte. Kurz gesagt: Ganz viele Erinnerungen, die für ihn immer das Potenzial zum Aufschreiben gehabt hätten, die er aber nie zu Papier gebracht hat, was er nun sehr bedauert. Dazwischen immer wieder wirre Gedanken und Dialoge mit Hellen.

Er bittet Hellen, die nicht an seinen nahenden Tod glaubt, ihn seine letzte Nacht im Freien verbringen zu lassen. Hellen jedoch lässt Harry, den sie fälschlicherweise im Schlaf wähnt, ins Zelt tragen. Harry macht sich noch allerlei Gedanken über den Tod, der sich ihm immer mehr zu nähern scheint, schläft aber dann doch ein. Am anderen Morgen kommt er zu sich und das Flugzeug, das ihm letzte Hoffnung auf seine Rettung verspricht, ist eingetroffen. Er wir verladen und der Flug beginnt. Allerdings steuert der Pilot schließlich auf den gleißend hellen Gipfel des Kilimandscharo zu.

Mit der Beschreibung dieses Gipfel und einem kurzen Abriss über den Kilimandscharo, der schneebedeckt sei, eine Höhe von 6000 Metern besitzt und als der höchste Berg von Afrika gilt, hat die Geschichte genau genommen eingangs begonnen: Die Einheimischen nennen seinen Gipfel „Das Haus Gottes“. Knapp unter dem Gipfel wurde das gefrorene Gerippe eines Leoparden gefunden, von dem aber niemand weiß, was der Leopard in dieser Höhe überhaupt wollte. Und Harry wird nun klar, was geschehen ist. Hellen wird an diesem Morgen durch das klagende Heulen einer Hyäne geweckt, schaut zu Henry und sieht, dass sein Bein aus dem Lager heraushängt und der Verband komplett abgewickelt ist. Sie kann nicht hinschauen und versteht nun, dass Harry tatsächlich tot ist.

Aber Hemingway wäre nicht Hemingway, wenn da nicht noch eine tiefsinnige Botschaft dahinter stecken würde. Was auf den ersten Blick eher als eine zusammenhangslose, verwirrende Geschichte, die den Fieberwahn von Harry widerspiegelt, angesehen werden kann, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung, als eine geniale Vernetzung von Leben, Genuss, Zeit, Erinnerungen, Bequemlichkeiten, Glaube, Hoffnung, Liebe und Tod. Jede noch so kleine Beobachtung und Randnotiz entpuppt sich für das Verständnis als essentiell wichtig. Obwohl die Geschichte ungewöhnlich kurz ist, trägt sie zu viel Information und Interpretation in sich, all dass man dies alles beim ersten Lesen erfassen kann. Sie ist allerdings kurz genug, als dass sie sich nach einem ersten Lesen und darüber Nachdenken problemlos nochmals lesen lässt.

Fazit: Obwohl „Schnee auf dem Kilimandscharo“ beim ersten Lesen als eine verwirrende, fast schon belanglose Geschichte erscheint, bei der der Leser kaum erfasst, wo die Handlung überhaupt hinführen soll, handelt es sich bei genauer Betrachtung um eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Leben und Tod. Nicht umsonst hat sie völlig verdient Weltruhm erreicht. In vielen äußerst kurzen Sätzen teilt Hemingway detailreich seine Beobachtungen mit. Die wahre Bootschaft des Textes liegt allerdings verborgen zwischen den Zeilen und der Leser muss sie für sich selbst entdecken. Von meiner ganz persönlichen Warte aus gesehen, handelt es sich bei „Schnee auf dem Kilimandscharo“ um ein literarisches Meisterwerk.

Ich habe sowohl das Buch gelesen, als auch das Hörbuch in der hier vorliegenden sowie in einer weiteren Version gehört. Inhaltlich sind sie natürlich alle gleich. Anzufügen bleibt aber für das Hörbuch, dass sowohl das Lesetempo als auch die Stimmen von Rosemarie Fendel und Peter Lieck nicht schlecht gewählt sind. Allerdings gefällt mir persönlich die Hörbuchversion mit Otto Sander als Sprecher um ein Vielfaches besser.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.05.2021

Tod und späte Einsichten eines unvollendeten Schriftstellers

Schnee auf dem Kilimandscharo
0

(Anmerkung: Da es sich um eine Kurzgeschichte handelt, scheint es mir unmöglich eine vernünftige aussagekräftige Rezension schreiben zu können, ohne dabei zu SPOILERN.)

