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Veröffentlicht am 09.02.2024

Du gehörst nur mir …

Geordnete Verhältnisse
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Philipp ist 10 Jahre alt, rothaarig und ein Außenseiter in der Schule. Er kämpft mit seinen Wutausbrüchen, mag keine Menschen, wünscht sich aber dennoch sehnlichst einen Freund. Dann kommt eine Neue in ...

Philipp ist 10 Jahre alt, rothaarig und ein Außenseiter in der Schule. Er kämpft mit seinen Wutausbrüchen, mag keine Menschen, wünscht sich aber dennoch sehnlichst einen Freund. Dann kommt eine Neue in die Klasse, Faina, ein Mädchen aus der Ukraine, ebenfalls rothaarig wie Philipp. Zu ihr fasst er gleich Vertrauen, sie werden gute Freunde. Nach der Schule ziehen sie zusammen in eine Wohnung bis es zwei Jahre später zum großen Krach kommt und Faina spurlos verschwindet. Das war vor fünf Jahren, jetzt lebt Philipp mit Romina zusammen – bis plötzlich Faina wieder vor der Tür steht, mittellos und schwanger …

Lana Lux, geb. 1986 in Dnipro, ist eine deutschsprachige Schriftstellerin ukrainisch-jüdischer Herkunft. Ihre Familie emigrierte 1996 ins Ruhrgebiet. Seit 2010 lebt sie zusammen mit Ehemann und Tochter in Berlin und arbeitet als Autorin und Illustratorin. 2017 erschien ihr vielbeachtetes Debüt „Kukolka“, 2020 ihr zweiter Roman „Jägerin und Sammlerin“, beide im Aufbau-Verlag. Ihr dritter Roman „Geordnete Verhältnisse“ erscheint am 19.02.24 bei Hanser.

Die Autorin lässt hier kapitelweise Philipp und Faina zu Wort kommen, so dass man als Leser beide intensiv kennen lernt und in ihre Gedanken und Gefühle eintauchen kann. Dies ist bei beiden Charakteren erschreckend gut gelungen. Lana Lux versteht es meisterhaft, uns die Empfindungen sowohl von Philipp als auch von Faina nahe zu bringen und dabei nach und nach die Spannung zu erhöhen. Es ist kein Wohlfühlbuch, man muss einiges aushalten, kann es dennoch nicht mehr weglegen. Erschreckend zu lesen wie Philipp Faina immer mehr kontrolliert, ihr Kind als sein eigenes betrachtet und seine Wutausbrüche kaum noch unterdrücken kann. Kann so eine Beziehung von Dauer sein?

Fazit: Eine Geschichte von Besitzanspruch, Wut und Kontrollverlust und von einer Frau, die sich dagegen wehrt – ein Buch, das viel Diskussionsstoff bietet und lange im Gedächtnis bleiben wird.

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Veröffentlicht am 03.02.2024

Verbrechen aus Tradition

Der Club
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Hans Stichler war fünfzehn, als kurz hintereinander beide Eltern verstarben und Tante Alex, Kunstprofessorin in Cambridge, sein Vormund wurde. Sie nahm ihn nicht zu sich, sondern schickte ihn in ein Internat, ...

Hans Stichler war fünfzehn, als kurz hintereinander beide Eltern verstarben und Tante Alex, Kunstprofessorin in Cambridge, sein Vormund wurde. Sie nahm ihn nicht zu sich, sondern schickte ihn in ein Internat, das hauptsächlich von versnobten Söhnen reicher Eltern besucht wurde. Einer der dort lehrenden Mönche erkannte Hans‘ Talent im Boxen, das bereits sein Vater zu dessen Lebzeiten gefördert hatte, und trainierte ihn heimlich weiter. Bald wurde aus dem schmächtigen Jungen ein routinierter Kämpfer, der sich zu wehren wusste. Nach seiner Zeit im Internat verschaffte ihm Tante Alex ein Stipendium für einen Studienplatz in Cambridge. Als Gegenleistung sollte er Mitglied im „Pitt Club“ werden, einem exklusiven Boxclub, dessen Mitglieder sich die „Schmetterlinge“ nennen, um sich dort umzusehen und evtl. verbrecherische Machenschaften aufzudecken. An der Uni verliebt sich Hans in Charlotte, eine geheimnisvolle junge Frau die etwas zu verbergen scheint - und deren Vater mit dem „Pitt Club“ verbunden ist …

Takis Würger, geb. 1985 in Hohenhameln/Niedersachsen, ist Redakteur beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel, für den er aus verschiedenen Ländern berichtete und für seine Reportagen zahlreiche Preise gewann. Im Alter von 28 Jahren ging er nach England, um an der Universität in Cambridge zu studieren und für den dortigen „Cambridge University Amateur Boxing Club“ im Schwergewicht zu boxen. Sein Debütroman „Der Club“ (2017) wurde sofort zum Bestseller und gehörte zu den fünf beliebtesten Romanen der unabhängigen deutschen Buchhändler im Jahr 2017. Takis Würger lebt in Berlin.

