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Veröffentlicht am 15.03.2018

Grandioser Roman, der erschüttert

Die geliehene Schuld
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Mit den neuen Roman von Claire Winter kann man einfach nichts falsch machen! Dies ist mein drittes Buch der Autorin und alle drei habe ich mit 5 Sterne bewertet. "Die geliehene Schuld" wird aber diesmal ...

Mit den neuen Roman von Claire Winter kann man einfach nichts falsch machen! Dies ist mein drittes Buch der Autorin und alle drei habe ich mit 5 Sterne bewertet. "Die geliehene Schuld" wird aber diesmal auch das Prädikat "Lieblingsbuch-Status" erhalten.

Wir sind in Berlin im Jahr 1949. Deutschland ist im Umsturz. Die zukünftige Bundesrepublik hat noch keine Verfassung und die Menschen sind verunsichert. Viele Teile des Landes sind noch von den Aliierten besetzt, die Nürnberger Prozesse laufen, doch viele Nazisverbrecher sind noch auf freiem Fuß oder untergetaucht. Schon nach den ersten Seiten taucht man völlig in die Handlung ein.

Mit Vera, einer jungen Journalistin, lernen wir eine toughe Frau kennen, die im Krieg ihre Eltern und ihren Mann verloren hat. Einzig ihr Job beim Echo, als auch ihr Jugendfreund und Kollege Jonathan, geben ihr in dieser schweren Zeit Halt. Doch dann kommt Jonathan bei einem Unfall ums Leben. Als sie mysteriöse Unterlagen erhält, die er ihr kurz vor seinem Tod geschickt hat, beginnt Vera nachzuforschen. Schon bald weiß sie, dass er an einer Recherche über Kriegsverbrecher gearbeitet hat. Es scheint als hätte Jonathan etwas herausgefunden, was ihm letztendlich das Leben gekostet hat. In einem Brief bittet er Vera niemanden zu trauen und weiterzuforschen. Ihre Wege führen sie daraufhin nach München und Südtirol und wieder zurück nach Berlin. Lange ahnt sie nicht, wonach sie suchen soll, doch ihre Feinde sind ihr schon auf den Versen...

Die Geschichte wird aus der Sicht von Vera, Jonathan, Lina und Marie erzählt. Man erhält aber auch einen kleinen Einblick in die Gedanken anderer Figuren wie Karl, Margot oder Helmut. Die Handlung wechselt zwischen August 1948 und Mai 1949 und schließt mit einem Epilog sieben Jahre später.
Während Vera auf den Spuren von Jonathan nach Hinweisen sucht, die zu seinem Tod geführt haben, begegnen wir Marie. Sie ist Sekretärin im Stab Adenauers und lernt bei den Nürnberger Prozessen die Jüdin Lina, als auch Jonathan kennen, der für den Echo berichten soll. Durch Lina erfährt die eher wohlbehütete Marie mehr über den Schrecken des Krieges und hinterfragt nach und nach die Situation in ihrem eigenen Elternhaus. Ihr Vater Hermann Weißenburg arbeitete für das Reichssicherheitsamt. Doch ihre Mutter schweigt und ihre beiden Brüder Fritz und Helmut ermahnen sie nicht wegen dem Vater nachzufragen, der in Russland gefallen ist. Daraufhin bittet Marie Jonathan nachzuforschen.

Im Wechsel zwischen Gegenwart und der Vergangenheit erzählt die Autorin immer ein kleines Stück mehr der kompakten Handlung. So erschließt sich erst nach und nach das ganze Ausmaß der Geschichte. Die Autorin hat hier eine wahre Freundschaft zwischen einer Jüdin und einer jungen Frau aus nationalsozialistischem Elternhaus als Vorlage für Marie und Lina genommen.

Der Roman verliert zu keiner Zeit an Tempo - im Gegenteil. Es bildet sich ein Sog, der einem in die Geschichte hineinzieht und aus der man sich kaum mehr befreien kann. Ich wollte nicht aufhören zu lesen.
Die Charaktere sind sehr lebendig gezeichnet. Obwohl Vera Angst bei ihren Nachforschungen hat, gibt sie ihr Ziel nie auf. Sie möchte Jonathans Bitte unbedingt erfüllen. Durch die unterschiedlichen Erzählperspektiven erhält man einen guten Einblick in die Gefühle und Gedanken der einzelnen Figuren.
Zu Beginn des Buches findet man eine Karte von Deutschland mit den Zonen der Aliierten, die noch immer Besatzungsmacht waren. Außerdem gibt es ein Interview der Autorin und Fotos aus dieser Zeit, die historischen Bezug nehmen. Am Ende des Buches gibt es noch ein Personenverzeichnis und einen Epilog mit der Überschrift "Wahrheit und Fiktion", in dem die Autorin noch Erklärungen zum Buch gibt.

"Die geliehene Schuld" hat mich tagelang beschäftigt. Die fiktive Geschichte, die Claire Winter mit historischen Fakten und Personen zu einem Ganzen geformt hat, ist ergreifend. Gleichzeitig macht sie aber auch wütend, wenn man Fakten über die katholische Kirche und die Aliierten erfährt, die Nazis auf den Flüchtlingsrouten zur Flucht verhalfen oder Männer der SS, wie Gehlen, der in den Sechziger Jahren sogar Präsident des Bundesnachrichtendienstes wurde. All dies hinterlässt mehr als nur einen bitteren Nachgeschmack!

Schreibstil:
Ich liebe den Schreibstil der Autorin, der bildgewaltig und mitreißend ist. Es entsteht ein hervorragendes Kopfkino. Die Autorin ließ mich bangen und hoffen und ich konnte den Roman kaum aus der Hand legen. Die menschlichen Schicksale gehen sehr zu Herzen und man fiebert mit den Protagnisten mit. Man hat das Gefühl direkt in die Seele der einzelnen Figuren zu blicken. Claire Winter versteht es großartig die Situation dieser Zeit einzufangen.

Fazit:
Ein Roman mit Suchtpotential! Wahnsinnig authentisch, hervorragend recherchiert und erschütternd. Schon länger hat mich kein Roman so gefesselt, schockiert und ernüchtert wie "Die geliehene Schuld". Bis jetzt das beste Buch der Autorin. Meine absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 26.01.2018

Tolles Buch - grandioser Schreibstil!

Blut schreit nach Blut
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Mein erster historischer Fantasyroman und ich begeistert! Die Geschichte ist eine gelungene Verknüpfung aus Mittelalterroman und Fantasy. Da ich sonst eher im historischen Genre anzutreffen bin, war ich ...

Mein erster historischer Fantasyroman und ich begeistert! Die Geschichte ist eine gelungene Verknüpfung aus Mittelalterroman und Fantasy. Da ich sonst eher im historischen Genre anzutreffen bin, war ich schon sehr neugierig auf den Roman, der mir bereits vor einiger Zeit aufgefallen ist. Die Leseprobe konnte mich damals schon für die Geschichte gewinnen...
Aikaterini Maria Schlösser konnte mich nicht nur mit ihrer Erzählung rund um Luna, der einzigen Tochter des Burgherrn der Schwarzburg, überzeugen, sondern vorallem durch ihren außergewöhnlichen Schreibstil. Dieser ist wirklich etwas ganz Besonderes - voller Stimmung und Atmosphäre.

Das mittelalterliche Leben auf der Schwarzburg im Schwarwald wird sehr realistisch dargestellt. Auch für die Tochter des Burgherrn beginnt der Tag frühmorgens und ist durchsetzt von schwerer Arbeit. Söldner und Raubritter durchstreifen das Land - es wird gemordet und gebrandschatzt. So fällt auch die Schwarzburg in die Hände von Räubern und Lunas Eltern werden grausam ermordet. Einzig Luna gelingt die Flucht. Im Wald trifft sie auf zwei leuchtende Sterne, die sie bereits seit ihrer Kindheit vom Fenster aus beobachtet und die ihr das Gefühl geben, nach ihr zu rufen. Doch diese Sterne entpuppen sich als ein Augenpaar....

