Profilbild von Jethro

Jethro

Lesejury Profi
offline

Jethro ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Jethro über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.06.2020

Wieder ein Krimi zum Wohlfühlen mit alten Bekannten und neuen Freunden

Denn du sollst sterben
0

Deborah Crombie schickt ihr Ermittlerpaar Duncan Kincaid und Gemma James nun bereits zum 18. Mal auf die Jagd. Nachdem die letzen Bände vor allem im London spielten und als roten Faden einen Polizeiskandal ...

Deborah Crombie schickt ihr Ermittlerpaar Duncan Kincaid und Gemma James nun bereits zum 18. Mal auf die Jagd. Nachdem die letzen Bände vor allem im London spielten und als roten Faden einen Polizeiskandal hatten, der Kincaids und James' Familie bedrohte, schlägt dieser Band nun wieder eine ganz andere Richtung ein.

In den vorliegenden Bänden hat sich um Duncan und Gemma eine Gruppe von Familienmitgliedern, Freunden und Arbeitskollegen, sowie deren Familien gebildet. Alle diese Personen haben eine unverwechselbare Biographie und Persönlichkeit, alle entwickeln sich beständig weiter und das macht es aus, dass man sich auch beim 18. Band immer noch heimisch fühlt beim Lesen.

Dieses Mal verschlägt es alle aufs Land, in den Cotswolds (eine ähnliche Konstellation gab es im Band "So will ich schweigen"). Die Eltern von Melody Thalbot haben alle auf ihren dortigen Landsitz eingeladen, wo ein Charity-Essen stattfinden wird. Da Melodys Vater Ivan im Vorgängerband eine wichtige Rolle eingenommen hat,spielen diesmal Melody und ihre Familie eine zentrale Rolle.

Während Gemma mit den Kindern schon auf dem Landsitz verweilt, wird Duncan in einen schweren Autounfall verwickelt. Er selbst wird dabei verletzt, doch die Fahrerin des anderen Wagens, Nell Greene, und ihr Beifahrer Fergus O'Reilly überleben den Unfall nicht. Rätselhaft wird der Unfall zum einen, weil Nell und O'Reilly sich gar nicht kannten, zum anderen stellt die Polizei fest, dass O'Reilly schon vor dem Unfall tot war. Zuletzt waren beide in einem Pub, in dem Viv Holland kocht, dieselbe Viv Holland, die auch das Charity-Essen auf dem Landsitz der Thalbots zubereitet.


Deborah Crombie versteht es wieder einmal, auf etwas mehr als 400 Seiten einen Kriminalfall zu präsentieren, der, wenn man es genau betrachtet, ziemlich unspektakulär ist. Blutig geht es bei ihr eh nie zu, selbst Agatha Christie ist beim Morden blutiger. Doch alle Beteiligten einschließlich der Kinder gehen eher durch diesen Roman spazieren, unterhalten sich, lernen einander kennen, haben ihre persönlichen Probleme und kommen dabei den Hintergründen der Todesfälle auf die Spur - und erstaunlicherweise ist dieses geruhsame Tempo jederzeit spannend und unterhaltsam und bietet einen tollen Lesespaß mit lebendigen Figuren. Wieder wird die Hintergrundgeschichte der Ereignisse in einigen (kursivgedruckten) Kapiteln erzählt und fügt sich hervorragend ein.

Es ist erstaunlich, wie Deborah Crombie es schafft, seit nunmehr fast 30 Jahren (in den 18 Bänden dürften etwa 6 Jahre vergangen sein) ihren Protagonisten nicht nur die Frische zu geben, sondern ihnen beständig und in kleinen Schritten neue Facetten zu geben, so dass der Lesespaß nicht verloren geht und man sich auch auf den 19. Band freuen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.06.2020

Spannendes Porträt einer Frau in Island - konsequent DUNKEL

DUNKEL
0

Hulda Hermannsdóttir, Kommissarin bei der Polizei Reykjavík, möchte noch gar nicht über ihren bevorstehenden Ruhestand nachdenken, als plötzlich ihr Vorgesetzter ihr eröffnet, dass sie bereits in zwei ...

Hulda Hermannsdóttir, Kommissarin bei der Polizei Reykjavík, möchte noch gar nicht über ihren bevorstehenden Ruhestand nachdenken, als plötzlich ihr Vorgesetzter ihr eröffnet, dass sie bereits in zwei Wochen aufhören soll, um einem jungen Mann Platz zu machen. Sie darf sich einen letzten Fall, einen cold case, aussuchen – und sie weiß sofort, für welchen sie sich entscheidet, denn der angebliche Selbstmord einer jungen Asylantin wurde ihrer Meinung nach allzu schnell und schlampig zu den Akten gelegt. Hulda hat nur wenige Tage Zeit, um der Frau Gerechtigkeit zukommen zu lassen – und dabei spielen persönliche Gründe eine nicht unwichtige Rolle.

Selten habe ich einen so düsteren Thriller gelesen wie Ragnar Jónassons „Dunkel“, obwohl skandinavische Thriller ja generell eher düster sind. Das Spannende an diesem Thriller ist nicht so sehr die Frage, wie die junge Asylbewerberin ums Leben kam, sondern wer Hulda Hermannsdóttir eigentlich ist. Ein großer Teil des Thrillers beleuchtet nämlich Huldas Leben und auch dies ist sehr düster, ebenso wie die Landschaft Islands. Und diese düstere Stimmung hält Ragnar Jónasson konsequent bis zum Ende durch. Ein Ende, das mich gespannt auf die beiden anderen Bände dieser Trilogie warten lässt.

Jónasson schafft es mit den kurzen Kapitel und dem Springen zwischen drei Zeitebenen ein spannendes Geflecht zu knüpfen, das uns immer mehr über Hulda und ihre Beweggründe für diese Ermittlung erfahren lässt. Selten hat ein Buch am Ende bei mir so einen Nachhall gehabt.

Ob das Buch zu den 100 besten Thrillern seit 1945 gehört, wie es beworben wird, mag ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall ist es ein Thriller eines mutigen Autors und das macht es auf jeden Fall lesenswert.



  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.04.2020

Realitätsfern, nicht immer logisch - aber unterhaltsam

Unter der Erde
0

Elias Haack, ein mäßig erfolgreicher Schriftsteller, kehrt nach dreißig Jahren in das kleine Dorf zurück, in dem er seine ersten Lebensjahre verbracht hat, um zum Geburtstag seinen 90-jährigen Großvaters ...

Elias Haack, ein mäßig erfolgreicher Schriftsteller, kehrt nach dreißig Jahren in das kleine Dorf zurück, in dem er seine ersten Lebensjahre verbracht hat, um zum Geburtstag seinen 90-jährigen Großvaters Wilhelm zu gehen. Das Dorf ist am Rande eines Tagebaus und wird demnächst vom Erdboden verschwinden. Die Handvoll Bewohner allerdings hält zusammen, man kümmert sich umeinander.

Das Wiedersehen mit seinem Großvater währt allerdings nur kurz, denn am nächsten Tag ist Wilhelm tot und Elias muss feststellen, dass es gar nicht so leicht ist, aus dem Dorf wieder herauszukommen. Gezwungenermaßen macht Elias sich auf die Suche nach seiner Herkunft, die weit in die Vargangenheit reicht. Und die Bewohner des Dorfes kommen Elias immer seltsamer vor.


Stephan Ludwig, bekannt durch die "Zorn"-Bestseller Serie, versucht sich mit "Unter der Erde" an einem ganz eigenen Thema, dessen Idee ihm gekommen sei, als er in der Lausitz in der Nähe eines Tagebaus eine Autopanne hatte. Stephan Ludwig versteht es, Spannung aufzubauen und den Leser durch ein oftmals rasantes Erzähltempo und Cliffhanger bei der Stange zu halten, so dass man sich beim Lesen durchaus unterhalten fühlt. Leider krankt die Geschichte an vielen logischen Löchern und Brüchen, sowie maßloser Realitätsferne dort, wo sie versucht realistisch zu sein. Baut sich die Handung in den ersten beiden Kapiteln noch durchaus logisch auf, so wechselt der Stil nun ständig, das dritte Kapitel hat mich mehr an einen apokalyptischen Stephen King Roman erinnert, das vierte - und meiner Meinung nach beste Kapitel - erzählt Wilhelms Vorgeschichte . Hier bekommen einige Figuren auch durchaus Tiefe. Das letzte Kapitel - ein Endgame - schwankt dann zwischen dem genregerechten explodierenden Showdown und einer Groteske, die mich teilweise an Friedrich Dürrenmatt (z.B. "Die Panne") erinnert. Was Dürrenmatt allerdings konsequent und genregerecht umsetzt, wirkt bei Stephan Ludwig aufgesetzt und brachte mich eher zum Kopfschütteln als zum Schmunzeln. Auch der Epilog wirkt aufgesetzt und übertrieben.

Viele der Personen in dem Roman sind in ihren Handlungen nicht nachvollziehbar, bzw. machen plötzlich eine totale Charakteränderung durch. Auch sind die Handlungen und Ereignisse nicht immer logisch, so dass sich bei mir am Ende einige offene Fragen ergaben.

Hätte Stephan Ludwig etwas weniger dick aufgetragen, wäre dies durchaus ein guter Thriller geworden, denn sprachlich bietet der Roman viel Unterhaltsames. Bei der Handlung muss man allerdings viele Abstriche machen. Ist man dazu bereit, kann das Buch durchaus unterhalten.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere