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Veröffentlicht am 11.12.2017

Eine kleine Zeitreise in die Goldenen Zwanziger

Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte
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Das Buch ist wirklich wunderschön gestaltet: Schmal, das Cover in leichtem Sepia-Stich und, passend zu den Goldenen Zwanzigern, mit teils goldenem Titel und goldfarbenem Lesebändchen. Hochwertig, zu schade, ...

Das Buch ist wirklich wunderschön gestaltet: Schmal, das Cover in leichtem Sepia-Stich und, passend zu den Goldenen Zwanzigern, mit teils goldenem Titel und goldfarbenem Lesebändchen. Hochwertig, zu schade, um im Bücherregal zu verschwinden.
Beschrieben wird das Leben der Bohéme an der Côte d’Azur der 1920er, insbesondere im Jahr 1926. Dort trafen sich auf dem Cap d'Antibes rund um die Sommerresidenz von Sara und Gerald Murphy, der Villa America, europäische und amerikanische Künstler wie Pablo Picasso, Ernest Hemingway, Dorothy Parker - und eben F. Scott Fitzgerald. Dieser hat kürzlich seinen Roman "Der große Gatsby" veröffentlicht, die Story läuft erfolgreich im New Yorker Theater und über die Filmrechte wird ebenfalls verhandelt. Diesen Sommer des Jahres 1926 möchte er nun nutzen, um seinen nächsten Bestseller zu verfassen, den er plant, am Ende der Sommersaison mit nach Amerika zu nehmen. Doch es kommt alles anders als geplant.
Aufwendig recherchiert schildert Emily Walton, wie die Amerikaner zu Beginn der 1920er die Côte d’Azur für sich entdeckt haben und zu einer Urlaubsgegend werden ließen. Sara und Gerald Murphy genießen mit ihren Kindern und ihren Künstlerfreunden das dortige Leben. Der Dollarkurs steht gut, das Leben ist für die Amerikaner an der azurblauen Küste erschwinglich. Nach und nach passen sich auch Gastronomie und Hotellerie den neuen Gästen an. Doch 1926 steht F. Scott Fitzgerald, stets für jeden Streich zu haben, längst nicht mehr so sehr im Mittelpunkt, wie er es sich wünscht. Missmutig verfällt er immer mehr dem Alkohol, sein Verhalten wird von Tag zu Tag exzentrischer, so dass er unter starkem Alkoholeinfluss sogar beinahe einen Kellner zersägt, wie es der Titel des Buches bereits verrät.
Das Buch liest sich wie eine kurze historische Zeitreise und endet mit dem Jahr 1926. In einem Epilog schildert Emily Walton dem Leser anschließend den weiteren Lebenslauf der Hauptprotagonisten anhand entsprechend wichtiger Ereignisse. Das Buch steckt voller Wissen und Recherchen, erkennbar an selbst kleinen im Buch beschriebenen Details. Durch die verschieden Sprünge von Person zu Person liest sich das Buch leider nicht immer flüssig und es fehlt eine Art Höhepunkt, auf welchen ich beim Lesen gewartet und gehofft hatte. Daher bekommt Emily Walton für ihr Buch von mir 4 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 11.12.2017

Die Geschichte einer liebenswerten Serienmörderin

Die Prinzessin von Arborio
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Die Italienerin Elisabetta Zorzi, von allen nur 'Zorzi' genannt, ist eine erfolgreiche, junge Frau. Sie führt ein hochklassiges Restaurant in Wien, die 'Cantinetta Zorzi', ist intelligent, kultiviert, ...

Die Italienerin Elisabetta Zorzi, von allen nur 'Zorzi' genannt, ist eine erfolgreiche, junge Frau. Sie führt ein hochklassiges Restaurant in Wien, die 'Cantinetta Zorzi', ist intelligent, kultiviert, gutaussehend und wird von den Männern umgarnt. Jedoch umgibt sie ein dunkles Geheimnis: Wird sie ihrer Männer überdrüssig, bringt sie diese um, statt sich von ihnen zu trennen. Die ersten Male kam sie unbemerkt damit davon, beim dritten Mord jedoch begeht sie einen kleinen, aber feinen Fehler, durch den sie die Polizei letztendlich überführen kann.
Dies umfasst inhaltlich ca. die erste Hälfte des Buches. Doch damit hört die Story noch lange nicht auf. Der Kriminalpsychologe Arnold Körber interessiert sich für diese außergewöhnliche Frau, bringt so nach und nach die Beweggründe Zorzis an Licht - und verfällt ihr letztendlich auch. Die Liebe zu einer mehrfachen Mörderin, kann dies gutgehen? Doch auch Zorzi ist nicht auf den Kopf gefallen und weiß Körbers Zuneigung geschickt zu nutzen...
Dieser Roman ist kein Krimi im klassischen Sinne. Man erfährt bereits zu Beginn so nach und nach, wie es in Zorzis Kopf aussieht. Auf eine gewisse Art kann sie einem sogar richtig sympathisch sein, will sie im Grunde genommen doch nichts Böses. Sie hat lediglich eine mörderische Art, ihre Ziele zu verfolgen. Als Leser wird man quasi selbst zu einer Art Profiler, macht sich Gedanken über Zorzis Vergangenheit und die Gründe ihrer Entscheidungen. Der Roman ist ebenso durchzogen von mehreren Zeitsprüngen, so dass sich die Handlung nicht immer flüssig lesen lässt. Dies macht das Buch jedoch nicht weniger interessant. Was den Roman von einem klassischen Krimi am meisten unterscheidet, ist der fehlende Höhepunkt, auf den das Buch hinarbeitet, da der letzte Mord bereits sehr früh geschieht. Dies kann auch das unerwartete Ende leider nicht mehr ausreichend ausgleichen, daher ziehe ich einen Stern in der Bewertung ab.

Veröffentlicht am 11.12.2017

Eine unterhaltsame Reise durch das 20. Jahrhundert

Alles ist relativ und anything goes
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Noch ein weiteres Geschichtsbuch über das 20. Jahrhundert? Ja. Und nein. Denn dies ist kein Geschichtsbuch im klassischen Sinne, vielmehr hat der Autor John Higgs sich ein paar bedeutsame Entdeckungen ...

Noch ein weiteres Geschichtsbuch über das 20. Jahrhundert? Ja. Und nein. Denn dies ist kein Geschichtsbuch im klassischen Sinne, vielmehr hat der Autor John Higgs sich ein paar bedeutsame Entdeckungen und Ideen des 20. Jahrhunderts herausgepickt und anhand dessen besagte Zeit erläutert. Dabei entstand eine bunte Mischung aus Weltraum und Mondlandung, die Moderne, Individualismus, Relativitätstheorie, Jugend, Sex(ualität), SF, nur um einige Themen zu nennen, wobei jedem Thema ein eigenes Kapitel zugeordnet wurde. Hierbei ist zu erwähnen, dass sämtliche Kapitel in sich geschlossen sind und unabhängig voneinander in beliebiger Reihenfolge gelesen werden können. So habe ich mich nach dem vielversprechenden Vorwort auch als erstes auf mein Lieblingskapitel gestürzt, die Science Fiction. Und wurde sogleich entäuscht. Denn was keinerlei Beachtung fand, waren die einflussreichen SF-Autoren der Ostländer, allen voran der russische Autor Isaac Asimov, von dem die berühmten Roboter-Gesetze stammen, oder der polnische Autor Stanisław Lem. Für das Kapitel der Relativitätstheorie hat der Autor eigenen Aussagen zufolge Einsteins Buch "Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie" mehrfach gelesen, um dem Leser seines Buches die Theorie unterhaltsam verpackt erklären zu können. Meines Wissens gibt es mittlerweile genügend populärwissenschaftliche Bücher wie z. B. von Stephen Hawking, in denen die Relativitätstheorie bereits leicht verständlich behandelt wird. Warum also soviel Mühe, wenn es auch einfacher geht? Und auch in diesem Kapitel fehlt mir wieder etwas Entscheidendes: Der Hinweis, was durch die Relativitätstheorie überhaupt erst ermöglicht wurde, wie z. B. GPS und Navigationssysteme, nur um ein Beispiel zu nennen.
Nichtsdestotrotz merkt man dem Buch beim Lesen die vielen Recherchen an, welche das Buch mehr oder weniger bereichern. Nicht alle Zitate waren m. E von Belang, aber das mag Geschmackssache sein. Auch ist die historisch-soziologische Auseinandersetzung einzelner Punkte mit der damaligen Zeit mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Grad um Vergangenes besser verstehen zu können, ist dies jedoch manchmal notwendig. So fallen die Kapitel für meine Geschmack mal mehr, mal weniger gut gelungen aus.
Warum für die deutsche Ausgabe ein denglischer Titel gewählt wurde, kann ich nicht nachvollziehen. Der Originaltitel passt besser zum Inhalt. Und die alberne Collage mit dem Hummer auf dem Telefon impliziert, es könne sich um ein lustiges Buch halten. Dabei ist es vielmehr ein unterhaltsam geschriebenes Sachbuch.

Veröffentlicht am 11.12.2017

Solider Provence-Krimi

Brennender Midi
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Le Midi - der Süden Frankreichs. Während viele bei "Provence" einen entspannten Sommer mit leckerem Rotwein vor sich sehen, sieht Capitaine Roger Blanc in das grinsende Gesicht einer Leiche. Pünktlich ...

Le Midi - der Süden Frankreichs. Während viele bei "Provence" einen entspannten Sommer mit leckerem Rotwein vor sich sehen, sieht Capitaine Roger Blanc in das grinsende Gesicht einer Leiche. Pünktlich zum Ende der Sommerferien stürzt ein Propellerflugzeug des örtlichen Militärflughafens in einen Olivenhain, der Pilot ein bis dahin hervorragender Flugschüler. Doch längst nicht alle Anwohner sind vom Tod des jungen Mannes betroffen, ebenso scheinen nicht alle Zeugenaussagen zusammen betrachtet einen Sinn zu ergeben. Als kurz darauf einer der Zeugen ermordet aufgefunden wird, versucht Roger Blanc, die losen Fäden zu einem Beweisteppich zu verknüpfen.

Mit "Brennender Midi" liefert Autor Cay Rademacher seinen dritten Fall des französischen Capitaine Roger Blanc. Nachdem Blanc als pariser Korruptionsermittler den falschen Leuten auf die Füße getreten ist, darf er nun, dank des französischen Staatssekretärs, in einer kleinen provenzalischen Gendamerie seinen Dienst leisten. Dass Capitaine Blanc mit dessen einflussreicher Gattin ein heimliches Verhältnis laufen hat, scheint wie eine kleine Genugtuung anzumuten. Ohne Scheu ermittel Blanc im aktuellen Fall in die verschiedensten Richtungen, nutzt seine Kontakte sowie nicht immer ganz legale Methoden.

Gekonnt hat der Autor in diesem Roman verschiedene, teils recht aktuelle Themen aus Politik und Weltgeschehen miteinander kombiniert und daraus einen soliden Krimi gestrickt. Die Story ist in sich schlüssig und lässt sich angenehm lesen, selbst wohldosierte Einblicke in das Privatleben des Capitaine kommen nicht zu kurz. Es handelt sich um einen in sich geschlossenen Fall und lässt sich auch ohne Kenntnis der vorangeganenen Fälle wunderbar lesen. Lediglich der Schreibstil des Autors lässt eine gewisse provenzalische Gemächlichkeit erahnen, was der Spannung ein wenig den Pep nimmt.

Veröffentlicht am 11.12.2017

Remember Mia - eine Suche nach der Wahrheit

Remember Mia
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Schwerverletzt wacht Estelle Paradise im Krankenhaus auf, nachdem sie in ihrem Autowrack geborgen wurde - meilenweit von ihrer Wohnung entfernt, mit einer Schusswunde am Kopf. Völlig verwirrt, unter Amnesie ...

Schwerverletzt wacht Estelle Paradise im Krankenhaus auf, nachdem sie in ihrem Autowrack geborgen wurde - meilenweit von ihrer Wohnung entfernt, mit einer Schusswunde am Kopf. Völlig verwirrt, unter Amnesie leidend, blitzen erste Erinnerungen in ihrem Kopf auf: Blut! Und Mia, ihr sieben Monate altes Baby. Ihr Baby, das vor wenigen Tagen spurlos aus der verschlossenen Wohnung verschwand. Wo ist Mia? Hat sie ihrer Tochter etwas angetan? Sie weiß es nicht, kann sich nicht erinnern. Schnell wird sie von den Ermittlern zu Hauptverdächtigen, von der Hauptverdächtigen zur Angeklagten. Doch was geschah wirklich? Wird eine psychiatrische Therapie helfen, die Wahrheit ans Licht zu bringen?

Alexandra Burt legt mit ihrem Debutroman "Remember Mia" einen gelungenen Thriller vor. Aus der Sicht Estelles geschrieben, wandert der Leser mit ihr durch ihre subjektiven Erinnerungen und Beobachtungen, erstellt Vermutungen und verwirft diese wieder. Durch die nach und nach zutage kommenden Erinnerungen treten immer neue Wendungen auf, die dem Roman keine Möglichkeit geben, langweilig zu werden. Sowohl der Leser als auch Estelle selbst schwanken immer wieder zwischen der "schuldig/nicht schuldig-Frage". Bis zum Schluss habe ich zur endgültigen Aufklärung des Falles mitgefiebert, wollte die Wahrheit erfahren.

Der Schreibstil des Romans ist angenehm flüssig und in der Gegenwartsform verfasst, die Erinnerungen und Rückblenden somit anhand der Vergangenheitsform gut erkennbar. Lediglich während der Psychotherapie war nicht immer eindeutig, was sie dem Arzt mitteilte und was rein ihre Gedanken waren. Ebenfalls hätte ich mir zum Ende des Romans einen abschließenden Epilog gewünscht, welcher restliche Fragen geklärt hätte, die mir nach Abschluss des Thrillers im Kopf verblieben. Doch trotz allem ist "Remember Mia" ein Roman, den ich guten Gewissens empfehlen kann!