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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.04.2025

Teil 1

Der Morgen (Art Mayer-Serie 1)
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Berlin im Winter, ein Kleinlaster ohne Fahrer, auf der Ladefläche eine nackte Tote. Sie sieht friedlich aus, als ob sie schliefe, auf ihrem Bauch ein blutiger Hinweis auf die Adresse des Bundeskanzlers. ...

Berlin im Winter, ein Kleinlaster ohne Fahrer, auf der Ladefläche eine nackte Tote. Sie sieht friedlich aus, als ob sie schliefe, auf ihrem Bauch ein blutiger Hinweis auf die Adresse des Bundeskanzlers. Gerufen wird der eben noch suspendierte kauzige Artur (Art) Mayer, ihm zur Seite steht eine Anfängerin, Nele Tschaikowski. Daneben eine alte Geschichte über ein Heimkind und eine abgedrehte Jugendgruppe. Die Spannung kann beginnen.

Eine großartige Geschichte aus der Feder Marc Raabes nimmt in diesem ersten Teil ihren Lauf. Hervorragend skizzierte Charaktere treffen in „Der Morgen“ aufeinander und bieten einen fulminanten Wettlauf um die Zeit, bevor weitere Opfer zu beklagen sind. Ob dies gelingen kann, wenn Artur gleichzeitig mit den Dämonen der Vergangenheit kämpft und Nele als Neuzugang und Nichte des Polizeipräsidenten über keinerlei praktische Erfahrung verfügt? Brillant setzt Raabe die Handlung in Szene, wirft geschickt und wohldosiert einzelne Erkenntnisse in den Raum und löst nach etwa 600 Seiten das Ganze logisch auf, jedoch genau so, dass man schon wieder Lust hat auf mehr. „Die Dämmerung“ möchte man direkt im Anschluss lesen.

Die Thriller-Serie rund um Art Mayer beginnt fesselnd und atemberaubend, kleinste Details verleihen der Geschichte größte Lebendigkeit, sodass ich gespannt den zweiten Band zur Hand nehme.


Veröffentlicht am 03.04.2025

Zwischen Schwarz und Weiß

Dunkle Momente
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Seit dreißig Jahren ist Eva Herbergen Strafverteidigerin aus Leidenschaft. In neun einzelnen Episoden erzählt sie erstaunliche Geschichten aus ihrem Alltag und verblüfft damit, dass Gerichtsbeschlüsse ...

Seit dreißig Jahren ist Eva Herbergen Strafverteidigerin aus Leidenschaft. In neun einzelnen Episoden erzählt sie erstaunliche Geschichten aus ihrem Alltag und verblüfft damit, dass Gerichtsbeschlüsse keineswegs nur auf den Buchstaben des Gesetzes basieren. Die Urteilsfindung ist deutlich komplexer als man annehmen möchte. Dunkle Momente zeigt auf anschauliche Weise, welche Gratwanderung notwendig ist auf dem Weg zu Recht oder Gerechtigkeit, was keineswegs dasselbe ist und welche Dilemmata Ethik und Moral mit sich bringen.

Mit einem interessanten Vorwort zu realen Vorlagen dieses Romans steigen wir ein ins Geschehen, kurz darauf begeben uns auf die Spuren einer bekannten Schriftstellerin, die ihren Bruder ermordet hat, begleiten einen überzeugten Kannibalen und einen brutalen Kindersoldaten, erleben das raffinierte Geständnis eines Chirurgen und noch vieles mehr. Dabei schildert Elisa Hoven die einzelnen Szenen detailgetreu und lebensnah, flicht immer wieder Eva Herbergens Gedanken zu den jeweiligen Fällen ein, sodass man einerseits die Strategie der Verteidigerin gut mitverfolgen und andererseits die Hintergründe der Straftat erkennen kann. Nicht selten wird dann eine auf den ersten Blick eindeutige Angelegenheit schwieriger zu beurteilen als gedacht, verschwimmen Grenzen zwischen Gut und Böse, ist das Vordergründige, die Freisprechung, gar nicht immer das gewünschte Ziel. Erstaunlicherweise hängen Urteile oft an einem seidenen Faden, die Aussage eines einzigen Zeugen wird zum Zünglein an der Waage, die Planung der Verteidigung mitunter eine Falle, wird sie nicht rechtzeitig angepasst. Wie aus einem Vergewaltigungsopfer eine Täterin wird oder einfaches Speisesalz Existenzen ruiniert, ist ebenfalls Teil der spannenden Schilderungen in diesem Buch. Hovens Zusammenstellung dieser voneinander unabhängigen Strafverfahren ist absolut gelungen und gekonnt in eine schöne Rahmenhandlung eingebettet. Eva Herbergen als gewiefte Strafverteidigerin wandelt oftmals auf einem engen Grat zwischen Moral und Recht und darf sich keineswegs auf persönliche Befindlichkeiten stützen. Dass dies nicht immer einfach ist und selten nur Schwarz und Weiß zu erkennen sind, sondern unzählige Schattierungen von Grau auch den Alltag vor Gericht dominieren, ist erstaunlich. Dabei darf stets nur der verurteilt werden, dem eine Straftat eindeutig nachzuweisen ist, moralisch unter Umständen bedenklich, dem Gesetz entsprechend logisch.

Sprachlich und inhaltlich top umgesetzt, mir haben die neun Fälle, inspiriert von realen Begebenheiten, außerordentlich gut gefallen. Für Dunkle Momente vergebe ich ganz klar fünf Sterne und eine Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.03.2025

Marokko

The Surf House
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Bea trifft eine folgenschwere Entscheidung, als sie Hals über Kopf ihren einträglichen Job als Model hinschmeißt und kurz darauf in den Tiefen der Medina Marrakeschs überfallen wird. Ohne Pass und Geld ...

Bea trifft eine folgenschwere Entscheidung, als sie Hals über Kopf ihren einträglichen Job als Model hinschmeißt und kurz darauf in den Tiefen der Medina Marrakeschs überfallen wird. Ohne Pass und Geld fährt sie mit Marnie mit an den Strand, wo die freundliche Frau eine kleine Unterkunft, das Surf House, betreibt. Was als kurze Auszeit in der Idylle beginnt, endet in einem Alptraum, als ein anderer Urlauber tot am Strand liegt.

Lucy Clarke zeichnet auf den ersten Seiten ein Urlaubsparadies schlechthin, pures und unbeschwertes Glück – ein Haufen Freunde, Wellen und Sonnenschein (kindle, Pos. 36), bevor sie Beas Probleme mit dem Modeljob näher beleuchtet. Sofort fühlt man sich als Leser mitten im Geschehen, spürt schillernde Farben und Hochgefühl einerseits, graue Tristesse und Aussichtslosigkeit andererseits. Durch den bildhaften Erzählstil bauen sich aufregende Bilder vor meinem geistigen Auge auf und ich fühle mich, als ob ich selbst am Strand sitzen und über die heranbrausenden Wellen blicken würde. Ich schmecke das Salz in der Luft und fühle mit Bea, die den Spiegel mit einem Tuch verhängt, um nicht in die eigenen leeren Augen schauen zu müssen, die nicht weiß, was sie von ihrem Leben erwartet, was sie wirklich will. Während sie sich darüber klar werden möchte und Marnie im Surf House hilft, passieren unerwartete Dinge.

Fesselnd liest sich dieser Thriller und hält so manche Überraschung bereit, welche nicht nur einige Figuren im Buch, sondern auch den Leser in Staunen versetzt. Lucy Clarke beschwört eine ganz besondere Stimmung im Fischerdorf Mallah herauf, vermischt geschickt Wahrheit und Lüge und führt damit alle hinters Licht. Wer packende Lesestunden sucht, sollte sich The Surf House nicht entgehen lassen.

Veröffentlicht am 24.03.2025

Carla Seidel auf Jagd

Der Wolf im dunklen Wald
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Im Wendland findet ein Wiedersehen einstiger Schulkollegen und Freunde statt mit anschließender Jagd im Dragahner Forst. Carla Seidel, welche Bereitschaftsdienst tut in der Polizeistation Dannenberg, wird ...

Im Wendland findet ein Wiedersehen einstiger Schulkollegen und Freunde statt mit anschließender Jagd im Dragahner Forst. Carla Seidel, welche Bereitschaftsdienst tut in der Polizeistation Dannenberg, wird alsbald zu einem Leichenfund gerufen. Der tote Jäger weist mehrere heftig ausgeführte Messerstiche auf, weshalb die Kommissarin auf einen sehr emotionalen Täter schließt. Wenig später gibt es einen ähnlichen Mordfall – eine Serie? Carla zweifelt an dieser Theorie.

Auch beim zweiten Fall für Carla Seidel im niedersächsischen Wendland geht es sofort zur Sache, Wesentliches vom ersten Teil fließt aber kurz zur Erklärung ein, sodass auch Neueinsteiger in die Serie gut mitgenommen werden. Die Vergangenheit spielt eine nicht unwesentliche Rolle für das Handeln der Kommissarin mit ihrem Gefühl für die richtige Richtung und die Hypersensibilität von Tochter Lana ist ebenfalls wieder Thema. Die Jagdgesellschaft stellt Autorin Sia Piontek bildhaft dar, die düstere Atmosphäre im Wald, das öde Wendland mit seiner Ruhe, die einerseits Einsamkeit, andererseits aber auch Frieden ausstrahlt, passt ausgesprochen gut als Kulisse. Sämtliche Charaktere sind lebendig herausgearbeitet, so manches gesellschaftliche Problem (Gewaltbeziehung, emotionale Abhängigkeit, Alleinerzieher,…) wird durch die Figuren im Krimi widergespiegelt. So entsteht eine schöne Mischung aus Ermittlungsarbeit mit so mancher Überraschung und Konflikten im privaten Bereich. Der Spannungszustand Carlas zeigt sich zudem innerhalt des Teams, denn mitnichten sind hier alle einer Meinung. Jäger und Gejagte, Täter und Opfer verschwimmen mitunter, bis die richtige Lösung gefunden ist. Man darf mitfiebern und miträtseln bei fesselnden Lesestunden.

Eine gelungene Fortsetzung der Carla-Seidel-Krimi-Reihe, welche mir bislang ausgesprochen gut gefällt: die Figuren sind authentisch, die Handlung stimmig, der Spannungsbogen konstant. Beim nächsten Fall bin ich gerne wieder an Carlas Seite.


Veröffentlicht am 22.03.2025

Carla Seidels Neuanfang

Die Sehenden und die Toten
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Nach einer Vergangenheit, die sich für den Leser erst im Laufe der Zeit entwirrt, setzt Carla Seidel in der Polizeistation Dannenberg in Niedersachsen einen Neuanfang. Die bislang erfolgreiche Kommissarin ...

Nach einer Vergangenheit, die sich für den Leser erst im Laufe der Zeit entwirrt, setzt Carla Seidel in der Polizeistation Dannenberg in Niedersachsen einen Neuanfang. Die bislang erfolgreiche Kommissarin aus Hamburg wird zur einfachen Polizistin – bis der achtzehnjährige Justus tot in der Au gefunden wird, anstelle seiner Augen leuchten einem Spiegelscherben entgegen. Carla muss sich enorm zusammenreißen, um ordentlich zu ermitteln und sich von früheren Erlebnissen lösen, welche auch Tochter Lana betreffen.

Als Leser wird man gleich mitten ins Geschehen geworfen und muss sich unter den Figuren erst einmal orientieren, denn langatmige Einleitungen oder Personenvorstellungen gibt es hier nicht. Dafür darf man Eintauchen in ein lebendiges Geschehen und die Sichtweise von Mutter und Tochter auf einen außergewöhnlichen Kriminalfall. Dass Carla ein Alkoholproblem hat und die Tochter extremst feinfühlig ist, verleiht dem Ganzen einen besonderen Anstrich, sodass dieser Krimi sich gut abhebt von anderen Vertretern dieses Genres. Auch die Handlung selbst ist gut verständlich und logisch aufgebaut, liefert interessante Details und authentische Charaktere. Einige Wendungen bringen Spannung ins Geschehen und schließen den Fall letztendlich glaubhaft ab. Aber – ein Anruf im letzten Moment weckt des Lesers Neugierde, denn die private Seite der Geschichte verlangt nach einer Fortsetzung!

Ein schöner und stimmiger Auftakt dieser Krimireihe mit einer etwas eigenwilligen Kommissarin und ihrer Tochter, die nicht unwesentlich zum Erfolg beiträgt. Mir hat‘s Spaß gemacht, ich lese gleich bei Teil 2 weiter.