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Veröffentlicht am 05.05.2025

Schuld oder Vergebung

Maikäferjahre
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Dresden 1944. Gottlieb Baumgartner ist Violinist bei der Sächsischen Stadtkapelle und fürchtet um seinen "Jahrhundertgeiger" Adam Loewe, der als Halbjude auf der Liste der Deportierenden steht. Der Krieg ...

Dresden 1944. Gottlieb Baumgartner ist Violinist bei der Sächsischen Stadtkapelle und fürchtet um seinen "Jahrhundertgeiger" Adam Loewe, der als Halbjude auf der Liste der Deportierenden steht. Der Krieg hat ihm bereits seinen ältesten Sohn Siegfried genommen. Sein jüngerer Sohn Tristan ist Kampfpilot und dessen Zwillingsschwester Anni ist hochschwanger und wartet auf die Rückkehr ihres Mannes Fritz, von dem sie seit Monaten keinerlei Lebenszeichen mehr erhalten hat. Die äußerst musikalische Familie ist politisch zweigeteilt. Während Gottliebs Frau Friederike Baumgartner dem Gedankengut Adolf Hitlers einiges abgewinnen kann und auch der bereits gefallene Siegfried begeistert in den Krieg gezogen ist, sind vor allem Anni und ihr Vater nicht begeistert von der Herrschaft der Nationalsozialisten. Deshalb schmiedet Annis Vater einen gewagten Plan, um das Leben seines talentierten Schützlings zu verschonen.
Doch dann bombardieren die Engländer Dresden und Anni verliert alles - bis auf Töchterchen Clara und die Geige ihres Vaters. In ihrer dunkelsten Stunde trifft sie auf Adam und gemeinsam flüchten sie aus Dresden, welches in Schutt und Asche liegt.
Tristan gerät bei der Bombardierung von Portsmouth in Beschuss, wird schwer verletzt, kommt ins Lazarett und anschießend in Kriegsgefangenschaft. Einzig der Gedanke an seine Zwillingsschwester Anni und die bezaubernde Krankenschwester Rosalie, lassen ihn um sein Leben kämpfen. Doch die Liebe zu Rosalie ist verboten und er ist der Feind im fremden Land....

Mehr will ich hier nicht verraten. Der Roman wird abwechselnd aus der Sicht von Anni und Tristan erzählt. Wir befinden uns in Deutschland, in Österreich und Großbritannien und erleben das Ende des Zweiten Weltkrieges mit. Doch die Anfeindungen gegenüber dem ehemaligen Feind und gegen einen Halbjuden hören nicht mit dem unterschriebenen Friedensvertrag auf. Die Anfeindungen der Tiroler Dorfgemeinschaft gegen Annis Begleitung, wie auch der ihrer Schwiegereltern, die auf die Rückkehr ihres Sohnes hoffen, lassen die Beiden spüren, wie unerwünscht sie sind. Wo können sie jemals einen Ort finden, der sie so annimmt, wie sie sind? Und ist das überhaupt möglich?
Härter trifft es Tristan, der als deutscher Kriegsgefangener in England dem Hass seiner ehemaligen Feinde ausgesetzt ist. Nur wenige lassen ihm Empathie und Solidarität spüren. Diese Menschen erfahren jedoch früher oder später dieselbe Abneigung, die Tristan entgegen gebracht wird.

Anni und Tristan hören nie auf, einander Briefe zu schreiben, auch wenn ihnen der Aufenthaltsort des anderen in den Wirren des Krieges nicht bekannt ist. Diese Briefe stehen vor einigen Kapitelanfängen und heben sich durch Schreibschrift ab.
Vor jedem Kapitel findet man eine Zeitangabe (Monat und Jahr) und diverse Schlagworte zum Fortschritt des Zweiten Weltkrieges in verschiedenen Regionen und Ländern. Nur der letzte Satz bezieht sich auf das Schicksal der Zwillinge.

Sarah Höflich erzählt eine sehr bewegende und emotionale Geschichte über Ausgrenzung, Hass, Konflikte und Zusammenhalt. Der Roman hat mich von Beginn an völlig in den Bann gezogen.
Durch den gefühlvollen Schreibstil fliegt man durch die Seiten, jedoch immer mit einer kleinen Anspannung und Furcht, was als Nächstes passieren könnte. Man fühlt mit den Protagonisten mit und erlebt ihre Gefühlswelt, Angst und Schrecken hautnah mit. Die vier gehen einen harten und steinigen Weg und wachsen über sich hinaus.

Warum ich zwischen 5 und 4 1/2 Sternen schwanke? Das Ende hat mich dann ein bisschen verloren zurückgelassen. Es schreit förmlich nach einer Fortsetzung.
Nachdem mich die Geschichte jedoch die ganzen 464 Seiten über in Bann gehalten hat, vergebe ich gerne 5 Sterne und hoffe, dass es eine Fortsetzung geben wird.

Fazit:
Ein emotionaler Roman über die Hoffnung und den Schrecken des Krieges; über Schuld und Vergebung. Sehr berührend und gefühlvoll erzählt. Man erhält das Gefühl, dass die Konflikte von heute aus diesen nicht abgeschlossenen Hass, der oftmals über Jahrzehnte oder noch länger schwelt und andauert, immer wieder neu entstehen. Macht nachdenklich! Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 19.04.2025

Familiengeschichte, die dunkle Geheimnisse aufdeckt

Die Erbin
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Claire Winter ist IMMER ein Garant für mich, denn sie schafft es jedes Mal mich mit ihren Romanen zu begeistern. So ist es auch mit ihrem neuesten Buch "Die Erbin", der morgen erscheint.

Berlin, 1957. ...

Claire Winter ist IMMER ein Garant für mich, denn sie schafft es jedes Mal mich mit ihren Romanen zu begeistern. So ist es auch mit ihrem neuesten Buch "Die Erbin", der morgen erscheint.

Berlin, 1957. Die einflussreiche Industriellenfamilie Liefenstein gehört zu den angesehensten Familien in Deutschland der fünfziger Jahre. Cosima, die zukünftige Erbin, setzt sich für bedürftige und alleinerziehende Frauen ein, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Kinder alleine großziehen müssen. Mit der Zustimmung ihres Großvaters Theodor gründet sie eine Stiftung für diese mittellosen Frauen. Ihrem Verlobten Alexander gefällt dies jedoch gar nicht und auch seine Eltern möchten sie nach der Hochzeit an der Seite ihres Sohnes wissen, um für ihn zu repräsentieren. Cosima hält nicht viel davon und beginnt ihre Verlobung zu überdenken. Als sie den Journalisten Leo Markgraf kennenlernt, der sie auf die Vergangenheit ihrer Familie anspricht, beginnt Cosima nachzuforschen. Sie hat keine Ahnung, was Leo andeuten will und versucht mehr über ihre Familie herauszufinden, was ihr Onkel Theodor zu verhindern versucht...

Der Roman erzählt die Familiengeschichte auf zwei Zeitebenen. Neben dem Ende der Fünfziger Jahre erhalten wir Rückblicke in die Zwischenkriegszeit. Bereits damals gehörten die Liefensteins zu den Reichen und Mächtigen. Zusätzliche Gewinne und die Erweiterung des Familienbetriebes sind die Ziele des Oberhauptes Wilhelm Liefensteins und seiner Söhne Theodor und Albert. Einzig Edmund, der jüngste Sohn und Vater von Cosima, fällt aus dem Rahmen. Er möchte Künstler werden und nicht in den Familienbetrieb einsteigen. Edmund stellt sich gegen die Ausbeutung der Arbeiter und als der Nationalsozialismus immer mehr aufkommt, steht er zu seinem jüdischen Freund David. Das bringt seinem Vater Wilhelm in Bedrängnis, der mit den Nationalsozialisten zusammenarbeitet. Als es in Berlin zu unruhig wird, zieht die Familie in die Nähe von Bonn, wo sie ein weiteres Herrenhaus besitzen. Die Seilschaften bleiben jedoch weiterhin aufrecht....bis es zu einer Tragödie kommt.

Die Handlung ist äußerst fesselnd aufgebaut. Man erkennt schnell, dass die Familie einige dunkle Geheimnisse und Machenschaften verbergen möchte, aber was genau damals alles passiert ist, liest sich wie ein Krimi. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und bin durch die Seiten nur so geflogen. Die menschlichen Schicksale gehen einem sehr zu Herzen.
Claire Winter zeigt mit der fiktiven Familie Liefenstein auf, wie viele Firmen und Konzerne Vorteile aus dem Los der Juden gezogen haben und nach dem Krieg für ihre Taten nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Trotz der Nürnberger Prozesse waren schon zuvor viele über die sogenannte Rattenlinie nach Südamerika geflüchtet.

Die Charaktere sind lebendig und wunderbar gezeichnet, haben Ecken und Kanten. Man fiebert mit ihnen mit und die damalige Stimmung wird wunderbar eingefangen. Es entsteht hervorragendes Kopfkino!
Am Anfang der Geschichte befindet sich ein Personenverzeichnis, welches hilft den Überblick zu behalten.

Die großartige Recherche und der wunderbare Schreibstil von Claire Winter macht auch "Die Erbin" zu einem Buch mit "Lieblingsbuch-Status"

Fazit:
Auch der neue Roman von Claire Winter ist wieder ein Highlight geworden und zieht neben ihren anderen großartigen Büchern in mein Highlight-Regal ein. Für jeden, der gut recherchierte zeithistorische Geschichte liebt, ist dieser Roman eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 10.04.2025

Ein Highlight!

Wie Risse in der Erde
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Wow, was für ein Buch! Ich bin noch ganz gefangen von dieser Geschichte, die mich richtig überwältigt zurückgelassen hat.
"Wie Risse in der Erde" wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Wir sind in England im ...

Wow, was für ein Buch! Ich bin noch ganz gefangen von dieser Geschichte, die mich richtig überwältigt zurückgelassen hat.
"Wie Risse in der Erde" wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Wir sind in England im Jahr 1955. Beth ist siebzehn Jahre alt und verliebt sich, im Sommer bevor sie nach Oxford studieren gehen möchte, in den reichen und charismatischen Gabriel. Ihre gemeinsame Liebe zur Literatur und dem Gefühl den Seelenmenschen gefunden zu haben, zerbricht jedoch nach dem gemeinsam Sommer.

Jahre später ist Beth glücklich mit Frank verheiratet. Er hat sie bereits in der Schule angehimmelt und Beth nach der Trennung von Gabriel aufgefangen. Gemeinsam mit ihm, dessen Bruder Jimmy und deren Vater David, lebt sie auf einer Schaffarm abseits des kleinen Ortes Hamston in Dorset. Ihr Leben hat sich in eine völlig andere Richtung entwickelt, als sie es sich als Siebzehnjährige erträumt hat. Trotz eines schweren Verlustes während ihrer Ehe, überstehen Frank und Beth diese Belastungsprobe. Doch dreizehn Jahre nach der Sommerromanze zieht Gabriel, mittlerweile erfolgreicher Autor, mit seinem Sohn Leo zurück nach Meadowland, dem Herrenhaus seiner Eltern. Er ist geschieden, seine Ex-Frau lebt in den USA und seine Mutter ist nach Australien gezogen. Bald laufen sich Beth und Gabriel wieder über den Weg, denn die Farm und das Herrenhaus liegen praktisch nebeneinander. Die alte Anziehungskraft flackert wieder auf und scheint noch immer zu bestehen - bis es zu einer furchtbaren Tragödie kommt....

Die Geschichte wird aus der Sicht von Beth erzählt und ist in fünf Teile untereilt. Dabei gibt es Kapitel von früher, von heute und einem Gerichtsprozess. Die Spannung baut sich von der ersten Seite bis zum Ende hin konstant auf. Die unterschwellige Bedrohung ist jederzeit fühlbar und wird von der Autorin raffiniert in Szene gesetzt. Bis zum letzten Drittel weiß man nicht, wer wegen Mordes vor Gericht steht und wer ermordet wurde. Dies wurde ganz großartig von der Autorin in Szene gesetzt!
Trotz der Tragödien, die Beth und ihre Familie erleiden, bleibt die Geschichte hoffnungsvoll. Am Ende gibt es noch einen weiteren Twist, mit dem man nicht rechnet und der vieles in einem anderen Licht erscheinen lässt. Man versteht daraufhin einige Sequenzen, bei denen man zuvor eventuell den Kopf geschüttelt hat.

Selten habe ich die Charakterbeschreibungen in einem Roman so gefühlt, wie in diesem von Clare Leslie Hall. Vor allem Beth und ihre innere Zerrissenheit hat mich emotional sehr berührt. Ich habe mit ihr mitgelitten und habe ihren tragischen Verlust in der Vergangenheit gefühlt, der wahnsinnig schmerzt. Den Figuren wurde Leben eingehaucht und man hat das Gefühl hautnah im Geschehen zu sein.
Auch die Natur- und Landschaftsbeschreibungen sind wundervoll dargestellt und haben meine Fantasie angeregt. Trotzdem hatte ich immer irgendwie im Hinterkopf in den USA statt in England zu sein. Keine Ahnung warum!
Obwohl hier eine Dreiecksgeschichte dahintersteckt, was ich eigentlich nicht wirklich mag, ist diese nur ein Teil dieses Familiendramas. Hier geht es um so viel mehr!

"In einem einzigen finalen Augenblick kannst du ein ganzes Leben leben."
- Seite 9 -

Die Hinweise auf Delia Owens "Der Gesang der Flusskrebse" kann ich einerseits zustimmen, aber trotzdem ist dieser Roman wieder ganz anders.
Es ist eine Geschichte über Schmerz, Verlust, Sehnsucht, Hoffnung und über die unausweichlichen Konsequenzen unserer Entscheidungen, die oft ein Leben in einem kurzen Augenblick für immer verändern können.

Fazit:
Ein außergewöhnlicher und emotionaler Roman, der die Facetten des Lebens beschreibt. Eine starke Geschichte mit beeindruckenden Charakterbeschreibungen und dramatischen Entwicklungen. Für mich war "Wie Risse in der Erde" ein absolutes Highlight! Volle Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 04.03.2025

Tolle Geschichte für Jung und Alt

Lichterloh - Stadt unter Ruß
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In Rußstadt leben Cleo und ihre Schwester Gwynnie im Signalturm der Stadt. Ihre Eltern sind bei einem großen Feuer vor einigen Jahren gestorben. Die Stadt heißt nicht umsonst Rußstadt, denn die Kohle bestimmt ...

In Rußstadt leben Cleo und ihre Schwester Gwynnie im Signalturm der Stadt. Ihre Eltern sind bei einem großen Feuer vor einigen Jahren gestorben. Die Stadt heißt nicht umsonst Rußstadt, denn die Kohle bestimmt das Leben der Einwohner. Dementsprechend ist auch die Luftqualität. Sonne hat noch keiner der Einwohner je gesehen, denn der Himmel ist immer verdunkelt. Die Stadt liegt außerdem in einem Talkessel und umso tiefer die Menschen leben, umso schlechter ist die Luft.
Gwynnies Aufgabe ist es jeden Tag mit einer Signalfarbe den Rußgehalt zu bestimmen und weiterzugeben. Cleo arbeitet in einer Maschinenfabrik und liebt es Dinge zu reparieren. Es ist jedoch verboten, veraltete Maschinen wieder instand zu setzen, um diese wieder nutzen zu können. Denn nur die Schornsteinfeger dürfen Kamine kehren und Brände löschen, sowie Geräte kontrollieren und reparieren. Cleos Traum ist es selbst einmal Schornsteinfegerin zu werden, doch dieser Job wird vererbt und nur bestimmte angesehene Familien in Rußstadt dürfen den Beruf ausüben. Als die Parade der Schornsteinfeger stattfindet, bricht jedoch ein Brand in einer der ärmlichen Gegenden aus. Cleo hilft ohne Nachzudenken und löscht den Brand. Sie soll dafür schwer bestraft werden, denn es ist nur Schornsteinfegern erlaubt einzugreifen. Die Menschen sind empört und Tosca Liebkind, die oberste der Schornsteinfegergilde erkennt, wie beliebt Cleo bei den einfachen Leuten ist. Daher erlaubt sie ihr die Ausbildung zur Schonsteinfegerin, was vor allem der führenden Familie Glanzruß ein Dorn im Auge ist. Schafft sie die Prüfung allerdings nicht, verlieren Cleo und Gwynnie ihr Zuhause....

Der Schreibstil ist dem jugendlichen Leser angepasst. Die Autorin hat eine faszinierende und interessante Welt erschaffen, die ich mir sehr gut vorstellen konnte. Durch ihre detailgetreue und sehr bildhafte Beschreibung weckt sie Rußstadt vor meinen Augen zum Leben. Die Symbolik, die hinter dem Aufbau der Stadt und den verschiedenen Gesellschaftsschichten dargestellt wird, beinhaltet zusätzlich jede Menge Gesellschaftskritik. Denn die Industriellen, die ganz oben am Berg um den Talkessel wohnen, haben saubere Luft und unterdrücken mit der Macht der Kohle alle anderen in Rußstadt. Sie halten sie klein und unwissend. Jeder Fortschritt wird verboten und verfolgt. Einzig die Schornsteinfeger haben noch etwas mehr Rechte, als die gewöhnlichen Bürger.
Aber in der Geschichte geht es auch um Freundschaft, Zivilcourage und Umweltschutz. Cleo ist eine tolle Protagonistin, die nicht nur klug ist, sondern auch hilfsbereit. Mit ihrem Aufstieg zur Schornsteinfegerin erkennt sie einige gravierende Missstände und Lücken im System.

Zu erwähnen sind auch die liebevollen Illustrationen von Melanie Korte. Innerhalb der Klappe befindet sich außerdem noch ein toller Stadtplan.
Bei der Beschreibung des Buches steht unter anderem eine dystopische Young Adult Trilogie. Also Liebesgeschichte gibt es hier definitiv keine, was ich eigentlich immer mit einem YA Roman verbinde. Aber vielleicht verstehe ich das auch falsch...

"Lichterloh" hat für mich absolut zurecht 2022 den Literaturpreis der Hamburger Kulturbehörde im Bereich Kinder- und Jugendbuch gewonnen.
Der Epilog weckt bereits die Neugierde und Vorfreude auf den zweiten Band, der im Juli erscheinen wird.

Fazit:
"Lichterloh - Stadt unter Ruß" ist ein wunderbarer Auftakt einer Trilogie für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren, die aber genauso für junggeblieben Erwachsene passt, die gerne Dystopien lesen oder einfach eine tolle Geschichte erleben möchten.

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Veröffentlicht am 28.02.2025

Ärztin einer neuen Zeit

Lebensträume. Ärztin einer neuen Zeit
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Ganz besonders gefreut habe ich mich auf den neuen Roman von Svea Lenz alias Nicole C. Vosseler. Nach ihrer Stewardessen Dilogie war ich äußerst gespannt auf "Lebensträume", der mich auf eine Zeitreise ...

Ganz besonders gefreut habe ich mich auf den neuen Roman von Svea Lenz alias Nicole C. Vosseler. Nach ihrer Stewardessen Dilogie war ich äußerst gespannt auf "Lebensträume", der mich auf eine Zeitreise in die Sechziger Jahre führt.
Es ist das Jahr 1961 und Vicky studiert Medizin in Westberlin, lebt jedoch im Osten bei ihrer Mutter, die als OP-Schwester in der Charité arbeitet. Zukünftig als Ärztin im berühmten Krankenhaus zu arbeiten, ist auch Vickys Traum. Um die Studiengebühren bezahlen zu können, jobbt sie in einer Westberliner Fleischerei und pendelt jeden Tag zwischen Ost und West. Gemeinsam mit ihrem Freund Achim, der ebenfalls Medizin studiert, möchte sie ihre Zukunft gestalten. Doch dann wird im August 1961 über Nacht die Mauer gebaut und Vickys und Achims Träume zerplatzen wie eine Seifenblase. Die Berufsaussichten haben sich für die Beiden rasant geändert und so flüchten sie in den Westen. Doch Achim betätigt sich in Westberlin als Fluchthelfer und wird verhaftet.
Eine Rückkehr in den Osten ist Vicky als Republiksflüchtling nicht möglich und der Berufseinstieg gestaltet sich schwieriger als gedacht. Sie benötigt noch ihre Approbation, um als Ärztin arbeiten zu können. Eine Chance, die fehlenden Praxiseinheiten, die sie dafür noch benötigt zu bekommen, ist kaum möglich. Durch Zufall kommt Vicky zu einem Unfall auf der Flughafenautobahn zurecht und leistet perfekte Erste Hilfe. Daraufhin wird ihr vom hinzukommenden Arzt der Flughafenambulanz Frankfurt ein Job als Medizinalassistentin angeboten. Der Traum Chirurgin zu werden rückt damit in weite Ferne, doch Vicky benötigt dringend einen Job und sagt zu. Als einzige Frau in der Flughafenambulanz braucht sie jedoch eine harte Schale - vor allem gegen Pfleger Ansgar, der von weiblichen Ärztinnen so gar nichts hält. Aber auch Dr. Borkeloh scheint nicht wirklich begeistert zu sein, obwohl es an Ärzten und Pfleger wirklich mangelt und die Ausstattung in der Ambulanz alles andere als richtig professionell ist.

Ich habe sofort in die Geschichte gefunden und mit Vicky mitgefiebert, die in den zehn Jahren, die wir sie begleiten viele Hochs und Tiefs erlebt. Sie ist eine einfühlsame junge Frau, deren Traum durch den Mauerbau einen gewaltigen Riss bekommen hat. Zusätzlich vermisst sie Achim und hat keine Ahnung, was mit ihm geschehen ist und ob er noch lebt. In der Flughafenambulanz kann sie sich voll auf ihre Arbeit konzentrieren und alle anderen Gedanken ausschalten. Als Leserin ist man bei vielen Notfällen hautnah dabei. Durch die oftmals prekären Umstände in der Flughafenambulanz setzt sie sich für einen neuen Rettungswagen und später beim Umbau des Flughafens für eine erweitere Klinik ein. Sie hat Mut und versucht ihrem Lebenstraum näher zu kommen.

Die Figuren sind authentisch und haben Ecken und Kanten. Vicky ist eine kluge junge Frau, die sich nicht von ihren Zielen abbringen lässt. Sie ist in ihrer knappen Freizeit auch unentgeltlich als Gynäkologin im Rotlichtmillieu unterwegs und wird bald zur guten Freundin der Mädchen. Nicht zu vergessen, dass die Pille in Deutschland ab 1961 an verheiratete Frauen ausgegeben werden konnte und Vicky sich auch dazu Gedanken macht.

Svea Lenz hat den Zeitgeist wunderbar eingefangen. Die Bundesrepublik befindet sich im Wirtschaftsaufschwung. Die Sechziger Jahre erzählen aber auch von politischen Aufständen, wie dem Vietnamkrieg, den Auschwitzprozessen und den Studentenaufstände, dem Besuch von John F. Kennedy und den späteren Mordanschlag, sowie den Aufständen beim Besuch von Schah Reza Pahlawi. All diese historischen Themen hat Svea Lenz in ihren fiktiven Roman hineingepackt und wunderbar verwoben.

Über jeden Kapitelanfang steht ein Titel eines Liedes aus dieser Zeit, Sehr schnell hatte ich die Songs in den Ohren und summte fröhlich mit.

Fazit:
Wie schon bei meiner geliebten Dilogie um die Stewardessen, vergebe ich hier ebenfalls 5 Sterne für einen weiteren grandiosen Roman der Autorin. Eine Leseempfehlung!

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