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LindaRabbit

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Veröffentlicht am 11.07.2025

Kindheitserinnerungen

Der Himmel fällt
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Penny und Baby, zwei wilde Kinder: Die allerhand anstellen und die in der Schule und vom Pfarrer auf Linie gebracht werden.
Es ist die Zeit des italienischen Faschismus, der Duce und seine Schwarzhemden ...

Penny und Baby, zwei wilde Kinder: Die allerhand anstellen und die in der Schule und vom Pfarrer auf Linie gebracht werden.
Es ist die Zeit des italienischen Faschismus, der Duce und seine Schwarzhemden beherrschen das Bild und das Denken. Den Kindern in der Schule wird faschistisches Denken eingebläut, mit Liedern und Duce - Verehrung.
Die Eltern der beiden sind verstorben, sie wurden zur Tante, Schwester der Mutter, und dem Onkel gebracht. Die Eltern ließen die beiden Kinder taufen. Entsprechend werden sie von dem Dorfpfarrer als kleine Christen erzogen.
Dann kommen die Deutschen und machen sich in der luxuriösen Villa des Onkels breit. Der Onkel ist gebildet, der Onkel ist reich, aber auch - der Onkel ist Jude. So wie der Rest der Familie...

Die Sprache ist diejenige von Kindern, die von ihren Ängsten, Träumen, Wünschen sprechen. Aber auch von Bösartigkeit und Gemeinheiten. Was die beiden Mädchen anstellen, das ist schon brutal. Eigentlich haben sie eine ziemliche Störung. Heute würde man sie sofort in Behandlung schicken.

Und dann am letzten Tag, bevor die deutschen Soldaten abziehen, die Partisanen sind schon im Wald - da passiert es, der Onkel, die Tante, die b eiden Cousinen, sie werden erschossen.

Es ist nicht einfach zu lesen, aber trotzdem einfangend. Einmal das 189 Seiten Büchlein in die Hand genommen ist es schwer es wieder wegzulegen.
Natürlich müsste ich laut schreien, glaubt ihnen nicht, wenn sie vom Duce sprechen, mach' das nicht, dass ihr euch auspeitscht, glaubt auch den Zinnober des Pfarrers nicht...
Aber letztendlich ringt mir der schräge Typ des Pfarrers doch Achtung ab. Er ist mehr Mensch als alle anderen.

Die Widmung ist für die erschossene Familie der Autorin, eine Verwandte von Albert Einstein. Das macht es umso tragischer...
Bereits in den 1960ern kam das Buch heraus. Doch Ende der 1990ern wurde es wieder aufgelegt. Zeitlos. Und zeitlos wichtig!





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Veröffentlicht am 25.03.2025

Die Freigeister Mimo (Michelangelo) Vitaliani und Viola Orsini

Was ich von ihr weiß
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Freigeister sind Menschen, die trotz einengenden gesellschaftlichen Normen und auch Regeln doch ihren 'eigenen Geist, ihren Stil, ihre Lebensweise' entwickeln. Eigentlich sind sie der Bodensatz einer freien ...

Freigeister sind Menschen, die trotz einengenden gesellschaftlichen Normen und auch Regeln doch ihren 'eigenen Geist, ihren Stil, ihre Lebensweise' entwickeln. Eigentlich sind sie der Bodensatz einer freien Gesellschaft. Und genau solche sind Viola und Mimo. Viola , die sich durch nichts aber auch wirklich nichts einengen lässt. Bereits als Kind als sie Mimo kennenlernt.

Bei den Interpreten im Roman handelt es sich um zwei Menschen aus unterschiedlichen Teilen der Bevölkerung (Klassen). Mimo (Michelangelo), der aus einer einfachen, armen Familie stammt. Sein Vater war Bildhauer und brachte dem Jungen früh viel bei, er, der dann bald als Soldat sterben musste und seine Familie mittellos zurückließ.
Viola, die aus der reichen Familie Orsini stammt. Die sich sogar adelig nennen, obwohl niemand weiß, woher sie eigentlich stammen (haben sie mit der sizilianischen Mafia zu tun?). Mimo und Viola. Er ein begabter Bildhauer, sie die Tochter aus gutem Hause...

