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Veröffentlicht am 05.03.2024

Das Mädchen

Mein Name ist Estela
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Meist nennt sie sie nur das Mädchen. Estela arbeitet als Dienstmädchen bei einer gut situierten Familie in einer Stadt in Chile. Sieben Jahre war sie für die Familie tätig. Und nun ist das Mädchen, das ...

Meist nennt sie sie nur das Mädchen. Estela arbeitet als Dienstmädchen bei einer gut situierten Familie in einer Stadt in Chile. Sieben Jahre war sie für die Familie tätig. Und nun ist das Mädchen, das eigentlich Julia heißt, nicht mehr am Leben. Estela ist festgesetzt worden. Und sie redet, erstmals redet sie durch die Scheibe mit ihren vermeintlichen Bewachern. Endlich erzählt sie von den sieben Jahren mit dem Mädchen, mit der Señora, mit dem Señor. Wie es zuging in der Familie, wie sie ihre Dienstkleidung, eine Kittelschürze mit falschen Knöpfen, zugewiesen bekam, wie das Mädchen immer mehr verwöhnt wurde.

Warum übernimmt Estela eine Stelle, die für sie eher belastet? Ihre Familie ist nicht reich, sie unterstützt ihre Mutter, die im Süden des Landes lebt. Sie ist also auch noch fremd in der Stadt. Ihre Arbeitgeber sind ihr nicht wirklich sympathisch. Wie sie ihr einziges Kind behandeln, ist schon erstaunlich. Zwar wird die Kleine verwöhnt, aber manchmal besonders vom Vater geradezu brutal wird sie geradezu brutal behandelt. Und die Mutter strömt manchmal eine Kälte aus, die einen schaudern lässt. Estelas einzige Freude ist ein Hund, der durch die Gegend streunt. Erst hat sie keinen Namen für das Tier, doch sie findet immer ein Wort, einen Happen oder eine sanfte Berührung.

Ein Roman, der einen in eine Welt führt, die einem so nicht bekannt ist. Nicht genau klar ist, wann die Handlung angesiedelt ist. Es werden Masken erwähnt, so dass einem der Gedanke kommt, es könne die Gegenwart sein. Oder gab es auch andere Zeiten oder Gelegenheiten, wo Masken opportun waren? Wie ihre Arbeitgeber Estela behandeln, lässt den Wunsch entstehen, es möge doch die Vergangenheit sein. Allerdings scheint es in dieser Familie keine Güte zu geben, auch nicht dem Kind gegenüber. Und Estela, die Fremde, die Dienstbotin, hält es irgendwie aus. Tja, und das Mädchen ist tot, damit fängt es an und dann startet die Erzählung von Beginn. Was man vermisst, ist eine Erläuterung zum Kontext. Ansonsten fesselt diese Erzählung einer Frau, die nur ein verspiegeltes Fenster als Gegenüber hat, sehr. Der Vortrag des Hörbuchs durch Heike Warmuth unterstreicht die Handlung. Sie verleiht Estela eine Stimme, der man gerne zuhört, auch wenn einem die Geschichte den Atem stocken lässt.

Auffällig ist auch das Cover, das durch seine Farbgestaltung sehr auffällt, aber gleichzeitig auch die Anonymität der Dienstbotin widerspiegelt.

Veröffentlicht am 02.03.2024

Urlaub in den Bergen

Piz Palü
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Im Grand Hotel Arnold lässt es sich gut urlauben. Das hoffen jedenfalls die neuen Gäste. Frau von Hoppe und ihre Gesellschafterin Corinne sind es, die anreisen. Und O. W. Fischer ist auch im Hotel. Was ...

Im Grand Hotel Arnold lässt es sich gut urlauben. Das hoffen jedenfalls die neuen Gäste. Frau von Hoppe und ihre Gesellschafterin Corinne sind es, die anreisen. Und O. W. Fischer ist auch im Hotel. Was könnte einen Aufenthalt mehr besonders machen? Im Hotel geht alles seinen geregelten Gang. Die Gäste sollen sich erholen, gut essen und mal eine Bergtour machen. Auch Corinne interessiert sich für die Berge. Obwohl sie eine kleine Gehbehinderung hat, zieht es sie auf den Berg. Sie wurde nach ihrer Geburt zu Adoption freigegeben und nach ihrer Geburtsurkunde ist sie in der Schweiz geboren.

Die Familie Arnold war finanziell ruiniert. Das Hotel schien hoffnungslos verloren. Welche Möglichkeit könnte bestehen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Der ursprüngliche Besitzer hatte zwei Töchter und eine musste heiraten. Und nun führt immer noch eine geborene Arnold das Hotel mit dem Geld ihres Mannes. Zum Wohl der Gäste wird alles unternommen. Doch Hoteliers müssen sich fragen, ob sie für den Erhalt des Hotels nicht zu viel aufgegeben haben. Daran kann auch der Aufenthalt eines bekannten Schauspielern nichts ändern. Nur Corinne zieht es unverdrossen in die Berge. Sie will den Piz Palü unbedingt bezwungen.