„Schnee auf dem Kilimandscharo“ ...

(Anmerkung: Da es sich um eine Kurzgeschichte handelt, scheint es mir unmöglich eine vernünftige aussagekräftige Rezension schreiben zu können, ohne dabei zu SPOILERN.)

„Schnee auf dem Kilimandscharo“ ist vermutlich die bekannteste Kurzgeschichte des großen Ernest Hemingway. Die Geschichte wurde 1936 veröffentlicht und handelt von dem Schriftsteller Harry, der sich zusammen mit seiner Lebensgefährtin Hellen auf einer Fotosafari in Afrika befindet und sich beim Fotografieren einer Herde Wasserböcke im Grunde genommen nur leicht verletzt. Allerdings wurde die Wunde nur unzureichend versorgt, der Wundbrand hat sich entzündet und Harry hat das Gefühl daran sterben zu müssen. Anfangs hatte die Wunde geschmerzt, aber nun sind die Schmerzen vorbei. Da ihr Lastwagen defekt ist, müssen sie ihr Lager mitten in der Wildnis aufschlagen. Harry nutzt die Zeit um, unterbrochen von Fieberschüben, nochmals über sein Leben zu sinnieren. Dabei fällt ihm auf, dass er seine Lebensgefährtin, die sich liebevoll um ihn kümmert, nicht mehr wirklich liebt, vielleicht nie wirklich geliebt hat, sondern lediglich aus Bequemlichkeit mit ihr zusammen ist und sich von der Witwe aushalten lässt, da sie einerseits gut im Bett ist und andererseits reich ist und nie eine Szene macht. Er hat das Gefühl von den Geiern bereits beobachtet zu werden und eine Hyäne schleicht, angezogen vom Geruch seiner Wunde, unentwegt um das Lager herum. Verschiedene Frauen aus seinem Leben fallen ihm wieder ein und Lebensabschnitte aus seiner Kindheit, aus dem Schwarzwald, aus Paris, aus den Alpen, aus Nordamerika und aus seiner Kriegszeit kommen ihm wieder ins Gedächtnis, u.a. eine Geschichte über einen Jungen, der jemanden erschossen hat und dafür ins Gefängnis musste, das aber nicht nachvollziehen konnte. Kurz gesagt: Ganz viele Erinnerungen, die für ihn immer das Potenzial zum Aufschreiben gehabt hätten, die er aber nie zu Papier gebracht hat, was er nun sehr bedauert. Dazwischen immer wieder wirre Gedanken und Dialoge mit Hellen.

Er bittet Hellen, die nicht an seinen nahenden Tod glaubt, ihn seine letzte Nacht im Freien verbringen zu lassen. Hellen jedoch lässt Harry, den sie fälschlicherweise im Schlaf wähnt, ins Zelt tragen. Harry macht sich noch allerlei Gedanken über den Tod, der sich ihm immer mehr zu nähern scheint, schläft aber dann doch ein. Am anderen Morgen kommt er zu sich und das Flugzeug, das ihm letzte Hoffnung auf seine Rettung verspricht, ist eingetroffen. Er wir verladen und der Flug beginnt. Allerdings steuert der Pilot schließlich auf den gleißend hellen Gipfel des Kilimandscharo zu.

Mit der Beschreibung dieses Gipfel und einem kurzen Abriss über den Kilimandscharo, der schneebedeckt sei, eine Höhe von 6000 Metern besitzt und als der höchste Berg von Afrika gilt, hat die Geschichte genau genommen eingangs begonnen: Die Einheimischen nennen seinen Gipfel „Das Haus Gottes“. Knapp unter dem Gipfel wurde das gefrorene Gerippe eines Leoparden gefunden, von dem aber niemand weiß, was der Leopard in dieser Höhe überhaupt wollte. Und Harry wird nun klar, was geschehen ist. Hellen wird an diesem Morgen durch das klagende Heulen einer Hyäne geweckt, schaut zu Henry und sieht, dass sein Bein aus dem Lager heraushängt und der Verband komplett abgewickelt ist. Sie kann nicht hinschauen und versteht nun, dass Harry tatsächlich tot ist.

