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Veröffentlicht am 12.01.2022

Das höchste Böse ist das höchste Gute

Der Neutemplerorden und der III. Weltkrieg
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Dieses Buch ist eine Zumutung! Ich halte mit diesem Verdikt nicht hinterm Berg. Aber ist es deswegen ein schlechtes Buch? Auch wenn „schlecht“ das Gegenteil von „gut“ ist, so kann man zwar mit Fug und ...

Dieses Buch ist eine Zumutung! Ich halte mit diesem Verdikt nicht hinterm Berg. Aber ist es deswegen ein schlechtes Buch? Auch wenn „schlecht“ das Gegenteil von „gut“ ist, so kann man zwar mit Fug und Recht behaupten, das es sich hier in jedem Fall um kein „gutes Buch“ handelt, doch gerade deshalb ist es alles andere als schlecht. Es ist sogar, eben weil es keinen Anspruch als ein „gutes Buch“ im literaturästhetischen Sinne zu gelten, erkennen lässt, ein sehr wichtiges, ein empfehlenswertes, ein Augen öffnendes, ein verstörendes, zum Nachdenken provozierendes und damit ein wirklich sehr gutes Buch, dessen Entdeckung ich hiermit jedermann ans Herz lege.

Dieses Werk kann nicht einmal wirklich Literatur genannt werden, diese Bezeichnung ist Camouflage. Es ist eher eine sich notdürftig als Literatur tarnende Proklamationsschrift, die Proklamation einer dystopischen Anti-Gesellschaft, die auf den Trümmern unseres sich immer mehr zersetzenden Gemeinwesens notwendigerweise als einzig denkbare Alternative zur Rettung unserer Art, unserer Kultur, unseres Seins an sich, errichtet werden muss.

Ja, die Haltung, die Weltanschauung, wenn man so will, die dieses Werk durchzieht ist zutiefst antihumanistisch, im abstoßendsten Sinne elitär, die geschilderten Handlungsmomente oftmals ekelhaft und widerwärtig, auf das Übelste zugespitzt, so dass es einem beim Lesen oftmals die Kehle zuschnürt. Und dennoch keimt im Leser der Verdacht auf, dass es anders nicht gehen wird. Der Schrecken über diesen Anflug an Erkenntnis, dass das Gegenteil eines bislang selbstverständlichen Humanismus die Rettung sein soll, verstört zutiefst. Aber da die Erzählung, von den beobachtbaren gesellschaftlichen Verwerfungen unserer Zeit ausgehend, eine fiktionale Beschreibung eines sich möglicherweise ergebenden apokalyptischen Zukunftszenarios bietet, kann sie auch als Warnung verstanden werden. Noch liegt es in unseren Händen, eine Entwicklung wie die geschilderte zu verhindern!

Lanz Martell, der Meister des Tempels ist omnipräsent, er ist der Autor, der sich selbst beschreibt, sein Auftreten im Geschilderten ist konstitutiv für den Handlungsprozess Und er ist die Leitschnur, an der sich der Leser durch das Erzähllabyrint hangelt, einerseits Lichtgestalt, andererseits Projektionsfläche des im Leseprozess immer wieder aufbrechenden Hasses.

Ausgangspunkt ist unsere heutige Zeit, unser bislang erreichter gesellschaftlicher Tiefpunkt von dem aus sich die halluzinierte Vision einer völligen Entartung in naher Zukunft speist. Wer auf die Wirklichkeit unserer Länder schaut, weiß, woher die Panikattacken des Lanz Martell rühren. Wer mit dem (Ne)Hammer in einer von Tag zu Tag mehr und mehr Freiheit aufgebenden, sich diktatorisch einfärbenden Gesellschaft zu philosophieren gezwungen wird, der ist nicht mehr weit von der Epoche der Bestien entfernt. (Und seh’ ich nach Deutschland, nicht nur in der Nacht, dann bin ich wahrhaftig um den Schlaf gebracht.) Und so irrt man im geistigen Trümmerfeld auf der Suche nach Erlösung und bedient sich, wie Lanz es tut, mit vollen Händen in der Rumpelkammer völkischer Esoterik, erschafft sich aus Symbolen, die der normalen Logik unzugänglich bleiben, eine Grenzwelt des ariophilen Rassismus, die zugleich faustisch und unfaustisch daherzukommen scheint, um sich in dieser apokalyptischen Gegenzivilisation nicht nur ans nackte Überleben zu klammern, sondern in einem quasi dionysischen Akt die Rettung der Menschheitselite sicherzustellen. Nietzsche raunt unüberhörbar in jedem Kapitel mit: Das höchste Böse ist das höchste Gute – Mysteria Mystica Maxima.

