Ein Virus verändert die Welt - Vergangenheit trifft auf Dystopie
All Better NowShusterman ein Autor, der weiß wie man Dystopien schreibt und die Menschheit in eine Zukunft bringt, weit weg unserer Vorstellungskraft und auf der anderen Seite so realistisch und nah an unserer Zeit ...
Shusterman ein Autor, der weiß wie man Dystopien schreibt und die Menschheit in eine Zukunft bringt, weit weg unserer Vorstellungskraft und auf der anderen Seite so realistisch und nah an unserer Zeit wie nur möglich.
Mit All Better Now hat er eine neue Reihe geschaffen, die genauso viel Erfolg haben kann, wie er mit »Scythe« gesammelt hat. Denn was ist spannender als eine Zukunft, mit einigem aus unserer wahren Vergangenheit und einem Blick auf die derzeitige Gegenwart.
Wir werden direkt in das harte Leben von Muriel geworfen, die mit ihrer Mutter auf der Straße lebt. Von der Hand in den Mund, stehen sie vor der Herausforderung ihr Auto zurückzuerhalten und dabei nicht negativ aufzufallen. Wir erfahren früh das Muriel, mit ihren jungen Jahren schon sehr bodenständig ist und um die Probleme, die sie hat, weiß und dass es nicht immer so weiter gehen kann. Ihre Mutter leugnet die aktuelle Pandemie und hält diese für ungefährlich. Das gerade sie, mit ihrem Long Covid, eine andere Erfahrung gemacht hat sollte sie eigentlich weiser sein lassen, ist sie aber nicht.
Dann ist da Rón, als Sohn eines sehr reichen Vaters, der mit den digitalen FFP-Masken ein Vermögen gemacht hat und nicht als Vater des Jahres in die Geschichte eingehen wird. Geld ist neunmal dicker als Blut.
Dann haben wir da die junge Absolventin Morgan Willmon-Wu. Sie hat eine Einladung zu einem Praktikum bekommen, welches noch ihr Leben und von vielen anderen da draußen verändern wird.
Wir leben in einer Welt, in der die Pandemie Crown Royal nach und nach ihren Weg findet. Besonders schwer betroffen sind Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes einer Farbenblindheit der Farbe Blau. Viele sterben, aber auch sehr viele genesen. Und die „Genesenen“ sind nun verändert. Sie sind glücklicher, zufriedener, hilfsbereiter. Sie sehen keinen Grund sich zu stressen, ärgern sich nicht mehr über Kleinigkeiten und erfreuen sich des Lebens und wollen Gut sein und anderen Helfen. „Warum sollte er sich in seiner hellen, schattenlosen Welt wegen irgendwas Sorgen machen?“
So erkrankt ganz am Anfang des Buches Muriels Mutter und sie bringt sie in ein Auffanglager für Erkrankte von CR. Dort trifft sie auf Ron, der sich nicht von seinem Vater zwingen lassen wollte in Isolation zu gehen. Es kommt jedoch anders als für alle erwartet. Muriels Mutter stirbt, Ron erkrankt schwer am Virus und überlebt. Er ist nun anders als vorher und Muriel, die kann gar nicht glauben, dass für sie sich nichts ändern soll. Doch das gemeinsame Leben vor Ort soll nicht lange halten. Denn schon nach kurzer Zeit wird die Jagd auf Ron durch dessen eigenen Vater gestartet. Und auch Muriel wird eine sehr tragende Rolle in der Entwicklung der Geschichte und im Bezug auf den Virus erhalten.
Die „Genesenen“ verspüren den Drang, allen zu helfen. Und das kann man ganz klar, in dem einfach alle diese Befreiung, diese Umarmung, erfahren. Also wollen diese Menschen den Virus verbreiten. Nicht weil sie böse sind, sondern weil sie nun spüren wie viel besser es ist. Und auch Ron verspürt diesen Drang. Doch Muriel muss ihn nur bitten es nicht zu tun und sofort lässt er es sein. „Denn er war eigennützig.“ Jedoch fällt ihm dies in der Geschichte nach und nach schwerer Menschen diese Hilfe nicht zu geben: „Aber der Schmerz, ihn in seiner einsamen Ecke liegenzulassen, war für Rón fast unerträglich.“
Die Geschichte gibt einem das Gefühl, dass viele Monate vergehen, da verschiedene Charaktere ihre eigene Perspektive schildern, mehrere Erzählstränge gleichzeitig spielen und wir verschiedene Seiten des Virus sehen. Wir sehen, wie glücklich die Menschen werden, wie ängstlicher die, welche um keinesfalls eine Ansteckung erleben wollen. Wir erleben den Kampf der Genesenen Ihr Glück zu verbreiten und sehen die andere Seite, welche es beenden will. Sie ist auf eine besondere Art Actionreich und hat zugleich so viele Momente mit langen Dialogen, wo man zum Nachdenken angeregt wird. Wir erleben Rückblicke in Gesprächen und Erinnerungen wie hart Corona die Welt getroffen hat und wie die neue Pandemie das Leben erneut verändert. Wie viel schneller die Welt nun reagiert und zugleich, wie offen viele für die Geschehen sind.
Die Charaktere sind von Grund auf verschieden, sind tiefschichtig und man entdeckt immer neue Seiten an ihnen und man weiß nie, ob man sie wirklich sieht oder auf ihre digitale Maske, welche ein Lächeln vortäuscht, und dahinter ist ein Wutverzerrtes Gesicht oder die Trauer in den tiefhängenden Mundwinkeln.
Shusterman sticht aber auch ins Fleisch der Leser, in dem er ihnen die Chance gibt zu entscheiden, ob sie ein Leben mit der breiten Palette an Gefühlen haben wollen oder das Glück und die Leichtigkeit erleben wollen. Wo selbst der Verlust eines geliebten Menschen ohne Tränen hingenommen wird, denn es wird schon richtig so sein.
Ich finde das Buch trotz seiner Länge und gewissen Wiederholungen als wirklich gut und werde auch den zweiten Teil lesen. Wer keine Angst hat, sich mit dem Thema Verlust, Pandemie, Veränderung und Tod auseinander zu setzten und auch mit dem Blick in eine Zukunft wo ein Virus wie Crown Royal, wenn auch in anderer Wirkung wiederkommen könnte, solle diese Dystopie unbedingt lesen.
Zu guter Letzt, so gab es eine Aussage, die mich sehr hart mitgenommen hat und zeigt mir auch, wie sehr er ein Kritiker gegenüber derer ist, welche Corona zu einfach hingenommen haben und als einfache Grippe abgestempelt haben:
„Am Ende sind es nicht sie (die Genesenen / die Toten), die leiden, denn in der Pandemie trifft das große Leid die Hinterbliebenen. Jene, die trauern müssen.“