Aber Hemingway wäre nicht Hemingway, wenn da nicht noch eine tiefsinnige Botschaft dahinter stecken würde. Was auf den ersten Blick eher als eine zusammenhangslose, verwirrende Geschichte, die den Fieberwahn von Harry widerspiegelt, angesehen werden kann, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung, als eine geniale Vernetzung von Leben, Genuss, Zeit, Erinnerungen, Bequemlichkeiten, Glaube, Hoffnung, Liebe und Tod. Jede noch so kleine Beobachtung und Randnotiz entpuppt sich für das Verständnis als essentiell wichtig. Obwohl die Geschichte ungewöhnlich kurz ist, trägt sie zu viel Information und Interpretation in sich, all dass man dies alles beim ersten Lesen erfassen kann. Sie ist allerdings kurz genug, als dass sie sich nach einem ersten Lesen und darüber Nachdenken problemlos nochmals lesen lässt.

Fazit: Obwohl „Schnee auf dem Kilimandscharo“ beim ersten Lesen als eine verwirrende, fast schon belanglose Geschichte erscheint, bei der der Leser kaum erfasst, wo die Handlung überhaupt hinführen soll, handelt es sich bei genauer Betrachtung um eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Leben und Tod. Nicht umsonst hat sie völlig verdient Weltruhm erreicht. In vielen äußerst kurzen Sätzen teilt Hemingway detailreich seine Beobachtungen mit. Die wahre Bootschaft des Textes liegt allerdings verborgen zwischen den Zeilen und der Leser muss sie für sich selbst entdecken. Von meiner ganz persönlichen Warte aus gesehen, handelt es sich bei „Schnee auf dem Kilimandscharo“ um ein literarisches Meisterwerk.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.04.2021

Mittendrin bei der normannischen Eroberung Englands, statt nur dabei

Das zweite Königreich
3

Wie etabliert im Genre des historischen Romans, werden geschichtlich verbürgte Ereignisse mit einer fiktiven Handlung verwoben. In diesem Fall ist es die fiktive Geschichte des sympathischen Cædmon of ...

Wie etabliert im Genre des historischen Romans, werden geschichtlich verbürgte Ereignisse mit einer fiktiven Handlung verwoben. In diesem Fall ist es die fiktive Geschichte des sympathischen Cædmon of Helmsby dessen Höhen und Tiefen seines Lebens wir über die Zeitspanne von 2 Jahrzehnte hinweg begleiten dürfen. Sein Charakter ist dabei so vielschichtig, wie der aller anderen wichtigen Personen des Romans.

Klappentext:
"England 1064: Ein Piratenüberfall setzt der unbeschwerten Kindheit des jungen Cædmon of Helmsby ein jähes Ende - ein Pfeil verletzt ihn so schwer, dass er zum Krüppel wird. Sein Vater schiebt ihn ab und schickt ihn in die normannische Heimat seiner Mutter. Zwei Jahre später kehrt Cædmon mit Herzog William und dessen Eroberungsheer zurück. Nach der Schlacht von Hastings und Williams Krönung gerät Cædmon in eine Schlüsselposition, die er niemals wollte: Er wird zum Mittler zwischen Eroberern und Besiegten. In dieser Rolle schafft er sich erbitterte Feinde, doch er hat das Ohr des despotischen, oft grausamen Königs. Bis zu dem Tag, an dem William erfährt, wer die normannische Dame ist, die Cædmon liebt ..."

Der Klappentext gibt dem Leser eine erste kurze Idee, welch tolle Geschichte die Autorin um den Protagonisten Cædmon, seine Freunde und seine Feinde spinnt.
In dem wie immer bei Rebecca Gablé hervorragend recherchierten Roman geht es historisch aber nicht um Cædmon, sondern um das Leben des normannischen Herzogs William, genannt der Bastard. Er wird auf die Insel übersetzen, England erobern, zum König gekrönt werden und die normannische Herrschaft über England einleiten. Diese wird von Auseinandersetzungen mit den Dänen und Aufständen der englischen Bevölkerung geprägt sein. Und geben diese kurzzeitig Ruhe, brodelt es in seinem normannischen Herzogtum und er muss wieder zurück aufs Festland und dort für Ordnung sorgen. Auf grandiose Art und Weise gelingt es Rebecca Gablé mit ihrem flüssigen und spannenden Schreibstil einmal mehr, historische und fiktive Charaktere und Gegebenheiten in einem epischen "Historischen Roman" so miteinander zu verknüpfen, dass der Leser das Gefühl bekommt, mittendrin im Geschehen zu sein. Wie so oft bei ihren Büchern ist man von der Handlung so gefesselt, dass man den Roman am liebsten ohne jegliche Unterbrechung am Stück lesen möchte, was allerdings angesichts des Buchumfangs von 880 Seiten unmöglich erscheint.

Fazit: Für mich einer der allerbesten "Historischen Romane" insgesamt und wahrscheinlich der beste zur Eroberung Englands durch "William the Conqueror“, in dem das historische und fiktive Geschehen genial miteinander verschmelzen. Einmal mehr beweist Rebecca Gablé, dass sie völlig zu recht als die König dieses Genres bezeichnet wird.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.08.2023

Temporeicher Wissenschaftsthriller über globale Erderwärmung, Permafrost, Kipppunkte, Anthrax ... und Backpulver

Toxin
14

Kathrin Langes und Susanne Thieles jüngstes Werk „Toxin“ ist unverkennbar der Nachfolger zur überzeugenden und allseits gelobten „Probe 12“ und somit der zweite Band dieses Autorenduos. Bereits das Cover, ...

Kathrin Langes und Susanne Thieles jüngstes Werk „Toxin“ ist unverkennbar der Nachfolger zur überzeugenden und allseits gelobten „Probe 12“ und somit der zweite Band dieses Autorenduos. Bereits das Cover, welches wiederum mit der auffallenden Kombination aus Neon-Gelb-Grün und Schwarz aufwartet, sorgt für einen extrem hohen Wiedererkennungswert und ist stimmig zum Titel gewählt. Einmal mehr verbinden die beiden Autorinnen, wie schon beim Vorgängerband, auf grandiose Art und Weise mit ihrem wunderbar mitreißenden Schreibstil atemberaubenden Thrill und geladene Action mit wissenschaftlich fundierten und hervorragend recherchierten Fakten, die das aktuelle Zeitgeschehen intensiv aufgreifen.

„Toxin“ beginnt mit zwei zunächst recht sibyllinischen Zitaten von einerseits Miguel de Cervantes und andererseits einer Wortneuschöpfung der Inuit, deren Zusammenhang zum Geschehen sich dem Leser erst im Laufe das Buches in voller Tragweite erschließt. Ging es in „Probe 12“ noch um Phagen, beschäftigt sich „Toxin “ politisch wiederum hoch aktuell, mit Kipppunkten in der allseits diskutierten Klimaproblematik und mit der globalen Erderwärmung.

Wie wird diese Ausgangsbasis nun also in den Plot eines atemberaubenden Wissenschaftsthrillers gepackt? - In einer Rückblende um 10 Jahre wird dem Leser ein Vorfall im Arctic Village in Nordalaska geschildert, bei dem, bedingt durch die Erderwärmung, Teile des lokalen Permafrost auftauen, was schließlich einen Hangabrutsch größeren Ausmaßes bewirkt. Hierdurch kommen die Gebeine von Rentieren zum Vorschein, die wiederum gefährliche Milzbranderreger (Bacillus anthracis - kurz Anthrax) freisetzen, an denen mehrere Menschen versterben. Bei einem Zeitsprung ins „Heute“ lernen wir Gereon Kirchner kennen, der im Rahmen des vor Jahrzehnten ins Leben gerufenen Permafrosttunnel-Projekts in Alaska Proben solcher Milzbrandbakterien nehmen und aus ihnen zusammen mit seinem Geschäftspartner Mike Reed und seiner Mitarbeiterin Airi Young ein Mittel gegen Krebs herstellen möchte. In eben jenem Tunnel findet er überraschender Weise hochbrennbares Aluminiumpulver und trifft urplötzlich auf eine ihm bekannte Person.
„Klappe und Cut!“ - Wie immer bei Kathrin Lange und Susanne Thiele wird in den jeweiligen Kapiteln nie zu viel verraten, wodurch das Spannungslevel immer hoch gehalten wird, die konsequenten Cliffhanger mit anschließendem Szenenwechsel am Ende jedes Abschnitts und die Vielzahl von parallelen Handlungssträngen tun ihr Übriges hierzu. In einem dieser Stränge erfahren wir dann im weiteren Verlauf, dass Gereon Kirchner der aktuelle Lebenspartner von Nina Falkenberg ist, also der Heldin und Hauptprotagonistin aus „Probe 12“. Von Berlin aus, welches erst vor kurzem aufgrund der viel zu hohen Temperaturen und starken Regenfällen überflutet war, kann sie Gereon seit Tagen nicht erreichen. Darüber hinaus wirft die Presse die Frage auf, ob Gereon mit seiner Nutzbarmachung der Milzbranderreger für die Krebsforschung am ungeklärten Tod von Berliner Obdachlosen schuld sein könnte. Zusätzliche Spannung verspricht ein weiterer Handlungsstrang in welchem Nina Tom Morell, einen weiteren guten Bekannten und Helden aus dem Vorgängerband, bittet nach Alaska zu reisen und mehr über den vermissten Gereon herauszufinden. Dort angekommen, wird die Leiche einer Frau gefunden, in deren Tod möglicherweise Gereon involviert ist. Ferner wird von Klimaaktivisten und einflussreichen Gegenorganisationen, geschmierten Lobbyisten, großartigen Ermittlerteams und potentiellen Revolverhelden mit einer gemeinsamen Vegangenheit im Arctic Village die Rede sein – sowohl im fernen Alaska, als auch auch im hiesigen Berlin ist demzufolge permanent für Hochspannung gesorgt.

Viele offene Fragen werden somit bereits im ersten Drittel des Buches eindrucksvoll motiviert und so ganz nebenbei ein detailliertes wissenschaftliches Hintergrundwissen vermittelt. Im zweiten Drittel werden die zahlreichen Handlungsstränge dann spannungsgeladen weiterentwickelt und geschickt verknüpft und schließlich allesamt im letzten Drittel grandios und schlüssig miteinander verwoben und zusammengeführt ohne zu irgendeinem Zeitpunkt den roten Faden zu verlieren. Obwohl für den ein oder anderen Leser die klimapolitischen Aspekte des ersten Buchdrittels in ihrer Fülle vielleicht ein wenig zu sehr mahnend in den Vordergrund geraten mögen und hier und da auch ein paar kleinere Klischees bedient werden, ist es großartig, wie man als Leser Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen aus verschiedenen Perspektiven unmittelbar in die Ermittlungsarbeit auf beiden Seiten des großen Teichs eingebunden wird und der Wahrheit sukzessive immer näher kommt. Stets kann man sich sehr gut nicht nur in die Handlung, sondern auch in die jeweiligen Gefühlswelten der Hauptcharaktere, die treffend und facettenreich gezeichnet wurden, hinein versetzen. „Toxin“ ist somit ein faszinierender Pageturner mit einer rasanten Handlung und durchaus realem Narrativ, bei dem ein gründliches Nachwort ein überzeugendes Buch abrundet und dem Leser nochmals ungemein hilft, das gesamte Geschehen in jeglicher Hinsicht richtig einzuordnen.

Fazit: Genau wie sein Vorgänger ist „Toxin“ ein großartiger Wissenschaftsthriller, erfrischend und spannend vom Anfang bis zum Ende. Politisch aktuell und wissenschaftlich fundiert, korrekt und informativ, nimmt der Roman spätestens im zweiten Drittel hinsichtlich Action und Dynamik in der Handlung deutlich Fahrt auf, was sich schließlich zu einem atemberaubenden und schwindelerregenden Tempo entwickelt und in einem überaus beeindruckenden Showdown kulminiert. Kaum eine der 464 Seiten des Buches, auf denen sich nicht neue Konstellationen und für den Leser neue Blickwinkel ergeben, die durch die ständigen Cliffhanger und Szenenwechsel die Spannung ins Unermessliche steigern. Oftmals stellt sich genau dann, wenn man glaubt, die Lösung bereits unmittelbar vor Augen zu haben, heraus, dass man komplett falsch lag. Obwohl „Toxin“ völlig unabhängig von „Probe 12“ gelesen werden kann, ist es für diejenigen Leser, die beide Bände kennen, überaus gefällig, vertraute Bekannte treffen zu dürfen. Das auf mehreren Ebenen offene Ende deutet auf ein Fortsetzung hin, dann hoffentlich wiederum mit Nina und Tom als Protagonisten und viel Wissenschaft und Action eingewoben in eine schlüssige Rahmenhandlung. „Toxin“ hat mich von Beginn an abgeholt und auf eine spannende und fesselnde Reise nach Berlin und ins ferne Alaska mitgenommen. Bereits jetzt fiebere ich erwartungsvoll einem Folgeband entgegen.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung