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Veröffentlicht am 29.12.2023

Sicherheitsexpertin unter Verdacht

Zero Days
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Sie sind schon ein besonderes Paar, Jack und ihr Ehemann Gabe: Sie kennt sich mit Einbruchswerkzeugen aller Art aus, er weiß, wie man sich in fremden IT-Anlagen unsichtbar bewegt. Doch sie sind keine Kriminellen, ...

Sie sind schon ein besonderes Paar, Jack und ihr Ehemann Gabe: Sie kennt sich mit Einbruchswerkzeugen aller Art aus, er weiß, wie man sich in fremden IT-Anlagen unsichtbar bewegt. Doch sie sind keine Kriminellen, sondern testen im Auftrag von Unternehmen Lücken in deren Sicherheitsbereich, in dem sie dort eindringen. Jack wird im schlimmsten Fall zwar durchaus mit einer Einbrecherin verwechselt, doch man darf sich halt nicht erwischen lassen,

Zu Beginn von Ruth Wares Thriller "Zero Days" hat Jack allerdings wieder einmal Pech und muss ein paar unangenehme Stunden auf einem Polizeirevier verbringen. Der größte Schock wartet allerdings bei der Heimkehr auf sie: Sie findet Gabe mit durchgeschnittener Kehle an seinem Schreibtisch. Für Trauer bleibt Jack jedoch kaum Zeit, denn schnell stellt sie fest, dass die Polizei sie für die Hauptverdächtige hält. Sie muss von der Bildfläche verschwinden, buchstäblich off the grid sein. Gabes bester Freund gibt ihr Tipps für unüberwachte Kommunikation, doch trotzdem kommen die Ermittler Jack immer schneller immer näher.

Die Wahrheit über die Hintergründe von Gabes Tod herauszufinden, wird eine zunehmend gefährliche Aufgabe, denn Jack erkennt, dass ihr Mann hinter ein gefährliches Geheimnis gekommen sein muss. Dessen Entschlüsselung sieht sie nun als ihre Mission - ebenso wie ihr Überleben.

Da ich bereits ein paar Thriller von Ruth Ware gelesen habe, gingen meine Überlegungen schon früh in die Richtung, die sich am Ende als die richtige entpuppte, aber das tat der Spannung keinen Abbruch. Ware hat einmal mehr einen soliden Thriller geschrieben, mit einer Protagonistin, die keinen Einsatz und keine Gefahren scheut, um hinter die Wahrheit um den Tod ihres Mannes zu kommen. Klar, dass das im modernen England mit seinem dichten Netz an Überwachungskameras eine ganz besondere Herausforderung ist und Jack ohne Spuren hinterlassende Kreditkarten auch schnell an finanzielle Grenzen stößt. Die toughe Heldin zwischen Verzweiflung und Entschlossenheit ist eine vielleicht nicht immer realistische, aber sympathische Frauenfigur, der ich gerne durch das Buch gefolgt bin.

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Veröffentlicht am 29.11.2023

Von wegen Sabbatical

Einer muss den Job ja machen
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Udo Lindenberg-Fans und Leute aus der Medienbranche haben bei "Einer muss den Job ja machen" von Lars Haider einen klaren Vorteil: Nicht nur der Titel ist einem Lindenberg-Song entliehen, auch der Protagonist, ...

Udo Lindenberg-Fans und Leute aus der Medienbranche haben bei "Einer muss den Job ja machen" von Lars Haider einen klaren Vorteil: Nicht nur der Titel ist einem Lindenberg-Song entliehen, auch der Protagonist, der Hamburger Lokaljournalist Lukas Hammerstein, ist mit dem Sänger befreundet. Um Deutschrock geht es allerdings weniger, viel mehr dreht sich dieser unterhaltsame Hamburg-Roman um die Nachwehen des G7-Gipfels, die Krise in der Medienbranche und den Tod zweier renommierter Journalisten.

Hammerstein sollte all das eigentlich kalt lassen, denn er hat ein dreimonatiges Sabbatical genommen, um sich seiner mittlerweile hochschwangeren Frau zu widmen, das Kinderzimmer herzurichten und sich um den neurotischen Dackel der Schwiegereltern kümmern. Doch wie kann ein Reporter wegschauen, wenn er eine große Geschichte wittert und irgendwie auch einer seiner besten Freunde in die mediale Schusslinie gerät? Bei diesem Freund handelt es sich denn auch noch um den regierenden Bürgermeister mit Träumen vom Kanzleramt.

Auch sonst enthält der launig geschriebene Roman so manche Anspielung an das Mediengeschehen der letzten Jahre: sei es die Erwähnung des großen jungen Talents, das Journalistenpreise abräumt für Reportagen, die fast zu schön sind, um wahr zu sein. Oder ein Chefredakteur, der sehr intimen Zugang zu jungen Mitarbeiterinnen pflegt. Auch dass ältere Kolleginnen und Kollegen mit gut dotierten Verträgen von sparwütigen Verlagschefs regelrecht in den Vorruhestand gemobbt werden - alles klingt recht vertraut.

Hammerstein ist bei seinen als ausgiebiges Gassi-Gehen getarnten Recherchen nicht allein - seine Kollegin, die Polizeireporterin Kaja, arbeitet mit ihm zusammen und versucht unverdrossen, Hammerstein vom Sinn gegenderter Sprache zu überzeugen. Ansonsten beschränkt sich ihr Kontakt zur Polizei nicht streng auf das Berufliche, was im Fall des Chefs der "SoKo Pressefreiheit" eine ideale Verbindung von Beruflichem und Privaten ist.

Die Action hält sich in diesem Hanseaten-Krimi zwischen Elbphilharmonie und Schanze in Grenzen, dafür gibt es Lokalkolorit und einen ironischen Blick auch die Mechanismen medialer Aufgeregtheiten.

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Veröffentlicht am 13.11.2023

Traumhochzeit und Familiendrama

Nur eine Lüge – Zwei Familien, eine tödliche Verbindung
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Schuld, Trauma, entzweite Familien und eine Art Romeo und Julia-Geschichte prägen Malin Stehns Psychokrimi "Nur eine Lüge", der auf zwei Zeitebenen spielt. Einst waren Annika und Mats sowie Krister und ...

Schuld, Trauma, entzweite Familien und eine Art Romeo und Julia-Geschichte prägen Malin Stehns Psychokrimi "Nur eine Lüge", der auf zwei Zeitebenen spielt. Einst waren Annika und Mats sowie Krister und Gittan gut befreundet, die Söhne William und Erik spielen im gleichen Fußballteam. Ein schwerer Verkehrsunfall ändert alles. Erik ist nach einer Alkoholfahrt querschnittgelähmt, die Profikarriere, von der insbesondere seine Mutter Annika träumte, ist nun unmöglich. Seine jüngere Schwester Emily, die ohnehin nur wenig Beachtung von der fußballbegeisterten Mutter bekam, droht völlig hintenan zu stehen.

Acht Jahre später kommen die Familien zusammen zur Hochzeit von Emily und William, der mittlerweile ein erfolgreicher IT-Unternehmer ist. Emily hat ihre mittlerweile geschiedenen Eltern zur Hochzeit eingeladen, doch vor allem das Verhältnis zur Mutter ist schwierig: Annika ist Alkoholikerin, wirft William und dessen Familie Mordversuch und Vertuschung vor - nicht die besten Voraussetzungen für ein harmonisches Familienfest.

Die Traumhochzeit mit Promi-Gästen und Boulevardpresse endet mit einem Toten - war es ein Unfall, Selbstmord, Mord? Jeder hat eine Meinung, ganz besonders Annika, die zwischen Zimmerbar und Festsaal von einer Anschuldigung in die nächste torkelt. So hat sich Emily die Hochzeitsnacht nicht vorgestellt. Und nicht nur Annika fragt sich, ob der Todesfall mit den Ereignissen der Vergangenheit zusammenhängt. Mehr als nur eine titelgebende Lüge wird aufgedeckt in diesem Thriller um Schuld und Schweigen.

Stehn schreibt aus den wechselnden Perspektiven der Beteiligten, wobei insbesondere der Mutter-Tochter Konflikt glaubwürdig ist. Dabei schafft sie es, mit Annika eine ziemlich manische Figur zu schaffen, die nun wirklich nicht sympathisch ist, die einem aber dennoch leid tun kann mit einem verkorksten Leben, an dessen Verlauf sie selbst viel zu verantworten hat. Nach all den Lügen kommt eine ziemlich überraschende Wahrheit ans Licht. Ende offen?

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Veröffentlicht am 04.11.2023

Mordsstimmung beim Familientreffen

Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (Die mörderischen Cunninghams 1)
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"Die mörderischen Cunninghams" von Benjamin Stevenson mag in Australien spielen, aber dieser Familienkrimi trieft vor britischem Humor und angelsächsischem Understatement. Mit seinen leicht exzentrischen ...

"Die mörderischen Cunninghams" von Benjamin Stevenson mag in Australien spielen, aber dieser Familienkrimi trieft vor britischem Humor und angelsächsischem Understatement. Mit seinen leicht exzentrischen Protagonisten erinnert es mich an die detektivische Altenheim Gang von Richard Osmans Donnerstags-Mordklub. Allerdings stehen die Cunninghams, so verrät Ich-Erzähler Ernest Cunningham gleich im ersten Kapitel, mehr auf dem Grundsatz: Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen. Inwieweit das zutrifft, wird dann mit Augenzwinkern und nicht ganz ohne Dramatik auf einem mordsmäßigen Familientreffen in einem eingeschneiten Skihotel ausgeführt.

Ernest, mäßig erfolgreicher Autor eines Lehrbuchs zum Verfassen von Detektivromanen, ist so etwas wie das schwarze Schaf der Cunninghams, jahrelang zeigte ihm die Familie die kalte Schulter. Schließlich hat Ernest getan, was keinem Cunningham einfallen sollte: Er hat seinen großen Bruder bei der Polizei verraten und dafür gesorgt, dass dieser jahrelang im Gefängnis saß wegen des Tod eines Mannes, den er erst überfuhr und dann obendrein erwürgte, nachdem er Ernest überredet hatte, die angebliche Leiche zu entsorgen. Wie gut, dass Stiefpapa Carlos, ein mit allen Wassern gewaschener Anwalt, die Mordanklage gerade noch abschmettern konnte!

Dennoch, die Familie hat Ernie nicht verziehen. Zur Homecoming Party seines Bruders darf er dann aber doch erscheinen. Zur Stunde der Abrechnung? Doch noch ehe der sich dem Familientreffen anschließt, wird eine Leiche im Schnee gefunden. Ernest fragt sich: Hat jemand aus der Sippschaft damit zu tun? und wird nicht jeder Ermittler, der sich durch den Schnee kämpft, genau dies annehmen, weil die Cunninghams eben die Cunninghams sind?

Es wird nicht die einzige Leiche bleiben und Ernest muss immer wieder die goldenen Regeln des klassischen britischen Kriminalromans zitieren, während er als allwissender Erzähler die Ereignisse sowohl beschreibt wie kommentiert. Komplizierte Beziehungen innerhalb des Familienverbands, Eifersüchteleien, jede Menge Geheimnisse - Stevenson hat offensichtlich Spaß daran, seinen Lesern so manchen "red herring" vorzuwerfen und Hinweise zu streuen, die wichtig sein können oder eben einmal mehr in die Irre führen.

Klassische Zutaten wie bei Hitchcock oder Agatha Christie - das isolierte Hotel, das plötzlich von der Außenwelt abgeschnitten ist - werden hier mit Humor und einem Hauch Exzentrik gewürzt. Insgesamt ein sehr unterhaltsamer Kriminalroman mit einer mörderisch komplizierten Familie.

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Veröffentlicht am 03.10.2023

Kalifornische Jugend in den 80-ern

California Girl
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Der Klappentext von Tamar Halperns Roman "California Girl" schien wie eine Einladung zurück in die 80-er Jahre zu sein, um die 14-Jährige Protagonistin Timey zwischen Teenager-Trotz, Selbstentdeckung und ...

Der Klappentext von Tamar Halperns Roman "California Girl" schien wie eine Einladung zurück in die 80-er Jahre zu sein, um die 14-Jährige Protagonistin Timey zwischen Teenager-Trotz, Selbstentdeckung und Erwachsenwerden zu begleiten. Also auch eine Rückkehr zur eigenen Jugend, das hat mich gereizt. Schließlich hatten die 1980-er noch einiges mehr zu bieten als Fönfrisuren und modische Verirrungen wie Blusen mit massiven Schulterpolstern und Karottenjeans!

Das Leben eines Scheidungskindes in Kalifornien, zwischen der künstlerischen Hippie-Mutter inLos Angeles und dem Professoren-Dad in Berkely schien eine interessante Kulisse. Allerdings, auch wenn mir der rotzig-schnodderige Stil der Ich-Erzählerin gefällt, ihre Befremdung, wenn sie sich mit der Tatsache abfinden muss, dass ihre Grufti-Eltern noch sexuelle Gefühle haben, die Suche nach Freundschaften und Identität - irgendwie ist mir Timey fremd geblieben beim Lesen.

Rassismus, Sexismus, Kritik an Oberflächlichkeit und mehr Schein als Sein in der Glitzerstadt L.A., das wurde immer wieder mal angedeutet und doch zu wenig thematisiert. Rebellion fällt eher schwach aus, nämlich vor allem durch reichlich Kiffen. Klar, eine Jugend in Südkalifornien, das war wohl etwas anderes als in der Bundesrepublik zwischen Nato-Doppelbeschluss, Friedensbewegung und Anti-Atomkraft-demos, einer politischen Zeit in der letzten Phase des Kalten Krieges. Es waren die Reagan-Jahre - da muss Timey in ihrem durchaus politisierten Elternhaus doch irgendwas mitgekriegt haben! Ganz zu schweigen von AIDS, der Angst vor dem Virus, die auch das sexuelle Erwachen einer ganzen Teenagergeneration überschattete.

All das habe ich in "California Girl" nicht gefunden, all das fehlt mir. Möglicherweise bin ich mit falschen Erwartungen an dieses Buch herangegangen und deshalb ein wenig enttäuscht. Eine Zeit, die ich als geschärft und intensiv in Erinnerung habe, verwabert hier in Haschischwolken. Im Vergleich zu einigen anderen Coming of Age-Romanen, die ich in jüngster Zeit gelesen habe, hinkt California Girl hinterher. Zwischendurch allerdings blitzen Möglichkeiten auf, die mehr versprechen. Dieser Roman ist Halperns Debüt. Ich hätte mir mehr gewünscht, aber ich glaube, bei der Autorin ist durchaus noch mehr drin.

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