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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.09.2021

Ein überraschender Roman, sehr anmutig

Reise durch ein fremdes Land
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Tom ist Fotograf. Jeden Weihnachten fotografiert er „den perfekten Moment“ bevor er zerspringt“. Doch dieses Weihnachten soll anders anfangen. Tom ist aufgrund der Witterungsverhältnisse gezwungen, seinen ...

Tom ist Fotograf. Jeden Weihnachten fotografiert er „den perfekten Moment“ bevor er zerspringt“. Doch dieses Weihnachten soll anders anfangen. Tom ist aufgrund der Witterungsverhältnisse gezwungen, seinen erkrankten Sohn Luke aus dem Nordosten Englands nach Hause zu holen. So macht er sich auf eine Autofahrt auf durch den Schnee von Nordirland nach Sunderland auf, ihn abzuholen. Doch nicht nur Luke ist in den Gedanken von Tom – er reflektiert Teile seines Lebens auf dieser Reise. Seine Frau Lorna und seine anderen Kinder, zuallererst sein Sohn Daniel. Dieser taucht dem Fotografen Tom während seiner Fahrt immer wieder schemenhaft auf. Es wird eine reale Fahrt zu Luke und eine innere Reise zu Daniel.
Tom lässt seine Geschichte und die seiner Familie vor seinem inneren Auge ablaufen, insbesondere die von Daniel. Der Roman nimmt langsam Fahrt auf und fängt nach und nach an zu fesseln. Das Buch hat keine Kapiteleinteilungen, es liest sich, im übertragenden Sinn, wie eine lange Autofahrt.
Zuerst dachte ich, der Leser ist Voyeur für eine sentimentale Geschichte von großer Schuld. Doch die Geschichte, so einfach sie erscheinen mag, erzeugt einen Sog durch die leisen Töne, die zwingen, genau hinzuhören. Ein Roman, der sich durch die Bildhaftigkeit einprägt – ganz genauso wie die Fotografien, die Tom, der Fotograf, beschreibt. So wird man auf verschiedenen Ebenen gefordert. Eine bildhafte Sprache, es gibt, viele Gleichnisse, Metaphern - Momentaufnahmen der Erinnerung an Vergangenes runden den Roman ab und geben Hinweise und Anregungen. z.B. „wir suchen uns unsere Unfälle nicht aus““
Eigentlich möchte niemand die Schuld von anderen lesen, ich war skeptisch. Doch es ist einen Konfrontation, der nicht auszuweichen ist, mit sich selbst in aller Ehrlichkeit, die berührt. Während dieser Reise passiert etwas mit Tom. Diese Momente sind zutiefst menschlich, dadurch eindringlich. Diese Reise hat lange nachgehallt, auch aufgrund der Schönheit der Ausdrucksweise des Autors. Der Leser ist niemals überfordert, es entsteht eine Leichtigkeit, da sich alles auf die eine Thematik bezieht.
„Doch ich könnte wahrscheinlich nicht annähernd einfangen, was in diesem Moment verborgen liegt“, meint Tom einmal in Hinblick auf seine Fotografien – Dieses kleine Buch schafft auf 190 Seiten zwar keine Momentaufnahme, jedoch mit unglaublicher Feinfühligkeit schafft der Autor, den Leser zu berühren und eine Tiefe hervorzuholen, die nachhallend ist und daher anschließend noch überrascht.

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Veröffentlicht am 16.02.2021

Durchgängig pannend mit glaubwürdigen Charakteren

Der andere Sohn
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John Adderley, ein FBI Undercover Agent a.D. kommt auf seinen Wunsch in ein Zeugenschutzprogramm in seine Heimatstadt Karlstad in Schweden. Dort möchte er den Cold Case, Mord an Emelie Bjurwall, Industriellentochter, ...

John Adderley, ein FBI Undercover Agent a.D. kommt auf seinen Wunsch in ein Zeugenschutzprogramm in seine Heimatstadt Karlstad in Schweden. Dort möchte er den Cold Case, Mord an Emelie Bjurwall, Industriellentochter, aufklären, denn sein Halbbruder wurde damals verdächtigt. Ungewöhnlich und zügig kommt er mit der Aufklärung voran, wobei er auch einige Mal unkonventionell und auf eigene Faust vorgeht.
Der Fall Emelie Bjurwall wird von damaliger Sicht beschrieben aus Sicht des Vaters der verschwundenen jungen Frau und der andere Erzählstrang ist die Sicht von John Adderly.
Die Fäden ziehen sich in der Gegenwart zusammen und verlaufen parallel und hochspannend weiter bis zum rasanten Finale. Viele überraschende Wendungen bieten beste Unterhaltung. Die Charaktere sind glaubwürdig, der Protagonist sympathisch mit Ecken und Kanten. Viel Wert wurde auch auf psychologische Aspekte der Verhaltensweisen gelegt, so dass es dem Thriller nicht an Tiefgang mangelt. Doch nie aufreißerisch, eher betrachtend. Interessant auch der Aufbau und die Verwobenheit der zeitlichen Abläufe des Geschehens. Die mitspielenden Personen sind übersichtlich mit klarem Wiedererkennungswert, so dass der 528 Seiten starke Schmöker niemals ermüdet. Die beiden Autoren haben ein spannendes und sympathisches Erstlingswerk erschaffen. DieVorfreude auf den nächsten Band um John Adderly ist garantiert.

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Veröffentlicht am 09.09.2021

Leichtfüßig und tief - absolute Leseempfehlung!

Das Glashotel
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Das Hotel Caiette liegt in der Wildnis, nur zu erreichen durch ein Boot, doch ist es eine Sehenswürdigkeit durch dessen gläserne Fassade. Hierher kommen Hotelgäste, die geschützt hinter Glas beobachten ...

Das Hotel Caiette liegt in der Wildnis, nur zu erreichen durch ein Boot, doch ist es eine Sehenswürdigkeit durch dessen gläserne Fassade. Hierher kommen Hotelgäste, die geschützt hinter Glas beobachten wollen. Es vermittelt fast, so wird gesagt, das Gefühl außerhalb von Zeit und Raum zu sein. ( Auch das Cover wird verständlich durch das Beschreiben der Bilder der Malerin Olivia, deren Landschaften in eine völlig anderes, als das reale, Licht getaucht waren.)
Jäh nimmt das Schicksal der Barkeeperin Vincent einen anderen Verlauf, als auf einer der Glasscheiben eine Aufforderung zum Selbstmord eingeritzt wird. Vincent lernt den älteren und reichen Jonathan kennen, den Hotelbesitzer. Sie ergreift die Gelegenheit ihres Schicksals und in all dessen Wirrungen und Verwirrungen im Laufe von 392 Seiten ist das Ziel ihre ureigene Freiheit.
Der Roman beginnt mit der Perspektive der beiden Geschwister Vincent und Paul. Doch es sind nicht die einzigen Protagonisten, die Perspektiven wechseln, die Zeiten wechseln, dicht verwoben wird erzählt, doch immer leichtfüßig und niemals langweilig. Der Ball wird weiter geworfen. Ein zu langes Haften am Einzelnen ist nicht das Anliegen. Es hat mich nicht gewundert, zu lesen, dass Emily St. John Mandel Tanz studiert hat. Der Roman ist wie eine Choreographie, Menschen begegnen sich, teilen Schicksal, entfernen sich, nähern sich.“ und das in einer geschriebenen Leichtigkeit, die dennoch in die Tiefe geht. Es geht um Schicksalswege, die so nur in den USA so stattfinden können, dort, wo es das soziale Auffangen wie hier nicht gibt. Dafür der Witz und das Ergreifen von Möglichkeiten zum Überleben – das Abenteuer Leben. Ein Buch voller neuer Wendungen, Erkenntnissen, Täuschung und Wahrhaftigkeit und auch Rätselhaftes, wie der Spruch am Hotelfenster, der sich erst zum Schluss des Romans erklärt.
Eine durchgängige und wunderbare Lesefreude, großartig geschrieben, verwoben und sehr bereichernd. Eine absolute Empfehlung!

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Veröffentlicht am 28.08.2025

Wortwitzige Verknüpfung von Spionageroman und Sozialkritik

Dr. No
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Der Roman fängt schon mit einem Paradoxon an: “Weißt du noch, wann du deinen Geburtstag vergessen hast?“
Würden wir uns an alles erinnern, hätten wir keine Sprache für das Erinnern und Vergessen. Dann ...

Der Roman fängt schon mit einem Paradoxon an: “Weißt du noch, wann du deinen Geburtstag vergessen hast?“
Würden wir uns an alles erinnern, hätten wir keine Sprache für das Erinnern und Vergessen. Dann wäre nichts wichtig.“
Wala Kitu ist Professor für Mathematik. Experte für das Nichts.
Er trifft auf John Milton Bradley Sill, Milliardär, der ein James Bond Schurke sein will und eine Box, in der das Nichts sein soll in Fort Knox vorhat zu stehlen. Wala Kitu soll ihm dabei helfen und bekommt eine ansehnliche Summe überwiesen. „Ich will ihre ehrliche Verwirrung“ sagt Sill zu Wala. Auch Kitus Kollegin Eigen Vector ist bei dem Abenteuer dabei. Ebenso ein sprechender Hund mit nur einem Bein namens Trigo.
Doch ein Milliardär, der Schurke sein will, tut, was er für nötig hält, eine Moral scheint nicht zu existieren. So macht sich Wala Kitu bald mit Hund und Eigen Vector auf die Flucht und erlebt so einige Begrenzungen und Überraschungen.
Wala Kitu ist 35 Jahre alt, hat das Asperger Syndrom, ist weltfremd, unbedarft und genial. Er verkörpert das Gegenteil von der heldenhaften Vorstellung eines 007, der so alles im Griff zu haben scheint. Hier werden die bekannten James Bond Szenarien auf die Schippe genommen und parodistisch beleuchtet. Alle Klischees werden bedient. Gespickt wir dies mit mathematischen und philosophischen Formeln und Erkenntnissen. Die Konversation ist köstlich und auch teilweise ermüdend, denn „die ehrliche Verwirrung“ liegt beim Leser, versteht man das Wenigste, wenn es um mathematische Fachsimpelei geht.

Doch ist man amüsiert durch den, nicht immer entschlüsselten hintergründigen Wortwitz, der mitunter auch vordergründig ist, wenn z.B. der schwarze Kitu, der noch keinen Führerschein hat, von einem weißen Polizisten angehalten wird und die Situation völlig überraschend endet. Die Hauptdarsteller sind Schwarz. Und ebenso bezeichnend ist in Percival Everetts Romanen sind die Namen der Mitspieler, die jeweils eine Bedeutung haben, mag es eine geschichtliche oder aus anderen Romanen (eigenen oder fremden) entliehene oder wie Wala Kitus Name, der Nichts Nichts bedeutet. Eigen Vector ist ein Vector, der sich immer in eine Richtung bewegt. „Dinge müssen bezeichnet werden, alles was kein Ding ist, hat keinen Namen“, ist quasi ein Nichts.
Ein sprühendes, intelligentes Feuerwerk an Ideen und komischen und absurden Situationen. Bis zum Schluss weiß man nicht, was für eine Verbindung zwischen Wala Kitu und John Sill besteht und der Leser atmet auf, dass nicht auch Wala Kitu - wie ein Nebenbuhler, ebenso wie eine Kleinstadt im Nichts verschwindet, als hätte er nicht existiert.
Man genießt den Roman durch die einzelnen Gespräche und Kuriositäten: alles zu hinterfragen ist nicht das Anliegen. Es kommt der Spaß rüber, den Percival Everett offensichtlich beim Schreiben seines Romans hatte. Zum Nachdenken anregend ist die sozialkritische und politische Komponente.

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Veröffentlicht am 01.03.2025

Gute Unterhaltung!

In einem Zug
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Über einen Liebesromanautor, der in einem Zug eine jüngere Frau kennenlernt.
Jeder kennt es: Wie wahre ich Distanz zu Mitreisenden, die zufällig auf dem Platz vis-à-vis oder schräg gegenüber sitzen. In ...

Über einen Liebesromanautor, der in einem Zug eine jüngere Frau kennenlernt.
Jeder kennt es: Wie wahre ich Distanz zu Mitreisenden, die zufällig auf dem Platz vis-à-vis oder schräg gegenüber sitzen. In diesem Roman sitzt hier Catrin, Psychologin, die offenbar noch keinen Roman Eduards gelesen hat. Heiter beschreibt Daniel Glattauer dies und später wie sich die Distanz verschiebt anhand der Gedanken und Worte des Protagonisten Eduard, dem bekannten Liebesromanautor.
Mit einem Mal sieht sich Eduard, der sonst Zurückhaltende, über sein Leben erzählen. Es geht um freie Liebe, die Ehe, Liebesangelegenheiten, alles, was ein Autor von Liebesromanen als Profi wissen sollte. Die beiden Catrin und Eduard kommen sich näher auf der Strecke Wien - München. Seine Mitreisende verwickelt ihn in eine angeregte Unterhaltung, so kommen Wahrheiten und Unwahrheiten zutage - man erzählt Fremden oft mehr als Vertrauten – so auch hier. Manches will man als Leser gar nicht wissen, das ist der Moment, wo die Distanz zunimmt und die Geschichte anstrengender und nicht mehr in einem Zug durchgehört wird. Doch es ist kein langes Hörbuch und der Schluss, in dem Catrin eine Wahrheit gesteht, gibt einen spannenderen Ausklang, nicht unbedingt realistisch, doch humorvoll und originell.
Man kann sich dem anfänglichen Gespräch kaum entziehen. Ich bin ein Fan von Daniel Glattauers Romanen und war schon begeistert von „Gut gegen Nordwind“ (auch gelesen u.a.von Christian Berkel), der auch eine Gesprächsdynamik aufzeigte, nur in Form von Emails. Als Leser/in lauscht man auch hier gebannt als „Mäuschen“ und lässt sich gut unterhalten.
Manches plätschert vor sich hin, es darf nicht allzu Tiefgründiges erwartet werden, der Schluss mit den unerwarteten Wendungen gibt dann das gewisse Extra.
Für mich eine gute humorvolle Unterhaltung mit einem wunderbaren
Christian Berkel, der auch dieses Hörbuch sensibel und ergreifend vorträgt, so ist der Protagonist gleich doppelt sympathisch.

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