Geschmackssache
Die schönere LügeMeadow Mori lebt bei ihren Eltern in einem großen einstöckigen Neubau mit Pool. Sie steht wenige Wochen vor ihrem ersten Tag an der NY-University und wird heute, nicht zu ersten Mal, ihre Eltern anlügen. ...
Meadow Mori lebt bei ihren Eltern in einem großen einstöckigen Neubau mit Pool. Sie steht wenige Wochen vor ihrem ersten Tag an der NY-University und wird heute, nicht zu ersten Mal, ihre Eltern anlügen. Sie erzählt von einer Reise, die sie mit ihrer besten Freundin Carrie plant. Sie sagt, sie wollen in Gloversville (das war ihr gerade eingefallen) mit einem Kollektiv, bestehend aus anderen Studenten aus der Branche Filme drehen. Nachdem sie ihre Eltern überzeugt hat, steigt sie in ihr dunkelblaues VW Käfer Cabriolet und fährt zu Orson Welles, dem mehrfach ausgezeichneten Filmregisseur. Sie sind seit kurzem ein Paar und er möchte, dass sie bei ihm wohnt. Meadow liebt den alten fetten Mann mit der vollen, kräftigen Stimme.
Wenn er essen geht, um sich mit Kollegen zu treffen, streift sie durch seinen Bungalow mit dem nierenförmigen Pool und den drei Schlafzimmern. Sie streicht über Türme von Drehbüchern und lässt sich inspirieren. In seinem Heimkino schaut sie sich alle an, die europäischen sowie die amerikanischen. Orsons berühmtesten Film, irgendeinen genialen Wunderkind-Kultfilm hat sie sich zwanzig Mal angesehen. Weil er sich angeblich Charlie Chaplins Lichter der Großstadt zwanzig Mal angesehen hatte und danach alles über das Filmen wusste. Er nahm sie nie mit, wenn er ausging, schrieb ihr aber Liebesbriefe und rezitierte aus Shakespeare. Neun Monate ging das so und dann verließ er sie.
Jelly hat Oz in einem Blindenzentrum kennengelernt. Er roch zart nach Nelke. Während sie noch schemenhaft sehen konnte, war er kindheitsblind. Er hatte sie angesprochen und ihr so lange Avancen gemacht, bis sie ihn in seiner Wohnung besuchte. Während sie sehr geruchsempfindlich war, hatte er das absolute Gehör und nutzte seine Gabe, um Telefonleitungen anzuzapfen. Eine Weile verstanden sie sich großartig, aber dann wurde Oz immer stiller. Er schien ihr zuzuhören, aber er antwortete kaum. Am Abend verließ er häufiger die Wohnung, ohne sie. Und am Ende verließ er sie ganz.
Fazit: Dana Spiotta hat einen arg umfangreichen Roman geschaffen, der mir seitenlang keinen Sinn offenbarte. Letztendlich aber schließt sich der Kreis und es wird ein Schuh draus. Die Geschichte ist aufgeteilt in Gegenwart, Vergangenheit und Gegenwart. Zwischenzeitlich spazieren Menschen ins Bild, deren Vorhandensein mir unklar bleibt. Ich mochte die Einsichten in die Filmbranche, vor allem die hinter der Kamera. Es ist mein zweites Buch der Autorin und der zweite nicht ganz saubere Charakter in der Hauptrolle. In diesem Buch fand ich die Antiheldin allerdings interessant ausgearbeitet. Ich habe mich mit der Vielzahl an Szenen schwergetan. Ein Zug, der in allen Facetten aufgenommen wird, erschließt sich mir, wenn man beruflich filmen möchte und es hat auch die Obsession gezeigt. Aber eine Jelly, die eigentlich Amy heißt und sich Nicole nennt, hat mich schweratmig gemacht. Was Jelly und Oz und Jack in der Geschichte zu suchen haben, findet sich am Schluss. Für meinen Geschmack hat die Autorin quasi zu viel geredet, das hatte was Erschlagendes, Ermüdendes. Zuviel fand ich auch die Selbstkasteiung der Antiheldin. Schon Dana Spiottas letztes Buch konnte mich nicht überzeugen und ein drittes würde ich nicht lesen. Das ist aber Geschmackssache. George Saunders, amerikanischer Bestsellerautor, den ich sehr schätze, hat dieses Buch gefeiert.