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Veröffentlicht am 28.05.2024

Queere Beziehungskisten mit viel Humor

Das glückliche Paar
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»Das glückliche Paar« von Naoise Dolan (übersetzt von Anke Caroline Burger)

Worum geht’s?

Celine liebt Luke – also irgendwie wenigstens. Viel wichtiger sind ihr jedoch ihre 88 schwarz-weißen Klaviertasten. ...

»Das glückliche Paar« von Naoise Dolan (übersetzt von Anke Caroline Burger)

Worum geht’s?

Celine liebt Luke – also irgendwie wenigstens. Viel wichtiger sind ihr jedoch ihre 88 schwarz-weißen Klaviertasten.
Luke liebt Celine – unter anderem. Auch sein Ex Archie spielt noch eine wichtige Rolle und richtig entscheiden kann er sich nicht.
Eine Hochzeit steht an – doch ob die wohl stattfinden wird?

Wie war’s?

Ich habe mich diesem Buch ohne große Erwartungshaltung genähert und wurde positiv überrascht.
Was die Bewerbung des Buches mit »Jane-Austen-Roman für das 21. Jahrhundert« angeht, so fehlen mir die Vergleichsmöglichkeiten, da ich leider (Schande über mein Haupt) noch nie was von Jane Austen gelesen habe.

Hier präsentieren sich gleich mehrere moderne Beziehungskisten der allesamt queeren Protagonisten.
Allen voran Pianistin Celine, die früher mal mit Maria, ihrer ehemaligen Kommilitonin und ebenfalls Pianistin, zusammen war. Celine plant die Hochzeit mit Luke, doch der spielt keine Hauptrolle in ihrem Leben, sondern ist eher schmückendes Beiwerk. Das zeigt sich schon, als sich Celine bei einer Parisreise absetzt, um sich stattdessen mit Musik zu beschäftigen.
Luke, der sich von seiner eigenen Verlobungsfeier absetzt und irgendwie immer noch sehr an seinem Ex Archie, dem Anwalt mit dem Drogenproblem, hängt und sich etliche Aktionen leistet, bei denen jede Frau mit etwas Selbstachtung ihn längst verlassen hätte.

Am besten hat mir hier allerdings eine Nebenperson gefallen, Celines Schwester Phoebe. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, bringt die Dinge stets auf den Punkt, beispielsweise mit der Frage: »Wo ist dein Fickfehler von einem Verlobten?«

Besonders amüsiert habe ich mich über die diversen Aufstellungen (die ich als Frau, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, nur zu gut aus eigener Erfahrung kenne). Allen voran: Welche von euch ist der Mann? 

Fazit:

Ich persönlich spreche hier eine absolute Leseempfehlung aus, habe mich sehr gut unterhalten gefühlt und den trockenen Humor von Dolan sehr genossen.


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Veröffentlicht am 04.05.2024

Feuer und Flamme

Die Entflammten
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Worum geht’s?

Ein Buch, das eigentlich so gar nicht meinem klassischen Beuteschema entspricht. Trotzdem haben mich Klappentext und Cover sehr angesprochen, sodass ich mich für die Leserunde auf Was liest ...

Worum geht’s?

Ein Buch, das eigentlich so gar nicht meinem klassischen Beuteschema entspricht. Trotzdem haben mich Klappentext und Cover sehr angesprochen, sodass ich mich für die Leserunde auf Was liest du? beworben und tatsächlich ein Rezensionsexemplar ergattert habe.

Van Goghs Sonnenblumen kennt jeder. Aber was weiß man wirklich über das tragische Leben des Malers, der erst lange nach seinem Tod weltberühmt wurde? Und wie hat er das überhaupt geschafft?

»Die Entflammten« versucht, hierauf eine Antwort zu liefern. Seine Berühmtheit verdankt er fast ausschließlich den eifrigen Bemühungen seiner Schwägerin Jo van Gogh-Bonger, die, nachdem auch Vincents Bruder kurz nach seinem Selbstmord an Syphilis stirbt, plötzlich mit einem Baby und unzähligen Bildern eines bis dato unbekannten Malers dasteht.

In einem weiteren Erzählstrang geht es um Studentin Gina, die sich ein Jahrhundert später auf Spurensuche begibt und ein Buch darüber schreibt. Jo, Theo und Vincent van Gogh lassen sie einfach nicht mehr los. Immer wieder verschmelzen im letzten Teil der Geschichte beide Handlungsstränge ineinander.

Wie war’s?

Ich habe ein paar Kapitel gebraucht, um in der Geschichte »anzukommen«. Den Schreibstil, der stellenweise fast ohne wörtliche Rede auskommt, empfand ich als etwas gewöhnungsbedürftig. Dann aber hat mich diese Geschichte immer tiefer in ihren Strudel eingesaugt und ich konnte das Buch stellenweise kaum aus der Hand legen.

Anschaulich schreibt Simone Meier über das Leben in dieser schillernden Zeit um 1900. Mich hat vor allem die Beschreibung der »Künstler-Wohnung«, die sich die Brüder van Gogh in Paris teilen, komplett in ihren Bann gezogen:

»Bevor Vincent nach Südfrankreich zog, wohnte er mit Theo zusammen. Dries beschreibt ihr die Wohnung der Brüder als Höllenloch, überall lehnten Bilder von Vincent zum Trocknen gegen Wände, Schränke und Stühle, das Parkett sehe aus wie in einem Atelier, überhaupt befände sich das Atelier in der Wohnung selbst, im hintersten Zimmer, fertige Bilder stapelten sich unter dem Sofa und unter den Betten, die Möbel seien fleckig von den vielen Flaschen und Gläsern, aus denen Vincents Malerfreunde nächtelang getrunken hätten.« (Seite 30).

Man ist als Leser mittendrin im Geschehen, kann sich ausmalen, wie es gewesen sein muss, das Zusammenleben mit Vincent.

Auch die späteren Beschreibungen der Wohnungssuche, die Wege durch Montmartre, all das ist so lebendig beschrieben, als wäre man quasi selbst dabei.

Der zweite Erzählstrang um Gina und ihre Recherchen hätte für meinen Geschmack gern ein wenig kürzer ausfallen dürfen, hier konnte ich mich nicht so gut einfühlen und die vielen Anspielungen darauf, wie hübsch sich Gina findet, hätten nicht unbedingt sein müssen. Mehr erfahren hätte ich hingegen gerne über die Zeit, in der Jo alles getan hat, um Vincent berühmt zu machen. Ich finde, ein so großes Thema hätte gegen Ende des Buches noch das eine oder andere zusätzliche Kapitel vertragen können.

Fazit:

Alles in allem bin ich Feuer und Flamme für »Die Entflammten«. Das Buch hat mich dazu animiert, mich weiter mit van Goghs Leben und Werk auseinanderzusetzen, etwas, was ich vorher eigentlich kaum für möglich gehalten hätte und was mir gezeigt hat, dass es sich lohnen kann, beim Lesen mal aus der eigenen Komfortzone herauszukommen und sich an andere Themen zu wagen.

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Veröffentlicht am 04.05.2024

Das beste Buch, wo ich seit langem gelesen habe

James
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Worum geht’s?

Die Abenteuer Huckleberry Finn aus der Feder von Mark Twain dürften den meisten Leser:innen ein Begriff sein. Percival Everett hat sich in „James“ der Geschichte noch einmal angenommen und ...

Worum geht’s?

Die Abenteuer Huckleberry Finn aus der Feder von Mark Twain dürften den meisten Leser:innen ein Begriff sein. Percival Everett hat sich in „James“ der Geschichte noch einmal angenommen und sie aus einem neuen Blickwinkel erzählt, nämlich aus der Perspektive des Sklaven Jim.

Jim spielt den Dummen, damit die Weißen nicht merken, wie schlau er ist. Er gibt sogar den Kindern der übrigen Sklaven Sprachunterricht, um ihnen beizubringen, dass es immer die Weißen sein müssen, die ein Problem benennen und lösen. Als Jim eines Tages erfährt, dass er verkauft werden soll, flieht er mit Huck den Mississippi hinunter, immer das ultimative Ziel vor Augen: es in einen freien Staat zu schaffen, Geld zu verdienen und seine Familie freizukaufen. Die Reise wird zu einem wilden Roadtrip, auf dem die beiden die verschiedensten Abenteuer erleben, vom Schlangenbiss bis hin zu Menschen, die Jim ausnutzen und an einen neuen Besitzer verkaufen wollen, ist alles dabei. Und wie damals im Jugendbuch darf auch bei dieser Version der Geschichte das Happy End nicht fehlen.

