Profilbild von Stillesen

Stillesen

Lesejury Star
offline

Stillesen ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Stillesen über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.05.2025

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Aschesommer
0

Woran erkennt man gute Thriller? Daran, dass man das Atmen vergisst beim Lesen. Benjamin Cors kann das. Das hat er schon mit „Krähentage“ bewiesen. Und mit „Aschesommer“ legt er nun eindrucksvoll nach ...

Woran erkennt man gute Thriller? Daran, dass man das Atmen vergisst beim Lesen. Benjamin Cors kann das. Das hat er schon mit „Krähentage“ bewiesen. Und mit „Aschesommer“ legt er nun eindrucksvoll nach – dieser Teil hat mir sogar noch besser gefallen als der erste.

Ein paar Monate nach den Ereignissen von Band eins stolpert die Sonderermittlungseinheit „Gruppe 4“ – zuständig für schwere Seriendelikte – über eine unscheinbare Todesanzeige. Und wieder beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Sie spüren gleich zwei Leichen auf und am Fundort macht eine mit Asche geschriebenen Botschaft klar, dass das Sterben weitergehen wird.

Mila Weiss und Jakob Krogh erzählen abwechselnd, auch der Täter kommt zu Wort. Das erzeugt Tempo und Tiefe, die Perspektivwechsel lassen einen ganz nah an die Figuren heran.

Es ist ein Fall, der in historische Bezüge eingebettet wird und diese Verbindung hat mir unheimlich gut gefallen. Die Täterfigur ist erfrischend anders. Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich nah beieinander. Allein das hat eine regelrechte Sogwirkung auf mich erzeugt.

Wo wir im ersten Teil Geheimnisse von Jakob erfahren haben, wird es nun für Mila persönlich. Deshalb empfehle ich die Bücher in chronologischer Reihenfolge zu lesen.

Benjamin Cors hat einen schnörkellosen, atmosphärischen und spannenden Sprachstil und der Fall ist klug konstruiert. Scheinbar mühelos steigert er von Kapitel zu Kapitel die Spannung. Das in Zusammenhang mit unvorhersehbaren Wendungen und einem Ende, das ich so nicht habe kommen sehen, macht den Thriller zu einem echten Highlight für mich!

Fazit: Benjamin Cors hat mit „Aschesommer“ nachgelegt – und wie! Für mich ist es, wie schon „Krähentage“, ein glasklares Fünf-Sterne-Buch. Intelligent konstruiert, gut erzählt, mit stetig steigender Spannung. Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Fall von Gruppe 4 und kann die Reihe nur empfehlen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.05.2025

Ein wunderbar illustriertes Sachbilderbuch über die Zusammenhänge des Lebens

LIFE – Die bunte Vielfalt des Lebens
0

Das Buch „LIFE – Die bunte Vielfalt des Lebens“ fällt sofort ins Auge: Zum einen ist es groß, zum anderen hat es wunderschöne und leuchtende Illustrationen auf dem Cover. Das Farbschema und der Zeichenstil ...

Das Buch „LIFE – Die bunte Vielfalt des Lebens“ fällt sofort ins Auge: Zum einen ist es groß, zum anderen hat es wunderschöne und leuchtende Illustrationen auf dem Cover. Das Farbschema und der Zeichenstil ziehen sich durch das gesamte Buch – farbenfroh und detailverliebt.

Und von den Illustrationen gibt es viele. Kein Wunder: Jennifer Smith, die Autorin, hat alle Bilder selbst gezeichnet – sie ist eine preisgekrönte Künstlerin, und das sieht man auf jeder Seite.

Doch das Buch ist nicht nur ein Fest fürs Auge, sondern auch ein Schatz an Wissen. Seite für Seite erklärt es den Ursprung und die Artenvielfalt des Lebens auf unserem Planeten – kindgerecht, aber niemals banal. Ich habe beim Vorlesen selbst einiges dazugelernt: Was sind Habitate? Welche Biome gibt es? Wie begann alles Leben, wie funktioniert genetische Vielfalt, wer nutzt wem – und was können wir für die Artenvielfalt tun?

Was mich besonders beeindruckt hat: Die Autorin schafft es, große ökologische Zusammenhänge so zu erzählen, dass sie verständlich und greifbar werden. Und über allem steht die zentrale Botschaft: Alles Leben auf der Erde ist miteinander verflochten.

Am Ende des Buches gibt es ein hilfreiches Glossar, das wichtige Fachbegriffe noch einmal erklärt – eine schöne Ergänzung, die auch größeren Leser:innen Orientierung gibt.

Fazit:
Ein wunderbar illustriertes Sachbilderbuch, das Wissen liebevoll verpackt und zum Staunen einlädt. LIFE macht sichtbar, wie wertvoll unsere Vielfalt ist – und warum es sich lohnt, sie zu schützen. Eine große Empfehlung für große und kleine Entdeckerherzen. 5/5 Sternen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.05.2025

Von Enden und Neubeginnen

Das Versprechen eines Sommertags
0

"Liebesgeschichten im Alltag haben unterschiedliche Happy Ends. Manche dauern ein ganzes Leben, überstehen jeden Sturm, und andere enden mit Respekt und hoffentlich Freundschaft." (S. 419)

„Das Versprechen ...

