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Veröffentlicht am 21.04.2025

Rettet Shelley House!

Ms Darling und ihre Nachbarn
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Shelley House im beschaulichen Ort Chalcot (Großbritannien) bietet sechs Wohnungen und ist in Gefahr: Das Gebäude soll abgerissen werden, damit an seiner Stelle Luxusappartements entstehen können. Den ...

Shelley House im beschaulichen Ort Chalcot (Großbritannien) bietet sechs Wohnungen und ist in Gefahr: Das Gebäude soll abgerissen werden, damit an seiner Stelle Luxusappartements entstehen können. Den Bewohnerinnen und Bewohnern droht die Zwangsräumung. Mieterin Dorothy Darling (77), die schon ihr halbes Leben dort wohnt und ihre Nachbarn bisher mit Argwohn beobachtet hat, muss sich nun mit den übrigen Mietern verbünden. Allen voran ist da Kat Bennett (25), eine illegale Untermieterin mit pinkfarbenen Haaren, die Dorothy zunächst ein Dorn im Auge ist…

„Ms Darling und ihre Nachbarn“ ist ein Roman von Freya Sampson.

Der Aufbau des Romans ist simpel, aber durchdacht: Er besteht aus 50 kurzen Kapiteln, an den sich der Epilog anschließt. Erzählt wird im Wechsel aus der Sicht von Dorothy und der von Kat - in chronologischer Reihenfolge, aber mit Rückblenden. Die Handlung umspannt etliche Monate und ist vorwiegend, jedoch nicht ausschließlich in Chalcot verortet.

Die Sprache ist unauffällig, aber angemessen. Der dialoglastige Schreibstil ist anschaulich und lebhaft.

Das Personal des Romans ist facettenreich und interessant gestaltet. Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Generationen und verschiedener Schicksale macht eine der Stärken der Geschichte aus.

Auf der inhaltlichen Ebene spielen die Themen Freundschaft und Zusammenhalt eine wichtige Rolle. Neben zwischenmenschlichen Aspekten enthält der Roman gesellschaftskritische Elemente, vor allem im Hinblick auf das Problem der Gentrifizierung.

Die mehr als 350 Seiten sind unterhaltsam und kurzweilig. Die Handlung hält mehrere Überraschungen bereit und ist weitestgehend plausibel. Nur an wenigen Stellen ist die Geschichte ein wenig unrealistisch oder zu weichgespült geraten.

Trotz der eher unnatürlichen Farbgebung gefällt mir das Covermotiv, das zum Inhalt prima passt, ganz gut. Der deutsche Titel, der vom englischsprachigen Original („Nosy Neighbours“) abweicht, geht für mich ebenfalls voll in Ordnung.

Mein Fazit:
Nach „Die letzte Bibliothek der Welt“ hat mich Freya Sampson auch mit ihrem neuesten Roman sehr gut unterhalten. „Ms Darling und ihre Nachbarn“ ist eine humorvolle, warmherzige und nicht zu platte Lektüre, die ich gerne weiterempfehlen kann.

Veröffentlicht am 12.04.2025

Zwei tapfere Elbmädchen, drei Tragödien

Stromlinien
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Enna und Jale Eggers lieben es, mit ihrem Boot unterwegs zu sein. Die 17-jährigen Zwillingsschwestern aus dem Alten Land sind gerne in der Natur und zählen die Tage, bis ihre Mutter Alea aus ihrer langen ...

Enna und Jale Eggers lieben es, mit ihrem Boot unterwegs zu sein. Die 17-jährigen Zwillingsschwestern aus dem Alten Land sind gerne in der Natur und zählen die Tage, bis ihre Mutter Alea aus ihrer langen Haft entlassen wird. Seit Jahren leben sie im Ungewissen: Was hat ihre Mutter verbrochen? Wer ist ihr Vater? Und warum machen Alea und Ehmi, die Großmutter der Mädchen, ein solches Geheimnis um die Antworten? Als endlich die Entlassung entsteht, sind plötzlich sowohl Alea als auch Jale verschwunden. Enna ist geschockt und begibt sich auf die Suche nach ihnen…

„Stromlinien“ ist ein Roman von Rebekka Frank.

Die Struktur des Romans ist komplex. Er beinhaltet 57 Kapitel, zwischen denen sich einige mysteriöse Einschübe befinden. Erzählt wird aus wechselnder Perspektive, vor allem aus der Sicht von Enna, Jale, Alea und Gunnar, dessen Verbindung zu den Mädchen erst später klar wird. Immer wieder gibt es große Zeitsprünge, die chronologische Reihenfolge wird nicht eingehalten. Die Handlung umfasst 100 Jahre: 1923 bis 2023. Sie spielt vorwiegend in Hamburg und im Alten Land.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman begeistert. Treffende, teils ungewöhnliche Metaphern und Vergleiche sind an vielen Stellen zu finden. Besonders atmosphärisch und anschaulich sind die wunderbaren Naturbeschreibungen, die nur an manchen Stellen etwas ausufernd geworden sind.

Das Personal des Romans ist umfangreich, aber nicht zu zahlreich. Im Mittelpunkt stehen die Zwillingsschwestern Enna und Jale, wobei Erstere besonders viel Raum einnimmt. Ihre Gedanken und Gefühle lassen sich gut verfolgen. Die andere Schwester bleibt deutlich blasser. Nicht immer hat sich mir das Handeln und Denken von Enna, Jale und Alea in Gänze erschlossen. Die Figuren sind allerdings mit psychologischer Tiefe und in sich schlüssig dargestellt.

Aus inhaltlicher Sicht bietet das Buch vor allem zwei Aspekte: Sie ist einerseits ein interessanter Generationenroman und andererseits eine gleichwohl spannende wie bewegende Kriminalgeschichte. Gut gefallen hat mir, dass die Autorin nicht nur eine fiktive, sondern auch zwei historische Schiffstragödien eingearbeitet hat. In einem ausführlichen und lesenswerten Nachwort erklärt sie unter anderem die tatsächlichen Hintergründe dieser Ereignisse und erläutert, was ihrer Fantasie entstammt und was nicht. Auch politische und gesellschaftlich relevante Themen wie die Elbvertiefung sind eingeflossen und verleihen der Geschichte zusätzliches Gewicht.

Im ersten Drittel nimmt die Geschichte nur gemächlich Fahrt auf und enthält Längen. Danach ist der Roman jedoch zunehmend fesselnd und unterhaltsam. Unerwartete Wendungen und eine Fülle von Einfällen machen die Handlung unvorhersehbar. Das geht leider ein wenig zulasten der Glaubwürdigkeit. Insgesamt wirkt die Geschichte zudem stark konstruiert.

Das hübsche und kreative Covermotiv passt außerordentlich gut zum Roman. Auch der prägnante, zweideutige Titel ist eine hervorragende Wahl.

Mein Fazit:
Mit „Stromlinien“ ist Rebekka Frank ein empfehlenswerter Roman gelungen, der in mehrfacher Weise Unterhaltungswert besitzt und mit sprachlicher Schönheit glänzt. Nur was die Glaubwürdigkeit der Handlung angeht, hat mich die Geschichte nicht völlig überzeugt.

Veröffentlicht am 08.04.2025

Eine Strafverteidigerin mit getrübtem Urteilsvermögen

Dunkle Momente
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Eva Herbergen (62) hat beschlossen, ihre Zulassung als Anwältin nach mehr als 30 Jahren zurückzugeben. Für die Strafverteidigerin ist die Zeit gekommen, ihren Beruf aufzugeben. Bei der Entscheidung spielte ...

Eva Herbergen (62) hat beschlossen, ihre Zulassung als Anwältin nach mehr als 30 Jahren zurückzugeben. Für die Strafverteidigerin ist die Zeit gekommen, ihren Beruf aufzugeben. Bei der Entscheidung spielte nicht nur ihr Alter eine Rolle, sondern vielmehr die Tatsache, dass sie in der Vergangenheit mehrere Fehler in ihrem Job gemacht hat…

„Dunkle Momente“ ist ein Roman von Elisa Hoven.

Eingerahmt von einem Pro- und einem Epilog, gliedert sich der Roman in neun Kapitel, die jeweils einem Kriminalfall gewidmet sind. Sie sind immer gleich aufgebaut: Zunächst wird der jeweilige Fall mehr oder weniger ausführlich geschildert, danach Herbergens Vorgehen, der Prozess und die abschließende Darstellung, was falsch gelaufen ist. Erzählt wird überwiegend in der Ich-Perspektive aus der Sicht der Strafverteidigerin, allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge. Dennoch fällt die Orientierung dank der Zwischenüberschriften leicht.

Neben den jeweiligen Opfern und Tätern ist Protagonistin Eva eine der Hauptfiguren. Sie ist keine klassische Sympathieträgerin, denn es wird schnell deutlich, dass sie sich sowohl in ihrem Beruf als auch im Privaten Verfehlungen geleistet hat. Ihre Gedanken und Motivationen sind für mich sehr gut ersichtlich, wenn auch nicht immer nachvollziehbar.

Die neun Fälle zeigen die Diskrepanz zwischen Recht und Gerechtigkeit, zwischen Moral und Gesetz. Sie sind allesamt interessant und gleichzeitig vertrackt. Immer wieder wird ein Dilemma geschildert. Es handelt sich jeweils um Situationen, die die Strafverteidigerin gefordert, sie auf die Probe gestellt und in eine knifflige Lage gebracht haben. Das regt zum Nachdenken und Diskutieren an.

Jeder Fall ist dabei unterschiedlich gelagert: Mal geht es um Notwehr, mal um Vergewaltigung, mal um Mord, mal um Wirtschaftskriminalität usw. Die Schilderungen lesen sich spannend. Es gibt unerwartete Wendungen und überraschende Entwicklungen, was die rund 300 Seiten kurzweilig gestaltet. Allerdings machen die dargestellten Fälle auch betroffen und schockieren. Besonders dann, wenn man weiß, dass die Geschichten zumindest zum Teil lose auf realen Fällen beruhen. Leider bleibt die Autorin ein Nachwort schuldig, was Aufschluss über Fakten und Fiktion gegeben hätte.

Die Sprache des Romans ist unauffällig, aber klar, authentisch und anschaulich. Die Erklärungen sind trotz juristischer Details für Laien leicht verständlich. Eine Schwäche des Romans sind jedoch die Rahmenhandlung und insbesondere die erzählerische Verbindung der Fälle, die für meinen Geschmack zu wenig ausgearbeitet ist. Vor allem erscheint es insgesamt als wenig glaubwürdig, dass eine einzige Strafverteidigerin mit gleich neun solch recht spektakulärer Fälle zu tun gehabt haben soll. Möglicherweise hätte ein Sachbuch dem Konzept besser Rechnung getragen.

Überaus gelungen ist in meinen Augen dagegen das symbolträchtige, reduzierte Covermotiv. Auch der prägnante Titel passt hervorragend zum Buch.

Mein Fazit:
„Dunkle Momente“ von Elisa Hoven ist ein inhaltlich interessanter Roman, der einige Denkimpulse liefern und Aha-Momente hervorrufen kann. Durchaus lesenswert, jedoch auf erzählerischer Ebene ausbaufähig.

Veröffentlicht am 02.04.2025

Franka und die Dorfnazis

Unter Grund
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München im Sommer 2017: Mit einer Klasse besucht Referendarin Franziska Zimmermann, genannt Franka, den NSU-Prozess. Dabei kommen plötzlich Erinnerungen an ihre Schulzeit hoch, als sie in rechte Kreise ...

München im Sommer 2017: Mit einer Klasse besucht Referendarin Franziska Zimmermann, genannt Franka, den NSU-Prozess. Dabei kommen plötzlich Erinnerungen an ihre Schulzeit hoch, als sie in rechte Kreise geraten ist…

„Unter Grund“ ist der Debütroman von Annegret Liepold.

Die äußere Struktur des Romans ist simpel: Es gibt neun Kapitel. Erzählt wird aus der Sicht von Franka allerdings auf zwei Zeitebenen: einerseits in Frankas Referendarzeit im Jahr 2017 und andererseits während ihrer Schulzeit im Jahr 2006. Die Handlung spielt in Bayern.

Die Sprache ist bildstark und sehr atmosphärisch. Die anschaulichen Beschreibungen und lebensnahen Dialoge haben mir gut gefallen.

Protagonistin Franka ist eine äußerst interessante Figur. Sie wird zwar mit psychologischer Tiefe dargestellt, kommt jedoch leider teilweise melodramatisch rüber und wirkt dadurch selbst im Jahr 2017 noch unreif.

Thematisch dominieren die Fragen, wie junge Leute in rassistische und rechtsextreme Kreise geraten können und wie der Absprung gelingen kann. Dargestellt wird, wie attraktiv die Gemeinschaft auf Außenseiter wie Franka wirken kann und wie empfänglich gerade unsichere Heranwachsende, insbesondere Mobbingopfer oder Personen mit instabilem Umfeld, für extreme politische Positionen sind. Diesbezüglich ist die Protagonistin ein gutes Beispiel. Zugleich wird in der Geschichte aufgezeigt, wie familiäre Einflüsse und Prägungen eine rechte Gesinnung begünstigen können.

Auf den rund 250 Seiten werden darüber hinaus weitere Themen angeschnitten, was den Roman vielschichtig und gehaltvoll macht, ihn zugleich aber zerfasert. Nach den zahlreichen Andeutungen in den ersten Kapiteln habe ich die Geschichte insgesamt zudem als etwas unspektakulär empfunden.

Das schöne Covermotiv ist sowohl in optischer als auch in inhaltlicher Hinsicht eine gute Wahl. Der mehrdeutige Titel passt ebenfalls hervorragend.

Mein Fazit:
Mit „Unter Grund“ ist Annegret Liepold ein empfehlenswerter Debütroman gelungen, der mich vor allem auf der sprachlichen Ebene überzeugt hat. Trotz kleinerer Schwächen hat mich auch der Inhalt nicht enttäuscht.

Veröffentlicht am 20.03.2025

Wie der Faschismus alltäglich wurde

Ginsterburg
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Auch in der Kleinstadt Ginsterburg hat der Nationalsozialismus Einzug gehalten. Während Blumenhändler Otto Gürckel zum Kreisleiter aufgestiegen ist, hat es Buchhändlerin Merle Siebert zunehmend schwer. ...

Auch in der Kleinstadt Ginsterburg hat der Nationalsozialismus Einzug gehalten. Während Blumenhändler Otto Gürckel zum Kreisleiter aufgestiegen ist, hat es Buchhändlerin Merle Siebert zunehmend schwer. Sie zieht ihren Sohn Lothar alleine groß und hat den Überblick verloren, welche Bücher mittlerweile verboten sind. Auch Redakteur Eugen von Wieland muss auf der Hut sein. Sie ahnen noch nicht, wie viel Leiden und Probleme sie erwarten…

„Ginsterburg“ ist ein Roman von Arno Frank.

Die Geschichte ist komplex, aber nicht zu kompliziert komponiert. Die Handlung umfasst die Jahre 1935, 1940 und 1945. Dementsprechend gliedert sich der Roman in drei Teile, die wiederum in jeweils vier Kapitel unterteilt sind. Dazwischen gibt es Einschübe des Absturzes eines englischen Fliegers, Briefe und andere Dokumente. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman überwiegend begeistert. Starke Sprachbilder und gelungene Wortspiele sind einige seiner Pluspunkte. Die Dialoge wirken authentisch, die Beschreibungen sind eindrücklich und anschaulich. Gestört hat mich lediglich die unnötige Verwendung rassistischer Beleidigungen.

Mit seiner Geschichte entwirft Frank ein vielschichtiges Gesellschaftspanarama einer fiktiven deutschen Kleinstadt während der Zeit des Nationalsozialismus. Es gibt überzeugte Rassisten, Profiteure des neuen Regimes, Mitläufer, Kritiker und Opfer. Das Personal des Romans ist daher umfangreich. Dennoch fällt es nicht schwer, den Überblick zu behalten. Die Hauptfiguren sind mit psychologischer Tiefe ausgestattet. Mit nur einer einzigen Ausnahme sind sie zudem klischeefrei gestaltet. Neben rein fiktiven Charakteren tauchen historische Persönlichkeiten wie Lothar Sieber auf, die zum Teil verfälscht dargestellt werden. Ein Nachwort, das über solche Aspekte aufklärt, wäre hilfreich gewesen.

Wie kann es soweit kommen, dass sich eine Gesellschaft normaler, durchschnittlicher Leute zunehmend dem Faschismus verschreibt? Wie kann es sein, dass sich mehr und mehr Menschen schuldig machen und dass sie einen brutalen Krieg unterstützen? Solchen Fragen geht der Roman nach und liefert historische Details, die nicht jeder schon genüge von der NS-Zeit gehört hat. Parallelen zur Gegenwart können gezogen werden. So erscheint das Thema nach wie vor aktuell. Leider haben sich ein paar Fehler und Ungenauigkeiten bei den historischen Daten und Fakten eingeschlichen, beispielsweise wird Hitlers Berghof in Garmisch verortet.

Beeindruckt hat mich, dass die Geschichte trotz der knapp 430 Seiten ohne Längen und Redundanzen auskommt. Die Handlung bleibt außerdem durchweg stimmig. Auch das spektakuläre Ende wirkt schlüssig.

Sowohl der prägnante Titel als auch das Covermotiv, bedauerlicherweise von einer KI generiert, passen hervorragend. Sie runden den Roman ab.

Mein Fazit:
Mit „Ginsterburg“ ist Arno Frank ein empfehlenswerter Roman gelungen. Politisch und gesellschaftlich relevant, unterhaltsam, aufrüttelnd.