Ich habe mehrere Bahnfahrten gebraucht, um diese literarische Zumutung zu verdauen. Und im Gegensatz zu meinen Gewohnheiten habe ich dieses Buch behalten, egoistisch darauf bedacht, diese Straßenkarte zu einem Leben nach unserem Leben nicht aus der Hand zu geben. Deshalb: Kauft dieses Buch und versucht es zu lesen. Aber schnallt euch vorher an!!

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Veröffentlicht am 04.07.2021

Ein Weg zur mentalen Entschleunigung

Kybalion - Die 7 hermetischen Gesetze
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Wer lange Strecken seines Lebensweges im weitesten Sinne meditativ zurücklegt, so wie ich es auf meinen zahlreichen langen Bahnfahrten erlebe, dessen Geist und dessen Sinne docken irgendwann an Gedankensysteme ...

Wer lange Strecken seines Lebensweges im weitesten Sinne meditativ zurücklegt, so wie ich es auf meinen zahlreichen langen Bahnfahrten erlebe, dessen Geist und dessen Sinne docken irgendwann an Gedankensysteme an, die als, zumindest irgendwie, spirituell bezeichnet werden können. Wenn die Landschaft scheinbar gleichmütig vorüberzieht, entflieht oftmals der Geist in Sphären, wo er sich an existenziellen Fragen stößt und reibt. Meistens an der existenziellen Frage an sich: Worin liegt eigentlich der Sinn menschlichen Seins, menschlichen Lebens, unserer Existenz auf diesem Planeten?

Antworten können einem entweder zufliegen (was sicher nicht den Normalfall darstellt) oder man kann sie aus einem gedrucktem Kompendium extrahieren. Mir ist ein solches in die Hände gefallen. Obwohl ich nie zuvor etwas von William Walker Atkinson gehört habe, griff ich zu, denn zur Hermetik und ihren Gesetzen wollte ich (nach der Lektüre einiger belletristischer Werke, die Bezug zu dieser Lehre nehmen) einfach mehr wissen. Und außerdem hoffte ich Sinnfragen des Lebens klären zu können.

Kybalion – Die 7 hermetischen Gesetze. Es sind derer tatsächlich sieben. (Und mir schwirrte noch immer der Begriff vom Pentium Hermeticum im Kopf herum.) Was also hat es auf sich mit der heiligen Zahl 7? Es sind sieben universale Prinzipien, die Hermes Trismegistos (der Namensgeber dieser spirituellen Richtung) der Menschheit übermittelt hat. Prinzipien der Geistigkeit, der Entsprechung, der Schwingung, der Polarität, des Rhythmus, der Kausalität und des Geschlechts. Und wie es aussieht, scheinen es Mysterien im eigentlichen Sinne nicht zu sein, eher sind das die Grundbausteine unseres Seins. Aber Atkinson wäre kein spiritueller Meister würde er es bei einer nüchternen, rationalen Argumentation belassen. Nein, er bleibt seinem Anliegen treu und schildert die interessante Lehre aus konsequent spiritueller Sicht, jedoch ohne jede Spur verengter religiöser Dogmatik.

Und so sollte man das Büchlein auch rezipieren: Sich in Kontemplation versenken, aufklappen, reinlesen, zuklappen, nachdenken. Und ab und zu aus dem Fenster schauen, die Unendlichkeit der himmlischen Sphären auf sich wirken lassen, alles in kosmischen Zusammenhängen sehen.

Und allmählich werden sich Antworten auf all die existenziellen Fragen formen, die der suchende Geist aufgeworfen hat. Alles fließt, nichts ruht, alles schwingt. Und das All ist Geist, wie oben, so unten. Wie innen, so außen.

Ist das die Essenz des Lebens? Ich glaube, dass ich weiter darüber nachdenken muss. Mit stillem Blick aus dem Fenster. Auf Bäume, Häuser, Himmel und Menschen. Am Zielbahnhof habe ich das Büchlein erst aus der Tasche gezogen, einen Augenblick gezögert … und es dann wieder versenkt. Noch ist der Zeitpunkt nicht gekommen. Ich muss es nochmals lesen und wieder lesen …

… und empfehlen: Leute lest dieses kleine Kompendium spiritueller Weisheiten, es entschleunigt und tut gar nicht weh. Geschrieben in entgegenkommender Einfachheit. Weit mehr als ein simpler Esoterik-Ratgeber. Was für ein Werk!

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Veröffentlicht am 26.05.2021

… Oder ist der Weg das Ziel?

Wanderfieber
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Manchmal fällt mir ein Büchlein in die Hand, das so gar nichts mit meinen üblichen literarischen Interessen gemein hat und das mich dennoch, oder trotzdem, fesselt. Normalerweise geht es rasant zu in den ...

Manchmal fällt mir ein Büchlein in die Hand, das so gar nichts mit meinen üblichen literarischen Interessen gemein hat und das mich dennoch, oder trotzdem, fesselt. Normalerweise geht es rasant zu in den Geschichten, die ich verschlinge, da wird auch mal die Welt aus den Angeln gehoben oder eine neue Menschenrasse gezüchtet, meistens hetzt der Autor durch die Story, dass der Leser kaum hinterherkommt.

Nicht so bei Christian Zimmermann, da schrumpft die Geschwindigkeit auf die Schrittfolge des Wandersmannes und gleichzeitig gewinnt die räumliche Ausdehnung existenzielle Ausmaße: 3392 Kilometer von Flumenthal in der Schweiz nach Moskau im Herzen Rußlands. Wer, so wie ich, meistens mit dem Zug durchs Land rauscht, sehnt sich manchmal, wenn die Landschaft beinah unscharf am luftdichten Fenster vorbeirast, nach genau jener Entschleunigung, mit der der Autor auf Reisen geht und sich dabei seinen Weg selbst erarbeitet, der Landschaft und den Elementen direkt ausgesetzt. Land, Kultur und die Menschen, die den jeweiligen Raum bewohnen: Die Begegnungen sind authentisch und unmittelbar und manchmal unvermittelt und voller Überraschungen.

So etwas wie eine Ursehnsucht wird in mir geweckt und die Erinnerungen an einen Klassiker, den ich in jüngeren Jahren mit Interesse gelesen habe und den ich, in den Tag träumend, auf seiner Wanderschaft vor über 200 Jahren begleitet habe, stiegen in mir hoch als ich Zimmermanns Büchlein in den Händen hielt: Johann Gottfried Seumes „Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802“. Aber auch der Reisebericht eines Stern-Reporters (dessen Name mir entfallen ist) und den mir Lilly mal zugesteckt hatte, fiel mir wieder ein. Alle haben sie sich zu Fuß auf die Reise begeben und ihnen allen wurde diese Erfahrung zu einer existenzieller, zu einer, die das Leben neu geerdet hat.

Und ich sitze im ICE, der pfeilschnell dahinfliegt, und lese, wie ein Schritt vor den anderen gesetzt wird und Christian Zimmermann seinen auf den Namen Mrs. Molly getauften Einkaufswagen vor sich her- und immer weiter Richtung Osten schiebt. Einhundertelf Tage ist er unterwegs und mit jedem neuen Tag erlebt er, wie sich die Welt jeweils ein Stückchen ändert, auch wenn es scheint, als ob sie stillsteht. Je weiter er sich seinem Ziele nähert, desto menschlicher scheint es zu werden, irgendwie verändert allmählich die Landschaft den Volkscharakter. Oder ist es die Weite, die zunimmt, je mehr man die kompakten Siedlungsgebiete Mitteleuropas hinter sich lässt?

Nein, dieser Bericht liefert keine herkömmlich „Spannung“, hier gibt es keine „Action“, keinen „Thrill“ und dennoch ist es eine wunderbare Lektüre, die ich allen, die in ihrem Leben ein wenig Luft holen und wenigstens kurz verharren möchten, wärmstens empfehlen kann. Ich habe mich während der 300 km Eisenbahnfahrt darangemacht und die 3392 km Fußmarsch innerhalb der Fahrtzeit geschafft. Nun muss ich nur noch endlich selbst Schusters Rappen satteln. Werde ich es schaffen? Vor meinem Auge tauchen die Ziele ganz verschwommen aus dem Nebel der Imagination: Syrakus, Moskau … Oder ist der Weg das Ziel?

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Veröffentlicht am 19.04.2021

Absolut genialer Trash!

Stahlfront 2029 – Band 1: Terrorstaat
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Ich scheue nicht davor zurück, es gleich zu Beginn meiner Ausführungen zu gestehen: Ich bin begeistert! Begeistert vor allem über die klare, eindeutige, unverschleierte Sprache, mit der der alltägliche ...

Ich scheue nicht davor zurück, es gleich zu Beginn meiner Ausführungen zu gestehen: Ich bin begeistert! Begeistert vor allem über die klare, eindeutige, unverschleierte Sprache, mit der der alltägliche Wahnsinn unserer Epoche, das debile, degenerierte Dasein eines Zeitalters entwerteter Werte und falscher Propheten geschildert wird. Alles, was heutzutage von einer sich moralisch gerierenden Kaste als „politisch korrekt“ deklariert wird, „dekonstruiert“ das Autorenduo mit schwungvoller Feder, ohne Rücksicht auf Denk- und Sprechverbote, mit einer geradezu frivolen Lust an der Provokation. Wunderbar preziös, mit gekonntem Griff in die Wundertüte literarischer Klischees beschreiben die Autoren eine geisteskranke gesellschaftliche Realität, die uns in allernächster Zukunft droht. Das Genre des Trivialromans ersteht in neuer Blüte! Das ist genau die Sorte Trash, die in der Lage ist, adäquat den real existierenden Trash unseres Daseins zu beschreiben! Eine „echte Satire“ nennen die Autoren die Beschreibung der heutigen bundesdeutschen Verhältnisse, der sie die „Wirkung einer Monstrosität“ attestieren. So kann man es auch auch sehen!

Und sämtlicher geistiger Unrat unserer Zeit wird gleich zu Beginn aufgelistet: Alles, was Multikulti-, Klima- und Genderwahnsinnige zu bieten haben – gespeist aus Schuld und Scham und Selbsthass. Genau die Art von debiler Anklage, die ein geistig gestörtes Mädchen mit mongoloiden, „von einem Impfschaden gekennzeichneten Gesichtszügen“ der Welt entgegenschleudert.

Mit Greta Thunbergs Ankunft in New York 2019 setzt dieser Roman dann auch ein. Ihre öffentliche Selbstverbrennung mit Napalm stellt auch im Jahre 2029 noch ein Rätsel dar. Martin Falkenhayn, ein kritischer Online-Journalist, verlässt sein Refugium im Wald und macht sich auf die Suche nach den Hintergründen. Seine Ex-Freundin Maidie, eine ehemalige Prostituierte, die mit dem metrosexuell anmutenden Lysander liiert ist, dient ihm als Informantin. Vom beinahe vollständig islamisierten Berliner Stadtteil Neukölln aus, in dem die Scharia über dem Bürgerlichen Gesetzbuch steht, nimmt die spannende Story ihren Lauf. Alles, was das Klischee verlangt, wird auch geboten, vom V-Mann bis zur genmanipulierten Friedenstaube, die die graue Berliner Stadttaube bereits vollständig verdrängt hat.

Mehr möchte ich nicht verraten, es ist alles wirklich so köstlich, dass ich während meiner Bahnfahrt mehrfach unkontrolliert ins Lachen ausgebrochen bin. Allein schon wegen der überbordenden, skurril überspitzten Einfälle, die wahrscheinlich nicht mehr weit von der uns zu erwartenden Realität entfernt sein dürften. Richtig gut die islamisch gekleideten, Einkaufstaschen tragenden, „Eltrome“ genannten Begleitroboter im Schlepptau ihrer in Burkas gewandeten Besitzerinnen beim Schlendern über den Basar auf dem Herrmannplatz. Oder das Angebot genderneutraler Mode. Und dann tauchte auch noch der Name Moholy-Nagy auf! Das Comeback der Bauhaus-Moderne – diesmal als „intelligente Schnittstelle zwischen Nutzer und dem weltumspannenden Datennetzwerk“. Von der Welt „Smart Collect“ genannt, vom Deutschen „Army“ getauft, weil es um den Arm getragen wird! Genial. Bei letzterem wurde ich mal wieder an den „Minuteman-Algorithmus“ erinnert. Da kam die Autorin auf eine ähnliche Analogie – Whatspay – und von Schnittstellen zwischen Nutzer und dem weltumspannenden Datennetzwerk war da ebenfalls zentral die Rede.

Das Buch ist als Band 1 einer neuen Stahlfront-Serie ausgewiesen. Mit der alten Stahlfront hat es nichts zu tun und leider habe ich auch keinen Folgeband entdecken können. Hoffen wir mal, das die Fortsetzung dennoch bald erscheint.

Leute, unbedingt lesen, wenn ihr gegen die Verhältnisse auflachen wollt.

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Veröffentlicht am 05.04.2021

Trotz kunjunktureller Ideologie spannend bis zur letzten Seite

Klima
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Es ist Ostermontag und die Zeit steht endlich einmal still für mich. Schienengeratter, Weichenstöße, Bahnhofshallenechos – all das ist in den Hintergrund getreten, die Geräuschkulisse des alltäglichen ...

Es ist Ostermontag und die Zeit steht endlich einmal still für mich. Schienengeratter, Weichenstöße, Bahnhofshallenechos – all das ist in den Hintergrund getreten, die Geräuschkulisse des alltäglichen Getriebenseins summt nur ab und an als Erinnerung leise im hintersten Gehörgang auf. Und ich finde endlich Muße, meine Lektüreerfahrungen der letzten Wochen aufzubereiten.

Ich blättere in meinem Notizheftchen ein wenig ratlos hin und her. Die Frage, zu welchem gelesenen Buch ich mich jetzt äußern sollte, habe ich noch entschieden. Oder doch? Die wirren Striche sind es, die meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ja, das heftige Gekritzel zeigt es an: Hier wurde ein Lesegenuss der Extraklasse memoriert. Es ist ein packender Thriller, auf den ich dank Lesejury aufmerksam geworden bin: „Klima“ von David Klass.

Allein der Titel! Brennendes Problem unserer Zeit oder nur konjunktureller Aufhänger? Das Klima ist die neue Religion. Zumindest wird in der Klimafrage von uns Zeitgenossen bereits ein quasi religiöses Bekenntnis abverlangt, das das Dogma von der drohenden Klimakatastrophe bei Strafe der Exkommunikation in keinen Zweifel stellt. Und wie jede Heilslehre bringt auch die Klimareligion fanatische Anhänger hervor, die für die Erfüllung ihrer Mission aufs Ganze gehen.

Green Man heißt jener verbissene Enthusiast mit globalem Sendungsbewusstsein im Buch, der glaubt, mit terroristischer Radikalität der Ökologie zu ihrem Recht verhelfen zu müssen um auf diese Weise nicht weniger als die Welt vor dem Untergang zu retten. Für die einen, die schon bald nach seinen tollkühnen Aktionen, sich als seine Jünger und Gefolgschaft sehen, ist er die ultimative Kreuzung zwischen dem Messias und Robin Hood, für die anderen schlicht ein Öko-Terrorist, dem schleunigst der Garaus gemacht werden muss. Als Jäger tritt Tom Smith auf den Plan. Der wie sein Gegenpart ebenfalls hochintelligente Datenanalyst des FBI folgt auch bald der richtigen Spur. Doch, und hier wir die Story richtig spannend, hat er recht bald mit innerem Widerspruch zu kämpfen, schüchterne Sympathie und das klammheimliche Verständnis für den Gejagten ringen mit Pflichtbewusstsein und Gesetzestreue.

Der Autor lässt die Zügel seines Erzählens recht frei und gibt uns als Leser die Möglichkeit, unser Wohlwollen beiden Seiten zukommen zu lassen und dem Ausgang des spannenden Duells wechselseitig entgegenzufiebern. Eigentlich ist es weniger das Klimathema an sich, das in dieser rasanten Erzählung in den Bann schlägt, sondern der Zweikampf zweier gleichstarker Kontrahenten, das Ringen und Kräftemessen ebenbürtiger Gegner. Ein wirklich männliches, beinah ritterlich zu nennendes Turnier der Extraklasse.

Ein wenig störend im Gesamtfluss der Erzählung ist die recht ideologiehaltige Besserwisserei und vor allem die karrikaturhafte Beschreibung des Staatspräsidenten, dem ein wenig zu grotesk die Züge des offenbar dem Autor leidlich verhassten DJT verpasst wurden.

Ansonsten jedoch das Fazit: Leute, lest auch dieses Werk.

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