Wie war’s?

Ich persönlich war sehr begeistert von James. Das Buch ist so brillant geschrieben, dass man es kaum aus der Hand legen mag. Teilweise urkomisch, teilweise aber auch richtig tragisch. Der Sklave Jim als Protagonist macht eine beeindruckende Entwicklung durch, während er anfangs sein Licht stets unter den Scheffel stellt, damit bloß niemand merkt, wie blitzgescheit er eigentlich ist („In Wahrheit scheute ich mich davor, wieder einzuschlafen, aus Angst, Huck würde zurückkommen und meine Gedanken hören, ohne dass sie meinen Sklavenfilter durchliefen“ S. 58), tritt er am Ende so stolz und selbstbewusst auf, wie ein freier Mann es nur sein kann („Ich bin der Todesengel, der gekommen ist, um bei Nacht süße Gerechtigkeit zu üben“, sagte ich. „Ich bin ein Zeichen. Ich bin deine Zukunft. Ich bin James.“ S. 329).

Als Literaturübersetzerin interessiere ich mich natürlich auch immer besonders für die Qualität der Übersetzung und muss hier dem Kollegen Nikolaus Stingl wirklich ein großes Kompliment machen. Er hat es geschafft, Jims sogenannten „Sklavenfilter“ sehr authentisch ins Deutsche zu übertragen, Chapeau!

Fazit:

Mich hat James wirklich beeindruckt und das Buch hat das Potenzial, es in die Top 3 meiner Lieblingsbücher zu schaffen. Außerdem eine wunderbare Hommage an das Lesen, die ich von Herzen nachvollziehen kann. Ich habe das Buch in einer für mich persönlich sehr schwierigen Zeit gelesen und konnte ebenso darin eintauchen wie James in diesem Zitat, mit dem ich diese Rezension beenden möchte:

Ich vergewisserte mich, dass Huck immer noch tief und fest schlief, dann schlug ich das Buch auf. Der Geruch der Seiten war herrlich.

Es lebte einst in Westfalen…

Ich war woanders. Ich war weder auf der einen noch auf der anderen Seite dieses verdammten Flusses. Ich war nicht auf dem Mississippi. Ich war nicht in Missouri.

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Veröffentlicht am 04.05.2024

Ein Buch wie eine herzliche Umarmung

25 letzte Sommer
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Worum geht’s?
Der namenlose Ich-Erzähler teilt das Schicksal vieler Menschen. Immer erreichbar dank Smartphone, das Leben eine einzige To-Do-Liste. Eines Tages bricht er bei einer Joggingrunde aus den ...

Worum geht’s?
Der namenlose Ich-Erzähler teilt das Schicksal vieler Menschen. Immer erreichbar dank Smartphone, das Leben eine einzige To-Do-Liste. Eines Tages bricht er bei einer Joggingrunde aus den gewohnten Bahnen aus und begegnet dem älteren Karl, der mit seinem sehr einfachen Lebensstil, der hauptsächlich aus Kartoffeln sortieren und nachdenken zu bestehen scheint, rundum zufrieden ist.

Wie war’s?
Ein Buch, das sich wie eine herzliche Umarmung anfühlt. Ich habe mich sehr gerne mit den beiden Männern an den Tisch gesetzt, um ihren angeregten Gesprächen zu folgen.
Es regt zum Nachdenken an, was im Leben wirklich wichtig ist und warum wir so viel Zeit mit Belanglosem wie dem ständigen Kleben am Smartphone und so wenig Zeit mit den Menschen verbringen, die uns wichtig sind.
Hand aufs Herz, wann erlaubt man sich heute schon mal ohne schlechtes Gewissen das Nichtstun? Einfach einen faulen Sonntag mit einem Nickerchen am Nachmittag, Kuchenresten mit Schlagsahne, einem guten Essen ohne Gedanken an die Kalorien? Weniger Selbstoptimierung und mehr Leben, genussvoll und ohne schlechtes Gewissen oder irgendwelche Hintergedanken, das ist für mich eine der wichtigsten Botschaften dieses Romans.

Fazit
Ein Buch, das entschleunigt und sich fast anfühlt wie ein Urlaubstag am Meer. Von mir eine unbedingte Leseempfehlung, auch (aber nicht nur) für Fans von John Streckley.

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Veröffentlicht am 05.03.2024

Viel Nordseefeeling und ein Hauch von Legende

Leute von früher
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Inhalt

Langzeitstudentin Marlene hat nach fast neun Jahren endlich ihr Studium hinter sich und es zieht sie zum Arbeiten von Hamburg auf die Insel Strand im nordfriesischen Wattenmeer. Sie tritt einen ...

Inhalt

Langzeitstudentin Marlene hat nach fast neun Jahren endlich ihr Studium hinter sich und es zieht sie zum Arbeiten von Hamburg auf die Insel Strand im nordfriesischen Wattenmeer. Sie tritt einen Job als Verkäuferin in einem Erlebnisdorf an, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint – alles wird so gemacht wie 1900. Verantwortlich für die Inszenierung ist eine ganze Horde von Saisonkräften, die in einfachen Baracken hausen, auch in der Freizeit stets die „Kostümgrenze“ im Kopf. Marlene lernt Janne kennen, die auf der Insel aufgewachsen ist und fühlt sich sofort zu ihr hingezogen. Je näher sich die beiden Frauen kommen, desto öfter kommt es zu rätselhaften Zwischenfällen, die sich Marlene einfach nicht erklären kann.


Wie war’s?

Schon das Cover hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Die Farben und die Darstellung der tosenden, rauen See bilden der perfekten Bogen zum ersten Satz: „Es war ein Wetter ohne Jahreszeit: vierzehn Grad und ein schwerer Himmel.“ Jeder Nordseeliebhaber kennt so ein Wetter, man weiß manchmal nicht, ob es nun ein kühler Sommer, vielleicht doch noch Frühling oder schon wieder Herbst ist.

Kristin Höller gelingt es in diesem Roman, das Bild der schönen Scheinwelt im Erlebnisdorf für die Leserinnen und Leser sehr anschaulich lebendig werden zu lassen. (Es war, als beträte sie ein Gemälde). Auch diese Beschreibung der Vogelwarte in den Salzwiesen lässt mich vom nächsten Inselurlaub träumen. Diese ganz besondere Stimmung dort wird für mich perfekt transportiert.

Interessant sind auch der Spagat zwischen der heilen Welt, die für die Touristen inszeniert wird, und der Lebenswirklichkeit der Menschen, die dort leben und arbeiten. Auf engstem Raum, in einfachen Baracken, mit all ihrem „Gepäck“ und zwischenmenschlichen Problemen – und dem Inselkoller, den auch Marlene mal zu spüren bekommt.

Faszinierend fand ich den Teil der Geschichte, der von der versunkenen Stadt Rungholt handelt, die einer Legende zufolge in der Johannisnacht wieder auftaucht.

Die Charaktere im Buch sind für mich sehr stimmig dargestellt. Mit Marlene als Protagonistin wurde ich anfangs nicht richtig war, sie wirkte oft ein bisschen unterkühlt und unnahbar, schien vieles auch gar nicht begreifen zu wollen. Insgesamt passt sie aber perfekt im diese ruhige, unaufgeregt erzählte Geschichte.

Die letzten 50 Seiten habe ich mit angehaltenem Atem gelesen, ohne hier irgendwie spoilern zu wollen, das Finale kam für mich völlig unerwartet und war einfach nur wow!


Fazit

Für alle, die auf der Suche nach Lesestoff sind, mit dem sie sich gedanklich an die Nordsee träumen können, und die unaufgeregt erzählte Liebesgeschichten und einen Hauch von alter Legende mögen, eine unbedingte Leseempfehlung!

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