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Veröffentlicht am 23.03.2025

Rätselhaft-dystopisches Szenario

Schweben
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Amira Ben Saouds Debütroman skizziert eine Zeit in der Zukunft, in der es nur noch vereinzelte menschliche Enklaven gibt, die untereinander nur durch Warenaustausch Kontakt hegen. Den Menschen in den Siedlungen ...

Amira Ben Saouds Debütroman skizziert eine Zeit in der Zukunft, in der es nur noch vereinzelte menschliche Enklaven gibt, die untereinander nur durch Warenaustausch Kontakt hegen. Den Menschen in den Siedlungen wird gesagt, sie würden sterben, falls sie die Siedlung verlassen sollten. Ein Ausstoß ist also die Höchststrafe für die Bewohner und Eindringlinge aus anderen Siedlungen werden direkt an der Grenze erschossen. In dieser Welt, in der „das System“ solch einengende Gewalt an seinen Bürgern ausübt, soll es keine Gewalt mehr geben, denn sie ist verboten. Aber irgendetwas rumort hier. Jugendliche verprügeln sich gegenseitig, es gibt Tote und es gibt Menschen, die die Siedlung angeblich verlassen, trotz der drohenden Gefahren im Außen. Eine davon ist Emma gewesen und deren Ehemann Gil versucht nun durch ein sogenanntes „Begegnung“-Erlebnis mit der Hauptfigur, die ihren eigenen Namen nicht mehr kennt, weil sie schon zu lange beruflich in die Rollen fremder Menschen schlüpft, die Beziehung nachzustellen, um besser über den Verlust Emmas hinwegzukommen. Emma sei verrückt gewesen und umso länger sich unsere Hauptfigur in der Rolle Emmas befindet, umso verrückter wirkt sie selbst. Die Realität scheint aus den Fugen zu geraten.

Die Autorin bindet in ihren Roman interessante Ideen zu einem zukünftigen Gesellschaftsentwurf ein, die nie ganz ausgearbeitet werden und häufig nur angedeutet bleiben. Das System dahinter bleibt vage, lässt aber eindeutig vermuten, dass es sich hier um eine dystopische Zukunft handelt. Alles läuft immer mehr aus der Bahn, nicht nur die Gedanken und das Handeln der Hauptfigur. Diese ist ebenso rätselhaft wie das Szenario angelegt. Da sie neben ihrem eigenen Namen auch ihre eigene Persönlichkeit unter den vielen angenommenen vergraben zu haben scheint, ist sie und ihre Motive auch sehr schwer greifbar, ebenso wie wichtige Nebenfiguren. Das erschwert nicht das Lektüreerlebnis, denn der Roman lässt sich sehr angenehm lesen. Aber es erschwert das Dahintersteigen, hinter die Figuren, das System, die Handlung. Unbeantwortete Fragen und offene Erzählstränge muss man gut tolerieren können, genauso wie surreale Ereignisse.

Das ergibt insgesamt einen durchaus interessanten Genremix, der literarisch ansprechend geschrieben ist und anregende Gedankenexperimente andeutet. Das Buch reißt auch Themen wie Identitätsprägungen und toxische Beziehungen an, ohne die Verhaltensweisen und Beweggründe der agierenden Personen genauer auszuleuchten. So werden mir etwas zu viele Themen und Ideen angesprochen. Eine Konzentration auf weniger, dann aber detaillierter, hätte mir etwas besser gefallen. Das Buch habe ich durchgängig gern gelesen, bleibe jedoch nach der Lektüre zu stark orientierungslos schwebend zurück.

Für alle, denen das lobende Zitat von Clemens J. Setz im Klappentext aufgefallen ist: Ja, die Leser:innen seiner Bücher finden „Schweben“ ob des Stils sicherlich auch sehr ansprechend. Mit 187 Seiten wäre das bei Setz allerdings „nur“ eine Novelle. ;)

3,5/5 Sterne

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Veröffentlicht am 21.02.2025

Wenig Literatur, dafür umso mehr moralische Denkanstöße

Dunkle Momente
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Die als „Roman“ bezeichnete Veröffentlichung der Professorin für Strafrecht sowie sowie Richterin Elisa Hoven ist vielmehr eine Sammlung an neun literarisch aufgearbeiteten, juristischen Fallvignetten, ...

Die als „Roman“ bezeichnete Veröffentlichung der Professorin für Strafrecht sowie sowie Richterin Elisa Hoven ist vielmehr eine Sammlung an neun literarisch aufgearbeiteten, juristischen Fallvignetten, die lose durch die Bedenken einer Strafverteidigerin an ihrer eigenen Arbeit zusammengehalten werden. Eva Herbergen teilt uns direkt zu Beginn des Buches mit, dass sie ihre Anwaltszulassung als Strafverteidigerin in Berlin zurückgeben wird. Wie es zu dieser Entscheidung, welche sich bereits 20 Jahre zuvor als Zweifel in ihr Leben schlich, erfahren wir nach und nach, indem wir verschiedene Fälle aus ihrem beruflichen Leben und wie diese ihre moralischen Stützpfeiler ins Wanken brachten geschildert bekommen. Dabei sei für Betroffene gesagt: Es wird auch ein Fall einer heftigen Gruppenvergewaltigung beschrieben.

Fast wie Kurzgeschichten wirken die einzelnen Fälle der Eva Herbergen im Buch präsentiert. Immer mit einer prägnanten Überschrift, der zeitlichen Einordnung und einer innerhalb der Fälle klare Einteilung mit Teilüberschriften. Jeder Fall wirkt auf den ersten Blick rechtlich wie moralisch erst einmal auf den ersten Seiten recht eindeutig. Erst mit dem Blick von verschiedenen Seiten und im Verlauf erkennen die Leser:innen wie auch die Strafverteidigerin selbst, dass ein Sachverhalt nie so einfach ist, wie er erst einmal scheint. Selbst wenn sich juristische Klarheit schaffen lässt, bleiben bei jeder Geschichte starke moralische Zweifel zurück. Ein jeder Fall stellt ein moralisches Dilemma dar. Es wird immer klarer, dass „Recht“ nicht dasselbe wie „Gerechtigkeit“ sein muss. Dass der Rechtsstaat, der mehr als eine Berechtigung hat und wir froh sein sollten, dass es ihn in Deutschland gibt, jedoch nicht immer jeder betroffenen Person Gerechtigkeit verschaffen kann. Und so wie Eva Herbergen immer mehr Schwierigkeiten hat zu erkennen, was richtig und was falsch ist, so ergeht es auch den Leser:innen dieses Buches. Man ist hin und her gerissen zwischen den handelnden Personen, fragt sich zunehmend, wer ist eigentlich „Täter“ und wer „Opfer“ und wie eindeutig kann diese Zuschreibung überhaupt sein. Gerade der menschliche Faktor im Rechtssystem wird von Elisa Hoven besonders herausgestellt, was von Natur aus schon eine Einordnung in ein stringentes System von Paragraphen erschwert bis unmöglich macht.

Während diese vielen moralischen Dilemmata für mich das Kernstück des Buches darstellen und ich jedes für sich genommen unglaublich interessant fand, muss ich konstatieren, dass das Buch literarisch eher wenig zu bieten hat. Der Roman ist sehr konventionell bis sprachlich simpel geschrieben. Die starke Strukturierung scheint der Annäherung an Fallvignetten geschuldet zu sein, hat für mich das Buch allerdings auch in ein starres Korsett geschnürt. Vom Spannungsbogen her stellt für mich der siebte Fall, die Vergewaltigung, die Klimax dar. Die zwei Fälle, die danach geschildert werden, sind zwar für die Entscheidung der Protagonistin ihre Zulassung zurückzugeben besonders wichtig, verblassten allerdings für mich nach dem heftigen siebten Fall. Fast nebensächlich wirkten sie im Vergleich. Aber das kann an meiner eigenen moralischen Einschätzung liegen.

Und genau das ist die Stärke des Buches: Das ständige Hinterfragen eigener moralischer Prinzipien. Die Frage: Wie hätte ich agiert, geurteilt, verteidigt? Deshalb entscheide ich mich auch ganz knapp für ein Aufrunden auf 4 Sterne. Literarisch ist das Buch für mich solide, aber nicht mehr als 3 Sterne in der eigenen Bewertung, inhaltlich allerdings greift es viele Ambiguitäten auf, was mir sehr gut gefallen hat und mich das Buch atemlos hat lesen lassen.

3,5/5 Sterne

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Veröffentlicht am 21.02.2025

Geschickt verknüpft, aber ausbaufähig

Unter Grund
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In ihrem Debütroman verknüpft Annegret Liepold geschickt die Geschichte von Franka in der „Gegenwart“ (ca. 2017), welche aktuell ein Referendariat in einer Schule in München absolviert und mit der Klasse ...

In ihrem Debütroman verknüpft Annegret Liepold geschickt die Geschichte von Franka in der „Gegenwart“ (ca. 2017), welche aktuell ein Referendariat in einer Schule in München absolviert und mit der Klasse zu Beginn des Romans den laufenden NSU-Prozess besucht, und der jugendlichen Franka im Jahre 2006, die sich in ihrem Heimatdorf mehr und mehr einer rechten(-extremen) Clique annähert. Somit verbindet die Autorin, wie Menschen ganz graduell in ein rechtes Milieu rutschen können, zu welchen Handlungen dies im Extremfall führen kann und letztlich durch die Verbindung zum NSU-Prozess, welche katastrophalen Folgen eine solche Gesinnung und ein solches Handeln haben können. Der Titel „Unter Grund“ ist diesbezüglich natürlich hervorragend gewählt, lassen sich doch durch verschiedene Sprechweisen auch Deutungsmöglichkeiten implizieren.

Neben Franka, die wir durch sowohl Rückblicke in ihre Jugend als auch fortschreitende Geschehnisse in ihrer Gegenwart immer besser verstehen lernen, tauchen auch diverse Nebenfiguren auf, die das gesamte Spektrum von politisch links und alternativ bis hin zu knallhart rechtsextrem auffächern. Während Franke zunächst noch in der Schule mit einem Antifa-Sympathisanten befreundet ist, lernt sie zufällig Gleichaltrige aus dem rechten Spektrum kennen und lässt sich bereitwillig von deren Charisma mitziehen. Aber auch auf der familiären Ebene lernen wir Menschen kennen, die wie Frankas Mutter weltoffen agiert oder lesen Geschichten über ihre Großmutter „Die Füchsin“, die während ihrer Jugend straffe Anhängerin der nationalsozialistischen Ideologie war und bis ins hohe Alter einen großen Einfluss in der Familie ausübte.

Nachdem ich nach dem fulminanten Einstieg zum Zeitpunkt des NSU-Prozesses erst einmal etwas Probleme hatte, mich in den Rückblicken von Franka zurechtzufinden, tauchte ich mehr und mehr in ihre Vergangenheit ein und beobachtete fasziniert, wie aus einer politisch eher neutralen Person innerhalb weniger Wochen eine Rechtsextreme werden kann. Dabei legt die Autorin immer wieder Hinweise aus, dass hierfür nicht allein die Peergroup verantwortlich ist, sondern auch die Familienhistorie. Hier hätte ich mir etwas detailliertere Ausführungen zur Großmutter und zum Vater der Protagonistin gewünscht. Es kann aber auch sein, dass die Autorin dies beabsichtigt vage gehalten hat, um uns aufzuzeigen, dass wir nicht vollkommen bewusst indoktriniert werden müssen, um trotzdem davon beeinflusst zu werden. Trotzdem kam mir dies etwas zu kurz.

Letztlich fand ich besonders sie Beschreibungen von verschiedenen Aktionen innerhalb der rechten Szene sehr interessant zu lesen. Die Autorin deutet letztlich nur an, wie Franka letztlich von der Rechtsextremen wieder ihren Weg zurück zur Mitte gefunden hat und nun ihrer Vergangenheit, mit der sie sich nicht mehr in der „Gegenwart“ identifiziert, gegenübertreten muss. Auch hier wäre ich der Protagonistin sehr gern bei ihrem Erkenntnisprozess einer Endradikalisierung genauer gefolgt.

Auch wenn der Roman meines Erachtens nach noch ausbaufähig gewesen wäre, kann ich eine Lektüre empfehlen. Er ist sprachlich solide verfasst und behandelt den Themenkomplex der politischen Radikalisierung aus einem interessanten Blickwinkel. Obwohl mir die Entscheidung sehr schwer fällt, tendiere ich zum Aufrunden auf 4 Sterne. Die Autorin hat definitiv Potenzial und ich bin gespannt, was sie nach diesem Debüt veröffentlicht.

3,5/5 Sterne

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Veröffentlicht am 04.01.2025

Unterhaltsam und gesellschaftlich relevant zugleich

Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben
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Auch mit ihrem zweiten, anspruchsvollen Unterhaltungsroman nach dem großartigen „Wir von der anderen Seite“ weiß die Drehbuchautorin und Regisseurin Anika Decker zu überzeugen, wenn auch mit Abstrichen.

Wie ...

Auch mit ihrem zweiten, anspruchsvollen Unterhaltungsroman nach dem großartigen „Wir von der anderen Seite“ weiß die Drehbuchautorin und Regisseurin Anika Decker zu überzeugen, wenn auch mit Abstrichen.

Wie man sich schon aufgrund des Titels denken kann, schreibt Decker - wieder einmal - mit leichter Feder und viel Sprachwitz ihre Geschichte über Nina, eine geschiedene Frau im Alter von 49 Jahren, die nicht nur eine neue Liebe entdeckt und damit aneckt, ist doch der Auserwählte zwanzig Jahre jünger als sie, sondern auch noch mit ihrer Rolle als Tochter einer gezeichneten Frau und Mitarbeiterin einer von männlicher Dominanz durchzogenen Medienproduktionsfirma hadert. Ihre jüngere Schwester Lena indes hadert mit ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter in einer Zeit, in der Instagram-Supermütter alles richtig zu machen scheinen und dabei auch noch durchgängig glücklich wirken. Als im Unternehmen ein metoo-Skandal an die Öffentlichkeit zu treten droht und einige Männer aus den höheren Etagen (darunter Lenas Ehemann) versuchen diesen zu vertuschen, müssen die Schwestern ihren eigenen Standpunkt finden und sich entscheiden, ob sie wegschauen oder solidarisch kämpfen wollen.

Der Inhalt zeigt schon einmal auf, in welche Richtung der aktuelle Roman von Anika Decker geht. Oberflächlich wie ein Liebesroman anmutend, da die Annäherung an den viel jüngeren David zunächst im Zentrum steht, entwickelt der Roman schnell einige weitere Facetten, die im Verlauf sogar wichtiger wirken, als der immer wieder einmal auftauchende Liebesplot. Dieser konnte mich auch nur zu Beginn einfangen, denn später fehlte mir die Möglichkeit darin so richtig einzutauchen, da nur kurze Schlaglichter auf einzelne Szenen geworfen werden. Hier entspinnt sich eine Geschichte zwischen zwei Menschen, die von Missverständnissen und nicht ausgesprochenen Gedanken durchzogen ist, was prinzipiell sehr realistisch ist, mich über die Länge des Buches hinweg allerdings ab und an auch genervt hat. Das liegt an der Natur der Sache, da ich persönlich kein Fan von Geschichten mit viel Hin und Her und Gehader bin.

Stilistisch ist für mich der leichte Schreibstil, der sich süffig einsaugen lässt, ausschlaggebend für meine Freude über ein neues Anika Decker-Buch. Was meines Erachtens nicht ganz so gut gelungen ist, ist der Perspektivwechsel zwischen den Figuren. Wir beginnen den Roman aus der Ich-Perspektive von Nina zu lesen, wechseln später aber auch immer wieder in Lenas oder andere Perspektiven, die dann aber im personalen Erzählstil gehalten sind. In einem Lena-Kapitel rutscht die Autorin sogar mal aus Versehen für einen Absatz in die Ich-Perspektive. Nur David bekommt noch eine Ich-Perspektive zugestanden, was ihn scheinbar als wichtige zweite Hauptfigur markieren soll. Leider blieb er für mich trotzdem nur eine kleine Nebenfigur, weshalb dies irgendwie nicht stimmig wirkte. Seine „Ich-Gedanken-Anteile“ bleiben nur recht kurz gehalten und versuchen zwar einen Einblick in seine Geschichte zu geben, dieser formt sich allerdings nicht zu einem runden, stimmigen Bild. Ganz zum Schluss bekommt auch Lenas Mann noch ein Kapitel zugeordnet, welches mit allerdings recht edukativ angelegt wirkte.

Somit muss ich sagen, dass mir zwar der neue Roman von Anika Decker sehr gut gefallen hat, mich aber nicht annähernd so vollständig von sich überzeugen konnte wie „Wir von der anderen Seite“. Ich glaube, ich hätte mir entweder einen Roman mit größerem Fokus auf die Liebesgeschichte oder einen, der diese fast ganz herauslässt und damit nicht die Sicht auf die gesellschaftlich relevanten Themen verstellt, gewünscht.

Ich würde den vorliegenden Roman letztlich inhaltlich mit den letzten Romanen von Mareike Fallwickl vergleichen, die zwar einen noch deftigeren, feministischen Einschlag haben und literarisch etwas anspruchsvoller sind, aber Anika Decker schafft es mit dem Verve ihres unterhaltsamen Schreibstils die feministischen Thematiken geschickt in einen Unterhaltungsroman zu verwandeln, der hoffentlich viele Leser:innen ansprechen wird und somit ein größeres Bewusstsein für die Belange von Frauen unterschiedlichster Altersgruppen und gesellschaftlicher Schichten schafft.

3,5/5 Sterne

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Veröffentlicht am 25.12.2024

Akute Krankheitserfahrung gut geschildert

Jetzt noch nicht, aber irgendwann schon
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Martin Simons reiht sich ein in die Liste von Autoren, die eigene autobiografische Krankheitserlebnisse in Romanform packen und veröffentlichen. Hier zu nennen sind zum Beispiel David Wagner mit "Leben", ...

Martin Simons reiht sich ein in die Liste von Autoren, die eigene autobiografische Krankheitserlebnisse in Romanform packen und veröffentlichen. Hier zu nennen sind zum Beispiel David Wagner mit "Leben", Kathrin Schmidt "Du stirbst nicht" oder Anika Decker "Wir von der anderen Seite". Der Plot ähnelt sich: Eine akute Erkrankung bzw. Verschlechterung des Gesundheitszustandes tritt durch Leberversagen/Hirnblutung/Trombose ein und der Weg zur Genesung mit Rückblicken auf das eigene Leben wird geschildert.

Bei Simons ist es die Hirnblutung, die ihn kurz vor Weihnachten erwischt und auf die Stroke Unit befördert. In recht kurzen Kapiteln und auch insgesamt einem recht kurzen Roman beschreibt er seine Empfindung in diesem Zeitraum der Rekonvaleszenz. Dies macht er literarisch auf hohem Niveau. Mitreißen konnten mich das Buch und die Gedankengänge des Autors leider nicht so stark wie bei Schmidt oder Decker. Sind es die eher unsympathischen egozentrischen Einstellungen des Autors, die ihn und seine Geschichte weniger empathisch machen? Obwohl ich es für einen Pluspunkt halte, dass er ehrlich mit seiner Person umgeht.

Insgesamt ein gut bis sehr gutes Leseerlebnis, welches bei mir jedoch keine tiefergründigere Auseinandersetzung mit Krankheit und Tod anregen konnte.