"Liebesgeschichten im Alltag haben unterschiedliche Happy Ends. Manche dauern ein ganzes Leben, überstehen jeden Sturm, und andere enden mit Respekt und hoffentlich Freundschaft." (S. 419)

„Das Versprechen eines Sommertags“ von Elena Sonnenberg ist nicht nur ein Roman über den Sommer, sondern einer über das Leben – in all seinen Farben, Brüchen und Möglichkeiten.
Isabelle ist Anfang 40, Mutter, Ehefrau – und an einem Punkt im Leben, an dem vieles leise zerbricht. Ihre Ehe mit Stefan ist längst erkaltet, das Miteinander nur noch Fassade für ihre beiden Kinder. Der gemeinsame Familienurlaub auf Mallorca, auf der Finca ihrer Eltern, soll Abwechslung bringen. Stattdessen bringt er Klarheit.

Denn dort trifft Isabelle nicht nur ihre Familie – darunter ihren Bruder und ihre Eltern, die kurz davor stehen, fünfzig Jahre Ehe zu feiern –, sondern auch Ben, den Mann, mit dem sie einst den Sommer ihres Lebens verbrachte. Und während die Vorbereitungen für die goldene Hochzeitsfeier laufen, beginnt in ihr das große Sortieren: Was war? Was ist? Was darf noch werden?

Eine besonders zarte, ehrliche Linie zieht sich durch den Roman: die Vater-Tochter-Beziehung. Die Gespräche mit ihrem Vater, seine liebevollen Gesten, sein Blick auf die Dinge – sie geben Isabelle Halt, aber auch die Erkenntnis, dass ihr Vater nicht unsterblich ist. Zentrale Rolle spielt dabei auch das Auto Ihres Vaters, ein alter Triumph Stag.

Elena Sonnenberg gelingt es „Das Versprechen eines Sommertags“ mit einem flüssigen Sprachstil und solcher Wärme zu erzählen, dass man Isabelle fast wie eine alte Freundin begleitet.

Die Beschreibungen Mallorcas sind wie eine liebevolle Umarmung: das Licht, das Essen, die Gerüche - es fühlt sich an wie ein Kurzurlaub. Und auch wenn Herzklopfen seinen Platz hat, steht nicht nur die Liebe im Vordergrund, sondern auch, dass es manchmal besser ist den Kompass neu auszurichten und sich selbst treu zu bleiben – auch wenn es unbequem ist.

Fazit:
Ein melancholisch-schönes Sommerbuch über Abschiede, Aufbrüche und das, was zwischen all dem liegt. Mit viel Gefühl und einem tiefen Verständnis für Lebenswahrheiten erzählt Elena Sonnberg von der Kunst, loszulassen – und dabei sich selbst wiederzufinden. Für mich: eine berührende Herzenslektüre, der ich die volle Punktzahl gebe: 5/5 Sternen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.05.2025

Zwischen Anpassung und Aufbruch

Evil Eye
0

Es gibt Bücher, die liest man durch – und dann gibt es Bücher, die graben sich in einen hinein. Evil Eye gehört für mich ganz klar zur zweiten Sorte. Dieses Buch hat mich nicht nur beschäftigt, es hat ...

Es gibt Bücher, die liest man durch – und dann gibt es Bücher, die graben sich in einen hinein. Evil Eye gehört für mich ganz klar zur zweiten Sorte. Dieses Buch hat mich nicht nur beschäftigt, es hat mich durchgeschüttelt, aufgewühlt, nachdenklich gemacht. Ich habe es an einem Wochenende gelesen – und Tage später noch über Yara nachgedacht.
Yara ist palästinensisch-amerikanisch, Mutter zweier Töchter, Ehefrau. Jeden Abend steht sie in der Küche, zaubert köstliches Essen, wartet auf ihren Mann. Sie funktioniert. Außen wirkt alles rund. Doch innen ist da diese Unruhe. Diese Müdigkeit. Diese Sehnsucht nach etwas anderem – etwas Eigenem. Sie arbeitet halbtags an der Uni, obwohl sie das eigentlich gar nicht „müsste“. Ihr Mann und ihre Schwiegermutter betonen das gerne. Und dass sie sich um die Kinder zu kümmern hat. Klar. Alles andere wäre ja… auffällig.
Und dann passiert etwas auf der Arbeit. Ein Vorfall, der sie zwingt, sich Hilfe zu holen. Psychologische Hilfe – nicht unbedingt gern, aber nötig. Und plötzlich wird da etwas aufgebrochen. Nicht nur in ihr, sondern auch in ihrer Familiengeschichte. Sie beginnt zu hinterfragen. Wer sie ist. Wer sie sein darf. Und warum es ihr so schwer fällt, Wut zuzulassen. Oder Freiheit.
Evil Eye ist ein eindrucksvoll erzähltes Buch über die Schwere von Erwartungen. Über die Kraft – und Last – von Mutterschaft. Und über den unaufhörlichen Kampf gegen die Stimmen im Kopf, die einem sagen, man sei nicht genug – oder zu viel. Es ist die Geschichte einer Frau, die den leisen Aufstand probt. Die begreift, dass Traumata nicht einfach verschwinden. Dass sie weitergegeben werden können. Dass sie vielleicht erst viel später ihre ganze Wucht entfalten.
Etaf Rum schreibt dabei mit einer Intensität, die weh tut. Es ist keine laute Geschichte. Keine mit großen Gesten. Aber eine, die bleibt. Die in Wellen kommt. Und mit jeder Seite mehr Tiefe gewinnt.
Die deutsche Übersetzung von Heike Reissig ist herausragend. So feinfühlig und klar – sie trägt genau das weiter, was das Original vermutlich auch geleistet hat: Gefühle spürbar machen.
Ich habe beim Lesen oft Wut gespürt. Über das, was Yara sich gefallen lassen muss. Über das, was sie sich selbst nicht erlaubt. Und ich habe gleichzeitig Bewunderung empfunden. Für diesen stillen Mut. Für diesen Wunsch, es anders zu machen. Für sich. Und für die Töchter.
Evil Eye ist keine leichte Lektüre – aber eine wichtige. Eine, die ein Licht auf all das wirft, worüber oft geschwiegen wird. Über das, was eine Frau sein soll. Und das, was sie vielleicht lieber wäre.
Ein Buch, das bleibt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.05.2025

Ein Leben im Schatten der Geschichte – und doch voller Licht

Um jeden Preis
0

Ich habe jetzt schon einige Tatsachenromane von Hera Lind gelesen – und jedes Mal denke ich: Das kann man doch gar nicht erlebt haben. Und doch sind es wahre Geschichten, aufgeschrieben mit Respekt und ...

Ich habe jetzt schon einige Tatsachenromane von Hera Lind gelesen – und jedes Mal denke ich: Das kann man doch gar nicht erlebt haben. Und doch sind es wahre Geschichten, aufgeschrieben mit Respekt und Tiefe. „Um jeden Preis“ hat mich besonders bewegt.
Im Mittelpunkt steht Lydia, die 1944 als sechzehnjähriges Mädchen aus einem deutschen Dorf bei Odessa vor der Roten Armee flieht. Allein diese Vorstellung – mit nichts als dem Mut der Verzweiflung auf der Flucht – ist kaum greifbar. Lydia und ihre Familie schaffen es tatsächlich nach Deutschland. Doch es ist kein Ende, sondern ein Anfang: Sie werden zurückgeholt. Und was dann folgt, ist ein nie enden wollender Albtraum: Sibirien. Zwangsarbeit. Hunger. Kälte. Und immer wieder: das Festhalten am Leben. Am Glauben. An der Familie.
Tatsächlich musste ich beim Lesen immer wieder innehalten, um das Gelesene zu verarbeiten. Was mich so beeindruckt hat: Lydia verliert nie ihren inneren Kompass. Ihr Leitsatz – unbedingt zusammenbleiben – zieht sich durch ihr ganzes Leben. Trotz aller Unmenschlichkeit hält sie an dem fest, was zählt: Familie, Würde, Hoffnung.
Hera Lind erzählt Lydias Geschichte mit großer Einfühlsamkeit, ohne Pathos, aber mit spürbarer Achtung. In klarer, schnörkelloser Sprache erzählt sie nicht nur von Leid, sondern vor allem von unerschütterlicher Menschlichkeit. Besonders schön fand ich, dass Lydia selbst ihre Lebensgeschichte aufgeschrieben hat – und dass ihre Familie nach ihrem Tod das Tagebuch an Hera Lind geschickt hat. Da, wo das Tagebuch endet, kommen ihre Verwandten zu Wort und erzählen die Reise weiter.
Linds Schreibstil ist gewohnt einfühlsam und detailreich. Sie schafft es, die Leser:innen mitten in das Geschehen zu ziehen, die Kälte Sibiriens spürbar zu machen und die emotionale Belastung der Protagonistin greifbar darzustellen. Der familiäre Zusammenhalt, der sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht, ist besonders berührend.
Ein zutiefst bewegendes Buch über Stärke, Leid und die Kraft der Liebe. Es ist ein wichtiges Zeitzeugnis, das die Schicksale vieler Russland-Deutscher beleuchtet. Wer Geschichten sucht, die Mut machen und Erinnerungen wachhalten, sollte „Um jeden Preis“ unbedingt lesen.
Mich hat Lydias Geschichte noch lange nach dem Zuklappen des Buches begleitet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere