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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.08.2024

Besser als man denken könnte

Pi mal Daumen
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Anfangs hat man bei Alina Bronskys neuem Roman "Pi mal Daumen" vielleicht das Gefühl, dass diese Geschichte der zwei gegensätzlichen Charaktere Oscar und Moni etwas einfach und schnell auserzählt ist, ...

Anfangs hat man bei Alina Bronskys neuem Roman "Pi mal Daumen" vielleicht das Gefühl, dass diese Geschichte der zwei gegensätzlichen Charaktere Oscar und Moni etwas einfach und schnell auserzählt ist, aber das ist nicht so. Die Figuren waren mir am Anfang zu überzeichnet, wuchsen mir aber mit der Zeit dann trotzdem richtig ans Herz. Moni, Oscar und auch Justin hätte ich gerne noch weiter durchs Leben begleitet.
Die Geschichte erzählt von Freundschaften, ungerechten Bildungschancen, dem Wissenschaftsbetrieb an einer Universität und davon, sich nicht vom ersten Eindruck einer Person blenden zu lassen. Das ist jetzt alles nicht neu und auch nicht hoch komplex, aber sehr unterhaltsam und liebenswert geschrieben.
Für mich hat diese Geschichte sehr viel mehr Inhalt, skurrilen Charme und Aussagekraft als es anfangs wirkte und das hat mir sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 08.12.2023

Anderer Blickpunkt auf die deutsche Nachkriegszeit

Als wir an Wunder glaubten
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Die Autorin behandelt die Nachkriegszeit nicht plakativ - Themen wie Kriegsversehrtheit, die Nazi-Vergangenheit und Armut werden zwar erwähnt, stehen aber gleichberechtigt mit der eigentlichen Geschichte ...

Die Autorin behandelt die Nachkriegszeit nicht plakativ - Themen wie Kriegsversehrtheit, die Nazi-Vergangenheit und Armut werden zwar erwähnt, stehen aber gleichberechtigt mit der eigentlichen Geschichte der Jugendlichen Betty und ihrer Mutter Edith. Über die Vergangenheit wird meist nicht gesprochen - das bezieht sich nicht nur auf die Nazi-Vergangenheit, sondern auch auf die Beziehungsgeflechte im norddeutschen Dorf, in dem die beiden Leben. Um so interessanter für Betty und die Lesenden, was die verschrobene Guste zu erzählen hat. Was ist hier Fakt und was Fiktiv - das bleibt lange offen. Das passt auch zum dritten großen Thema des Romans: Aberglaube. Vermeintliche Heilsbringer stehen bei vielen hoch im Kurs - eine Fortsetzung der Versprechen der Nazis und gleichzeitig Hoffnung in trüben Zeiten. Dennoch etwas, das ich noch nie als Thema speziell für die Nachkriegszeit auf dem Schirm hatte.
Für mich insgesamt eine ruhige, gut erzählte, andere Geschichte über die Nachkriegszeit in Deutschland. Gefallen hat mir auch die Konzentration auf den weiblichen Blickwinkel.

Veröffentlicht am 14.08.2023

Familien- und Frauenleben

Das Pferd im Brunnen
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In "Das Pferd im Brunnen" berichtet Valery Tscheplanowa episodenhaft aus vier Generationen Familien- und Frauenleben. Die Frauen der Familie - allen voran die Urgroßmutter und die Großmutter - trotzen ...

In "Das Pferd im Brunnen" berichtet Valery Tscheplanowa episodenhaft aus vier Generationen Familien- und Frauenleben. Die Frauen der Familie - allen voran die Urgroßmutter und die Großmutter - trotzen dem Sowjet-Kommunismus und den anderen Beschwerlichkeiten des Lebens, packen ohne lange zu zaudern an, um sich und die Familie durch zu bringen. Männer sind hier nur kurze Nebendarsteller und glänzen eher durch Abwesenheit. Wir lernen die Frauen in den einzelnen Momentaufnahmen gut kennen; erfahren neben ihrer Tatkräftigkeit auch von (meist unerfüllt bleibenden) Chancen und Träumen, Konflikten und Schuld. Ein intimer Einblick in diese Leben. Das ganze sehr bildhaft mit nie langweilig werdenden Detailbeschreibungen.
Ich fand das Buch in seiner Sprunghaftigkeit zwischendurch durchaus fordernd. Manchmal verschwommen die Generationen und die zwei Wohnungen. Zwischen den Momentaufnahmen bleibt vieles ungesagt, was aber auch ok ist.