Nach dem Tod der Eltern und ihrer Flucht in den Wald, entdeckt Luna plötzlich merkwürdige Veränderungen an ihrem Körper, die ihr Angst einflößen. Sie fühlt sich immer unwohler in ihrem Zuhause, das seit dem Tod der Eltern ihr Onkel Hanco und seine Frau Binhildis übernommen haben. Bald offenbart ihr Hanco, dass er die Burg nicht übernehmen möchte und für Luna so schnell wie möglich einen geeigneten Heiratskandidaten finden möchte. Doch wenn dieser Lunas Geheimnis entdeckt, ist ihr der Tod sicher...

Der Fokus des Romans liegt eindeutig bei Luna und ihren Gefühlen. Nach dem Überfall vermittelt die Autorin äußerst eindringlich die innere Zerissenheit, die Trauer um ihre Eltern und die Ängste betreffend ihrer körperlichen Veränderungen. Man verfolgt großteils die Gedanken von Luna und ihre inneren Kämpfe. Der Spannungsbogen bleibt eine Weile auf gleicher Ebene, bis er im letzten Drittel deutlich ansteigt. Der Leser ist nicht mehr in Lunas Gedankenwelt gefangen, sondern die Geheimnisse werden nach und nach aufgedeckt. Ab diesem zeitpunkt kann man das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Das Ende hat dann nochmals eine Überraschung parat, mit der man nicht wirklich rechnet.

Die Autorin hat uns verraten, dass es einen Nachfolgeband geben wird. Ich muss gestehen, dass ich keine Ahnung habe, wie der aussehen könnte....aber Aikaterini Maria Schlösser hat mich schon einmal überrascht ;)
Die Nebencharaktere sind sehr bildhaft beschrieben, auch wenn wir hier nicht an deren Gedankenwelt teilhaben. Ich hatte jeden Einzelnen vor Augen. Die Figuren sind nicht einfach schwarz-weiß gemalt, sondern konnten mich des Öfteren im Laufe der Geschichte mit ihren Handlungen überraschen.
Mich hat dieser historische Fantasyroman in den Bann gezogen und vollkommen überzeugt.

Erwähnen möchte ich noch zwei Dinge: Der Schriftsatz tut leider in den Augen weh...dafür entschädigen die wunderschönen Illustrationen im Buch.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Aikaterini Maria Schlösser ist das ganz Besondere an diesem Buch! Er ist detailliert, poetisch, atmosphärisch und sie versteht es exzellent die Gefühlswelt der Protagonistin zu beschreiben. Als Leser fühlt und leidet man mit Luna. Man kann sich mit ihren Gedanken und Ängsten identifizieren. Die Autorin verfügt außerdem über eine sehr bildhafte Beschreibung. Manche Gerüche oder Taten waren so eindringlich beschrieben, dass es mich beim Lesen wirklich ekelte.

Fazit:
Plot und Schreibstil überzeugten mich zu 100% bei diesem historischen Fantasyroman....ein Genre, das ich eigentlich sonst kaum lese. Tolle Atmosphäre und überraschende Wendungen runden diese Geschichte perfekt ab. Ich kann diesen Roman eindeutig weiterempfehlen!

Veröffentlicht am 15.01.2018

Sind es diese Träume wert?

Kleine Stadt der großen Träume
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Eigentlich hatte ich nicht wirklich vor den neuen Roman von Fredrik Backman zu lesen. "Ein Mann namens Ove" hat mit gut gefallen und hatte einen bösen Humor und einen schrulligen Protagonisten. Ein Buch, ...

