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Veröffentlicht am 18.03.2024

Die nächste Generation

Für immer, dein August (Mühlbach-Saga 2)
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Nach Ende des Ersten Weltkriegs heiraten die Freunde aus Kindertagen, Lotte und August, und gründen eine Familie. Obwohl sie beide Außenseiter in Mühlbach in der Pfalz sind, genießen sie ihr Glück, bis ...

Nach Ende des Ersten Weltkriegs heiraten die Freunde aus Kindertagen, Lotte und August, und gründen eine Familie. Obwohl sie beide Außenseiter in Mühlbach in der Pfalz sind, genießen sie ihr Glück, bis der nächste Weltkrieg seine Schatten vorauswirft. Ein grandioser zweiter Teil der Mühlbach-Saga nimmt seine Leser gefangen …

Mit dem achtzehnjährigen August, der 1918 in England als Musikant in Gefangenschaft gerät, knüpft Band Zwei direkt an seinen Vorgänger, „In Liebe, deine Lina“ an. Auch diesmal beeindruckt Autorin Barbara Leciejewski mit ihrer empathischen, warmherzigen Schreibweise und schildert einfühlsam die Erlebnisse ihrer Vorfahren. Teilweise werden Briefe und andere Quellen wörtlich in den Text übernommen, teils lehnt sich die Geschichte an an Erzählungen aus der Verwandtschaft - insbesondere von Mutter Martha, teils werden natürlich auch einige fiktive Szenen eingeflochten. So gelingt es Leciejewski, einen durchgehend hohen Spannungsbogen zu erzeugen und den Leser auch auf den letzten Seiten noch zu überraschen. Schreckliche Bilder aus den Kriegen, derer Lottes Vater Kurt drei erleben musste, finden ebenso Eingang in die Erinnerungen, wie auch schöne Details von Hochzeiten und Geburten und der steten Hoffnung auf eine friedvolle Welt, in der alle Menschen gleich und gleichberechtigt sind. Sehr fein arbeitet die Autorin ihre Figuren heraus und lässt Bilder aus längst vergangenen Jahrzehnten wieder wach werden, die zarte Liebe zwischen Lotte und August ebenso wie den immer weiter um sich greifenden Nationalsozialismus. Ohne Schönfärberei werden Tatsachen zu Papier gebracht, gefühlvoll, aber keineswegs klischeehaft werden Momente eingefangen, die es wert sind, nicht in Vergessenheit zu geraten.

Auch dieser Teil der Mühlbach-Saga überzeugt auf ganzer Linie, sprachgewandt, detailgetreu, traurig und hoffnungsvoll schildert Barbara Leciejewski, wie es damals war, wie es ihrer Großmutter als „Bankert“ ergangen ist, wie ihre Mutter als Städterin aus Bremen ihre Schwierigkeiten hatte, im kleinen Mühlbach wieder Fuß zu fassen. Ich empfehle dieses Buch von Herzen gerne weiter, nach Möglichkeit sollte man „In Liebe, deine Lina“ noch davor lesen.

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Veröffentlicht am 11.03.2024

Alte Knochen

Lügendorf
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Am Bachufer in ihrer Mühlviertler Heimatgemeinde geht Diana spazieren, als ein paar Kinder aufgeregt einen sonderbaren Fund vermelden: tatsächlich sind hier die alten Knochen eines menschlichen Skelettes ...

Am Bachufer in ihrer Mühlviertler Heimatgemeinde geht Diana spazieren, als ein paar Kinder aufgeregt einen sonderbaren Fund vermelden: tatsächlich sind hier die alten Knochen eines menschlichen Skelettes durch den Regen freigespült worden. Es handelt sich um die Überreste der vor vierzehn Jahren verschwundenen Stefanie, welche von daheim weglaufen wollte. Nun fühlt die Polizei allen damaligen Mitgliedern der Jugendclique sehr genau auf den Zahn, zunehmend geraten Diana und ihre beste Freundin Nora unter Verdacht.

Kurzweilig geht es zu in diesem dritten Teil der Serie „Diana Heller“, wer – so wie ich – erst jetzt neu einsteigt, hat vielleicht da und dort etwas aus Dianas Privatleben verpasst, für die aktuellen Mordermittlungen allerdings wird genug aus der Vergangenheit wiederholt, sodass man sich schnell sehr gut zurechtfindet. Einige Dialoge im Dialekt und Grias di als Gruß bringen Lokalkolorit ins Geschehen, Mühlviertler Spezialitäten am Tisch sorgen für die passende kulinarische Note. Daneben gibt es allerhand Verdächtige, die etwas mit dem Tod von Steffi zu tun haben könnten, mysteriöse Ereignisse in Dianas altem Bauernhaus sorgen für eine entsprechende gruselige Atmosphäre. Wirklich arg zum Fürchten wird es aber dann zum Glück doch nicht, auch wenn gegen Ende zu einige Szenen den Leser den Atem anhalten lassen. Erwähnenswert ist auch eine schwarz-weiße Katze namens Hedwig, welche Diana in einsamen Stunden Gesellschaft leistet und für allerlei Vermutungen Anlass gibt. So entsteht aus verschiedensten Puzzleteilen ein gelungenes Ganzes, am Ende bleiben auch im logisch aufgebauten Kriminallfall keinerlei Fragen offen.

Eva Reichls beschwingter Schreibstil entführt den Leser für spannende Stunden ins schöne Oberösterreich, die Ermittlungen aus Dianas Sicht zu verfolgen, hat mir sehr gut gefallen. Auch wenn die Reihenfolge nicht korrekt ist, so bin ich nun doch auch neugierig, was zuvor geschehen ist. Lügendorf kann ich schon einmal weiterempfehlen!

Veröffentlicht am 09.03.2024

Marmor

Steinerne Schuld
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Unter recht gefährlichen Arbeitsbedingungen wird im toskanischen Carrara der begehrte reinweiße, glänzende Marmor abgebaut. Als ein erfahrener LKW-Lenker von der Piste abkommt und von den schweren Gesteinsplatten ...

Unter recht gefährlichen Arbeitsbedingungen wird im toskanischen Carrara der begehrte reinweiße, glänzende Marmor abgebaut. Als ein erfahrener LKW-Lenker von der Piste abkommt und von den schweren Gesteinsplatten zerquetscht wird, denkt Commissario Luca sofort an ein Attentat und nicht an einen Unfall. Der Tote ist Mauro Sant‘Angelo, seine Tochter Emilia die beste Freundin von Lucas Tochter Emma. Könnte es Mauro zum Verhängnis geworden sein, dass er vehement für mehr Sicherheit und bessere Bezahlung eingetreten ist?

Wunderschöne Landschaftsbeschreibungen, köstlicher Wein und duftende Ribollita (toskanische Bauernsuppe) oder Caponata (Gemüsegericht) aus reichlich Auberginen, Tomaten, Sellerie und Kapern zaubern wie gewohnt das typische Flair zwischen die Seiten dieses herrlichen Regionalkrimis. Schnell ist man als Leser in bester Urlaubsstimmung und rätselt obendrein mit in einem interessanten Ermittlungsfall, der auch die spröde Vice-Questora aus Florenz wieder einmal ins idyllische Dörfchen Montegiardino lockt. Einige bekannte Figuren und drei Esel trifft man als treuer Begleiter von Commissario Luca abermals im dritten Band – die Reihenfolge der Serie einzuhalten lohnt sich also jedenfalls! So kann man wunderbar die persönliche Entwicklung der Hauptfiguren beobachten und bei überaus interessanten Verbrechen dem charmanten Polizisten über die Schulter schauen.

Ein sehr angenehmer Schreibstil, Einblicke ins Marmorgeschäft und die einzigartige landestypische Atmosphäre lassen die Krimireihe rund um Commissario Luca auch diesmal zum reinsten Lesevergnügen werden. Die Kürze der Bücher erlaubt es zumeist, konzentriert und ohne größere Unterbrechungen zu lesen, kurzweilig fließt die spannende Handlung dahin und bietet einige überraschende Wendungen. Ich empfehle diese wunderbare Krimireihe gerne uneingeschränkt weiter und schwelge dabei in eigenen Urlaubserinnerungen an das Städtchen Carrara.

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Veröffentlicht am 05.03.2024

Rasiermessermuschel

Revanche
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Wie jeden Tag nimmt die Fähre über die Gironde frühmorgens die ersten Passagiere auf, um sie von Blaye nach Lamarque oder umgekehrt zu bringen. Diesmal aber ist etwas anders: in Blaye angekommen, blockiert ...

Wie jeden Tag nimmt die Fähre über die Gironde frühmorgens die ersten Passagiere auf, um sie von Blaye nach Lamarque oder umgekehrt zu bringen. Diesmal aber ist etwas anders: in Blaye angekommen, blockiert das Fahrzeug von Malermeister Benjamin Forestier die Ausfahrt, vom beliebten Mann aus Pauillac fehlt jede Spur. Hatte er irgendwo am Schiff einen Herzinfarkt oder ist er gar über Bord gefallen? Luc Verlain und Anouk Filipetti stehen vor einem Rätsel.

Atmosphärisch, mit einem phantastischen Tagesanbruch an Bord der Fähre Sébastien Vauban, beginnt dieser siebente Band der Krimireihe Luc Verlain in der Aquitaine: ein öliger, dunkler Fluss, die Lichter des Hafens, Stammkunden aus dem Médoc, bevor lärmende Touristen übersetzen wollen. Mitten in diese Idylle platzt die mysteriöse Leere im Fiat Fiorino von Benjamin Forestier. Die Passagiere der Fähre dürfen diese nicht verlassen und müssen sich einer nach dem anderen einer Befragung von Luc Verlain unterziehen, während Anouk die Ehefrau des Vermissten aufsucht. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, weshalb der sympathische Maler plötzlich wie vom Erdboden – oder gar vom Fluss? – verschluckt worden ist, bis er tot aufgefunden wird, markiert mit einer sogenannten Rasiermessermuschel. Ein ähnlicher Fall wird aus Paris bekannt, nach einem möglichen Zusammenhang wird fieberhaft gesucht. Flott geht es dahin mit Mutmaßungen und ersten Verdächtigen, neben den wunderbaren landschaftlichen Szenen in der Aquitaine geht es kurz auch nach Paris, wo wir Yacine wiedersehen, der auch sofort in die Ermittlungen mit einbezogen wird. Kurz wird Wesentliches wiederholt, sodass treue Leser ebenso wie Neueinsteiger rasch auf aktuellem Stand sind, ohne dass es zu irgendwelchen Verzögerungen kommt. Der Mix aus privaten Einblicken und einem spannenden, rätselhaften Fall ist wiederum sehr gut gelungen, sodass auch dieses Buch abermals kurzweilige Unterhaltung bietet.

Fazit: ein flüssiger Schreibstil, gut skizzierte Charaktere und ein bizarrer, aber logisch durchdachter Kriminalfall vor traumhafter Urlaubskulisse begeistert wohl jeden Freund von guten Regiokrimis. Ich empfehle diese Reihe sehr gerne weiter und freue mich schon auf weitere Fälle.

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Veröffentlicht am 29.02.2024

Flutnacht

Als der Sturm kam
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Am 16. Februar 1962 braut sich über Hamburg ein Sturm zusammen, gleichzeitig steigt das Wasser im Elbstrom immer weiter an. Obwohl Stürme und kabbelige See hier nichts Ungewöhnliches sind, schlagen die ...

Am 16. Februar 1962 braut sich über Hamburg ein Sturm zusammen, gleichzeitig steigt das Wasser im Elbstrom immer weiter an. Obwohl Stürme und kabbelige See hier nichts Ungewöhnliches sind, schlagen die Einsatzkräfte Alarm – und tatsächlich brechen mitten in der Nacht die ersten Dämme. Realitätsnah und erschütternd erzählt Anja Marschall, was sich bei der größten Katastrophe im Hamburg der Nachkriegszeit zugetragen hat oder so ähnlich geschehen sein könnte.

Beklemmende Szenen auf einem Feuerschiff stimmen den Leser auf unheilvolle Lesestunden ein, denn diese Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit. Viele Figuren sind erdacht, aber auch historische Personen finden Eingang in das blendend erzählte Szenario. Alles beginnt mit dem 16. Februar 1962, man lernt verschiedene Figuren kennen, Bewohner einer Laubensiedlung, einen ehrgeizigen Piloten, Hafenarbeiter, kunterbunt gemischt darf man einen Blicken werfen auf deren ganz normales Leben, aus dem sie in der folgenden Nacht abrupt herausgerissen werden. Aufgrund detaillierter Recherchen kann Marschall die Ereignisse extrem realistisch und glaubwürdig darstellen, das Leid, wenn ein geliebter Mensch einfach von den Fluten mitgerissen wird, die Freude, wenn der Hubschrauber auf das Dach zuhält, auf das man sich geflüchtet hat und einen in waghalsigen Manövern an Bord hieven kann. Egal, ob Mann oder Frau, alt oder jung, das reißende, kalte Wasser stürzt über alle herein, nimmt Bäume und Autos mit, lässt Wohnungen in den Laubenkolonien zusammenknicken wie Streichhölzer. Dramatische Rettungsszenen darf man als Leser mitverfolgen, nicht immer nehmen diese einen glücklichen Ausgang, hat doch auch in der Realität die Flut dreihundertfünfzehn Todesopfer gefordert. Schwierigkeiten bei der Befehligung der Einsatzkräfte (politische Hintergründe sowie andere wissenswerte Informationen sind im Anhang detailliert erklärt) werden ebenso angesprochen wie die Seuchengefahr aufgrund der toten Tiere im überfluteten Gebiet. Familien werden auseinandergerissen, Menschen stehen von einem Moment auf den anderen ohne Hab und Gut da, die Hilfsbereitschaft ist zum Glück groß.

Bewegend, beklemmend, aber absolut lesenswert, denn es gibt durchaus auch freudige Momente - so wird mir dieses großartige Buch noch lange in Erinnerung bleiben.