Platzhalter für Profilbild

jules_jude

Lesejury Profi
offline

jules_jude ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit jules_jude über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.04.2024

Abgedrehter und bitterböser Einblick in die Welt der Influencer

Fucking Famous
0

Das unschuldig wirkende rosa Buchcover von "Fucking Famous" täuscht, denn der kurzweilig geschriebenen Roman ist alles andere als unschuldig.
Die Protagonistin und Erzählerin Lotte Hohenfeld ist nämlich ...

Das unschuldig wirkende rosa Buchcover von "Fucking Famous" täuscht, denn der kurzweilig geschriebenen Roman ist alles andere als unschuldig.
Die Protagonistin und Erzählerin Lotte Hohenfeld ist nämlich nicht gerade eine Sympathieträgerin, eigentlich niemand so wirklich. Ist aber auch nicht verwunderlich, wenn man in der Influencer-Welt auf Instagram unterwegs ist.

Von Anfang an ist der Ton und die Richtung gesetzt, begleitet mit den bitterbösen und zynischen Gedanken der Protagonistin, folgt man Lotte auf ihrem Weg zu bekannten und erfolgreichen Influencerin mit B-Prominentenstatus.
Die Handlung ist gespickt mit echten Namen aus der Promi- und Influencerwelt und besonders diejenigen, die durch Instagram und Social Media zu zweifelhaften Ruhm gekommen sind, bekommen ihr Fett weg.

Das Buch fühlt sich an, wie ein wilder Rodeo-Ritt und besonders zum Ende hin, wurde es etwas zu wild und abgedreht, was der Unterhaltung jedoch keinen Abbruch tut.

Der tief zynische Ton, die leicht überdrehte Handlung, in der liebenswerte Charaktere quasi nicht existent sind, und dazu noch eine wenig für sich einnehmende Hauptperson, wird nicht jeden ansprechen.
Für alle, die gerne mal etwas Neues und Frisches lesen wollen, das nur so von Boshaftigkeit, Oberflächlichkeit und kaum Menschlichkeit sprüht, sowie einen interessanten Einblick in der Welt der Influencer wirft, der wird seine (Schaden?)freude mit "Fucking Famous" haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.03.2024

Eve Kleins spannende Reise in der Welt der Reichen und Superreichen

9mm Cut
0

In "9mm Cut" hält sich die Autorin Sybille Ruge nicht lange mit Nebensächlichkeiten und unnötigen Firlefanz auf.
Direkt und unverblümt folgt Szene auf Szene, wodurch der gut und glaubwürdig konstruierte ...

In "9mm Cut" hält sich die Autorin Sybille Ruge nicht lange mit Nebensächlichkeiten und unnötigen Firlefanz auf.
Direkt und unverblümt folgt Szene auf Szene, wodurch der gut und glaubwürdig konstruierte Thriller schnell eine Sogwirkung entfaltet.

Im Mittelpunkt der spannenden Handlung steht die intelligente Privatermittlerin Eve Klein, die für ihren Auftraggeber bei der NGO "Interni" Nachforschungen betreiben soll, den bei der wohltätigen Stiftung scheint nicht alles mit rechten Dingen zuzugehen. Dazu begibt sich Eve nach Zürich und ermittelt verdeckt im Umfeld der Geschäftsführung von "Interni". Sie erhält so Zugang zur Welt der Reichen und Superreichen, die von Scheinheiligkeit und Gier geprägt ist und auch nicht vor zwielichtigen Geschäften haltmacht.

Mit der Eve Klein hat die Autorin eine Privatermittlerin erschaffen, die während sie ihre Gegenspieler ausschaltet, Goethe zitieren kann und sonst auch nicht lange fackelt.
Eve ist praktisch veranlagt und zeigt nur wenig Emotionen, was sich auch im Erzählton widerspiegelt. Dieser ist von Nüchternheit, der ein oder anderen derben Formulierung und einer Prise Sarkasmus geprägt und sicherlich nicht für jeden ansprechend. Wer einen bildhaften Schreibstil und eine atmosphärische Beschreibung bevorzugt, wird nur wenig Gefallen an dem Thriller finden.

Leider leidet auch die Personenzeichnung von Eve unter dem rasanten und kompakten Schreibstil. Eve als Person lernt man nicht so richtig kennen, sie bleibt unnahbar. Für ihre Tätigkeit als Privatermittlerin von Vorteil, einen bleibenden Eindruck bei Leser und Leserinnen hinterlässt sie eher weniger.
Im Gegensatz zur gut durchdachten Handlung, die sich durch scharfzüngige Beobachtungen aktueller politischer sowie gesellschaftlicher Entwicklungen und einer glaubhaften Beschreibung der Lebens- und Scheinwelt der Reichen sowie Superreichen überzeugen kann.

"9mm Cut" ist ein etwas untypischer Thriller. Es ist ein Thriller, der sich durch seine scharfe Beobachtungsgabe, eine vielversprechende Protagonistin und ein dichtes Erzähltempo, das volle Aufmerksamkeit fordert, auszeichnet.
Gerne mehr von Eve Klein!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.03.2024

James bekommt eine eigene Stimme und was für eine!

James
0

"James" erzählt den Klassiker "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" erfrischend neu.

Erzählt wird die packende Neuerzählung der bekannten Geschichte, die in den 1840er-Jahren in Missouri spielt, aus der ...

"James" erzählt den Klassiker "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" erfrischend neu.

Erzählt wird die packende Neuerzählung der bekannten Geschichte, die in den 1840er-Jahren in Missouri spielt, aus der Sicht des Sklaven Jim, der sich lieber James nennt.
Jim mimt den dummen Sklaven, er ist aber genau das Gegenteil davon. Er ist intelligent, kann lesen und schreiben und zeichnet sich durch Empathie gegenüber seinen Mitmenschen aus.
Als er an einen Mann in New Orleans verkauft werden soll, was ihn von seiner geliebten Frau und Tochter trennen würde, flieht er gemeinsam mit Huckleberry "Huck" Finn, der seinem gewalttätigen Vater entkommen will. Für beide beginnt eine Reise voller Abenteuer den Mississippi herunter, um die freien Staaten zu erreichen. Mehr als einmal muss Jim hierbei Huck retten.

Anfangs noch der ursprünglichen Handlung folgend, beginnt Everett etwa ab der Mitte des Romans anhand überraschende Wendungen die Geschichte in eine andere Richtung zu lenken.
Es wird deutlich, dass es nicht Hucks Geschichte, sondern Jims ist. Man taucht in Jims Gedanken- und Gefühlswelt ein und bekommt einen Eindruck davon, was es heißt, ein Sklave zu sein. Stimmungsvoll wird hierbei eine Bild der damaligen Zeit erzeugt. Der Autor ist sich des historischen Kontextes des Romans bewusst, schafft es jedoch, die sozialen und rassischen Belange unserer heutigen Zeit anklingen zu lassen.

Einzig am Anfang braucht der Roman etwas, um an Fahrt aufzunehmen.

"James" ist voller Action und Satire, aber auch ernsten Momenten und ein gelungenes Beispiel dafür, wie man einen Klassiker in die Gegenwart überführt, ohne dabei den Geist des Originals zu verlieren.
Everett erzählt all dies in seiner scharfen und direkten Prosa düsterer, gewalttätiger, unheimlicher und moralisch verdorbener als im Original.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.11.2023

Bildhaft erzähltes Familienporträt um die Jahrhundertwende

Unsereins
0

"Unsereins" von Inger-Maria Mahlke ist ein bildreich erzählter Familienroman, in dessen Mittelpunkt die bürgerliche und kinderreiche Familie Lindenhorst steht.
Der Roman spielt um die Jahrhundertwende ...

"Unsereins" von Inger-Maria Mahlke ist ein bildreich erzählter Familienroman, in dessen Mittelpunkt die bürgerliche und kinderreiche Familie Lindenhorst steht.
Der Roman spielt um die Jahrhundertwende in Lübeck. Man folgt der Familie, ihren Bediensteten sowie Bekannten und Freunden über mehrere Jahre und wird so Teil ihres Lebens und Schicksals.

Der ruhige erzählte Roman erinnert mit seiner Handlung und Setting an "Buddenbrooks" von Thomas Mann, der in Form des Autors auch Eingang in "Unsereins" findet.

Kurze Kapitel bzw. Abschnitte sorgen gemeinsam mit dem flüssigen und bildreichen Schreibstil dafür, dass ein überzeugendes und glaubwürdiges Bild der damaligen Zeit entsteht.
Mit feiner Beobachtungsgabe taucht man in die Welt der Lindenhorsts, des Dienstmädchen Ida und des Ratsdieners Isenhagen ein und bekommt so einen Eindruck der damaligen Gesellschaft. Man wird Zeuge von gesellschaftlichen Auf- und Abstiegen und wie die Frauen des Romans versuchen aus ihren gesellschaftlichen Rollen auszubrechen bzw. sich Freiräume zu schaffen.

Es ist ein Roman, der detailverliebt und mit einem leicht spöttischen Ton erzählt wird.
Erzählt aus unterschiedlichen Erzählperspektiven, die in ihrem Erzählstil die Persönlichkeit des jeweiligen Charakters widerspiegeln, wird zwar ein plastisches und umfassendes Figurenbild gezeichnet, macht es aber vor allem anfangs auch etwas verwirrend. So muss man erst einen Überblick über die handelnden Personen und die verschiedenen Handlungsschauplätze gewinnen, um sich ganz auf die Geschichte einlassen zu können.

Leider geht jedoch ab etwa der Mitte des Romans der rote Faden verloren. Zudem wirkt er etwas sprunghaft, wodurch die anfängliche inhaltliche Tiefe an Schärfe verliert.

Trotz der schwächeren zweiten Hälfte des Buches kann "Unsereins" begeistern. Der Roman ist ein gut herausgearbeitetes und bildreich dargestelltes Familien- und Zeitporträt, der vor allem durch seine ausdrucksstarke Sprache überzeugen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.11.2023

Endstation Wahrheit - Ausdrucksstark erzählt

Endstation Malma
0

"Wann verliert man sein Kind?" - Das ist eine der Fragen, die sich wie ein roter Faden durch den fesselnd geschriebenen neuen Roman "Endstation Malma" von Alex Schulman zieht.

Der wunderbar erzählte Roman ...

"Wann verliert man sein Kind?" - Das ist eine der Fragen, die sich wie ein roter Faden durch den fesselnd geschriebenen neuen Roman "Endstation Malma" von Alex Schulman zieht.

Der wunderbar erzählte Roman spielt in einem Zug und wird aus den Perspektiven dreier Personen erzählt, die zu verschiedenen Zeiten, in der Vergangenheit und in der Gegenwart, unterwegs sind und auf der Suche nach Antworten sind.
Was werden sie am Ziel ihrer Reise finden? Den Drang danach, die Antwort auf diese Frage zu erfahren, lässt einen nur so durch die Seiten fliegen, was dank des einnehmenden, feinen und ausdrucksstarken Schreibstils des Autors einem auch nicht wirklich schwerfällt.

Man folgt der jungen Harriet, die bei ihrem Vater lebt, nachdem ihre Mutter und ihre Schwester sie verlassen haben. 20 Jahre später begleitet man Oskar, der eine Beziehung mit ebenjener Harriet eingeht, der, als die Beziehung scheitert, allein bleibt, mit seiner Tochter. In der Gegenwart folgt man dann der nun erwachsenen Tochter Yana.
Alle drei Handlungsstränge sind gespickt mit Erinnerungen, Gesprächen und Geschichten, die dazu führen, dass man fünf Protagonisten gut kennenlernt. Ständig wird zwischen den drei Handlungsperspektiven hin und her gewechselt, die dann alle, für sich mehr oder weniger befriedigend (Yana) auf die Auflösung am Bahnhof von Malma zusteuern, an dem schwedischen Bahnhof, an dem alle drei Schicksale auf besondere Art und Weise miteinander verbunden sind. So viel sei verraten, die Auflösung ist vor allem eine schmerzvolle, aber hat auch eine liebvolle Komponente.

Auch wenn es einen Erzählstrang in der Gegenwart gibt, liegt der Schwerpunkt in der Vergangenheit und ihren Auswirkungen. Hierbei offenbart sich auch eine Schwäche des Romans, die Gegenwartshandlung erfährt zum Ende hin nicht die gleichen starken Abschluss wie die beiden in der Vergangenheit.
Anfangs waren die verschiedenen Erzählstränge jedoch etwas verwirrend, doch sobald sich einem die Struktur des Romans offenbart, taucht man gebannt in die Geschichte über Familiengeheimnisse, Ungerechtigkeiten, die über Generationen weitergegeben werden, und vergangenen Ereignissen ein, deren Auswirkungen bis in die Gegenwart spürbar sind, ein.

"Endstation Malma" ist ein starkes und berührendes Werk von Alex Schulman, mit dem er einmal wieder sein Talent, fesselnde Geschichten mit vielschichtigen Charakteren zu schreiben, unter Beweis stellt.

Trotz kleiner Schwächen, eine klare Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere