Gesellschaftskritik trifft Mörder-Mystery
Lauter kleine Lügen„Lauter kleine Lügen “ – auf dem Cover schwebt der Titel etwas bedrohlich, eingefasst von dunklen Wolken, über den Fassaden zweier beschaulicher Vorstadthäuser. Der Klappentext verspricht einen Roman über ...
„Lauter kleine Lügen “ – auf dem Cover schwebt der Titel etwas bedrohlich, eingefasst von dunklen Wolken, über den Fassaden zweier beschaulicher Vorstadthäuser. Der Klappentext verspricht einen Roman über „Vorurteile, Misstrauen und das verborgene Leben der Frauen“.
Damit liefert der Buchumschlag eine perfekte Vorschau auf das, was Kate Kemp in ihrem Debütroman liefert: Einen ungeschönten Blick hinter die perfekten Vorstadtfassaden. Das beschauliche Vorstadtleben wird gleich auf den ersten Seiten erschüttert: Naomi, Hausfrau und Mutter, schrubbt mitten in der Nacht den Badezimmerboden. Am nächsten Tag ist klar: Der junge Antonio ist gestorben. Doch was genau ist passiert? Der kleine Mikrokosmos, eine Sackgasse in den 70er Jahren in Canberra, mitten im heißen Sommer wird mitsamt seinen Bewohner*innen ordentlich durcheinandergeschüttelt. Schnell wird klar: das Zusammenleben beruht auf hunderten kleinen Geheimnissen.
Wer jetzt einen klassischen Krimi erwartet, liegt allerdings falsch. Vielmehr ist „Lauter kleine Lügen“ ein Gesellschaftsroman, der neben den persönlichen Beziehungen auch den allgegenwärtigen Alltagsrassismus, Misogynie und Homophobie aufdeckt. Dabei teilt Kemp lauter kleine Begegnungen und Beobachtungen, die sich nach und nach wie ein Puzzle zusammensetzen. Trotz der schweren Themen ist es ein leicht lesbares Buch, das mich stellenweise auch zum Schmunzeln gebracht hat. Besonders wenn die Gemeinschaft zusammenfindet und die unterschiedlichen Charaktere aufeinandertreffen, erinnert das Buch fast an ein Kammerspiel.
Erschreckenderweise sind die misogynen Strukturen, die Kate Kemp schonungslos aufdeckt, gar nicht so weit weg, wie das Setting vermuten lässt. Beim Lesen konnte ich oft Parallelen zur Gegenwart ziehen. Gerade mit Blick auf die politische Entwicklung in den USA in Bezug auf Gleichstellungsprozesse und Diversitätsprogramme hinterlässt das Buch ein ungutes Bauchgefühl, dass die schwere, drückende Atmosphäre der Sommerhitze spiegelt.
Ein unterhaltsames Buch für alle, die gerne gesellschaftskritische Literatur mit einer Prise Mystery und spannenden Figuren lesen. Ich freue mich auf mehr von Kate Kemp!