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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.03.2024

Was ist wahr?

Das Philosophenschiff
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„...Ich habe mich über Sie erkundigt. Sie haben einen guten Ruf als Schriftsteller, aber auch einen etwas windigen. Ich weiß, dass Sie Dinge erfinden und dann behaupten, sie seien wahr…

Mit diesen Worten ...

„...Ich habe mich über Sie erkundigt. Sie haben einen guten Ruf als Schriftsteller, aber auch einen etwas windigen. Ich weiß, dass Sie Dinge erfinden und dann behaupten, sie seien wahr…

Mit diesen Worten begründet die Architektin Frau Professor Anouk Perlemann – Jakob, dass sie genau diesen Autor ausgesucht hat, um ihre Erinnerungen niederzuschreiben. Sie ist gerade 100 Jahre alt geworden und hat nicht mehr viel Zeit.
Der Autor hat einen abwechslungsreichen Roman geschrieben. Es ist keine Biografie, eher die Darlegung von Fragmenten eines Lebens und gleichzeitig einer Gesellschaft. Die Erzählungen der alten Dame sind sehr sprunghaft und manchmal ausschweifend. Der Schriftstil dagegen ist ausgereift. Es gibt viele Sätze, die in Erinnerung bleiben.
Die Geschichte beginnt im Jahre 1922 in Sankt Petersburg. Anouk war 14 Jahre und sie waren gerade in eine neue Wohnung umgezogen. Hier sind die Erinnerungen sehr detailliert. Die ersten Folgen der Revolution in Russland zeigen sich.

„...Die Revolution ist schließlich gemacht worden, damit es aufwärtsgeht. Es galt als Quasinatugesetz, dass, wenn es aufwärtsgehen soll, es zunächst abwärtsgehen muss, aber eben nur vorübergehend...“

Anouk wächst in einer gutbürgerlichen jüdischen Familie auf. Das Mädchen bekommt auch mit, was die Erwachsenen so äußern.

„...Vor Trotzki haben sich alle gefürchtet, noch mehr als vor Lenin. Lenin denkt, Trotzki tut. So hat es geheißen...“

Eines Tages werden Anouks Eltern aufgefordert, ihr Heim zu verlassen. Sie kommen auf ein sogenanntes Philosophenschiff. Damit werden Intellektuelle aus Russland ausgewiesen. Das Mädchen ist eine genaue Beobachterin. Schnell lernt sie die wenigen Personen, die hier zusammen gekommen sind, kennen. Über jeden bildet sie sich ein Urteil
Dann macht das Schiff ein paar Tage Halt auf hoher See. Ein weiterer Passagier wird an Bord gebracht. Anouk besucht ihn heimlich. Der Unbekannte vertraut seine Gedanken dem Mädchen an.

„...Es gibt nur eine Macht. Die Macht zu töten. Von ihr leitet sich jede andere Macht ab. Die Macht, über ein Leben zu entscheiden...“

Spätestens an der Stelle verschwimmt die Wahrheit. Kann der Fremde der sein, der er vorgibt zu sein?
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Er regt zum Nachdenken an. Anouk hat viel von der Welt gesehen. Doch geprägt wird sie von ihren russischen Wurzeln.

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Veröffentlicht am 27.03.2024

Wenn sich das Leben zu wiedeholen scheint...

Der Name meines Vaters
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„...Ich habe meine Mutter sehr geliebt, so wie jedes Kind seine Mutter liebt, wer sie auch immer sein mag, aber im Laufe der Jahre war mir diese Liebe mühselig geworden...“

Mario ist 18 Jahre, als seine ...

„...Ich habe meine Mutter sehr geliebt, so wie jedes Kind seine Mutter liebt, wer sie auch immer sein mag, aber im Laufe der Jahre war mir diese Liebe mühselig geworden...“

Mario ist 18 Jahre, als seine Mutter ermordet wird. Der Mord wird nie aufgeklärt. Erst nachdem Tod der Mutter erfährt er, wer sein wahrer Vater ist. Er nimmt Kontakt mit ihm auf. Der ist Geisteswissenschaftler, arbeitet als Publizist und ist sehr prominent. Bis zum Ende des Buches erfahre ich seinen Namen nicht.
Die Autorin dringt in ihren Roman tief in die Psyche ihrer Protagonisten ein. Der Schriftstil ist mal erzählend, mal gibt es philosophische Diskurse, mal ähnelt er dem eines Psychothrillers.
Mario ist der Ich-Erzähler. Zu Beginn des Buches sind 10 Jahre seit dem Tod der Mutter vergangen. Er hat sich nach dem Abitur an einer renommierten Schauspielschule beworben und wurde angenommen.
Er ist verheiratet, doch seine Frau hat ihn kurz nach der Geburt des jüngsten Sohnes verlassen. Die Kinder leben bei ihm. Der Vater unterstützt ihn nicht nur finanziell.

„...So ist mein Vater. Nicht immer eine große Hilfe, aber ohne ihn hätte ich es nie geschafft, meine Kinder aufzuziehen. Und da liegt noch eine gewaltige Strecke vor mir, denn sie sind erst drei und sechs Jahre alt...2

Dann bekommt er die Filmrolle des Faust angeboten. Dadurch erfahre ich als Leser eine Menge darüber, wie es bei der Filmproduktion zugeht. Mario fällt es mit jedem Film, in dem er spielt, schwerer, Film und Realität auseinander zu halten. Er geht in seinen Rollen auf und manchmal fast darüber hinaus.
Dann taucht seine Frau wieder auf. Sie will plötzlich die Kinder. Ihre Sicht der Vergangenheit ist eine ganz andere als seine. Es werden schnell Parallelen deutlich zwischen seiner Mutter und seiner Frau.
Während die inneren Kämpfe von Mario recht eintönig wirken, finde ich die Gespräche mit dem Vater spannend.

„...Mach dir nie zu viele Gedanken über deine Mitmenschen. […] Wie sei sind und was sie sind, findest du eh nie heraus. Komm irgendwie zurecht mit ihnen, und wenn nicht, breche die Verbindung ab...“

Höhepunkt der Geschichte ist eine gemeinsame Reise von Vater und Sohn. Hier kommen viele Themen aufs Tablett. Manche Fragen werden geklärt.
Das Buch ist keine einfache Lektüre. Mit dem Protagonisten bin ich nicht warm geworden. Seine Ideen sind mir zu abstrus. Trotzdem hat mir das Buch gefallen. Es lotet philosophisch aus, wie die Herkunft das Leben prägt.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Enna zieht um

Neue Heimat 1404
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„...Jetzt also: Einatmen, ausatmen, Zunge gegen den Gaumen drücken, inneres Lächeln aufsetzen und dabei an Katzenbabys denken...“

Diesen Rat hat die Therapeutin Enna für Stresssituationen gegeben. Und ...

„...Jetzt also: Einatmen, ausatmen, Zunge gegen den Gaumen drücken, inneres Lächeln aufsetzen und dabei an Katzenbabys denken...“

Diesen Rat hat die Therapeutin Enna für Stresssituationen gegeben. Und gerade steht eine an, denn ihre Mutter versucht ihr klar zu machen, dass sie eine neue Wohnung gefunden hat.
Die Autorin hat eine abwechslungsreiches und humorvolles Kinderbuch geschrieben. Der Schriftstil ist kindgerecht und lässt sich flott lesen. Die Geschichte wird von Enna erzählt.
Nach der Trennung der Eltern brauchen Enna und ihre Mutter eine neue Wohnung. Die Mutter ist gar nicht begeistert, vom gutbürgerlichen Stadtviertel in den 14. Stock eines Hochhauses zu ziehen. Enna aber findet den Neuanfang klasse.
Die Mitbewohner werden gut beschrieben. Jeder hat da so seine Macken. Ihnen gegenüber wohnt eine redselige alte Dame. Auch einige Kinder des Hauses lernt Enna schon beim Einzug kennen.
Im Hof trifft Enna Herrn Weißhaupt. Der alte Herr philosophiert ein bisschen.

„...Oder du erkennst deine Bedürfnisse und lernst sie klipp und klar zu äußern. Dafür solltest du aber erst einmal herausfinden, was deine Bedürfnisse sind...“

Dann aber wird aus dem Keller Ennas Fahrrad gestohlen. Im Gespräch mit Vivien, Firuz und den Zwillingen Jack und Joy erfährt sie, dass schon öfter Sachen im Haus weggekommen sind. Die Kinder beschließen, sich auf Spurensuche zu machen. Dazu gründen sie eine Gang.
Sie gehen sehr konsequent und systematisch vor. Jeder hat seine Begabungen, die er einbringt. Firuz hat die Truppe im Griff. Er weiß, was zu beachten ist.
Natürlich geht nicht alles sofort glatt. Doch es gelingt ihnen, den Fall auf ihre besondere Art zu lösen.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, wie man gemeinsam zu Erfolg kommt.

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Veröffentlicht am 15.03.2024

Wie eint man einen Ort?

Frieda, Nikki und die Grenzkuh
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„...Denn Angela liegt genau auf der Grenze. Der Grenze zwischen Nordelend und Südelend. Der elektrische Weidezaun ist runtergetreten. Wie konnte das passieren?...“

Nicht nur, dass sie auf der Grenze liegt, ...

„...Denn Angela liegt genau auf der Grenze. Der Grenze zwischen Nordelend und Südelend. Der elektrische Weidezaun ist runtergetreten. Wie konnte das passieren?...“

Nicht nur, dass sie auf der Grenze liegt, die Kuh wird dort auch ihre Kalb bekommen. Und das ist eine Katastrophe!
Die Autorin hat ein humorvolles und ziemlich skurriles Kinderbuch geschrieben. Der Schriftstil ist kindgerecht und lässt sich gut lesen.
Zu Beginn werden alle Protagonisten mittels eines kurzen Steckbriefs vorgestellt.
Die Ortsteile Nordelend und Südelend können nicht mit einander. Es geht um die Frage, welcher Bauernhof älter ist.
Die Kuh Angela gehört zum Hof von Bauer Hüfner. Der Ochse allerdings, der sie beglückt hat, lebt auf dem Hof von Bauer Reinke. Wie das passieren konnte, ist beiden unklar.
Die Gegend wird gut beschrieben. Manches ändert sich, nur die Feindschaft scheint in allen Generationen fest gezimmert.

„...An der Kreuzung, wo die Zufahrtsstraße nach Elend rein- und auch wieder rausführt, wird ein Kreisverkehr gebaut. Irgendjemand hat beschlossen, dass Elend so was braucht...“

Seit einiger Zeit lebt Nikki im Ort. Frieda kümmert sich um den Jungen. Sie sind die beiden einzigen Kinder in Südelend und damit Zielscheibe der drei Kinder in Nordelend. Nikki träumt von magischen Wesen. Insbesondere interessieren ihn Einhörner. Er sieht sie als Symbol des Friedens.
Die Geschichte zeichnet sich durch einen feinen Humor aus. Ein vollautomatischer Stall zum Beispiel hat auch seine Tücken.

„...Es ist ein Kampf zwischen Kalli und dem Computer und aktuell steht es eins zu null für den Computer. Kallis Gedanken sind einfach zu langsam und zu klebrig für den vollautomatischen Stall...“

Als die Lage im Dorf eskaliert und nicht nur Gülle durch die Gegend fliegt, sind plötzlich Nikki und das Kälbchen verschwunden. Das erschüttert nicht nur die Bewohner von Südelend.
Einige Schwarz-Weiß-Zeichnungen illustrieren das Buch. Sie passen perfekt zur Handlung und sind schön ausgearbeitet.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Hier erden einige wichtige Themen auf humorvolle und kindgerechte Weise angesprochen.

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Veröffentlicht am 05.03.2024

Hildes Leben und das Nibelungenlied

Die Nibelungendichterin
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„...Frauen ziehen nicht in den Krieg. Du wirst einen hochangesehenen Mann heiraten...“

Diese Worte hört Hilde von ihrer Mutter. Hilde sieht das aber anders. Sie ist relativ frei aufgewachsen und benimmt ...

„...Frauen ziehen nicht in den Krieg. Du wirst einen hochangesehenen Mann heiraten...“

Diese Worte hört Hilde von ihrer Mutter. Hilde sieht das aber anders. Sie ist relativ frei aufgewachsen und benimmt sich mehr wie ein Junge. Ihre Familie gehört zum niederen Ad
Die Autorin hat einen spannenden historischen Roman geschrieben, der im 12. Jahrhundert spielt. Der Schriftstil gibt die Zeitverhältnisse gut wieder.
Hilde ist eine selbstbewusste junge Dame. Mit 12 Jahren soll sie verheiratet werden. Doch ihr zukünftiger Gatte erweist sich als übergriffig. Hilde wehrt sich.
Nun führt sie ihr Weg auf Burg Tronck. Dort sorgt Volker dafür, dass sie Lesen, Schreiben und Latein lernt. Schnell überflügelt sie die Jungen, mit denen sie unterrichtet wird. Zurückhaltung liegt nicht in ihrem Wesen. Dadurch macht sie sich schnell Feinde.
Um ihre Sicherheit zu gewährleisten, schickt sie Volker, verkleidet als junger Mann, nach Worms. Dort soll sie seinen Bruder beim Studium unterstützen. Gut dargestellt wird, wie es damals in Studentenkreisen zugeht. Hilde ist sauer und lässt das auch Volker wissen.

„...Wer von niedriger Geburt ist, taugt also nichts, ganz egal, wie klug oder fleißig er ist?...“

Hildes Problem ist, dass sie sehr stur sein kann und immer ihren Kopf durchsetzen will. Das sorgt für Reibereien und Schwierigkeiten. Dass ihr Verhalten anderen massiv schadet, kann oder will sie nicht begreifen. Ab und an werden im Verlauf ihres Lebens die Parallelen zum Leben der Krimhild aus dem Nibelungenlied deutlich.
Ich kann es auch anders formulieren. Hilde schreibt im letzten Teil der Geschichte das Nibelungenlied und lässt dabei ihre eigene Geschichte mit einfließen.
Wichtige historische Ereignisse werden geschickt in die Handlung integriert. Das sind der Feldzug gegen die Wenden und die Krönung Friedrichs.
Außerdem erfahre ich einiges über das Leben in einem Kloster, das anfangs erstaunlich freizügig war. Hildegard von Bingen besucht dieses Kloster. Ihre Worte haben uns auch heute noch viel zu sagen:

„...Wir sind von der Natur abhängig, wir müssen sie schützen und im Einklang mit ihr Leben, oder wir werden nie Frieden und Harmonie finden...“

Natürlich tauchen auch andere historische Personen in der Geschichte auf. Auf ein Thema möchte ich noch kurz eingehen. Nach Judenprogromen in der Nähe des Klosters flieht eine junge Frau ins Kloster und darf bleiben. Ihre Visionen, die sie extrem verstören, werfen einen Blick ins 20. Jahrhundert.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen, auch wenn mir die Protagonistin nicht sympathisch war. Dafür war sie zu selbstbezogen und nicht bereit, die Grenzen des Machbaren zu akzeptieren.

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