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Veröffentlicht am 26.02.2024

Ein interessanter Fund, in den viel hineininterpretiert wird

Das Rätsel der Schamanin
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Die Autoren haben sich in früheren Werken bereits ausführlich mit der Himmelsscheibe von Nebra befasst, aus deren Existenz sie auf eine Hochkultur der Bronzezeit auf deutschem Boden schließen wollen.
Hier ...

Die Autoren haben sich in früheren Werken bereits ausführlich mit der Himmelsscheibe von Nebra befasst, aus deren Existenz sie auf eine Hochkultur der Bronzezeit auf deutschem Boden schließen wollen.
Hier reisen sie nun noch weiter in der Zeit zurück und begeben sich ins Mesolithikum, wo sie den Spuren einer mutmaßlichen Schamanin folgen. Ausgangspunkt ist ein 9.000 Jahre altes Grab in Bad Dürrenberg. Erstmals ausgegraben wurde es bereits 1934 (und damals als „Urarier“ interpretiert), eingehender untersucht aber erst ab 2019. Harald Meller war als Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt für die neuen Ausgrabungen und Nachuntersuchungen verantwortlich. Der Bestsellerautor Kai Michel war von Beginn an hautnah dabei.
Dies ist einerseits natürlich vorteilhaft, können so doch sehr unmittelbare Einblicke in die Arbeit des interdisziplinären Forscherteams gegeben werden. Andererseits kommt doch der Verdacht auf, dass auf jeden Fall spektakuläre Ergebnisse produziert werden „mussten“.

Tatsächlich habe ich mich wiederholt gefragt, ob hier nicht manches überinterpretiert wird. Die Autoren betonen zwar ständig, man müsse unvoreingenommen bleiben und dürfe heutige Verhältnisse nicht in die Vergangenheit projizieren. Dennoch haben sie eine gewisse Tendenz zu weit hergeholten Schlussfolgerungen und Mutmaßungen. Und schon allein die Verwendung des Wortes Schamanin ist, wie sie selbst eingestehen, problematisch.
Außerdem nehmen allgemeine Ausführungen, die nicht direkt etwas mit dem Fall zu tun haben, zu viel Raum ein. Teilweise sind diese zwar durchaus aufschlussreich, wenn beispielsweise erklärt wird, dass sich die Evolution der menschlichen Psyche unter ganz anderen Bedingungen vollzogen hat als jenen, welche die moderne Welt bestimmen. Vielfach lenken sie aber eher von den eigentlich relevanten Aussagen ab. (Beispielsweise der Arierwahn der Nazis oder die Brutalität des Kolonialismus. Beides zweifellos wichtige Themen, die jedoch nichts mit dem Mesolithikum zu tun haben.)

Nichtsdestotrotz handelt es sich bei der alten Dame (unabhängig davon, ob man sie nun als „Schamanin“ bezeichnen möchte oder nicht) um einen beeindruckenden Fund und diejenigen Passagen, die sich tatsächlich mit seiner wissenschaftlichen Analyse befassen, sind sehr interessant. Vor allem, was die Gene der Frau und des mit ihr bestatteten Säuglings betrifft. Doch auch die Grabbeigaben haben einiges zu bieten. Wenn Gespräche mit den beteiligten Forschern geschildert werden, kommt bisweilen sogar etwas Spannung auf.
Ich hätte es aber eben besser gefunden, sich auf die Fakten zu konzentrieren und den Inhalt außerdem generell zu straffen. Die wirklich relevanten Informationen hätte man auch auf der halben Seitenzahl untergebracht.

Veröffentlicht am 26.02.2024

Spannende Geschichte mit unbefriedigendem Ende

Der langsame Tod der Luciana B
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Der namenlose Ich-Erzähler (dabei handelt es sich offenbar um eine Spezialität des Autors) wird unversehens in einen ebenso spektakulären wie rätselhaften Fall verwickelt, als er eines Sonntags überraschend ...

Der namenlose Ich-Erzähler (dabei handelt es sich offenbar um eine Spezialität des Autors) wird unversehens in einen ebenso spektakulären wie rätselhaften Fall verwickelt, als er eines Sonntags überraschend den Anruf einer Frau erhält, mit der er seit zehn Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Damals war Luciana eine hübsche junge Studentin, die als Sekretärin des geheimnisvollen Schriftstellers Kloster arbeitete. Nun wirkt sie völlig verändert und psychisch angeschlagen. In den letzten Jahren hatte sie einige Todesfälle in ihrem Umfeld zu verkraften und ist überzeugt davon, dass Kloster dahinter steckt.
Unser Ich-Erzähler hat Zweifel, lässt sich aber dennoch dazu überreden, mit Kloster Kontakt aufzunehmen. Dessen Erklärungen für die Geschehnisse unterscheiden sich natürlich deutlich von Lucianas.
Wer sagt die Wahrheit? Sowohl Lucianas als auch Klosters Versionen wirken einerseits glaubwürdig, gleichzeitig aber auch weit hergeholt. Es gibt am Ende jedoch keine wirkliche, oder jedenfalls keine überzeugende Auflösung.

Außerdem ist das Buch relativ kurz, weshalb sich die Handlung nicht gut entfalten kann. Zudem sind manche Verhaltensweisen der Protagonisten schwer nachvollziehbar und es gibt zahlreiche Ungereimtheiten.
Obwohl zwischendurch und vor allem gegen Ende durchaus einige Spannung aufkommt, konnte mich der Roman daher nicht wirklich überzeugen.
Im Gegensatz zu anderen Büchern von Guillermo Martinez spielt hier übrigens die Mathematik (von ein paar oberflächlichen Ausführungen zur Wahrscheinlichkeit abgesehen) keine besondere Rolle.

Veröffentlicht am 26.02.2024

Oberflächliche Zusammenstellung von Worst-Case-Szenarien

Erstkontakt
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Die Erkenntnis, dass es sich bei der Erde nicht um den einzigen belebten Ort im Universum handelt, dass es gar technisch weiter fortgeschrittene Zivilisationen gibt als die Menschheit, wäre zweifellos ...

Die Erkenntnis, dass es sich bei der Erde nicht um den einzigen belebten Ort im Universum handelt, dass es gar technisch weiter fortgeschrittene Zivilisationen gibt als die Menschheit, wäre zweifellos einer der bedeutsamsten Momente der Menschheitsgeschichte. Die Aussage des Untertitels, dass wir uns auf Außerirdische vorbereiten müssen, ist daher sicher nicht falsch. Wirklich konkrete Ausführungen dazu, woraus diese Vorbereitung bestehen oder wie sie ablaufen sollte, sucht man hier jedoch vergebens.
Nach allgemeinen Überlegungen darüber, welche psychologischen Faktoren bei der Begegnung mit fremdartigen Lebewesen eine Rolle spielen, einem Überblick über die Darstellung von Außerirdischen in Filmen und einer kurzen Zusammenfassung der Geschichte von SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) und SETA (Search for Extraterrestrial Artifacts), betrachtet der Autor diverse Szenarien, wie ein Erstkontakt ablaufen könnte. Dies reicht von der bloßen Entdeckung eines außerirdischen Radiosignals ohne Inhalt bis hin zur Ausbreitung eines tödlichen außerirdischen Krankheitserregers. Ihnen allen ist gemeinsam, dass es sich um „Worst-Case-Szenarien“ handelt. Dies hat zwar eine gewisse Berechtigung, denn vorbereiten sollte man sich natürlich vor allem auf Negatives, wirkt andererseits aber doch einseitig.
Außerdem konnte ich mich während des Lesens des Eindrucks nicht erwehren, dass der Autor selbst über kein besonders tiefes Verständnis der Materie verfügt. Gerade seine Beschreibungen der wissenschaftlichen Hintergründe wirken oftmals als hätte er sie irgendwo abgeschrieben. Nebenbei bemerkt scheint er auch unter einer Spinnenphobie zu leiden. Zumindest ist es auffällig (und nicht besonders originell), dass immer gerade eine Ähnlichkeit mit Spinnen als Beispiel für ein möglicherwiese abschreckendes Äußeres genannt wird.

Insgesamt bleiben seine Betrachtungen jedenfalls sehr an der Oberfläche. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit juristischen, ethischen oder philosophischen Implikationen fehlt völlig.
Zwar haben die hier angestellten Gedankenspiele dennoch ihren Reiz. Was man daraus mitnehmen kann, ist aber eigentlich nur, dass alles ganz furchtbar schiefgehen wird und dass die Medien (erst recht die sozialen) alles noch schlimmer machen werden.
Viel mehr haben das Buch bzw der Autor leider nicht zu bieten und das ist angesichts des grundsätzlich interessanten Themas doch enttäuschend.

Veröffentlicht am 26.02.2024

Unfreiwilliger Anwalt der Russenmafia

Zu wenig Zeit zum Sterben
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In Eddie Flynns Leben läuft es gerade nicht besonders gut: Er hat seinen Beruf als Anwalt aufgegeben, seine Frau hat sich von ihm getrennt und er hat eine Entziehungskur hinter sich. Aber seine sonstigen ...

In Eddie Flynns Leben läuft es gerade nicht besonders gut: Er hat seinen Beruf als Anwalt aufgegeben, seine Frau hat sich von ihm getrennt und er hat eine Entziehungskur hinter sich. Aber seine sonstigen Probleme verblassen, als er eines Morgens den Lauf einer Pistole in seinem Rücken spürt. Er soll gezwungen werden, den Boss der Russenmafia vor Gericht zu verteidigen und nebenbei den wichtigsten Zeugen der Anklage mittels einer Bombe auszuschalten. Und das alles innerhalb von einunddreißig Stunden. Sonst wird seine Tochter sterben. Doch was die Russen nicht wissen: Bevor er Anwalt wurde, war Eddie ein geschickter Gauner und Trickbetrüger. Wird es ihm auch gelingen, die Mafia auszutricksen? Je näher er sich mit dem Fall befasst, umso mehr Ungereimtheiten fallen ihm auf.

Dass ein Strafverteidiger die Hauptrolle in einem Thriller spielt,
ist interessant. Und tatsächlich werden der Ablauf eines (US-amerikanischen) Strafprozesses sowie die Vorgehensweisen und Kniffe von Staatsanwaltschaft und Verteidigung gut beschrieben. Auch ist Eddie ein ganz sympathischer Protagonist, gerade kein großer Held, aber doch jemand, der über sich hinauswächst.

Die Handlung rund um die russische Mafia konnte mich jedoch weniger überzeugen. Schon die Ausgangssituation finde ich unrealistisch und das wird im Laufe der Zeit nicht besser. Es ist unglaubwürdig, was Eddie alles unternehmen kann, ohne dass seine Bewacher etwas bemerken. Auch sonst ist am Verhalten der Mafia, aber auch beispielsweise des FBIs einiges unlogisch.
Die Geschichte besteht im Wesentlichen darin, dass Eddie in eine scheinbar aussichtslose Situation nach der anderen gerät und es doch immer wieder schafft, eine Lösung zu finden. Dabei wird durchaus etwas Spannung aufgebaut und es gibt ein paar Überraschungen. Andererseits ist aber klar, dass es irgendwie weitergehen muss, weshalb das meiste zumindest in groben Zügen vorhersehbar ist.

Insgesamt bleibt daher ein eher durchwachsener Eindruck.

Veröffentlicht am 29.06.2023

Genie oder Wahnsinniger?

Roderers Eröffnung
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In diesem Roman erzählt ein namenlos bleibender junger Mann von seiner Freundschaft mit dem einzelgängerischen Gustavo Roderer. Erstmals begegnen sie einander als Jugendliche beim Schachspielen in einem ...

In diesem Roman erzählt ein namenlos bleibender junger Mann von seiner Freundschaft mit dem einzelgängerischen Gustavo Roderer. Erstmals begegnen sie einander als Jugendliche beim Schachspielen in einem Lokal, wo Roderer seine große Begabung offenbart. Doch er kommt mit dem normalen Leben nicht zurecht, bricht bald die Schule ab und verschanzt sich in seinem Zimmer, wo er über philosophische Probleme nachgrübelt. Dass er ein tragisches Ende nehmen wird, ist von Beginn an klar. Der Schluss wirkt dann aber eher banal.

Ich habe mich während des Lesens häufig gefragt, ob Roderer wirklich so intelligent ist, wie sein Umfeld offenbar denkt und der Autor den Lesern weismachen möchte. Eigentlich hat er doch nichts vorzuweisen. Er verstrickt sich in hochtrabende Überlegungen, die er aber auch nur mit einem (klugen, aber doch unerfahrenen) Gleichaltrigen diskutiert, behauptet schließlich, einen großartigen Beweis gefunden zu haben, den er aber nicht aufschreibt, sodass diese Behauptung nicht überprüft werden kann.
Für mich ist Roderer jedenfalls nur ein Wahnsinniger (der sich vielleicht selbst für ein Genie hält, vielleicht aber auch nur von anderen für eines gehalten wird). Als tragische Figur ist er dennoch nicht uninteressant. Wirklich packend fand ich die Geschichte allerdings trotzdem nicht. Was auch daran liegt, dass das Verhalten einiger Personen (allen voran der Schwester des Erzählers) schwer nachvollziehbar ist.