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Veröffentlicht am 23.08.2021

Schicksalhafte Zugfahrt

Dreieinhalb Stunden
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13. August 1961, pünktlich um 08:10 Uhr verlässt der Interzonenzug D-51 München in Richtung Ostberlin.
Im Zug sitzen u.a. eine 4-köpfige Band, ein älteres Ehepaar, Ehepaare mit Kindern, ein Kommissar auf ...

13. August 1961, pünktlich um 08:10 Uhr verlässt der Interzonenzug D-51 München in Richtung Ostberlin.
Im Zug sitzen u.a. eine 4-köpfige Band, ein älteres Ehepaar, Ehepaare mit Kindern, ein Kommissar auf der Suche nach einem Beweis um einen Mörder zu überführen und eine Leistungssportlerin mit ihrer Trainerin. Die meisten Fahrgäste kommen aus der DDR und befinden sich auf ihrer Heimreise in die Zone.
Eine ganz normale Zugfahrt, bis auf einmal das Gerücht aufkommt dass der Staatsratsvorsitzender der DDR, Ulbricht, eine Mauer zum Westen baut. In 3½ Stunden wird dieser Zug die Grenze zur DDR passieren und es gibt keinen Weg zurück.
Robert Krause beschreibt die Schicksale der einzelnen Personen in flüssiger Sprache. Innerhalb von 3½ Stunden müssen die Fahrgäste sich entscheiden: Steigen wir aus oder entscheide ich mich gegen die Freiheit, aber für die Freunde und Familie, die dort auf mich warten?
Ein Buch das zum Nachdenken anregt. Wie hätte ich mich in der Situation entschieden?
Ein spannendes Buch, geschrieben wie ein Thriller, das man kaum aus der Hand legen kann.

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Veröffentlicht am 29.04.2024

Trauerbewältigung!

Bevor ich es vergesse
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BEVOR ICH ES VERGESSE
Anne Pauly

Anne steht mit ihrem Bruder am Krankenhausbett und packt die wenigen Sachen ihres gerade verstorbenen Vaters zusammen.
Dabei gehen ihr Tausende Fragen im Kopf herum. Hätte ...

BEVOR ICH ES VERGESSE
Anne Pauly

Anne steht mit ihrem Bruder am Krankenhausbett und packt die wenigen Sachen ihres gerade verstorbenen Vaters zusammen.
Dabei gehen ihr Tausende Fragen im Kopf herum. Hätte sie sich öfter oder intensiver um ihn kümmern müssen?

Ihr Vater war ihr nah. Sie empfand ihn als gerecht, sensibel, als einen nachdenklichen und schweigsamen Mann. Man konnte sich bei ihm sicher fühlen - zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als sich die Gewalt und der Alkohol bei ihm einschlichen.
Andere sagen, dass sie sich ihren Vater schön redet, dass er es im Leben übertrieben hätte, dass er nicht immer gut war. Ja, das stimmt, aber zwischen seinen Besäufnissen nahm er sie in den Arm.

Anne organisiert die Beerdigung und versucht das Haus ihres verstorbenen Vaters auszuräumen, dabei muss sie sich ihren Gefühlen stellen. Viele Dinge, die sie bereits vergessen glaubte, kommen zurück in ihr Bewusstsein.
Schöne Lebenssituation, aber auch Begebenheiten, die besser verborgen geblieben wären.

Es ist eine Geschichte über Trauer und deren Bewältigung.

Ich durfte das Buch lesen und hören und möchte direkt vorab die ganz wunderbare und passende Stimme von Wiebke Puls erwähnen.
Der Schreibstil der Autorin gefiel mir sehr, nur selten war er mir zu minutiös.

Ich hatte mit Rückblicken in das Leben ihres Vaters gerechnet - einem Potpourri aus bunten Geschichten und Erinnerungen.
Das ich mit Anne gemeinsam eine Beerdigung organisieren, an dem ausführlichen Gottesdienst für ihren Vater teilnehmen und im Anschluss mit ihr ein ganzes Haus entrümpeln würde, war mir vorher nicht bewusst.
Mein Fehler - vielleicht sollte ich endlich beginnen, mehr als nur die ersten zwei Sätze der Buchbeschreibung zu lesen.

Doch nur weil ich falsche Erwartungen hatte und der Inhalt des Buches nicht zu einhundert Prozent meins war, heißt es nicht, dass dies ein schlechtes Buch ist und deshalb gebe ich gerne eine Leseempfehlung für alle, die Trauergeschichten mögen.

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Veröffentlicht am 24.04.2024

Ein Buch zum Nachdenken

Tiere, vor denen man Angst haben muss
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TIERE VOR DENEN MAN ANGST HABEN MUSS
Alina Herbig


Madeleine zog als 6-Jährige mit ihrer Familie von Lübeck in die mecklenburgische Provinz. Die Mauer war gerade gefallen und ihre Mutter wollte vor dem ...

TIERE VOR DENEN MAN ANGST HABEN MUSS
Alina Herbig


Madeleine zog als 6-Jährige mit ihrer Familie von Lübeck in die mecklenburgische Provinz. Die Mauer war gerade gefallen und ihre Mutter wollte vor dem westlichen Kapitalismus fliehen.
Ihr Vater, einst Grüne-Vorsitzender in Lübeck, hatte nichts dagegen, war aber auch nicht dafür.
Sie kauften einen baufälligen Hof ohne fließend Wasser. Die Küche bestand aus einem alten Ofen und im Garten gab es ein Plumpsklo.
Für eine Renovierung fehlte das Geld, doch das störte nicht, denn Mutter fand die vier Kinder eh zu verwöhnt. Regenwasser könne man ja auch abkochen und trinken.
Ein Jahr später verschwand erst der Vater, dann die Brüder - zurück blieben nur sie, Mutter und ihre jüngere Schwester Ronja ...

Heute hatte sich die Wohnsituation nicht verändert, außer dass im Laufe der Jahre Tiere eingezogen waren. Im „Katzenzimmer“ leben Wildkatzen und die alte Auslegware stinkt unerträglich nach Urin. Diverse Hunde findet man im ganzen Haus - auf dem Tisch, im Bett der Mutter oder auf der Fensterbank, wo sie die Scheiben zerkratzen. Außerdem gibt es Ziegen, Wildschweine, Ratten und Hunderte von Mäusen, die die Holzbalken der Scheune anknabbern.
Während das vernachlässigte Haus nicht beheizt wird, die Mädchen frieren und nichts zu Essen haben, kümmert sich die Mutter liebevoll und aufopferungsvoll um alle Tiere. Wegen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit bei einer Tierorganisation ist sie selten zu Hause und überlässt die Mädchen sich selbst.
Doch statt sich aufzulehnen und sich über die Vernachlässigung zu beschweren, halten die Mädchen zusammen und übernehmen Verantwortung.

Ganz wunderbar hat es Alina Herbig verstanden, Charaktere und einen Lebensumstand zu beschreiben, bei dem sich mir die Nackenhaare aufstellen. Ich hatte das Gefühl, vor Ort zu sein. Sah den Hof direkt vor mir, konnte den Katzenurin förmlich riechen. Die Kälte war so eindringlich beschrieben, dass ich mir hier im 36 Grad warmen Thailand fast eine Wärmflasche gemacht hätte. Ganz wunderbar.
Außerdem habe ich den lieben Ton zwischen den Geschwistern geschätzt. Nur das Ende hätte ich mir anders gewünscht.

Fazit:
Ein Buch, das zum Nachdenken anregt und ich sehr gerne gelesen habe.
4/ 5

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Veröffentlicht am 22.04.2024

Feinste Kriminalliteratur

Allmen und Herr Weynfeldt
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ALLMEN UND HERR WEYNFELDT
Martin Suter

Johann Friedrich von Allmen, kurz Allmen genannt, ist ein charmanter Lebemann, der einst ein Vermögen besaß, eine Villa bewohnte und nie auf Geld achtete.
Zu Allmens ...


ALLMEN UND HERR WEYNFELDT
Martin Suter

Johann Friedrich von Allmen, kurz Allmen genannt, ist ein charmanter Lebemann, der einst ein Vermögen besaß, eine Villa bewohnte und nie auf Geld achtete.
Zu Allmens Leidwesen ist von seinem Vermögen nichts geblieben - alles ist verbraucht - was ihm im übrigen nicht daran hindert, das mittlerweile geliehene Geld mit vollen Händen auszugeben - da kann eine Flasche Wein schon einmal 1000 Franken kosten …
Zum Glück darf er in Restaurants anschreiben und ihm fallen einige Tricks ein, wie man Leute dazu bringt, ihn einzuladen. Der sympathische Allmen ist so gewandt, dass zu guter Letzt immer ein warmer Regen kommt, der ihm Geld in die Taschen spült.
In diesem Roman lernt er Herrn Adrian Weynfeldt kennen. Ein aparter Herr, der die gleichen Dinge wertschätzt, wie er selbst und zum Glück steinreich ist.
Einige Tage später, nach einer Dinnerparty, wird Herrn Weynfeldt ein Gemälde eines großen Meisters gestohlen. Da trifft es sich hervorragend, dass Allmen mit seinen Latino-Hausangestellten Maria und Ehemann Carlos eine Firma betreibt, die sich "Allmen Int. Inquiries" nennt.
Gerne nimmt Allmen die Untersuchung auf, um das gestohlene Gemälde zu finden, doch leider steht der engste Freundeskreis von Herrn Weynfeldt im Fokus seiner Ermittlungen, was wiederum Herr Weynfeldt nicht besonders wertschätzt ...

Wenn Martin Suter einen Krimi schreibt, kann dieser nur elegant, charmant und sehr fein sein.
Das ganze Buch lebt von dem geschmeidigen Charakter Allmens, der sich so gar nicht um seine Finanzen und seine veränderte Lebenssituation kümmert. Ein Genussmensch durch und durch, der einen eloquenten Geschmack für einen guten Tropfen besitzt und das macht ihn in meinen Augen noch sympathischer.
Wer allerdings Spannung sucht, der ist hier falsch. Einen Spannungsbogen gab es nicht und für meinen Geschmack kam auch das Ende ein wenig zu schnell.
Dennoch feinste Kriminalliteratur.
4/ 5

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Veröffentlicht am 01.04.2024

Ein Buch, das mich auf den Autor neugierig macht!

Wir sehen uns im August
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WIR SEHEN UNS IM AUGUST
Gabriel García Márquez

1975:
Jedes Jahr im August, an dem Todestag ihrer Mutter, fährt Ana Magdalena auf die karibische Insel, um an ihrem Grab einen Strauß Blumen niederzulegen.
Erst ...

WIR SEHEN UNS IM AUGUST
Gabriel García Márquez

1975:
Jedes Jahr im August, an dem Todestag ihrer Mutter, fährt Ana Magdalena auf die karibische Insel, um an ihrem Grab einen Strauß Blumen niederzulegen.
Erst waren die Überfahrten zu der Insel beschwerlich, doch mittlerweile ist die Insel zunehmend touristischer geworden und mit dieser Veränderung kamen die neuen modernen Fähren.
Sie übernachtet jedes Jahr in demselben Hotel.
Dieses Jahr besucht sie ihre Mutter zum achten Mal. Nachdem sie ihren Strauß Blumen am Grab abgelegt hat, macht sie sich zum Abendessen fertig. Nach dem Essen geht sie in eine Bar; nicht wissend, das dieser Besuch ihr Leben verändern wird, denn dort wird sie von einem Mann angesprochen und noch viel später werden sie gemeinsam diese Hotelbar verlassen …

Es ist die Geschichte einer Frau, die einmal im Jahr versucht, aus der für sie festgelegten Konvention der Ehe auszubrechen. Es geht um Eifersucht, Treue und Enttäuschung.

Vor 10 Jahren ist der kolumbianische Nobelpreisträger Gabriel García Márquez verstorben. Diese Geschichte stammt aus seiner Hinterlassenschaft.

Der Schreibstil, der mich in die 50er-Jahre katapultierte, ist für mich brillant und deshalb dominiert und kaschiert er einige ungeschliffene, holprige Passagen des Buches, die der Autor sicherlich vor der Veröffentlichung bearbeitet hätte.

Das kleine Büchlein mit dem eleganten und realistischen Schreibstil hat mich auf weitere Bücher des Autors neugierig gemacht.
Könnt ihr mir eins empfehlen?

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