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Veröffentlicht am 16.03.2024

Ein weiter Bogen wie Kunst im geschichtlichen Kontext neu zu denken ist

Tremor
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Der ursprünglich aus Lagos (Nigeria) stammende Autor hat schon einige hochkarätige Auszeichnungen in der englischsprachigen Welt eingesammelt, lehrt momentan Creative Writing in Harvard und legt nun seinen ...

Der ursprünglich aus Lagos (Nigeria) stammende Autor hat schon einige hochkarätige Auszeichnungen in der englischsprachigen Welt eingesammelt, lehrt momentan Creative Writing in Harvard und legt nun seinen dritten Roman vor. Wer sich ein wenig mit der Biografie des Autors Teju Cole beschäftig hat, merkt schnell beim Lesen, dass sich hier viele Elemente seiner eigenen Biografie eingebracht haben.
Tunde ist der Protagonist dieser Geschichte und wie der Autor aus Lagos in die USA gekommen, er unterrichtet in Harvard. Einziger Unterschied die Kunstform: Denn Tunde lehrt Fotografie. Er ist unterwegs mit Sadoko, seiner Frau, und sie stoßen in einem Antiquitätengeschäft an der Ostküste der USA auf eine Antilopenmaske. Diese Maske ist der Ausgangspunkt vieler Gedankengänge und Erinnerungen an Nigeria.
Teju Cole hat ein ästhetisch schön geschriebenes Buch vorgelegt und macht die Frage auf wie wir Kunst neu betrachten genauso wie wir eine neue Bewertung der Geschichte vornehmen und passiertes im Kontext von heutigem Bewusstsein betrachten. Kolonialismus, Rassismus, Raubkunst und Musikgeschichte wird verwoben in einem Text der komplex konstruiert und anspruchsvoll ist, aber zugleich bereichernd und erhellend.
Teju Cole erzählt beobachtend, nicht bewertend und bringt mich als Leserin dazu Kunstbetrachtungen im Kontext seiner Entstehung und der Weltgeschichte neu zu denken. Das Narrativ der Kunst in jeglicher Form neu zu denken. Natürlich enthält das Buch auch Kritik am überheblichen Westen.
Mir haben besonders die Schlaglichter der Erinnerungen auf Lagos gefallen. Eintauchen in etwas das mir fern ist und aufsaugen was diese Millionenstadt mit ihren Bewohnern antreibt. Wohingegen einige der Passagen über Musik mir nicht viel gaben, da ich kein profunder Kenner bin auf diesem Gebiet. Das mag anderen, die hier tiefer verankert sind, anders ergehen.
Fazit: Ein fiktiver Roman, aber einer der uns mit Fragen zurücklässt unsere Betrachtungsweise der künstlerischen Welt auch neu zu adjustieren.

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Veröffentlicht am 16.03.2024

Wiederentdeckung aus den 30er Jahren

Die Brontës gingen zu Woolworths
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„Die Brontes gingen zu Woolworths“ erschien im Original zum ersten Mal 1931 und ist eine liebenswerte Wiederentdeckung. Damals war der Roman extrem populär und hat die Autorin Rachel Ferguson in England ...

„Die Brontes gingen zu Woolworths“ erschien im Original zum ersten Mal 1931 und ist eine liebenswerte Wiederentdeckung. Damals war der Roman extrem populär und hat die Autorin Rachel Ferguson in England und darüber hinaus bekannt gemacht. Daher ist dieser Roman als Zeitzeugnis der Leserschaft zur damaligen Zeit zu lesen, als ein Roman, der in den 1930er Jahren amüsiert und unterhalten hat und dabei auch viel über die Rolle von Frauen in der Gesellschaft widergespiegelt.
Denn es geht um drei Schwestern, Deirdre, Katrine und Shiel. Sie leben mit ihrer Mutter und einer Hauslehrerin in London, gehören der Mittelschicht an und sind aber eine illustre Truppe. Und da kommen wir zum Kern des Buches. Die Schwestern erspinnen sich durch zu viel freie geistige Kapazität so einiges an Geschichten über Personen zusammen, die sie nie trafen und das verwirbelt sich dann mit der Realität. Denn auf so mache treffen sie dann doch. Ein vergnügliches Lesen, dass aber durch diese surrealen Passagen genügend Aufmerksamkeit abverlangt. Trotz der Irrungen und Wirrungen sind die drei schlagfertigen und spannenden Damen eine gute Unterhaltung! Das Ganze wurde gut von Sabine Reinhardus übersetzt.

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Veröffentlicht am 16.03.2024

Kopenhagener Familiengeschichte

Annas Lied
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Seit meinem letzten großen Sommerurlaub durch Skandinavien lese ich immer mal wieder nordische Autoren und Autorinnen um sie für mich zu entdecken und genauso war es hier bei: Annas Lied.
Der Autor Benjamin ...

Seit meinem letzten großen Sommerurlaub durch Skandinavien lese ich immer mal wieder nordische Autoren und Autorinnen um sie für mich zu entdecken und genauso war es hier bei: Annas Lied.
Der Autor Benjamin Koppel ist Däne und in seiner Heimat als Jazz-Musiker bekannt. Random-fact? Nein, ich finde, dass sich der Text melodisch liest, sprich er wirkt gut durchkomponiert und abgestimmt. Schon mal ein Plus dieses Romans.
Es geht im Kern um die titelgebende Hannah – genannt Anna. Das große Vorbild dieser Figur, ist eine Großtante des Autoren, die ihn zu diesem Roman inspirierte. Anna ist die jüngste Tochter von fünf Kindern, die anderen 4 sind Brüder. Es beginnt in Kopenhagen, Dänemark Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Es ist ein Familienroman, der Tradition und Erneuerung im Wechselspiel der Generationen beleuchtet. Eine starke Frau im Mittelpunkt, die ihre Liebe zur Musik und einem „nicht erwählten“ Raum gibt. Auch die jüdischen Traditionen und Verpflichtungen werden in dieser Geschichte stark ausgeleuchtet.
Fazit: Er gerne Familienromane liest, ist hiermit bestens ausgestattet!

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Veröffentlicht am 04.02.2024

Im historischen Norden von Schweden abtauchen

Mein Herz ist eine Krähe
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Dieses Buch mit knapp 450 Seiten ist ein tiefer Blick in das historische naturnahe Leben im Norden von Schweden. Es ist ein Roman, der alle begeistert, die gerne das Raue der Natur erlesen und sich ein ...

Dieses Buch mit knapp 450 Seiten ist ein tiefer Blick in das historische naturnahe Leben im Norden von Schweden. Es ist ein Roman, der alle begeistert, die gerne das Raue der Natur erlesen und sich ein Leben im Einklang der Jahreszeit und der Abhängigkeit von den Erträgen der Ernten vorstellen möchten.
Aber nicht nur das karge Leben der Bauersleute, die Armut und der Hunger spielen hier eine Rolle. Auch die Liebe in zweierlei Hinsicht ist hier der Mittelpunkt. Zwei Frauen lernen wir näher kennen, die eine auf der Flucht aus Trondheim – 1897 – Unni mir ihrem Sohn Roar. Sie kommen nach Hälsinglands und beginnen von neuem. Die andere 80 Jahre danach Kara, ihr Schwiegervater: Roar. Die beiden Frauen haben sich zwar nie im Leben getroffen, aber verbindet sie so viel über die gemeinsame Familiengeschichte und leidvolle Schicksalsschläge. Hart und einschneidend sind die Erfahrungen.
Spannend hat die schwedische Autorin Lina Nordquist diesen Roman komponiert in einer Gegend, die sie gut kennt, da sie dort aufgewachsen ist. Lina Nordquist ist eine vielfältige Frau, sitzt sie doch momentan im schwedischen Parlament, außerdem ist sie Professorin und Diabetesforscherin. Eine Frau, die ein Auge für Details und psychologisches Feingefühl zu haben scheint. Ihre Prosa in diesem Debütroman kommt prall und zugleich nüchtern daher. Überzeugend gut. Kein Wunder, dass dieser Roman im Jahr 2022 in Schweden zum Besten gekürt wurde. Im Original „Dit du gar, följer jag“ heißt wörtlich übersetzt: Wo du hin gehst, folg ich dir.
Ein Roman, der die Widrigkeiten des Lebens im Gestern und Heute fiktiv dokumentiert und zugleich einen mit Fassungslosigkeit über himmelschreiende Ungerechtigkeit zurücklässt. Zugleich aber die immerwährende Hoffnung im Nacken zu sitzen hat, denn im Grunde bedeutet Hoffnung das Leben. Ist diese weg, bleibt nur ein Ende.
Ich freue mich bereits auf neuen Stoff der Autorin, bin gespannt, was sie als nächste Thema beackert. Toll zu lesen durch die Übersetzung von Stefan Pluschkat.

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Veröffentlicht am 03.02.2024

Frauen, die es alleine schaffen (wollen)

Marschlande
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Dieses Buch hat viel Zuspruch und viel Herzenswärme aus der Buchbloggerszene bekommen. Ich hab es nun endlich auch gelesen.
Jarka Kubsova greift hier in zwei Strängen ein Thema auf: Frauen und ihre Eigenständigkeit. ...

Dieses Buch hat viel Zuspruch und viel Herzenswärme aus der Buchbloggerszene bekommen. Ich hab es nun endlich auch gelesen.
Jarka Kubsova greift hier in zwei Strängen ein Thema auf: Frauen und ihre Eigenständigkeit.
Es ist der Klassiker. Eine Familie ist glücklich in Hamburg, wohnt gut, aber leider beengt. Er wünscht sich ein Haus im Grünen und ist gewillt dafür weiter raus zu ziehen. Da sie nicht die Brotverdienerin ist, willigt sie ein und hat den Salat. Hockt im Haus mit den beiden Kindern und macht ihren Teilzeitjob im home office. Verdruss und vor allem die Deutlichkeit der unausgewogenen Beziehung, der die Augenhöhe fehlt, wird deutlich.
„Sie hatten sich in den Fliehkräften dieser sich so schnell drehenden Jahre gerade noch rechtzeitig an den Händen gefasst.“ (S. 70)
Dann kommt ein zweiter Handlungsstrang ins Spiel, gleicher Ort, nur Jahrhunderte zuvor: 1580. Wir erleben eine unabhängige Frau, Abelke, die ihren Hof gut bewirtschaftet und Weitsicht zeigt.
„Elk siens, denn kriggt de Düvel nix. Wenn alle gleich viel haben, bleibt für den Teufel nichts übrig.“ (S. 114)
Doch dann kommt eine Flut und da sie als Hofbesitzerin den Deich wieder zu flicken hat und ihr jegliche Hilfe verweigert wird, wird die Situation brutal ausgenutzt.
Britta, in der Gegenwart, interessiert sich für das Schicksal von Abelke und wirbelt zugleich ihr eigenes Leben auf.
Ein gut geschriebener Roman. Zeigt er doch patriarchalische Missstände nur zu gut auf, sei es 1580 oder 2023. Jarka Kubsova hat das Wesen der Marschlande unweit von Hamburg fabelhaft eingefangen und diese triste Stimmung, die Verzweiflung und die Wut gut skizziert. Nur das Ende hätte aus meiner Sicht etwas schwungvoller sein können.
Lesenswert, da gute Prosa und legt fundamentale Ungleichgewichte frei.

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