Beim Lesen des Klappentextes denkt man zunächst an einen lustigen Krimi, in dem O.W. Fischer unter die Ermittler geht. Und dann kommt alles ganz anders. Aus dem beschaulichen Urlaubsidyll wird ein raues Familiendrama. Die Verstrickungen der Familie Arnold sind alles andere als leicht zu verdauen. Man glaubt es kaum, was sich hinter einer so glatten Fassade verbergen kann. Nicht jeder verträgt die Berge und möglicherweise vertragen die Berge auch nicht jeden, eine spezielle Stimmung herrscht hier und man weiß nicht, wie man sich gegen den Ruf schützen kann. Aus der Entspannung eines geruhsamen Aufenthalts in einem gepflegten Hotel wird man direkt in einen Krimi geworfen, der einem einiges abverlangt.

Veröffentlicht am 26.02.2024

Klimaaktivisten

Stummer Schrei
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Der ehemalige Polizist Lukas Frisell ist nach einem beruflichen Misserfolg aus dem Dienst ausgeschieden und in den Wäldern Schwedens abgetaucht. Und nun geht ein Attentäter um, der es offensichtlich auf ...

Der ehemalige Polizist Lukas Frisell ist nach einem beruflichen Misserfolg aus dem Dienst ausgeschieden und in den Wäldern Schwedens abgetaucht. Und nun geht ein Attentäter um, der es offensichtlich auf Menschen und deren Institutionen abgesehen hat, die sich seiner Meinung nach an der Umwelt versündigen. Der erste Fall für Eva Nyman und ihr neu zusammengestelltes Nova-Team und Lukas Frisell, ihr ehemaliger Kollege, drängt sich als Verdächtiger förmlich auf. Der schnell als Klimabomber bezeichnete Täter nimmt Kontakt mit den Behörden auf. In Briefen an Eva Nyman gibt er Erläuterungen zu seinen Taten ab. Doch wird es dem Nova-Team gelingen, schneller zu sein?

Der erste Fall für das Nova-Team von Eva Nyman. Ein Team, das sich erstmal finden muss, das sich im Aufbau befindet. Und dann bekommen sie es mit jemanden zu tun, der offensichtlich in der Lage ist, in Sicherheitsbereiche einzudringen und viele Menschen in Gefahr zu bringen. Anscheinend geht um Umweltfragen und bisher sind relativ wenige Firmenmitarbeiter umgekommen. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anschläge schlimmer werden. Für Nyman ist also Eile geboten, damit noch Schlimmeres verhindert werden kann. Zunächst gibt es nicht viele Hinweise und Frisell scheint auch erstmal keine große Hilfe zu sein.

Eine neue Reihe von Arne Dahl, der für seine packenden Kriminalromane bekannt ist. Ebenfalls bekannt ist er dafür, die Leser mit überraschenden Wendungen zu erfreuen. Und auch mit der Bildung des Nova-Team hat er sich wieder etwas besonderes ausgedacht. Zwar wird mit dem Bilden der Ermittlungsgruppe ein wenig viel Zeit verbracht, aber wenn die Ermittlung als solche Fahrt aufnimmt, ist man schnell gefesselt. Mit einigen Entwicklungen kann man wirklich nicht rechnen. Bis zum Schluss bleibt es spannend und ein tolles Team hat sich gebildet, das sich sicher noch der ein oder anderen packenden Aufgabe gegenüber sehen wird. Wenn dabei weiter fesselnde und aktuelle Themen aufgegriffen, steht tollen Leseerlebnissen nichts mehr entgegen.

Versiert und mit angenehmer Stimme vorgetragen wird dieses Hörbuch von Peter Lontzek, der es versteht, die Handlung durch seinen Ausdruck zu unterstützen.

Veröffentlicht am 18.02.2024

Sommerliche Heimkehr

Krummes Holz
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Nach sechs Jahren im Internat kehrt der 19jährige Jirka auf den heimatlichen Hof zurück. Als Anlass nimmt er seinen Musterungsbescheid, allerdings hatte seine ältere Schwester Malene ihn vor einigen Wochen ...

Nach sechs Jahren im Internat kehrt der 19jährige Jirka auf den heimatlichen Hof zurück. Als Anlass nimmt er seinen Musterungsbescheid, allerdings hatte seine ältere Schwester Malene ihn vor einigen Wochen gebeten, zu kommen. Damals ist er einfach nicht gefahren. Kein Wunder, dass Malene ihm nicht vor Freude um den Hals fällt. Überhaupt hat sich auf dem Hof einiges verändert. Alles wirkt heruntergekommen und renovierungsbedürftig. Großmutter Agnes zeigt Anzeichen einer Demenzerkrankung und sein Vater ist nirgends zu sehen. Nur Leander, der in zufällig auf der Straße aufgabelt, redet mit ihm. Aber auch er erweckt nicht den Eindruck, als würde er sich besonders freuen.

Es ist Sommer, die neue deutsche Welle läuft im Radio und eigentlich könnte es wie Ferien sein, das alte Zimmer ist noch da, die Küche ist noch da, die Oma ist noch da, die Schwester ist noch da. Jedoch fühlt sich nichts richtig und einfach an. Erinnerungen kommen wieder hoch an Ereignisse, die Jirko überwunden glaubte. Und er kann es nicht anders sagen, er fühlt sich fremd. Nur Leander behandelt ihn halbwegs normal, auch wenn er ihm eindeutig klarmacht, dass er sich an den anfallenden Arbeiten beteiligen soll. Dass die einst resolute Großmutter Agnes sich sehr verändert hat, muss Jirka auch noch verdauen.

Schon nach den ersten paar Sätzen packt einen dieser Roman, weil er Erinnerungen weckt. Jirkas Familie ist nach dem Krieg ins Sauerland gekommen. Sie haben eine Fluchtgeschichte wie so viele Menschen nach dem zweiten Weltkrieg. Obwohl Jirko mit dem Krieg zum Glück nichts mehr zu tun hat, so ist seine Kindheit doch von der Geschichte der Eltern geprägt. Es herrscht eine gewisse stumme Härte, die sich auch bei den Kindern fortsetzt. Der sensible Jirko leidet unter der Situation und unter seinem Vater. Malena dagegen wehrt sich und wird selber härter und stummer. Beeindruckend zu lesen, wie sich in diesem heißen Sommer einiges verändert. Und das nicht auf die leichte Tour, eher ist es wie eine Tour de Force. Und doch gibt es für Jirka auch einige schöne dichte Momente. Und so erfühlt man diesen Roman und denkt auch an die eigene Vergangenheit, die vielleicht weniger turbulent war, aber der sich dennoch das Schicksal der Eltern im Leben der Kinder widerspiegelt. Ein sehr lesenswerter Roman, der schon mit seinem Cover einen Hingucker präsentiert.

Veröffentlicht am 16.02.2024

Ein alter Fall

Murder in the Family
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Im Rahmen seiner True Crime Serie „Infamous“ will der Regisseur Guy Howard einen alten Mordfall wieder aufrollen. Sein Stiefvater Luke Ryder wurde vor zwanzig Jahren brutal ermordet. Gemeinsam mit dem ...

Im Rahmen seiner True Crime Serie „Infamous“ will der Regisseur Guy Howard einen alten Mordfall wieder aufrollen. Sein Stiefvater Luke Ryder wurde vor zwanzig Jahren brutal ermordet. Gemeinsam mit dem Produzenten Nick Vincent wurde ein Expertenteam zusammengestellt. Gemeinsam wollen sie jedem Hinweis nachgehen. Wegen Guys Verbindung zu dem Toten haben sie auch Zugang zu dem damaligen Tatort. Und auch eine der beiden älteren Schwestern des Regisseurs gibt ein paar Auskünfte. Obwohl die Polizei vor zwanzig Jahren gründlich ermittelt hat, schafft das neue Team es, neue Ansätze zu finden und sogar Verbindungen aufzudecken, die vorher nicht bekannt waren.

Ein Buch wie eine TV-Serie. Ein ehemaliger Polizeibeamter, ein Journalist, ein Anwalt, eine Psychologin, ein Forensiker und ein Privatdetektiv, der einmal bei der New Yorker Polizei tätig war.
Sie bilden die Gruppe von Experten, die sich noch einmal mit dem Mord an Luke Ryder beschäftigen wollen. Erstaunlich, dass es nach so langer Zeit noch Neuigkeiten gibt. Doch tatsächlich entdecken die Ermittler überraschende Einzelheiten. Das macht die Serie zu einem Erfolg beim TV-Publikum. Es entsteht eine rege Diskussion. Schnell findet das zusammengewürfelte Team zueinander und an den Ergebnissen ist die fruchtbare Zusammenarbeit zu sehen.

In diesem Roman ist viel hineingepackt. True Crime als Roman, die Aufhellung eines Mordfalls als Fernsehserie, die persönliche Betroffenheit des Regisseurs. Zum Glück ist das so geschickt zusammengefasst, dass man gefesselt ist und selbst anfängt zu rätseln. Vielleicht hat man mal eine Ahnung, vieles kommt jedoch völlig überraschend. Die Beschreibung als True Crime Serie ist dabei ungewöhnlich und erfrischend. Die Szenen sind bildhaft beschrieben, do dass sie beinahe wirklichkeitsgetreu vor den Augen erstehen. Auch die Ermittler, die durch die direkten Dialoge sprechen, wirken sehr authentisch. Eigentlich könnte man das Buch sofort verfilmen, das Drehbuch ist schon da. Die filmische Darstellung des Geschehens ist ungewöhnlich und sie fesselt durch die schnörkellosen Dialoge und die Szenenwechsel, die Beschreibungen der Foto- oder Filmeinblendungen. Die immer wieder unerwarteten Wendungen tun ein Übriges, um zu überzeugen.

Insbesondere die haptische Gestaltung des Cover aber auch die Farbgebung geben dem Titelbild etwas besonders.