Eigentlich hatte ich nicht wirklich vor den neuen Roman von Fredrik Backman zu lesen. "Ein Mann namens Ove" hat mit gut gefallen und hatte einen bösen Humor und einen schrulligen Protagonisten. Ein Buch, das mich gut unterhalten hat. Bei der Verfilmung habe ich allerdings nach der Hälfte den TV abgedreht....
Dann las ich "Oma lässt grüßen und sagt es tut ihr leid", das ich fast abgebrochen habe. Der Roman hat mir überhaupt nicht gefallen. Da ich es normaler Weise dreimal mit einem Autor versuche und mich Ole ja großteils überzeugen konnte, habe ich dann auch noch "Britt-Marie war hier" gelesen, das gerade noch 3 Sterne absahnte. Da alle drei Romane einen satirischen Touch hatten, war ich überrascht diesen bei "Kleine Stadt der großen Träume" NICHT zu finden und das war für mich ein großes Plus.

Dieser wundervolle Roman enthält sehr viel Gesellschaftskritik und hat mich erst so wirklich nach den ersten 70 - 100 Seiten gepackt. Zuerst werden Personen und Charaktere vorgestellt und welche Bedeutung das Eishockey für die kleine Stadt hat. Dies zog sich etwas in die Länge, doch ist rückblickend notwendig. Doch das Durchhalten hat sich gelohnt, denn danach konnte ich nicht mehr aufhören zu lesen. Das Hauptthema, das sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht, ist der Eishockeysport...der mich noch nie wirklich interessiert hat. Warum es mir trotzdem super gefallen hat?
Das Drama, das sich rund um die Einwohner entwickelt, beginnt nämlich nach diesen ersten hundert Seiten. Denn danach steht Eishockey zwar immer noch im Mittelpunkt, doch die Story entwickelt sich zu einem Gesellschaftsdrama....und das so spannend, dass man mit den Einwohnern der Stadt richtig mitfiebert.

Björnstadt ist eine kleine schwedische Stadt, die man eher verlässt, als zuzieht. Die Infrastruktur ist schlecht, die meisten großen Firmen sind bereits umgesiedelt. Das Einzige, was die Björnstädter gut können, ist Eishockey spielen. Die Hoffnungen und Träume einer ganzen Gemeinschaft richten sich auf den Erfolg der Junior-Hockey-Mannschaft, die im Viertelfinale steht. Würden es die Jungs ins Halbfinale schaffen und danach sogar gewinnen, würde Björnstadt die Unterstützung von Sponsoren und Politikern erhalten, die sie sich jahrelang gewünscht haben....und jahrelang übergangen wurden. Doch dann passiert etwas Unvorhergesehenes in der kleinen Stadt und es beginnt eine Hexenjagd, die mich wahrlich schockiert hat. Wie hoch darf der Preis sein, um die gewünschte Unterstützung zu erhalten und den Sieg nach Björnstadt zu holen? Steht der Club über einem einzigen Menschenleben oder dem einer Familie?

Fredrik Backman hat hier ein hochbrisantes Thema aufgegriffen. Moral und Gerechtigkeit stehen in diesem Roman im Vordergrund. Es geht ihm dabei nicht nur um die Menschen in der Stadt, die Eishockey lieben, sondern auch um diejenigen, die damit wenig anfangen können, nicht gut genug sind oder aus der falschen Gesellschaftsschicht kommen. Diese Menschen haben oft gar keine Chance und sind sehr schnell ausgeschlosssen. Es geht um soziale Ausgrenzung und moralische Prinzipien. Dieses Buch war eine emotionale Achterbahnfahrt. Manchmal fühlte ich mich inspiriert, oftmals war ich absolut empört. Es machte mich froh und traurig zugleich.

Die Charaktere sind authentisch und vielschichtig gezeichnet. Es gibt kein schwarz und weiß. Alle entwickeln sich weiter und sind nicht stereotyp. Backman erzählt aus vielen Sichtweisen und lässt den Leser die Gedanken seiner Protaginisten mitteilen. Wir lernen Peter kennen, ein ehemaliger Profispieler, der nun der Sportdirekor des Clubs ist, seine Frau Mira, eine Juristin, die nur ihm zuliebe von Kanada in seine Heimatsatdt gezogen ist, ihre 16-jährige Tochter Maya und deren Freundin Ana, sowie einige Spieler der Juniorenmannschaft: Kevin, Benji, Bobo und Amat, wie auch deren Trainer David, um nur einige aufzuzählen Durch die eher düstere Stimmung des kalten schwedischen Winters, der dunklen Wälder und der oftmaligen Hoffnungslosigkeit der Björnstädter, hat die Geschichte auch etwas Dunkles. Sie zieht aber den Leser nicht hinab - im Gegenteil. Man bekommt hier eine geballte Dosis vieler Gefühlseben: Wut, Verzweiflung, Unglauben, Trauer, Überlegenheit, Freude und Tragik.

Fredrik Backman hat mir nicht nur die Faszination des Eishockey näher gebracht (auch wenn ich kein Fan geworden bin, aber dieser Enthusiasmus für eine Sportart lässt sich auf jede X-beliebige ummünzen!), sondern mich mit diesem Gesellschaftsdrama wirklich überzeugt. Facettenreiche Charaktere, unvorhersehbare Wendungen und ein Schreibstil der seinesgleichen sucht, haben mir hier wunderbare und aufwühlende Lesestunden bereitet.

Fazit:
Fredrik Backman kann auch anders! Sein neuer Roman ist ein sozialkritisches Gesellschaftsdrama, das einer emotionalen Achterbahn gleichkommt. Es ist nicht unbedingt leichte Kost, aber spannend und mit viel Sensibilität erzählt. Ich bin absolut positiv überrascht und vergebe hier eine eindeutige Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 11.01.2018

Grandios! Kann man nicht mehr aus der Hand legen...

Die Oleanderfrauen
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Kaum hat das Jahr begonnen, kann ich das erste Buch mit ♥♥♥ Lieblingsbuch-Status♥♥ vermelden! Bessser kann es doch gar nicht starten! Was meint ihr?
Voller Ungeduld habe ich auf den neuen Roman von Teresa ...

Kaum hat das Jahr begonnen, kann ich das erste Buch mit ♥♥♥ Lieblingsbuch-Status♥♥ vermelden! Bessser kann es doch gar nicht starten! Was meint ihr?
Voller Ungeduld habe ich auf den neuen Roman von Teresa Simon gewartet. Ihre beiden Romane "Die Frauen der Rosenvilla" und "Die Holunderschwestern" waren absolute Lieblingsbücher von mir, doch "Die Oleanderfrauen" toppen diese beiden noch. In zwei Tagen habe ich die fast 500 Seiten inhaliert und wollte einfach nur lesen, lesen und nochmals lesen! Was für ein tolles Buch - einfach grandios erzählt!

Schon der Prolog entführt den Leser in ein emotionales Mienenfeld. Ein erschütternder Abschiedsbrief lässt einem sofort in die Geschichte eintauchen...
Wie von der Autorin gewohnt haben wir es wieder mit einer Geschichte auf zwei Zeitebenen zu tun. Die Vergangenheit entführt uns nach Hamburg ins Jahr 1936. Die wohlhabende Familie Terhoven verdient seit Jahrzehnten ihr Geld mit dem Import von Kaffee. Die Dame des Hauses, Delia Terhoven, widmet sich der feinen Gesellschaft, während sich ihr Ehemann Friedrich mit den Geschäften befasst. Die 17jährige Sophie und der 12jährige Lennie wachsen wohlbehütet in der großen Familienvilla auf. Doch schon bald ziehen dunkle Wolken über die Familie. Die politische Situation wird immer angespannter und der Import des Kaffee's geht zurück. Tochter Sophie, verliebt sich in Hannes, den Sohn der Köchin. Die Beiden sind zusammen aufgewachsen und kennen sich von Kindesbeinen an, doch plötzlich ist alles anders. Im Gewächshaus zwischen blühenden Oleanderbüschen treffen sich Sophie und Hannes heimlich. Nur Sophies bester Freund Malte weiß davon. Als die geheimen Treffen Früchte tragen wird die schwangere Sophie mit dem etwa gleichaltrigen Hausmädchen Stine auf die Insel Föhr verbannt, um einen gesellschaftlichen Skandal zu vermeiden.....

Im Gegenwartsstrang lernen wir die sympathische Jule kennen, die in Hamburg ihr Café "Strandperlchen" führt. Eine gewaltige Mietserhöhung gefährdet ihre Existenz, denn "Jule ohne Plan", wie sie ihre Mutter immer nannte, hat ihr Geschichtsstudium nie beendet. Mit dem "Strandperlchen" hat sie sich ihren heimlichen Wunsch erfüllt. Nebenher widmet sie sich noch mit ihrem Service "Ich schreib Dir Dein Leben" alten Familiengeschichten. Ihr Angebot Menschen zu helfen, die nach Familienangehörigen suchen oder einfach alte Biografien ins Reine zu schreiben sind ihr eine Herzensangelegenheit
Als Johanna Martens nach dem Tod ihrer Mutter den Dachboden des Hauses räumt, fällt ihr ein Medaillon mit Oleanderblüten und ein Tagebuch in die Hände. Niemand aus der Familie kann die Tagebuchschreiberin zuordnen und so beginnt Johanna zu lesen. Bald kann sie die Niederschrift nicht mehr aus der Hand legen und bittet Jule mehr über diese Sophie Terhoven herauszufinden. Durch das Lesen der Tagebucheinträge verbindet die beiden Frauen sehr bald eine wunderbare Freundschaft und so ganz nebenbei findet auch Jule ihren Platz im Leben....
Die beiden Zeitebene werden von der Autorin gekonnt verknüpft. Ihr gelingt es mich mit beiden Handlungssträngen zu überzeugen, was selten passiert, da ich zu 90% immer den Strang der Vergangenheit bevorzuge. Hier ergänzen sich die beiden Geschichten jedoch perfekt und man fiebert bis zum Schluss mit allen Protagonisten mit. Die Handlung ist wunderbar lebendig erzählt, die Charaktere mitten aus dem Leben gegriffen und die Spannung zum Greifen nah. Ich habe das Buch inhaliert und konnte es nicht mehr zur Seite legen!

„„Oleanderfrauen, ja das sind wir Terhovens in der weiblichen Linie. Jede von uns musste lernen, dass zur Süße der Liebe auch viel Bitternis gehört. Es ist wie in der alten Geschichte von Hero und Leander – die, die wir wirklich lieben, sind für uns unerreichbar.“

Ebenso gelang es Teresa Simon die Atmosphäre vor Beginn des Zweiten Weltkrieges perfekt einzufangen. Die Nationalsozialisten gewinnen immer mehr an Boden, die Stimmen gegen die Juden werden immer lauter. Trotzdem können es viele Menschen nicht glauben, dass es schon wieder Krieg geben soll, wo doch erst der große Krieg zu Ende gegangen ist. Die Bombardierung Hamburgs (der berühmte Feuersturm im Sommer 1943), die Olympiade in Berlin 1936, sowie das Verschwinden von jüdischen Familiensind Themen, die Teresa Simons genauso anspricht, wie die beginnende Hungersnot.

Mein einziger Kritikpunkt ist die Wahl der Schriftform des Tagebuches. Das feine kursive Schriftbild lässt sich sehr schwer lesen, wird allerdings laut Verlag in der nächsten Auflage verändert werden.
Als Coffee-holic fand ich die tollen Beschreibungen diverser Kaffeesorten und ihrer Zubereitungsarten, sowie Erklärungen zum Import und der Aufzucht sehr interessant.

Am Ende des Romans befinden sich noch als zusätzliches Zuckerl leckere Kuchen- und Kaffeerezepte aus dem "Strandperlchen".

Charaktere:
Die Autorin hat sowohl ihre Hauptcharaktere Jule, Sophie und Johanna, wie auch die zahlreichen Nebenfiguren sehr detailliert und authentisch gezeichnet.
Sophie ist anfangs eine verwöhnte junge Frau, deren wahrer Charakter sich in der schweren Zeit während des Krieges zeigt. Sie gibt nie die Hoffnung auf und kämpft um ihr Leben und ihre Liebe. Sie trotzt allen Widerständen - solange es ihr möglich ist. Sie ist der interessanteste Charakter des Romans. Man spürt ihre Gefühlswelt durch jede Zeile der Geschichte.
Auch Jule in der Gegenwart ist eine engagierte junge Frau, die nicht so schnell aufgibt und mit mutigen Ideen versucht ihren Lebensinhalt, das Café, zu retten. Mit ihrer quirligen und herzensguten Freundin Aphrodite, eine kaffeebraune Schönheit und Mutter einer Tochter, hat sie jederzeit Hilfe an ihrer Seite.
Die sympathische Johanna, habe ich ebenfalls sehr schnell ins Herz geschlossen.
Mein absoluter Liebling im Roman war aber Malte. Der liebenswürdige und hilfsbereite Freund von Sophie liebt Literatur und Swingmusik. Als Kind berkam er Kinderlähmung und ist seither gehbehindert. In den Zeiten des Nationalsozialismus ist er ein Krüppel, ein Feindbild. Zusätzlich ist er noch homosexuell, was der SS-Offizier Hellmuth Moers, der bei den Terhovens ein und aus geht, sehr bald entdeckt. Dieser Mann ist kalt und ehrgeizig. Er nimmt sich, was er will und ist nicht nur für Malte eine Bedrohung.
Sophies kleiner Buder Lennie wird zum glühenden Anhänger der Hitlerjugend und des Nationalsozialismus.

Schreibstil:
Was soll man noch sagen, wenn man die Geschichte liest, rundherum alles ausblendet und eigentlich nur mehr lesen möchte? (Gott sei Dank war Wochenende!) Die Autorin kann es ganz einfach! Man ist gefangen in der Handlung, fiebert mit den Protagonisten mit und kann nicht aufhören zu lesen, bis man die letzte Seite zugeschlagen hat. Was will man mehr?

Fazit:
Ein absolutes Lese-Highlight, das ich nicht aus der Hand legen konnte, bis ich die letzte Seite gelesen hatte. Historisch perfekt recherchiert, mit einem Schuss Spannung und einer ergreifenden Lebens- und Liebesgeschichte auf zwei Zeitebenen, entführt dieser Roman ins Hamburg der Jahre 1936 und 2016. Eine absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 12.12.2017

Eines meiner Lesehighlights des Jahres!

Von Elise
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Diesen wunderbaren Roman durfte ich wieder im Rahmen einer Leserunde bei Lovelybooks lesen und ich freue mich sehr, dass ich die Möglichkeit hatte dieses Buch zu lesen, denn es gehört eindeutig zu meinen ...

Diesen wunderbaren Roman durfte ich wieder im Rahmen einer Leserunde bei Lovelybooks lesen und ich freue mich sehr, dass ich die Möglichkeit hatte dieses Buch zu lesen, denn es gehört eindeutig zu meinen Highlights des Jahres.
Wie man aus dem Titel schon vermuten kann, spielt der Debütroman von Verena Maria Kalmann in der Welt der klassischen Musik. Einmal angefangen konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Man versinkt sofort in der Welt der Musik...

Über hundert Jahre spielt die Geschichte zweier Frauen, Großtante und Nichte, beides Musikerinnen. Die Erzählung aus der Gegenwart beginnt im Januar 2014. Die Geigerin Valerie Mollwitz steht vor den Scherben ihrer Beziehung, als sie ein interessantes Angebot aus Paris erhält. Sie soll als zweite Konzertmeisterin auf Probe in einem Orchester mitwirken. Nach dem Betrug ihres Freundes Adrian, sowie keinerlei weiteren Jobaussichten in München, nimmt sie das Angebot an. Valerie findet jedoch mit ihren unzureichenden Sprachkenntnissen sehr schwer Anschluss. Madam Prokova, die erste Konzertmeisterin, ist ein wahrer Drachen und der Leistungsdruck enorm. Ihre zur Verfügung gestellte Wohnung ist unzureichend geheizt und schmutzig. Valerie hat nur wenige Dinge aus München mitgenommen. Eines davon ist das Biedermeiersofa ihrer Urgroßtante Elise, das bei der Übersiedlung beschädigt wurde. Darin findet sie ihr altes Tagebuch, in dem Elise genau vor 100 Jahren angefangen hat über ihr Leben zu schreiben....
Im Jahr 1914 ist Elise gerade 21 Jahre alt und lebt mit ihren Eltern, ihrer älteren Schwester Marie, Bruder Max und ihrer jüngeren Schwester Lotte in Bonn und ist Pianistin. Als sie den Geiger Karl Lambrecht kennenlernt, ist es Liebe auf den ersten Blick. Beim gemeinsamen musizieren und ihrer Liebe zu Beethoven nähern sich die Beiden langsam an. bald sind die Beiden verlobt und die Hochzeit ist für den Herbst geplant. Doch nur wenige Monate später bricht der erste Weltkrieg aus und Karl muss an die Front.....

Die Geschichte wechselt stetig zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die Musik, die Liebe und die Familie stehen dabei in beiden Zeitebenen im Mittelpunkt. Valerie lernt durch die Lektüre des Tagesbuches aus der Stärke ihrer Urgroßtante und beginnt sich ihren Problemen zu stellen. Der Blick hinter die Kulissen eines Orchesters, sowie eindeutiges Mobbing, werden sehr realitätsnah beschrieben. Aber nicht nur Valerie kämpft mit dem Leistungsdruck und ihrer Einsamkeit. Elise hat in der Vergangenheit viele Schicksalschläge zu verkraften. Die Not während des Krieges und der große Verlust fordern ihr sehr viel ab.
Mir passiert es selten, dass ich bei einem Buch weinen muss, im Gegesnatz zu Filmen, wo ich sehr nah am Wasser gebaut bin. Doch "Von Elise" konnte mich so berühren, dass ich nach einem bestimmten Abschnitt sehr stark mit den Tränen kämpfen musste....

Die beiden Handlungsstränge rund um Elise und Valerie sind perfekt miteinander verwoben und ergeben zum Ende hin ein perfektes, abergundetes Bild. Mich konnten beide Zeitebenen absolut überzeugem, was bei mir äußerst selten vorkommt, da der Vergangenheitsstrang zu 99% immer besser punktet. Es kommt selten vor, dass mich ein Autor/eine Autorin auf beiden Zeitebenen überzeugen kann. Verena Maria Kalmann ist dies bereits in ihrem Debütroman gelungen - bravo!

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist sehr emotional, bildreich und lässt sich wunderbar lesen. Das einzige kleine Manko, das mir aufgefallen ist, sind die manchmal etwas hölzernen Dialoge. Das ist aber Kritik auf hohem Niveau.
Die Musik bildet vom Anfang bis zum Ende den gemeinsamen roten Faden. Der Roman wird abwechselnd aus der Sicht von Valerie in der dritten Person, sowie aus der Sicht von Elise in Form von Tagebucheinträgen in der Ich-Form, erzählt.

Fazit:
Wie sich vom Titel und Cover bereits ableiten lässt, dreht sich hier viel um Musik. Aber auch für Leser, die Familiensagen und Romane auf zwei Zeitebenen lieben und nicht viel mit Musik zu tun haben, werden diesen Roman lieben! Verena Maria Kalmann ist ein bewegender Roman gelungen, der mir wunderbare und sehr emotionale Lesestunden bereitet hat. Dieser Roman gehört eindeutig zu meinen Lesehighlights des Jahres! Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung!