Cover-Bild Das Singen der Sirenen
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Klett-Cotta
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 320
  • Ersterscheinung: 04.09.2017
  • ISBN: 9783608983043
Michael Wildenhain

Das Singen der Sirenen

Roman

Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2017

Als der deutsche Frankenstein-Experte Jörg Krippen auf dem Campus seiner neuen Londoner Universität umherirrt, hilft ihm die junge Stammzellenforscherin Mae sich zu orientieren. Die Begegnung wirkt zufällig, tatsächlich hat sie diese bewusst provoziert. Kurz darauf führt Mae ein Wiedersehen herbei, um eine Affäre mit dem deutlich älteren Mann zu beginnen. Zugleich scheint sie sonderbar viel über ihn zu wissen.

Im Londoner East End hat niemand auf den Literaturwissenschaftler Jörg Krippen aus Berlin gewartet. Die Kleidung vom Nieselregen durchweicht sucht er nach einer Klingel, als eine junge Frau indischer Abstammung ihn anspricht: »You look so lost«. Sie selbst ist in Brixton aufgewachsen und forscht im Bereich neuer Reproduktionstechnologien. Krippen verliebt sich rasch und heftig – und belügt sie, was seine Familie und seine linke politische Vergangenheit betrifft. Auch sie ist nicht ehrlich und verschweigt, dass sie vor Jahren als Austauschschülerin in Berlin war. Es entspannt sich eine leidenschaftliche Liebesgeschichte, wie sie beide in der Intensität zuvor nicht erlebt haben. Doch ihre ungewöhnliche Liebe wirft Fragen nach dem Verhältnis von Geistes- und Naturwissenschaft auf.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.11.2019

Im Stakkato zerstottert

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Eines sollte man aus der Odyssee gelernt haben: Die Sirenen sollte man besser nicht singen hören. Wildenhains Sirenengesang hätte ich mir auch lieber gespart: Sein sprachlich experimenteller, in eigenwilligen ...

Eines sollte man aus der Odyssee gelernt haben: Die Sirenen sollte man besser nicht singen hören. Wildenhains Sirenengesang hätte ich mir auch lieber gespart: Sein sprachlich experimenteller, in eigenwilligen Splittern dahingeschepperter Roman hat mich genervt. Statt der Ohren wollte ich mir die Augen zuhalten (um im homerischen Bild zu bleiben).

Den Klappentext kann man lesen, ich spar mir die Inhaltsangabe. Auch deshalb, weil sie wenig mit dem zu tun hat, was mir der Roman vermittelt hat. Jörg Krippen, der Literaturwissenschaftler auf Dozentur in London, ist ein Lappen; seine Frauenbeziehungen sind eskapistische Midlifecrisis-Erscheinungen; Berlin ist ein Scherbenhaufen aller Insiderorte, die nicht „in“ sind, die nur dem ein Begriff sind, der Berlin sehr, sehr gut kennt. Zum Beispiel: „Blick über das RAW in Schöneweide“. Wer weiß denn außerhalb des VEB-Kiezes in Schweineöde, dass damit das Reichsbahnausbesserungswerk gemeint ist?

Am unangenehmsten hat mich die Sprache getroffen: Wildenhain verweigert sich einem Erzählfluss. Er probiert sprachlich aus, gibt einzelnen Passagen unterschiedliche Tempi, Stile, Tiefen. Herauskommt aber ein experimentelles Durcheinander, das ich nervtötend fand. Substantive werden im Stakkato auf mich abgeschossen, absatzweise wird kein Satz beendet, sondern in der Ellipse erstickt; einander folgende Absätze beginnen gleich - das hat seinen Sinn, stieß mich aber vor allem auf die häufigen Wiederholungen im Text und mir übel auf.

Durcheinander ist auch das Stichwort für das Erzählkonzept Wildenhains, der Zeiten und Szenen in zum Teil Satz auf Satz folgenden Ebenen verschränkt, mischt oder - verwirrt. Auf artifizielle, höchste elaborierte Passagen folgen mitunter provokant geschleuderte Fäkalausdrücke, die kaum zu einander passen. Ich bin überzeugt davon, dass der Autor sehr viel Mühe darauf verwendet hat, so viele Motive, Zeiten, Ideen, Personen und Aussagen gegenüberzustellen und das sicherlich auch kunstvoll nennt. Mir hat es den hinter dem Text liegenden Sinn nicht aufgeschlossen und stattdessen eine etwaige Erzählung buchstäblich in Stücke geschlagen.

Just davor habe ich einen südamerikanischen Meistererzähler gelesen; dafür kann Wildenhain nichts, aber der Kontrast macht mir deutlich, was „Das Singen der Sirenen“ vor allem unterlässt: Geschichten gut zu erzählen.