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Veröffentlicht am 24.04.2024

Die Nachtfrauen

Frauen, an die ich nachts denke
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An einem zweiten Buch zu schreiben, ist garnicht so einfach. Das erste war ein Erfolg, was es auch nicht einfacher macht. Vielleicht sollte sie über die Frauen schreiben, an die sie nachts denkt. Als erstes ...

An einem zweiten Buch zu schreiben, ist garnicht so einfach. Das erste war ein Erfolg, was es auch nicht einfacher macht. Vielleicht sollte sie über die Frauen schreiben, an die sie nachts denkt. Als erstes unternimmt Mia eine Reise nach Afrika. Auf den Spuren von Karen Blixen will sie wandeln, nicht nur nachts an ihr Vorbild denken, sondern auf ihren Spuren wandeln. Was soll sie mitnehmen in eine Privatunterkunft. Welche Orte soll sie besuchen? Wird sie das Klima ertragen? Zum Glück reist es sich heute leichter als zu Blixens Zeiten. Wenn sie daran denkt, mit welchem Tross sich Karen auf den Weg gemacht hat.

Mit was für Frauen beschäftigt sich die Autorin. Viele, die sie gerne kennengelernt hätte, die aber leider nicht mehr leben. Da sind die reisenden Frauen. Sie haben sich teils alleine auf den Weg gemacht, um die Welt zu entdecken. In vorigen Jahrhunderten, in denen so etwas überhaupt nicht üblich war. Wie haben die Frauen es geschafft, die Nase in den Wind zu halten und gleichzeitig den Konventionen zu genügen. Und dann gibt es die Künstlerinnen, die malten, noch viel früher als die, die sich in die Welt wagten. Auch die Malerinnen waren ihrer Zeit voraus und haben große Werke geschaffen, die nicht gebührend gewürdigt wurden.

Im Laden könnte das Buch wegen seiner ansprechenden Umschlaggestaltung auffallen. Und der Inhalt wird dem Cover durchaus gerecht. Wie Mia ihre eigenen Erlebnisse mit denen der Frauen verknüpft, an die sie denkt. Frauen, die bedenkenswert sind, aber leider doch bis auf Karen Blicken weitgehend unbekannt. Es gefällt zu lesen, mit welcher unerschöpflichen Energie die Frauen ihrer Bestimmung folgten, egal, was ihre Umgebung dazu zu sagen hatte. Ein liebevolles Denkmal setzt die Autorin ihren Nachtfrauen. Auch wenn man sonst eher fiktionalen Stories zugeneigt ist, so dieses Werk so locker und lebendig geschrieben, dass man selbst beginnt, sich für die beschriebenen Frauen zu interessieren. Ein empfehlenswertes Buch, das mal einen Ausflug in ein anderes Genre bietet.

Veröffentlicht am 21.04.2024

An die Arbeit

Die Kriminalistinnen. Der Tod des Blumenmädchens
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Das ist kein Spruch, den junge Frauen im Jahr 1969 allzu oft zu hören bekamen. Und so sind Lucia Specht und ihre Kolleginnen die ersten, die in Düsseldorf eine Ausbildung bei der Kriminalpolizei beginnen. ...

Das ist kein Spruch, den junge Frauen im Jahr 1969 allzu oft zu hören bekamen. Und so sind Lucia Specht und ihre Kolleginnen die ersten, die in Düsseldorf eine Ausbildung bei der Kriminalpolizei beginnen. Nicht alle ihre männlichen Kollegen sind von den Azubis begeistert, obwohl diese mit Feuereifer bei der Sache sind. Lucia ist gerade dem Mord zugeteilt. Als eine junge Frau tot in ihrer Wohnung gefunden wird, kommt Lucia mit an den Start. Lucia merkt, dass ihre Arbeit nicht so einfach ist. Die Verstorbene ist die erste Leiche, die sie in der Ausbildung zu sehen bekommt. Sie wird aber nicht schlappmachen.

Bei ihrem ersten Fall bekommt der neue Ausbildungsgang von weiblichen Kriminalistinnen es mit der rauen Wirklichkeit zu tun. Wer sollte ein Motiv haben, eine junge Studentin zu töten. Lucia, ihre erfahrenen männlichen Kollegen und auch ihre neuen Kolleginnen steigen voll in die Ermittlungen ein. Nicht nur bei der Arbeit ist alles neu. Die jungen Frauen müssen auch feststellen, dass sie nicht immer von allen erstangenommen werden. Sogar einige Kollegen meinen, diese weiblichen Auszubildenden werden der einzige Jahrgang seiner Art bleiben. Doch gerade Lucia, die durch eine besondere Motivation zu ihrer Ausbildung bewogen wurde, macht sich besser als anzunehmen war.

Damals ist noch nicht so lange her. Heute nicht mehr vorstellbar, dass Frauen, die eine Ausbildung machen, eine Ausnahme sind. Es ist beeindruckend zu lesen, wie sich die Mädels durchbeißen müssen mit einer Sache, die heute selbstverständlich ist. Und dann noch das Problem mit den Ehemännern, die - sofern vorhanden - ihnen einen Strich durch die Rechnung machen können. Lucia Specht ist noch nicht verheiratet. Leichtfüßig, aber nicht leichtsinnig, verlässt sie Vater und Bruder, die in erster Line eine Köchin verlieren. Lucia ist sich bald sicher, dass sie die richtige Berufswahl getroffen hat. Sie merkt allerdings auch, dass ihr nicht alles zufällt und auch die Widerstände der anderen sind nicht ohne. Von den Veränderungen, die Lucia, ihre Kolleginnen und Kollegen durchmachen, zu lesen, ist toll. Auch der Fall wirkt sehr realistisch, auch wenn man den Eindruck hat, dass nicht jedes Geheimnis gelüftet wird. Ein sehr stimmiger Start einer neuen Reihe von zeitgeschichtlichen Kriminalromanen.

Das Cover des Hörbuchs ist mehr auf die Kriminalistinnen abgestimmt und unterscheidet sich von Buchcover. Sehr stimmig gelesen wird der Roman von Regine Lange.

Veröffentlicht am 16.04.2024

Nordseestrand

Marconi und der tote Krabbenfischer
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Mit seinem Bruder hat sich Kriminalkommissar Massimo Marconi schon lange nicht mehr verstanden. Doch dann stirbt Nevio plötzlich. Um sein Versprechen einzuhalten lässt sich Massimo von der Münchner Kriminalpolizei ...

Mit seinem Bruder hat sich Kriminalkommissar Massimo Marconi schon lange nicht mehr verstanden. Doch dann stirbt Nevio plötzlich. Um sein Versprechen einzuhalten lässt sich Massimo von der Münchner Kriminalpolizei an die örtliche Polizeiwache in St. Peter-Ording versetzen. Dort will er versuchen, seiner Nichte Klara und seinem Neffen Stefano die Eltern zu ersetzen. Bald nach seiner Ankunft wird ein Krabbenfischer tot auf seinem Boot aufgefunden. Für die Ermittlungen zuständig sind natürlich die Kollegen von der Kripo aus Flensburg. Massimo kann die Zeit also dafür nutzen, seine beiden neuen Kollegen Eva und Jörg besser kennenzulernen.

In seinem ersten Fall hat es Ex-Kriminalhauptkommissar und jetziger Leiter der Polizeiwache in St. Peter-Ording Massimo Marconi nicht leicht. Er hat sich nie um feste Beziehungen gerissen und Kinder gehörten nicht zu seinem Lebensplan. Doch nun ist sein Bruder tot und Massimo hält seine Versprechen. Er krempelt sein Leben komplett um. Die Kinder sind ihm doch dichter als sein tolles Leben in München. Allerdings wollen Klara und Stefano nicht viel von ihm wissen, wenn er sie sonst nie besucht hat, kann er jetzt eigentlich auch wegbleiben. Und dann muss Marconi noch ermitteln, ohne dass die Kripo es merkt. Der Tod des Krabbenfischers ist rätselhaft und Rätsel sind dazu da, gelöst zu werden.

Was macht man, um die trauernden Kinder zu überzeugen, dass man es Ernst meint mit Aufgabe als Ersatzvater? Ersatz für Eltern, die nicht zu ersetzen sind. Vielleicht geht Liebe durch den Magen. Gerade zu Beginn trauert Massimo Marconi seinem unabhängigen Leben in München nach und so wie er sich an sein neues Leben herantastet, muss man sich beim Lesen an Massimo herantasten. Bald ist das gelungen und man hat einen spannenden Kriminalroman mit tollem Küstenflair. Obwohl, das Wetter an der Nordseeküste wechselt meist zwischen mehr Regen und weniger Regen. Das ist auch etwas, woran sich Massimo Marconi gewöhnen muss. Und das mit dem Duzen ist wohl auch mehr eine norddeutsche Eigenheit. Doch die kleinen Schwierigkeiten, denen sich Marconi gegenübersieht, machen einen großen Teil des Charmes dieses Romans aus.

Da das Wetter an der Küste auch mal wechselhaft ist, wurde beim Cover ein sehr ansprechender teilweise sonniger Abschnitt eingefangen.

Veröffentlicht am 15.04.2024

Mr. Bogart

Der Wind kennt meinen Namen
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Samuel Adler ist erst fünf Jahre als er von seiner Mutter von Wien nach England geschickt wird. Im Jahr 1938 werden auch in Österreich die Mitbürger jüdischen Glaubens verfolgt und die Reise nach England ...

Samuel Adler ist erst fünf Jahre als er von seiner Mutter von Wien nach England geschickt wird. Im Jahr 1938 werden auch in Österreich die Mitbürger jüdischen Glaubens verfolgt und die Reise nach England scheint die einzige Möglichkeit zu sein, Samuel zu retten. Viele Jahre später flieht Marisol mit ihrer siebenjährigen Tochter Anita von Südamerika in die USA. An der Grenze werden sie aufgegriffen und getrennt. Anita wird in ein Waisenhaus gebracht und verzweifelt wartet sie auf ihre Mutter. Ein wenig Glück im Unglück hat Anita, denn ihr wird die engagierte Sozialarbeiterin Selena an die Seite gestellt, die versucht Marisol zu finden.

Zwei Schicksale so unterschiedlich, so weit entfernt in der historischen Abfolge und doch mit einer gewissen Ähnlichkeit. Samuel und Anita müssen in ganz jungen Jahren damit leben, dass sie ihre Eltern zumindest vorläufig verloren haben. Samuel hat zunächst wenig Hilfe in England. Seine Zieheltern kommen nicht mit ihm klar, im Waisenhaus geht es rau zu. Erst später findet er ein Ehepaar, die ihn an Kindesstatt annimmt und wo er sich wohlfühlen. Anita ist durch einen Unfall erblindet und so fällt es ihr in der Fremde schwer sich einzugewöhnen. Sie vermisst ihre Mutter und der Gedanke, dass Marisol nicht auffindbar ist macht es ihr noch schwerer.

Die Schriftstellerin steht für ihre berührenden Romane, mit denen Schicksale und Ereignisse mit eindringlichen Worten beleuchtet werden. Man nimmt Teil an den schmerzhaften Erlebnissen von Samuel, der als Kind eine Art Glück hat, gerettet zu werden, der aber doch lange allein bleibt. Ebenso nimmt man Teil am Entsetzen, dass Anita empfindet als sie von ihrer Mutter getrennt wird. Ihre Mutter, die das Beste für ihr Kind wollte. Es berührt einen wie die Kinder irgendwie vieles überleben und verarbeiten, aber eben nicht alles. Das weiß insbesondere Samuel zu berichten. Zwar gibt es auch Abschnitte, die etwas distanziert wirken. Jedoch bleibt man immer gefesselt und berührt. Man wünscht sich, dass die die Übles wollen nicht mehr zum Zuge kommen und es ist doch klar, dass das nicht so kommen wird.

Das Cover des Buches ist farbenfroh gestaltet, wirkt aber doch ruhig und ein wenig melancholisch. Dennoch scheint es eine Hoffnung anzudeuten.

Veröffentlicht am 13.04.2024

Im Gespür

Kriegsenkel
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Wird das Leben davon beeinflusst, was die vorherigen Generationen erlebt haben? Man könnte meinen oder auch hoffen, neues Spiel, neues Glück und jede Generation kann von Neuem beginnen. Doch so ist es ...

Wird das Leben davon beeinflusst, was die vorherigen Generationen erlebt haben? Man könnte meinen oder auch hoffen, neues Spiel, neues Glück und jede Generation kann von Neuem beginnen. Doch so ist es nicht. Jede Kindergeneration ist belastet oder auch bestärkt von den Erlebnissen ihrer Eltern und Großeltern. Was die Autorin hier von den Kriegsenkeln berichtet, die sie interviewt hat. Könnte man vielleicht auch von den Enkeln anderer Menschen berichten, die starke Traumata erlebt haben. Doch wohl kaum so massiv sind diese im Vergleich mit den Traumata, die im zweiten Weltkrieg zunächst in der Kindergeneration und dann auch in der Enkelgeneration ausgelöst haben. Die Eltern und Großeltern waren meistens stumm. Insbesondere die Großeltern hätten sich auch mit ihren Taten auseinandersetzen müssen. Fraglich, ob das jemals mehr als vereinzelt geschehen ist. Die, die jung genug waren, um nicht Täter zu sein, wurden möglicherweise durch Flucht, Verlust und Leid zu Opfern. Zu einer Zeit, in der es noch keinen groß gekümmert hat. Und die Enkel wissen manchmal nicht wie ihnen geschieht. Auch sie sind von der Sprachlosigkeit betroffen. Sie kämpfen um ihre Identität und sie schaffen es mehr oder weniger gut. Die Autorin nähert sich den Kriegsenkeln durch einfühlsam geführte Interviews. Sowohl mit Männern als auch mit Frauen hat sie gesprochen. Dies wird durch die unterschiedlichen Sprecher ausgedrückt, wobei Devid Striesow die männlichen Kriegsenkel repräsentiert und Claudia Mechelsen die weiblichen. Das Hörbuch ist ein sehr gelungener Einstieg und ein schwieriges Thema, dass nicht in Vergessenheit geraten sollte.