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Veröffentlicht am 18.09.2023

Fun and Sadness

Nichts in den Pflanzen
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Liebes Publikum, machen Sie sich bereit für einen neuen Vertreter/ neue Vertreterin aus der Kategorie "Sad Girl Literature aus good old Germany". Ich wollte dieses Buch lesen, weil ich als Frau in meinen ...

Liebes Publikum, machen Sie sich bereit für einen neuen Vertreter/ neue Vertreterin aus der Kategorie "Sad Girl Literature aus good old Germany". Ich wollte dieses Buch lesen, weil ich als Frau in meinen Zwanzigern unerfindlich großes Interesse habe, darüber zu lesen, wie andere Frauen in Ihren Zwanzigern klar kommen. Oder eben nicht klar kommen. So ist das ja meistens in diesem von mir vorsorglich benannten und von Sally Rooney oder Coco Mellors geprägten Genre. Keiner kommt klar, keiner kommt an, alle sind sie irgendwie auf der Suche. (Außerdem wollte ich wissen, für wen Wells da einen Blurb geschrieben hat. Gab's das schon mal?)
Leila ist ebenfalls auf der Suche. Vor allem nach Motivation, um das Drehbuch, das sie fertigstellen wollte, tatsächlich zu beenden. Vielleicht würde es helfen, wenn sie endlich mal den Oberflächlichkeit der Berliner Hipster entkommen könnte, mit denen sie sich stetig umgibt. Sympathisch ist Leila in ihrer Prokastination und Sinnsuche aber nicht. Sie hat eine Katze auf dem Gewissen und scheut auch sonst nicht davor zurück, andere für ihre Zwecke zu missbrauchen. Ein bisschen erinnert sich mich an die Protagonistin von Esther Schüttpelz' "Ohne mich".
Wie gut, dass eine Protagonistin auch nicht sympathisch sein muss, damit ich Spaß mit dem Buch habe. Und den hatte ich! Überraschend viel Spaß sogar, wenn man bedenkt, dass Leila eines dieser Großstadt Sad Girls ist.
Manchmal hat mich Nora Haddadas Erzählstil an Moshfegh erinnert. Weil sie nicht vor dem Ekligen und Abgründigen Halt macht. Tatsächlich mochte ich noch nie ein Buch von Moshfegh selbst, weil sie es immer übertreibt mit ihren Abscheulichkeiten - und das passiert bei "Nichts in den Planzen" eben nicht. Diese feine Grenze des guten Geschmacks bzw. des Schwarzen Humors wird eben nicht überschritten. Darüber hinaus, ist die Stilistik des Romans sehr innovativ und spannend zu lesen.
Es ist ziemlich schwer ein Buch über Oberflächlichkeiten zu schreiben, das eben nicht oberflächlich ist. Ich finde, das ist der Autorin in Ansätzen auch gelungen. Aber eben nur in Ansätzen. Am Ende hat mir der große Entwicklungsschritt in Leilas Charakter gefehlt. Ich hatte Spaß mit ihr, aber ich bin bis zum Schluss irgendwie nicht bei ihr angekommen.
Nichtsdestotrotz halte ich Nora Haddada für eine vielversprechende Neuentdeckung und freue mich sehr darauf weitere Bücher von ihr zu lesen.

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Veröffentlicht am 18.09.2023

Klarheit

Die Lügnerin
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Im Folgenden lesen Sie meine Wahrheit über "Die Lügnerin" von Friedemann Karig. Meine Wahrheit, denn "die Wahrheit", das ist ein ziemlich labiles Konstrukt, wie das Buch seinem Publikum auf eindrückliche ...

Im Folgenden lesen Sie meine Wahrheit über "Die Lügnerin" von Friedemann Karig. Meine Wahrheit, denn "die Wahrheit", das ist ein ziemlich labiles Konstrukt, wie das Buch seinem Publikum auf eindrückliche Weise deutlich macht.
Clara Konrad, eine pathologische Lügnerin, befindet sich in einer Privatklinik und berichtet ihrer Therapeutin, dass sie so gut lügen könne, dass all ihre Lügen, zu Wahrheiten werden.
Das ist der Grundgedanke hinter dem Buch. Was sich in einem Satz kompakt zusammenfassen lässt, ist es in Wirklichkeit allerdings nicht. Der Autor setzt das Konstrukt der Wahrheit als Stilmittel ein und bearbeitet es auf vielschichtige Art und Weise, und übt sowohl direkt als auch zwischen den Zeilen Gesellschaftskritik.
Der Text spielt mit den Wahrnehmungen und Erwartungen der Lesenden. Dabei ist es nicht einfach, den Überblick zu behalten und die verschiedenen Ebenen zu erfassen. Ich musste häufig zurückblättern, um Dinge noch einmal neu zu lesen, wenn sich später andere Erkenntnisse gegeben haben. "Die Lügnerin" ist eines dieser Bücher, die man nach dem Beenden am liebsten nochmal lesen würde, weil man sich nicht sicher ist, ob man es vollständig verstanden hat.
Vor allem aber, ist es unterhaltsame Literatur, die fesselt und herausfordert.
Ich verstehe, dass es nicht unbedingt die Absicht des Romans ist, bzw. dass er vielleicht sogar genau darauf abzielt, mir diesen Gefallen nicht zu tun: Aber am Ende hätte ich mir doch gewünscht, wenn ein wenig mehr Klarheit geschaffen worden wäre.

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Veröffentlicht am 13.09.2023

Heartache

Heartbreak
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Ich habe "Heartbreak" von Tarkan Bagci gelesen, weil die Story so interessant klang. Den Autor als Podcaster oder Medienmenschen kenne ich eigentlich kaum. Generell schrecken mich Autor*innen, die bereits ...

Ich habe "Heartbreak" von Tarkan Bagci gelesen, weil die Story so interessant klang. Den Autor als Podcaster oder Medienmenschen kenne ich eigentlich kaum. Generell schrecken mich Autor*innen, die bereits anderweitig in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten sind, eher ab, wenn es um Romane geht. Wie gut, dass mich "Heartbreak" dann tatsächlich positiv überraschen konnte.
Im Buch geht es um die beiden Protagonisten Tom und Marie.
Tom befindet sich gerade auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Sänger und Schauspieler, als er in einen Skandal hineingerät, der seine ganze öffentliche Existenz ins Wanken bringt. Marie leidet unter einer Depression und Panikstörung. Nach einem Jahr Beziehung wird sie von ihrem Freund geghostet und gerät dadurch in eine Krise. Marie und Tom treffen in einer kleinen Stadt in der Toskana aufeinander und schmieden einen Plan um sich gemeinsam aus ihren jeweiligen Miseren zu befreien.
Mir hat gefallen, dass das Buch auf so leichte und humorvolle Weise verschiedenste Reizthemen unserer modernen Gesellschaft aufgreift und erzählt. Man könnte anfangs meinen, dass es sich um einen ernsten oder tragischen Roman handelt, aber ich würde ihn sogar als Komödie bezeichnen. Dabei handelt es sich keineswegs um eine "Schnulze" und auch nicht vorrangig um eine Liebesgeschichte, sondern vielmehr um eine Geschichte über die alltäglichen Geschehnisse, die jeden Tag aus dem Hinterhalt unsere Herzen brechen können. Die unser Leben schwer machen oder uns in Krisensituationen bringen können. Man fühlt sich zwischen Marie und Tom und ihren Problemen seltsam gut aufgehoben. Manche Beschreibungen von Personen oder Ereignissen klingen für mich zu stereotyp, trotzdem lesen sich die Charaktere authentisch und sympathisch. Man kann nicht anders, als auf ihrer Seite zu sein.
Das Buch hat es geschafft eine sehr gute Balance zwischen Humor und Tiefgang zu halten.

