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Veröffentlicht am 23.06.2025

Dark Academia um Drachensprachen

Die Sprache der Drachen
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SF Williamson nimmt uns mit in ein alternatives London der 1920er: Seit Jahrzehnten herrscht ein angespannter Frieden zwischen Menschen und Drachen, der mit einer Trennung der beiden Arten einhergeht. ...

SF Williamson nimmt uns mit in ein alternatives London der 1920er: Seit Jahrzehnten herrscht ein angespannter Frieden zwischen Menschen und Drachen, der mit einer Trennung der beiden Arten einhergeht. Gleichzeitig sind auch die Menschen selbst in einem gnadenlosen Drei-Klassen-System voneinander getrennt. Vivien, Tochter einer Überlebenden des von Drachen verübten Massakers an der bulgarischen Menschenbevölkerung, ist fest entschlossen eine glorreiche Zukunft an der Akademie für Drachensprache zu erreichen. Dafür hat sie ihr ganzes Leben menschliche und drachische Sprachen gelernt, die ihr von ihren Eltern teils wortwörtlich eingeprügelt wurden. Doch die politische Lage in Britannien ist angespannt und als Viviens Eltern verhaftet werden, trifft die 17jährige eine folgenschwere Entscheidung und findet sich in einem Geheimprojekt der Regierung wieder, wo sie an etwas arbeitet, dass als innen- und außenpolitische Waffe dienen soll…
Vorweg: es scheint sich nicht, wie ich beim Lesebeginn dachte, um einen stand-alone Roman zu handeln, sondern eine Duologie. Passend dazu ist das Ende entsprechend offengehalten, was mich persönlich etwas frustrierte, da gerade zum Ende nach einem langsameren Mittelteil, in dem das Gedankenkarussell der Protagonistin ermüdet, viel Action und eine große Überraschung aufkam.

Die Protagonistin ist sehr behütet aufgewachsen und gibt sich oft frustrierend weltfremd und naiv. Passend dazu erfährt auch der Leser relativ wenig über die Welt jenseits von Viviens Heimat und Bulgarien. Über lange Strecken zögert Vivien eine Entscheidung auf, von der sie weiß, dass sie getroffen werden muss. Das fand ich besonders unangenehm, da andere Hauptfiguren rassistischer und klassenbedingter Diskriminierung und Misshandlung ausgesetzt waren und meines Erachtens spannendere Perspektiven und Innenleben gehabt hätten als Vivien, die sich vor allem mit Schuldgefühlen herumschlägt die auf einer Entscheidung basieren, die für mich nicht ausreichend motiviert bzw. ziemlich unentschuldbar ist.
Der Roman spricht neben gesellschaftlichen Themen um systematische Diskriminierung, korrupte Regierung und wie man in einer solchen zu handeln hat auch persönliche Themen um Schuld und Vergebung mit einer starken christlichen Prägung an.
Der männliche Charakter, für den die Protagonistin Gefühle entwickelt, ist gut ausgearbeitet, sympathisch und interessanter als Vivien selbst. Die Beziehung der Beiden hätte man etwas mehr ausarbeiten können, wir als Leser erhalten ab und an Einblick auf eine gegenseitige Annäherung, die sozusagen hinter den Kulissen der Erzählung stattfand.
Mehrere Charaktere waren mir zu sehr als rein gut oder böse definiert, aber andere haben mich durch plötzliche Einblicke auf verborgene Tiefen angenehm überrascht. Generell halte ich es für eine verlorene Gelegenheit, dass während des Projektes keine verborgenen Intrigen und Manipulationsversuche der Teenager untereinander aufgekommen sind, gerade im Mittelteil hätte sowas die Spannung gut erhalten können.
Mein persönliches Highlight waren die Drachensprachen, der Umgang mit ihnen und ja, das Projekt an dem Vivien arbeitete. Das klingt hier reichlich vage, aber ich möchte gerade von dieser spannenden Thematik nicht zu viel vorwegnehmen. Hierbei fand ich es sehr gelungen, wie die Autorin herauskristallisiert hat wieso Vivien, eine Teenagerin mit begrenzten Ressourcen innerhalb geringer Zeit etwas entdecken konnte, was als unentdeckt galt. Dadurch wird sie glaubwürdig als intelligent dargestellt, was ihr Gebiet angeht, ohne alle anderen Wissenschaftler als unglaubwürdig dämlich zu schreiben.
Alles in allem ist das Meiste, was ich kritisierte, Kleinigkeiten. Ich war beim Lesen gut unterhalten und es ist ein außergewöhnlicher Fantasyroman, der einen neuen Blick auf Drachen gewährt und deshalb jedem Drachenfan ans Herz zu legen ist.

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Veröffentlicht am 30.05.2025

Spannung, Romantik und Blutmagie

Heartless Hunter. Der rote Nachtfalter, Band 1
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Wir befinden uns in einem Setting nach der Revolution: nach dem Systemwechsel von Monarchie zu Republik werden Hexen gejagt. Rune, die Protagonistin, ist selbst eine Hexe und hilft als roter Nachtfalter ...

Wir befinden uns in einem Setting nach der Revolution: nach dem Systemwechsel von Monarchie zu Republik werden Hexen gejagt. Rune, die Protagonistin, ist selbst eine Hexe und hilft als roter Nachtfalter anderen Hexen zu fliehen während sie vorgibt ein überzeugtes Mitglied der jungen Republik zu sein. Gideon ist ein hochrangiger Hexenjäger und hat es auf den roten Nachtfalter abgesehen. Zwischen den Beiden entbrennt ein Vorspielen von Verliebtheit, um dem jeweils Anderen Informationen zu entlocken. Und natürlich ist es plötzlich kein Spiel mehr…
Das Grundkonzept des Romans mit der oben beschriebenen Figurenkonstellation hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Hinzu kommt das Magiesystem: Blutmagie, die ihre Spuren als Narben auf den Körpern der Hexen hinterlässt. Der Schreibstil ist angenehm zu lesen, man fliegt geradezu durch die Seiten. Gegen Mitte des Buches gibt es ein paar langsamere Momente, aber insgesamt geht es handlungsmäßig immer rasch zu. Zwischen Rune und Gideon stimmt die Chemie, die Dialoge wechseln zwischen witzig und charmant. Gegen Ende ging es mir die romantische Entwicklung etwas zu schnell zu, aber das ist wohl Ansichtssache. Beide der Perspektivcharakter haben Schwächen, mit denen sie kämpfen: Rune ist naiv und handelt impulsiv, obwohl sie eigentlich als roter Nachtfalter einen Ruf für mehr durchdachte Aktionen hat. Generell hätte ich mir gewünscht, wir hätte sie mehr tuen sehen, was diesen Ruf rechtfertigt. Zudem ist sie angeblich eine geschickte Verführerin, stellt sich gegenüber Gideon allerdings unbeholfen und linkisch an. Gideon überdenkt sein eigenes Handeln sehr wenig und folgt Befehlen zu oft, er sieht Missstände, geht aber nicht dagegen vor. Doch gleichzeitig hebt er sich überaus positiv von anderen Romantasy-Männern ab: er ist keiner der hypermaskulinen, aufbrausend eifersüchtig und kontrollierenden Typen, die sonst so oft toxische Romanzen schaffen. Gleichzeitig hat auch er eine tragische Vergangenheit, die seine Gegenwart prägt. Die Nebencharaktere wurden leider weniger gut beleuchtet, obwohl das Potenzial dafür vorhanden war.
Auf der Handlungsebene gab es ein paar vorhersehbare Ereignisse, aber mir persönlich ist das lieber als unsinnige Plottwists, die nur dem Schock dienen. Gegen Ende fiel es mir an manchen Stellen schwer, mit den Hauptfiguren mitzufiebern, da mein moralischer Kompass wohl zu stark von dem der Figuren abweicht und als sie dann die Konsequenzen meines Erachtens dummer Entscheidungen traf einfach kein Mitgefühl bei mir aufkam.
Die Blutmagie ist super spannend. Auch darüber hätte ich gerne mehr gelesen. Mini-Spoiler: es besteht ein Zusammenhang mit Menstruation. Alle im Roman vorkommenden Hexen sind Frauen. Die Implikationen wurden nicht wirklich thematisiert. Generell würde ich sagen hat man am meisten Spaß an dem Roman, wenn man nicht nachdenkt. Ich werde auf jeden Fall die Fortsetzung lesen.
Alles in allem ein perfekter Roman für alle, die einen leichten Fantasyroman ohne riesige Figurenkataloge suchen, in dem Romantik nicht zu kurz kommen soll.

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Veröffentlicht am 24.03.2025

Beklemmend und spannend

Die Kammer
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Es sollte ein gewöhnlicher Auftrag in einem ungewöhnlichen Arbeitsfeld sein: Protagonistin Ellen Brooke ist Sättigungstaucherin. In dem männerdominierten Job verbringt sie ihre Zeit in beengten Druckausgleichkammern ...


Es sollte ein gewöhnlicher Auftrag in einem ungewöhnlichen Arbeitsfeld sein: Protagonistin Ellen Brooke ist Sättigungstaucherin. In dem männerdominierten Job verbringt sie ihre Zeit in beengten Druckausgleichkammern und arbeitet am Meeresboden, beispielsweise an Ölpipelines. Es ist eine Welt, in der technisches und menschliches Versagen katastrophale Folgen haben. Bei ihrem neusten Auftrag arbeitete sie mit 5 Männern zusammen, 4 Bekannten und einem Fremden. Doch plötzlich stirbt einer ihrer Kollegen, und es ist kein Unfall…
Vor dem erwähnten Todesfall wird der Leser ausführlich, aber nicht erschöpfend, ins Sättigungstauchen eingeführt. Kürzere Erzählungen der Figuren lockern stellenweise die Handlung auf, schaffen aber auch zunehmend beklemmenden Kontext. Es ist ein spannendes, ungewohntes Setting: die Protagonistin ist mit ihren Kollegen in der Druckausgleichkammer gewissermaßen gefangen, die Dekompression, die nötig ist, um sie aus der Kammer zu lassen, kann nicht beschleunigt werden. Man bekommt einen guten Eindruck von der Enge, der stickigen Nicht-Luft und der klammen Hitze, unter denen die Figuren leiden. Nicht nur physisch, versteht sich – die Psyche der Beteiligten zermürbt zusehens. Ich war wie gefesselt und habe den Großteil des Buches am Stück gelesen, eigene Theorien aufgestellt, für die der Autor reichlich Nahrung bietet, und gerätselt, wie es alles zusammenhängen könnte. Doch leider konnte das Ende und die Auflösung mich nicht überzeugen. Ich mag Thriller, bei denen man im Nachhinein die Hinweise versteht und wundert, wieso man es nicht hat kommen sehen. Das ambivalente Ende hier kam zwar nicht vollends aus dem Nichts, aber es fühlte es sehr konstruiert an. Ohne hier zu Spoilern, ich hätte mir etwas Handfesteres gewünscht als das geradezu klischeehafte Verweisen auf unbehandelte mentale Probleme.

Alles in allem kann ich den Roman allen empfehlen, die einen atmosphärischen Thriller mit einzigartigem Setting suchen und nicht zum Überdenken von Buchenden neigen.

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Veröffentlicht am 22.11.2024

Wenn Wut Flügel verleiht

When Women were Dragons – Unterdrückt. Entfesselt. Wiedergeboren: Eine feurige, feministische Fabel für Fans von Die Unbändigen
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Amerika 1955: Landesweit verwandeln sich über eine halbe Million Frauen in Drachen. Die Protagonistin Alex erlebt dies als Kind mit und durch ihre Augen verfolgen wir, wie die Gesellschaft versucht, mit ...

Amerika 1955: Landesweit verwandeln sich über eine halbe Million Frauen in Drachen. Die Protagonistin Alex erlebt dies als Kind mit und durch ihre Augen verfolgen wir, wie die Gesellschaft versucht, mit diesem Phänomen umzugehen, indem sie es schlichtweg ignoriert. Angst, Ignoranz und Unterdrückung – und mittendrin ein Mädchen, dem viel zu früh zu viel Verantwortung aufgehalst wird.
Der Schreibstil ist mitreißend und ermöglicht ein schnelles, problemloses eintauchen in die Handlung und ein alternatives 20. Jahrhundert, in dem die Grenze zwischen Magie und Realität verschwimmt. Im Vordergrund steht die Situation der Frauen im Amerika der 1950er und 1960er. Vorbei ist der Krieg, in dem Frauen Männerrollen übernahmen. In der neuen Gegenwart sollen sie Mütter und Hausfrauen sein. Weibliche Wut durchzieht den gesamten Roman, doch der Feminismus bleibt sehr bürgerlich, oberflächlich. Kelly Barnhill beschreibt Alex‘ Gefühl der Einsamkeit, der Ausgegrenztheit von anderen Mädchen sehr anschaulich und berührend, ebenso wie sie negative, unterdrückende Verhaltensweise von ihrer Mutter übernimmt und selbst anwendet. Es ist interessant zu beobachten, wie sie mal den gesellschaftlichen Konventionen folgt und sich dann wieder gegen sie wendet. Alex ist durchaus eine sympathische Figur, doch ich persönlich hätte mir von ihr mehr Eigeninitiative gewünscht. Entweder, dass sie etwas mit ihrer Wut tut oder den Kreislauf ihres Verhaltens selbst durchbricht. Aber ihr Wendepunkt besteht nur darin, dass sie die Hilfe akzeptiert, die ihr wieder und wieder angeboten wurde. Und ja, viele ihrer Probleme wären geringer oder gelöst, wenn sie dies früher getan hätte. Der Zusammenhalt von Frauen ist die große Antwort des Romans und neben Wut befreit die Kernbotschaft, die überdeutlich vermittelt wird.
Viele spannende Aspekte wie die Knotenmagie oder wie genau die neuen, freien Leben der Drachinnen aussehen bleiben vage. Stattdessen bleiben die Drachinnen nach ihrer Wandlung relativ zahm, erst gegen Ende der Handlung wird Potenzial für gesellschaftliche Veränderung angedeutet. Einen seltsamen Beigeschmack hat bei mir der Umstand hinterlassen, dass die amerikanischen Drachinnen sich, ganz wie ihre menschlichen Landsleute, in die Politik anderer Nationen einmischen.
Das Ende kam für mich etwas zu schnell, war aber durchaus stimmig.
Alles in allem eine nette Fantasygeschichte mit leicht feministischem Anstrich, perfekt zum Unterhalten, aber ohne scharfe Zähne.

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Veröffentlicht am 11.09.2024

Solide Fortsetzung

Winterwölfe
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Auch im zweiten Band von Dan Jones Trilogie über Söldner während des Hundertjährigen Krieges befinden sich die Essex Dogs in finanzieller Notlage. Nach den Ereignissen des ersten Bandes, den man unbedingt ...

Auch im zweiten Band von Dan Jones Trilogie über Söldner während des Hundertjährigen Krieges befinden sich die Essex Dogs in finanzieller Notlage. Nach den Ereignissen des ersten Bandes, den man unbedingt gelesen haben muss, um an diesem Buch Freude zu haben, ist die Gruppe um Loveday deutlich kleiner geworden. Die erhoffte Heimkehr wird ihnen verwehrt, stattdessen macht das englische Heer sich auf, die Handelsstadt Calais zu erobern. Die Belagerung der reichen Hafenstadt steht im Mittelpunkt des Romans und der Alltag der Belagerer und Belagerten wird anschaulich beschrieben. Dadurch wird ein abwechslungsreicher Kontrast zum vorherigen Teil geschaffen, in dem es vor allem offene Schlachten gab. Zu den aus dem ersten Band bekannten Perspektiven wird nun gelegentlich auch aus der Sicht des Captains, dem der Leser so erstmals begegnet, berichtet. Leider werden öfters Ereignisse und Entwicklungen übersprungen bzw. nur zusammenfassend geschrieben, die ich gerne „miterlebt“ hätte. Die namenlose Frau erhält zwar einen Namen, doch fand ich ihren Plot irgendwie überflüssig, da er die Geschichte der Essex Dogs nur minimal beeinflusst. Im Gegensatz dazu werden die Essex Dogs und einige neue fiktive Personen auf hervorragende Weise mit kleineren historischen Begebenheiten in Verbindung gebracht, die von Dan Jones eigens im Nachwort erwähnt werden. Manche Figuren präsentieren ein neues Deutungsmuster für Ursachen und Ziele des Krieges. Im Laufe der Handlung sind gleichermaßen Fragen beantwortet wie neu aufgeworfen worden, Angelegenheiten mit alten Feinden wurden geregelt und neue Feinde geschaffen. Das klingt reichlich vage, doch ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Insgesamt hat der Roman zwar, wie für den Mittelband von Trilogien typisch, spannungsmäßige Tiefphasen, liefert aber auch viel Action und bereitet gut auf einen Abschluss vor.
Alles in allem, klare Empfehlung an alle, die den ersten Band gelesen haben, den ich wiederum allen Lesern von historischen Romanen empfehle, die sich nicht an einem raueren, blutigeren Geschehen stören.

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