Cover-Bild Lanny
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Kein & Aber
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 224
  • Ersterscheinung: 11.03.2019
  • ISBN: 9783036957937
Max Porter

Lanny

Uda Strätling (Übersetzer), Matthias Göritz (Übersetzer)

Ein kleines abgelegenes Dorf. Es gehört den Menschen, die dort leben, ihren Freuden und Sorgen, ihrem Alltag und ihren Legenden. Doch es gehört auch dem mythischen Altvater Schuppenwurz, der aus seinem Schlaf erwacht ist, dem dörflichen Treiben zusieht und lauscht, immer auf der Suche nach seiner Lieblingsstimme: der Stimme von Lanny.

Der neue Roman von Max Porter ist eine bewegende Warnung davor, was wir zu verlieren haben, und eine Hymne an alles, was wir nie ganz verstehen werden.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.09.2019

ein märchenhaftes Kunstwerk

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Altvater Schuppenwurz wacht mal wieder recht launisch und leicht gereizt aus seinem Nachmittagsschlaf auf. Ein paar Traumfetzen hängen noch in seinen Gedanken, er schrumpft und erlabt sich an den Gesprächsfetzen ...

Altvater Schuppenwurz wacht mal wieder recht launisch und leicht gereizt aus seinem Nachmittagsschlaf auf. Ein paar Traumfetzen hängen noch in seinen Gedanken, er schrumpft und erlabt sich an den Gesprächsfetzen und Gedanken der Dorfbewohner. Er freut sich über jeden einzelnen Laut und ganz besonders über die Stimme eines ganz bestimmten Jungen. Lanny. Er ist ein ganz besonderes Kind, voller Fragen, unvoreingenommen und neugierig. Und anscheinend auch einer der wenigen, die noch an die mythische Gestalt des Altvater Schuppenwurz glauben. Alles könnte so toll sein, so anders und doch beginnt dann mit Lanny's plötzlichem Verschwinden eine Tragödie, die ein ganzes Dorf bewegt, Vorurteile bestärkt und Hoffnungen auf die Probe stellt...


Es gibt so Bücher, die haben einen ganz besonderen 'Zauber'. Und so ist es dann auch mit Lanny von Max Porter um mich geschehen. Lanny hat mich persönlich anders getroffen ,als erwartet und gerade deshalb finde ich es toll. Märchen begeistern mich bereits seit meiner Kindheit. Natürlich sind die neu verfilmten/aufgelegten Märchen oftmals um Längen niedlicher, kinderfreundlicher und weniger blutrünstig als ihre damaligen Vorgänger, aber ihnen ist im Laufe der Zeit die enorme Aussagekraft und die Hoffnung, dass sich alles noch zum Besten wenden wird, erhalten geblieben. Und irgendwie finde ich auch bei diesem Buch den Vergleich mit einem Märchen recht passend. So dachte ich beim Lesen ständig an eine Mischung aus Das kalte Herz und Schneeweißchen und Rosenrot. Wahrscheinlich weil es auch in beiden ein Männchen gibt, das so klein, grantig und doch von der Menschheit so abhängig ist. Altvater Schuppenwurz ist so eine ähnliche Figur, die von den Menschen aus dem Dorf vergessen wurde und aus dem einstig mächtigen, angsterregenden Männchen wird ein Nichts (um nicht Witzfigur zu sagen).

Die ganze Geschichte um Lanny ist teilweise zwar etwas verwirrend, aber gerade das macht die Faszination dann auch wieder aus. Das Buch ist insgesamt recht künstlerisch und daher sollte man es auch etwas freier betrachten. Die Wortfetzen der Menschen, die Schuppenwurz erreichen, sprengen den gewöhnlichen Satzspiegel und fliegen kreuz und quer durch die Seiten. Während es jedoch im ersten Teil noch eine genaue Zugehörigkeit gibt, so verschwimmt das Erzählte immer mehr. Im zweiten Teil ist der Text eher als eine Aneinanderreihung verschiedener Gedanken und Fragmente zu sehen, bis dann im Dritten eine gedankliche Herausforderung erkennbar wird. Es ist die Frage, ob Traum oder Wirklichkeit, ob Zauber Schuppenwurz's oder alles doch einzig reine Einbildung ist. Im Klappentext heißt es so schön, dieser Roman sei "eine bewegende Warnung davor, was wir zu verlieren haben, und eine Hymne an alles, was wir nie ganz verstehen werden." Besser könnte ich es nicht formulieren. Es beschreibt die zwei unterschiedlichen Bilder, von Menschlichkeit und Aberglaube. Lanny scheint etwas zurückgeblieben, anders und einzigartig zu sein, er kann sich für ganz andere Dinge begeistern und hinterfragt vieles, so ganz natürlich. Schuppenwurz symbolisiert für mich etwas sehr altes, was in Vergessenheit geraten ist und die Menschen doch auch weiterhin begleitet und lenkt. In wie weit etwas geschehen, vorstellbar und real ist, ist dabei gänzlich unwichtig. Dieses Buch ist ein Ausflug, eine künstlerische Auseinandersetzung teilweise genauso fraglich wie Zufälle und das Leben selbst.

Vorurteile, Verbindungen, Besonderheiten, Liebe, Hoffnungen, Menschlichkeit, Alltägliches, Verlust, Manipulation... die Liste könnte ich ewig fortsetzen und alles sind Themen, die in diesem Roman kritisch bis lehrreich aufgeworfen werden. Max Porter schafft es mit wenigen Worten Bilder zu erzeugen und Gedanken in Gang zu setzen für die andere hunderte Seiten benötigen. Dieser Roman ist eine Kritik an der Zivilisation und irgendwie auch eine Hommage an die Besonderheit jedes Einzelnen und den Glauben als solches.
Am liebsten würde ich es nun jedem einzelnen von euch aufdrängen wollen, doch das wäre falsch. Zumindest fürchte ich, dass gerade diese Verwirrung und der Aufbruch des klassischen Rasters für viele eine große Hürde darstellen und diese die Freude trüben würde. Für mich war es ein großartiges Buch, doch ich sehe es eher als Kunst. Und so wird dann auch ein grünes Bild für manche nur ein grünes Bild bleiben, für andere ist es jedoch das pure Leben.

Veröffentlicht am 10.06.2019

Genial, sprachgewaltig und ein echtes Must-Read – der zweite Streich des Wortmagiers ist da!

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2018 machte Max Porter mit seinem Debütroman “Trauer ist das Ding mit Federn” ganz schön Furore in meiner Bubble – einigen war der Stil jedoch zu derb, zu zerhackstückelt, für wieder andere (mich eingeschlossen) ...

2018 machte Max Porter mit seinem Debütroman “Trauer ist das Ding mit Federn” ganz schön Furore in meiner Bubble – einigen war der Stil jedoch zu derb, zu zerhackstückelt, für wieder andere (mich eingeschlossen) war Porters dünner Roman ein Feuerwerk, ein frischer Wind in der festgefahrenen Belletristik, die ich um diese Zeit herum gelesen habe. Porters Debüt handelte von den ältesten Themen der Zeit: Liebe und Tod. Nun ist letzten Monat Max Porters neuer Roman “Lanny” erschienen, der erneut ein fulminantes Erzähltempo vorlegt und als wahres Fest zwischen den ganzen Neuerscheinungen heraussticht. Und ebenso wie sein Vorgänger die grundlegenden Themen der Menschheit anspricht. Doch von vorne: Es geht um den titelgebenden Lanny, ein schrulliger, sprachbegabter Junge, der sich ständig im Singsang mit sich selbst und der Natur befindet und furchtlos die höchsten Bäume erklimmt. Lannys Mum, die Krimiautorin ist, kommt die wunderbare Idee, dass Lanny doch bei dem 80-jährigen Pete, dem eigenbrötlerischen Künstler des Dorfs, doch ein paar Stunden Kunstunterricht nehmen könnte. Aus dieser zunächst merkwürdig anmutenden Idee – kam Pete doch in das Dorf, um sich zurückzuziehen – entsteht eine unerwartete Freundschaft zwischen ihm und Lanny. Die beiden sind gut füreinander und Lanny lernt nicht nur das grundlegende Kunsthandwerk, sondern auch einiges über das Leben – Pete hat schließlich bereits einige Jährchen hinter sich. Doch spätestens, als Lanny plötzlich verschwindet, wird gemunkelt, diese Freundschaft wäre unnatürlich; ein vermeintlich Schuldiger ist schnell gefunden.

"Ich denke an mein schlafendes Baby nebenan. Oder vielleicht schläft Lanny gar nicht. Vielleicht tanzt er im Garten mit Elben oder Kobolden. Wir nehmen an, dass er wie jedes normale Kind schläft, aber er ist kein normales Kind, er ist Lanny Greentree, unser kleines Enigma."

Obwohl “Lanny” sich von Max Porters erstem Roman von der Geschichte her unterscheidet, greift der Autor hier wieder zu bereits bekannten Themen und setzt sie mit seiner bewährten, wunderbaren Schreibtechnik um. Leser werden sich an die Trennung der verschiedenen Perspektiven bzw. Bewusstseinsströme von “Trauer ist das Ding mit Federn” erinnern, an die Erzählstimme eines Kindes und die oftmals explizite Sprache, die abstoßende Dinge beschreibt (»[…] dann schrumpft er, schlitzt sich mit einer rostigen Dosenlasche einen Mund, saugt eine nasse Haut aus saurem Mulch und saftigen Würmern an«). Die elterliche Liebe, der Wunsch, zu beschützen, all das findet sich in “Lanny” wieder. Sogar die Rolle der Krähe, die in Porters Debüt über die Familie wacht, bekommt ihren Auftritt in “Lanny”: als Altvater Schuppenwurz, dem nicht so freundlichen Wald- und Dorfgeist, der unter/über/in “seinem” Dorf alles hört, sieht und schmeckt, was sich dort so abspielt. Altvater Schuppenwurz lässt den Leser all die Gesprächsfetzen des Dorfes hören, das nach außen ganz friedlich wirkt, im Inneren jedoch den üblichen Tratsch und die Hetzereien liefert. Der Bewusstseinsstrom von Schuppenwurz wird im Buch auf eine besondere Art und Weise dargestellt, die beim Durchblättern sofort ins Auge fällt: Die Gedanken- und Sprachfetzen ordnen sich keinem geradlinigen Satz- und Layoutzwang unter, sondern wabern durch den Raum. Im weiteren Verlauf der Geschichte erfahren wir außerdem, dass Altvater Schuppenwurz, der auch als Totpapa Schuppenwurz bezeichnet wird, überall ist und dass es grausige Geschichten gibt von Leuten, die ihn gesehen haben wollen.

"Folge nur brav und bete recht fromm, dass dich Totpapa Schuppenwurz nicht holen kommt."

Weiterlesen: https://killmonotony.de/buecher/rezension/max-porter-lanny