Dass sich der Autor in Cambridge auskennt und auch vom Boxen etwas versteht, ist in diesem Roman zu spüren. Er versichert jedoch, dass die Namen der Figuren und die erwähnten Institutionen nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben und die Geschichte frei erfunden ist. Dennoch kam bei mir beim Lesen das Gefühl auf, dass alles so gewesen sein könnte.
Der Schreibstil des Autors, mit einfachen knappen Sätzen, liest sich sehr angenehm und flüssig. In kurzen Kapiteln lässt er abwechselnd jeweils eine der Personen zu Wort kommen, sodass man ihre Gedanken und Gefühle besonders eindringlich erfahren kann. Jede der Figuren ist in seiner Eigenart gut erfasst und spielt eine, für den Fortgang der Handlung, wichtige Rolle. Die Spannung ist von Anfang an hoch, mal ist als Leserin sofort im Bann der Geschichte, wozu die etwas düstere, geheimnisvolle Atmosphäre entscheidend beiträgt. Ein bisschen Liebe, etwas von einem Krimi und gut gelungene Box-Reportagen sorgen für Abwechslung und machen das Lesen zum Vergnügen.

Fazit:* Ein spannender Ausflug in die Welt der Elitären – Leseempfehlung von mir!

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Veröffentlicht am 28.01.2024

Zwischen Leben und Tod

Das späte Leben
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Martin Brehm ist Mitte 70, verheiratet mit der mehr als 30 Jahren jüngeren Malerin Ulla und Vater des 6jährigen David, als er von seinem Arzt die schreckliche Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhält – ...

Martin Brehm ist Mitte 70, verheiratet mit der mehr als 30 Jahren jüngeren Malerin Ulla und Vater des 6jährigen David, als er von seinem Arzt die schreckliche Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhält – es bleiben ihm höchstens noch zwölf Wochen zu leben. Für ihn stürzt eine Welt ein, wollte er doch noch so viel mit seinem kleinen Sohn unternehmen. So bleibt ihm nur abzuwägen was noch zu tun ist, seine Gedanken zu ordnen und seinem Sohn einen langen Brief zu hinterlassen. Als er dann auch noch feststellen muss dass ihn seine Frau betrügt, gilt es in sich zu gehen, sich mit dem Schicksal abzufinden und mit allem zu versöhnen …

Der Autor Bernhard Schlink wurde 1944 in Bielefeld geboren, wuchs in Heidelberg auf, studierte in Heidelberg und Berlin Jura, promovierte 1975 in Heidelberg zum Dr. jur. und habilitierte sich 1981 in Freiburg/Brsg. zum Professor für Öffentliches Recht. Er lehrte an den Universitäten in Bonn, Frankfurt/Main und Berlin und war von 1987 bis 2006 Richter am Verfassungsgerichtshof. Seinen Erfolg als Schriftsteller hatte er ab 1987. Inzwischen veröffentlichte er einige Sachbücher und vierzehn Romane, für die er zahlreise Auszeichnungen und Preise erhielt. Schlink ist Mitglied der SPD und lebt heute in New York und in Berlin.

„Das späte Leben“ (2023) ist ein Roman, der tief unter die Haut geht. Wie fühlt man sich mit dem Wissen um den nahen Tod und dazu der Erkenntnis, dass man vom Partner betrogen wird? Trotz seines schlichten und eher nüchternen Schreibstils schafft es der Autor wunderbar, uns die Gefühle und Gedanken des alten Mannes zu seinem baldigen Tod und seine Sorge um die Zukunft seines Sohnes und seiner Ehefrau zu vermitteln. Er dramatisiert nichts, beschönigt nichts, lässt einfach die Gefühle und Empfindungen fließen, die ständig zwischen Hilflosigkeit und der Suche nach einem Sinn schwanken. Die Geschichte beginnt recht behutsam, mit der verrinnenden Zeit jedoch steigt die Spannung, um dann sanft in einem offenen Ende auszuklingen.

Fazit: Ein bewegendes Buch über das Leben und den Tod, der unweigerlich dazu gehört – nachdenklich, aber nicht traurig. Meine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 10.01.2024

Geschichten aus einer Kleinstadt in Kentucky

Irgendwann wird es gut
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„Irgendwann wird es gut“ ist nicht, wie vom Autor Jeoy Goebel gewohnt, ein Roman, sondern eine Ansammlung von zehn tragisch-komischen, nachdenklichen Kurzgeschichten, die alle irgendwie miteinander zusammenhängen. ...

„Irgendwann wird es gut“ ist nicht, wie vom Autor Jeoy Goebel gewohnt, ein Roman, sondern eine Ansammlung von zehn tragisch-komischen, nachdenklichen Kurzgeschichten, die alle irgendwie miteinander zusammenhängen. Alles spielt sich in derselben Kleinstadt und etwa zur selben Zeit ab. Es gibt einige Überschneidungen zwischen den Storys, doch die Hauptfigur ist jedes Mal eine andere. Das Thema Einsamkeit zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Geschichten. Die Protagonisten haben psychische Probleme, sind auf der Suche nach einem Partner, wünschen sich generell Kontakt zu anderen Personen, sind jedoch emotional nicht dazu in der Lage. Erfreulich ist, dass die einzelnen Erzählungen alle, im Gegensatz zu vielen anderen Kurzgeschichten, einen eindeutigen Abschluss haben und man somit nicht lange über das Ende grübeln muss.

Fazit: Ideales Buch für Leser/innen die gerne innerhalb kurzer Zeit in sich abgeschlossene Geschichten lesen.

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Veröffentlicht am 09.01.2024

Wenn die Stille zu laut wird …

Die Wand
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Es sollte ein schönes Wochenende mit Cousine Luise und deren Ehemann Hugo werden, welche die ungenannte Erzählerin in ihr Jagdhaus in den Bergen eingeladen haben. Am Abend der Ankunft sucht das Ehepaar ...

Es sollte ein schönes Wochenende mit Cousine Luise und deren Ehemann Hugo werden, welche die ungenannte Erzählerin in ihr Jagdhaus in den Bergen eingeladen haben. Am Abend der Ankunft sucht das Ehepaar noch eine im Tal gelegene Gaststätte auf, während die Frau alleine mit Hund Luchs zurückbleibt. Als das Paar am nächsten Morgen noch nicht zurück ist geht die Erzählerin mit dem Hund los, um nachzusehen. Plötzlich stoßen die beiden an ein Hindernis. Eine unsichtbare Mauer hat sich über Nacht gebildet, auf deren anderer Seite alles Leben erstarrt zu sein scheint. Was ist passiert? Plötzlich ist sie allein in den Bergen, gefangen und isoliert von jeglicher Zivilisation, nur mit Hund Luchs als Begleiter. Zum Glück sind im Jagdhaus reichliche Vorräte vorhanden, die sie, bis die erhoffte Hilfe eintrifft, am Leben erhalten werden. Doch außer eine Kuh und einer verwilderten Katze, die ihr zulaufen, kommt niemand. So richtet sich die Frau nach und nach ein, versorgt die Tiere, geht auf die Jagd, sammelt die Früchte des Waldes, baut Kartoffeln und Bohnen an, hackt Holz und hält das Haus in Ordnung. So vergehen zwei Jahre, dann geschieht eines Tages etwas völlig Schockierendes. Im darauffolgenden Winter, dem dritten Winter ihrer Gefangenschaft, beginnt die Frau diesen Bericht zu schreiben. Sie schreibt bis das Papier ausgeht, ohne zu wissen, ob ihn irgendwann jemand lesen wird …

Marlen Haushofer, geb. 1920 in Frauenstein, gest. 1970 in Wien, war eine österreichische Schriftstellerin. „Die Wand“ (1963) ist der dritte, und auch erfolgreichste, Roman der damals 43jährigen Autorin. Die Geschichte wurde verfilmt und kam 2012 in die Kinos.

Es ist ein ruhiger, dennoch sehr ergreifender und intensiver Roman, den die Autorin vor über 60 Jahren geschrieben hat, und der auch heute noch aktuell ist. Eine namenlose Frau - allein mit sich selbst, ihren unaufhörlich schweifenden Gedanken ausgeliefert, nur beschäftigt mit ihren Tieren und der manchmal gnadenlosen Natur – sie offenbart uns den Sinn des Lebens und zeigt uns was wirklich wichtig ist. Der Schreibstil ist ruhig und harmonisch und betont dadurch das Außergewöhnliche der Situation. Die Autorin lässt die Protagonistin ihre Erlebnisse in Form eines Tagebuches niederschreiben, drei Jahre lang, bis ihr das Papier ausgeht, wodurch eine enge Vertrautheit und Intimität entsteht. Großartig beschrieben sind die Vorgänge in der Natur, der Wandel der Jahreszeiten und die Tierwelt in Wald und Gebirge. Trotz der meist bedrückenden Stimmung klingt die Geschichte versöhnlich aus – die Frau scheint sich mit ihrer Situation abgefunden zu haben und blickt optimistisch in die Zukunft.

Fazit: Ein ergreifender und zu Herzen gehender Roman mit offenem Ende, nachdenklich und lesenswert trotz überwiegend bedrückender Stimmung.

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