Fazit: "Herabreak" liest sich leicht und amüsant, macht einem das Herz in Nuancen aber doch ein wenig schwer. Es ist keine klassische "Herzschmerz"-Geschichte, wie man sie bei dem Titel vielleicht erwarten könnte, es ist eher eine mehrdimensionale Auseinandersetzung damit, womit sich unsere Seelen im Ernstfall herumschlagen müssen. In diesem Sinne: Eine warmherzige Empfehlung von meiner Seite!

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Veröffentlicht am 12.06.2023

Prophetisch

Blue Skies
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"Blue Skies" ist mein erste Buch von T.C. Boyle, wird aber wahrscheinlich nicht das letzte gewesen sein.

Inhalt:
Wir befinden uns in einer USA der möglicherweise gefährlich nahen Zukunft. Während die ...

"Blue Skies" ist mein erste Buch von T.C. Boyle, wird aber wahrscheinlich nicht das letzte gewesen sein.

Inhalt:
Wir befinden uns in einer USA der möglicherweise gefährlich nahen Zukunft. Während die Influencerin Cat in Florida unter Wassermassen versinkt, röstet der Rest ihrer Familie in der kalifornischen Hitze. Bruder Cooper bemüht sich um einen möglichst nachhaltigen Lebensstil, beschäftigt sich mit Insekten und glaubt an die drohende Apokalypse. Cat kauft sich in Florida eine Tigerpython, um ihre Social Media Accounts zu pushen, und wird von ihrem ständig abwesenden Verlobten ungewollt schwanger.

Meine Meinung:
Es ist erschreckend, wie realitätsnah die Bilder zu sein scheinen, die T.C. Boyle in seinem neuesten Roman zeichnet. Man kann eine Realität, wie die, die hier beschrieben wird, beinahe mit den Fingerspitzen spüren, und genau das macht sie du einer der unheilvollsten Dystopien, die ich bislang gelesen habe. In Kalifornien ist der Himmel jeden Tag stechend blau. Es ist so heiß, dass die Wälder in Flammen aufgehen.
Bei diesem Roman handelt es sich um eine Art prophetische Warnung und um eine bitterböse Kritik an den Oberflächlichkeiten der US-amerikanischen Gesellschaft. Der Text liest sich spannend, ein wenig bizarr, manchmal auch etwas vorhersehbar. Er verfehlt aber keineswegs seinen Zweck, den Leser wachzurütteln und für die Auswirkungen des Klimawandels zu sensibilisieren. Die stetige Konfrontation mit Katastrophen stellt die Protagonisten immer wieder vor große Herausforderungen. Trotzdem sind sie weiterhin in ihren Oberflächlichkeiten gefangen. Boyle behandelt zusätzlich auch Themen wie Konsumüberfluss oder Alkoholmissbrauch. Ihre eigene Ignoranz ist es, die Cat und die anderen nach und nach ins Unglück führt. Der Autor scheut sich hier nicht davor, extreme oder drastische Bilder zu wählen, um seinen Punkt deutlich zu machen. Das Buch ist tatsächlich wenig subtil. Es kommt mir beim Lesen so vor, als würde der Text sein Publikum beim Kragen packen wollen, um sie heftig durchzuschütteln.

Fazit:
"Blue Skies" ist ein erschreckendes wie faszinierendes Buch. Ich kann am Ende unmöglich behaupten, dass es mich "gut" unterhalten oder mit gefallen hat, dazu ist es zu böse. Es handelt sich trotzdem um gute, politische Gegenwartsliteratur, die im wahrsten Sinne des Wortes ins Wespennest sticht.

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Veröffentlicht am 19.04.2023

Da spürst du was

Die spürst du nicht
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In seinem neuen Roman "Die spürst du nicht" erzählt Daniel Glattauer eine Geschichte über drei Familien.
Aayana, ein Mädchen, das vor zwei Jahren mit seiner Familie aus Somalia nach Österreich geflüchtet ...

In seinem neuen Roman "Die spürst du nicht" erzählt Daniel Glattauer eine Geschichte über drei Familien.
Aayana, ein Mädchen, das vor zwei Jahren mit seiner Familie aus Somalia nach Österreich geflüchtet ist, darf die Tochter der angesehenen Grünen-Politikerin Elisa Strobl-Marinek in den Familienurlaub begleiten. In der Toskana haben die Strobl-Marineks gemeinsam mit einer befreundeten Familie eine Villa gemietet. Aayana soll endlich schwimmen lernen, die Tochter beschäftigen und möglichst nicht auffallen. Doch es kommt anders: Das vierzehnjährige Mädchen ertrinkt im Pool. Obwohl die anwesenden Erwachsenen alles tun um sie zu retten, versucht man im Nachgang das Geschehene so schnell wie möglich abzuschütteln. Doch das gelingt nicht. Aayanas Tod wird nicht nur zu einem Fall für die Justiz, sondern erschüttert auch die sowieso schon brüchigen Familienkonstrukte in ihren Grundfesten.

"Die spürst du nicht" Der Titel des Buchs ist insofern bezeichnend für den Roman, da er sich in weiten Teilen hauptsächlich um die reichen österreichischen Familien dreht, in deren Obhut Aayana gestorben ist. Das Mädchen und ihre somalische Familie spielen dabei kaum eine Rolle, der Text und die Sorgen der Protagonistinnen kreisen vor allem um sich selbst. Dabei wird die Geschichte von einem allwissenden Erzähler wiedergegeben, der das Geschehen kommentiert und einen entlarvenden Blick auf die agierenden Personen wirft. Die Handlung wird oft sehr szenisch dargestellt. Fast als würde man eine Theateraufführung beobachten. Diese Betrachtungen wechseln sich ab mit Dialogen, Transkriptne aus Interviews und Kommentarspalten auf Nachrichtenseiten, die von Aayanas Tod berichten. Der außergewöhnliche Aufbau das Romans trägt dazu bei, dass er sich kurzweilig liest und bis zum Schluss spannend bleibt. Ich habe das Buch in wenigen Tagen gelegen. Wenn man erst einmal damit anfängt, entwickelt sich schnell ein Lesesog. Man möchte wissen, wie es weitergeht. Vielleicht auch angetrieben durch die Emotionen, die das Buch auslöst.
Also was habe ich gespürt, während ich "Die spürst du nicht" gelesen habe?
Vor allem Wut und Scham im Bezug auf die Familie Strobl-Marinek und ihr Umgang mit dem Gesehenen. Der Geschichte gelingt es wirklich fantastisch, die Doppelmoral vieler westeuropäischer wohlstandsverwöhnter Menschen herauszuarbeiten. Einige der Protagonist
innen wirken dabei sehr realistisch, andere sind eher überzeichnet. Die Frauen kommen hier tendenziell etwas besser, bzw. ambivalenter weg, als die Männer.

Natürlich ist "Die spürst du nicht" ein politischer Roman, der nicht davor zurückschreckt gerade im letzten Drittel auch entsprechenden Aussagen zu tätigen Man muss diesen nicht zustimmen, um das Buch zu mögen, sie sind aber allemal lesenswert. (Anmerken möchte ich an dieser Stelle, dass im Buch wenige Male das N-Wort in seiner ausgeschriebenen Form verwendet wird. Das halte ich generell und auch speziell in diesem Buch bzw. dem hier gezeigten Zusammenhang für unangebracht und absolut überflüssig.)

Den inhaltliche Ausgang der Geschichte habe ich als grundsätzlich rund und folgerichtig, vor allem im Bezug auf das Schicksal der somalischen Flüchtlingsfamlilie Ahmed, empfunden. In einigen Ansätzen wirkt er vielleicht fast schon ein bisschen märchenhaft.

Fazit: Mit "Die spürst du nicht" ist es Daniel Glattauer gelungen einen spannenden und gesellschaftlich sehr relevanten Roman zu schreiben, der mit Sicherheit viel Stoff bietet, über den es sich zu diskutieren lohnt. Es handelt sich um ein Buch, an dem sich einige Leser*innen mit Sicherheit aufreiben werden, das aber seiner offensichtlichen Mission, wohlhabende Menschen in ihrer Doppelmoral zu kritisieren, mit Sicherheit gerecht wird.

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