Sie treffen sich, auf eine seltsame Weise (er in ihrem Bett schlafend, weil ihr offenes Fenster ihn vor dem Absturz bewahrte). Sie treffen sich immer wieder, auf dem Friedhof wo sie auf Gräbern liegt und den Toten zuhört. Sie schwören und beschwören sich.
Doch was dann folgt ist eine unendliche Geschichte von Leid, grauenhaften Erlebnissen (auch durch die damals gegenwärtige Historie) und letztendlich auch Erfolgen, die aber nicht unbedingt glücklich machten.

Im Klappentext steht „Ein zauberhaftes Buch über eine unerschütterliche Liebe“. Wenn sich das nicht gut anhört. Und ja, das hört sich gut an und liest sich auch gut. Es ist Literatur! Wenn auch eine anstrengende Literatur, also keine leichte Literatur …
Viola gibt Mimo ein Blatt zu lesen: „Wir Italiener führen den Krieg nicht mit den Bürgern, Kindern, Greisen und Frauen. Wir führen Krieg mit eurer Regierung, dem Feinde der nationalen Freiheit, mit eurer blinden starrköpfigen und grausamen Regierung, die euch weder Brot noch Frieden zu geben vermag und euch nur mit Hass und trügerischen Hoffnungen füttert“, laut einem Flugblatt, das D'Annunzio (ein faschistischer italienischer Dichter) über Wien im Ersten Weltkrieg aus einem Kleinflugzeug abwerfen ließ. Daraus begründet Viola ihren Willen fliegen zu lernen... Sie fliegt, und stürzt, steht wieder auf, und stürzt, und fliegt! Und Mimo? Er leidet mit ihr...

Stilmäßig ist die Geschichte eine traurige Lebensgeschichte von Michelangelo Vitaliani auf seinem Sterbebett, was den Rahmen zur Geschichte bildet. Der Erzähler Mimo berichtet in Rückgriffen aus seinem Leben. Von seiner einzigartigen Liebe zu Viola.

Der Autor bringt diese Geschichte packend aufs Papier. Ein dickes Buch mit über 500 Seiten, eine nachdenklich machenden Geschichte, die sich so tatsächlich ereignet haben könnte. Könnte, aber nicht muss.
Das Thema 'kleinwüchsig' wird angesprochen. Und ja, das ist ein gesellschaftliches Problem, denn Menschen, die kleinwüchsig sind, oder Männer, die kleiner sind als der Durchschnitt, werden nicht voll respektiert in unseren Gesellschaften. So wie überhaupt in unseren Gesellschaften Toleranz ein noch großes Problem ist.

Völlig nachvollziehbar, warum der Autor den „Prix Concourt“ erhielt. Interessant ist das der renommierte Luchterhand Verlag eine groß angelegte PR und Marketing Kampagne durchzieht (auf der Rückseite des Papierumschlages umfänglich erklärt). Dabei sollte doch so ein großartiges Buch und Stück Literatur für sich selbst sprechen. Tut es aber nicht in Zeiten von seichter Lesekultur und eBooks. Als interessiertes Lesepublikum tue ich mein Bestes dazu und reiche mein Buch weiter an geneigte Leserinnen, die ihrerseits weiterreichen und Bekanntheit erzeugen.
Und natürliche eine große Leseempfehlung! Das Buch wird für sich selber sprechen.

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Veröffentlicht am 11.11.2024

Hof Kalmule, basierend auf eigener Familiengeschichte

Am Fluss der Zeiten
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Allein das - basierend auf eigener Familiengeschichte - der Autorin macht neugierig auf den Roman: Ein Roman, der im 16. Jahrhundert spielt.

Auch das Umschlagbild feuert die Neugierde an. Denn es ist ...

Allein das - basierend auf eigener Familiengeschichte - der Autorin macht neugierig auf den Roman: Ein Roman, der im 16. Jahrhundert spielt.

Auch das Umschlagbild feuert die Neugierde an. Denn es ist sehr gut gemacht vom Layout. Die Farben, von der linksseitigen Frau, deren grünlicher - türkisfarbener Rock in das Gebirge oder Landschaft übergeht. Dazu die feinziselierten Blütenornamente und natürlich das scharfsinnige Gesicht der Frau. Lässt mich im Laden gleich danach greifen!

Ebenso das Inhaltsverzeichnis - Amtssitz Lüdinghausen, 1552, am Tag des Erzengels Michael; Haus Senden, 1552; Münster 1552; Burg Kakesbeck 1553 - deutet auf eine intensive Forschungsarbeit hin. Verschiedene Orte werden benannt, Sagen, Märchen, Gerede... Einleitungen, Widmungen Nachwort, Prolog, Glossar, Personenverzeichnis. Hier hat ein geschichtsinteressierter Mensch geschrieben und hier finden geschichtsinteressierte Menschen auch einen Roman, der zu ihnen passt.

Ulrike Renk hat ein mehrbändiges Werk konzipiert, dieses ist der erste Band.
Im Klappentext wird ausgiebig die Geschichte von Elze erklärt. Allein der Begriff 'Eigenbehörige' macht ebenfalls sehr neugierig. Was ist das?
Die Eigenbehörigkeit fußt auf der Abhängigkeit eines Grundherrns, das heißt, der Hof, den die Familie bewirtschaft ist eben lediglich zur Bewirtschaftung überlassen. Dazu zählt eben die persönliche und dingliche Abhängigkeit von diesem Lehnsherrn.

Die Art und Weise wie der Amtsmann in Münster mit dem Bruder von Elze redet (bezüglicher der Abgaben) und Elze zu sich zum Gesindedienst ordert, macht natürlich schon wütend. Das heißt, es ist gut beschrieben, wenn solche Gefühle geweckt werden. Die Zeiten damals waren entsetzlich, die meisten Menschen waren nicht frei, sondern Abhängige. Dazu kamen auch noch politisch - religiöse Unruhen, denen die Menschen ausgeliefert waren. Es werden historische Bezüge erwähnt (die Täufer in Münster, ja, das war schlimm).

Guter Einstieg im Prolog. Kapitel 1 fängt mit dem Jahr zuvor an, 1551. Die Beschreibungen vom Hofleben sind so realistisch geschildert, dass ich glaube mittenmang zu sein. Armseliges Leben. Wie dankbar können wir sein, dass es heuer besser ist.

Sehr spannend und mitreißend geschrieben!




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Veröffentlicht am 05.11.2024

Alfred und sein Onkel Ragnar (bei den Samen)

Die Winterschwestern
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Bei den Samen (Lappland / Finnland): Die Samen sind ein Volk, was noch sehr mit ihren Traditionen lebt. Das Büchlein führt uns in die ganz eigene Winterlandschaft im Norden von Europa. Magie und Mythologie ...

Bei den Samen (Lappland / Finnland): Die Samen sind ein Volk, was noch sehr mit ihren Traditionen lebt. Das Büchlein führt uns in die ganz eigene Winterlandschaft im Norden von Europa. Magie und Mythologie haben noch ihren Stellenwert und sind ganz normal im Leben integriert, eines jeden. Die Winterschwestern sind zwar Schwestern, aber unterschiedlich – die eine, die Ältere, steht für eisige Kälte und wilde Stürme. Die Jüngere dagegen liebt die Julzeit, die festlich begannen wird... und auch winterliche Freuden... Doch dann verschwindet die Jüngere und die Ältere tobt – mit unendlichen Winterstürmen. Sie trauert...

Kleiner Held unserer Geschichte ist ein Zehnjähriger. Alfred, der im Nebeldorf lebt. Er ist ein kleiner Schlemiehl, eingangs macht er sich an das Bier für ein Fest ran und schüttet Senfkörner hinein. Für seinen Lieblingsgott Loki (der ein furchtbarer Gott ist)...Doch dann wird Klein – Alfred beschuldigt ein Dieb zu sein. Um das Gegenteil zu beweisen will er mit Onkel Ragnar nach den verschwundenen Gegenständen suchen...

Alfred ist anders als die anderen, Ragnar ist anders als die anderen Männer, denn vor Alfreds Geburt hätte er Tante zu Onkel Ragnar gesagt (eine Heilkundige machte eine Salbe für Ragnar, damit dieser einen Bart bekam). Es ist ein Büchlein über Andersartigkeit (so wie der Schweizer ESC Gewinner Nemo in seinem Tutu).
Sehr schön wird die Kultur der Samen beschrieben.

Das Büchlein ist schon auf den ersten Blick anders: Das Umschlagbild ist samisch und sehr schön gestaltet. Die zu den Geschichten passenden Zeichnungen sind liebevoll gemacht. Und eine Karte verdeutlicht die Lage von Nebeldorf und die Stationen der Abenteuer von Alfred und seinem Onkel Ragnar. Trolle (die im Norden eine wichtige Rolle innehaben) stahlen die wichtigen Kultgegenstände. Da gilt es einige Schwierigkeiten zu überwinden...

Ideal zum Vorlesen in der Weihnachtszeit. Für Kinder ab 9 Jahren – höchste Empfehlung!

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Veröffentlicht am 03.11.2024

Amour fou

Kairos
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Wenn ein älterer Mann und eine junge Frau aufeinander treffen? In der alten DDR, unruhig bereits, weil sich zu viele gegen das Unrechtsystem auflehnen?

Jenny Erpenbeck nimmt sich dieses Themas an. Meisterhaft!
Der ...

Wenn ein älterer Mann und eine junge Frau aufeinander treffen? In der alten DDR, unruhig bereits, weil sich zu viele gegen das Unrechtsystem auflehnen?

Jenny Erpenbeck nimmt sich dieses Themas an. Meisterhaft!
Der ältere Mann, Hans, ein Frauenheld, gutaussehend, erfolgreich im DDR - System, ohne zu angepasst zu sein, trotzdem noch Freigeist, oder wieder zu einem geworden... und die junge Frau, Katharina, die diesen Mann 'zufällig' in der Straßenbahn in Berlin in die Augen sieht. Zufällig, ein Zufall, ein Augenblick, der ihre Leben verändert. Seines wie das ihrige...

Der Titel - Kairos - macht aufmerksam. Ein griechischer Begriff? Aus der Götterwelt? In der Tat - Kairos ist ein der drei Begriffe, die im antiken Griechenland für die Zeit existierte. Chronos und Äon, die anderen beiden. Kairos dagegen steht für - den günstigen Zeitpunkt für eine Handlung.
Der Zeitpunkt ist jetzt, sie haben sich getroffen. Die junge Studentin, noch unfertig in ihrer Lebensplanung, der ältere Mann, verheiratet, mit einer Geliebten, mit vielen Geliebten, untreu. Sohn.
Selbstverliebt. Ein Schriftsteller. Ein IM. Einer, ja, der es geschafft hat, sich in dem rigiden System durchzuschmuggeln. Er darf schreiben. Er hat sogar ein eigenes kleines Büro vom System erhalten...
Er spioniert nicht mehr, wird als unsicher in den Akten abgelegt... Und die junge Frau, Katharina, sie ist verliebt... jedet mit ihrem Umfeld darüber, den Eltern, den Freunden und Freundinnen, alle wissen Bescheid, und irgendwann auch die Ehefrau.
Sie, die Geliebte, umschleicht den Geliebten. Dringt in seine Privatsphäre ein. Folgt ihm in die familiären Ferien an die Ostsee, vögelt ihn im Sand, gibt sich auf, unterwirft sich ihm. Benimmt sich so weiblich wie viele Schattenfrauen es tun, der Liebe wegen, orientiert sich an ihm...
Bis ... ja ... bis... zum großen Knall!

Übrig bleibt der Karton, Erinnerungen, Postkarten, Papierfetzen...

Ein aufschlussreiches Buch: Zum System, zum Funktionieren in einer Diktatur, zu seiner persönlichen Freiheit...
Zu einer Liebe unter Extremzwang. Zu einer jungen Frau und zu einem älteren Mann...

Und - das Umschlagbild, der Karton, schlicht und einfach...
Jenne Erpenbeck. Sehr gut!


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