Veröffentlicht am 11.08.2023

Geschichte einer Außenseiterin

Die Einladung
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Ich fühlte mich bei der Lektüre von Emma Clines "Die Einladung" die ganze Zeit etwas unbehaglich. Das lag vor allem an der Protagonistin Alex, die von der Autorin genial dargestellt wird. Sie bleibt unscharf, ...

Ich fühlte mich bei der Lektüre von Emma Clines "Die Einladung" die ganze Zeit etwas unbehaglich. Das lag vor allem an der Protagonistin Alex, die von der Autorin genial dargestellt wird. Sie bleibt unscharf, ist manipulativ und ihr Lebenswandel ist wohl eher verwerflich. Beim Lesen wurde sie mir trotzdem nie richtig unsympathisch, ich habe schon mit ihr mitgefiebert, das Schlimmste befürchtet und ihr doch eine Wendung zum Guten gewünscht, denn das elitäre Umfeld, in dem sie sich bewegt, ist nicht besser als sie. Und vielleicht ist es Wunschdenken, aber ein guter Kern war für mich in Alex trotz allem erkennbar. Wie schon in "The Girls" erleben wir eine junge Hauptdarstellerin, die in kein Raster passt, eine Außenseiterin, die dazu gehören möchte, aber nicht wirklich eingelassen wird.
Die eigentliche Handlung ist überschaubar, das Buch lebt von der Atmosphäre, in der das Straucheln der Protagonistin in Kontrast zum sorgenlosen Sommer der Wohlhabenden in den Hamptons steht. Vielleicht passt dazu auch das sehr offene Ende - ich hätte mir zwar einen Abschluss gewünscht, aber im Leben gibt es den ja auch nicht immer. Ansonsten gut lesbar, anders, lohnenswert.

Veröffentlicht am 05.07.2023

Eingeschränkte Leseempfehlung

Anne auf Green Gables
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Dieser Comic (oder schon eher Graphic Novel) greift den Klassiker von Lucy Maud Montgomery auf. Tatsächlich kenne ich weder das Original noch eine der zahlreichen Verfilmungen. Ich konnte der Handlung ...

Dieser Comic (oder schon eher Graphic Novel) greift den Klassiker von Lucy Maud Montgomery auf. Tatsächlich kenne ich weder das Original noch eine der zahlreichen Verfilmungen. Ich konnte der Handlung trotzdem gut folgen. An manchen Stellen hatte ich aber allerdings das Gefühl, dass der Stoff durch die Autorin Mariah Marsden sehr verkürzt dargestellt wurde, was natürlich erwartbar ist. Das waren u.a. Stellen, an denen kleine Geschichten nur mit Bildern erzählt wurden. Das hat einerseits seinen ganz eigenen Reiz, aber ob hier jeder gut folgen kann? Auch ist mir nicht klar geworden, über welchen Zeitraum sich die gesamte Geschichte zieht. Für mich als erwachsene Leserin war das ok so. Ob das Buch mit dieser Erzählweise aber wirklich generell für Kinder ab 9 Jahren ohne Vorkenntnis der Geschichte geeignet ist, weiß ich nicht.

Die Bilder von Brenna Thummler fand ich gelungen. Die etwas herbe Darstellung der Menschen ist Geschmackssache, aber passend zum Landleben Ende des 19. Jahrhunderts. Die Darstellung der Natur in kräftigen Farben hat mir auch sehr gefallen.

Von mir gibt es deshalb eine eingeschränkte Leseempfehlung für aufgeschlossene Leser
innen auch jenseits des Kindesalters.