Cover-Bild Untrue
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Berlin Verlag
  • Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften
  • Genre: Sachbücher / Politik, Gesellschaft & Wirtschaft
  • Seitenzahl: 432
  • Ersterscheinung: 04.11.2019
  • ISBN: 9783827013521
Wednesday Martin

Untrue

Warum fast alles, was wir über weibliche Untreue zu wissen glauben, unwahr ist
Nina Frey (Übersetzer)

»Ich will Sex die ganze Nacht – nur nicht mit meinem Mann.«
Wie neueste Forschungsergebnisse das Bild weiblicher Sexualität revolutionieren.

Viele Frauen sehnen sich nach sexuellem Abenteuer außerhalb ihrer Partnerschaft. Doch von den antiken Tragödien bis hin zu Netflix-Serien und Popsongs – Frauen, die untreu sind, werden als gefährlich, zuweilen auch als krank gebrandmarkt. Aber wer sind sie wirklich? Und warum wird selbst im Zeitalter der zunehmenden Emanzipation weiterhin so hart über sie geurteilt?
Auf unterhaltsame Weise verbindet Wednesday Martin Sozialwissenschaften und Interviews mit Sexualwissenschaftlern, Anthropologen und Frauen aus allen Lebensbereichen. Jüngste Untersuchungen deuten darauf hin, dass Frauen mehr Probleme mit sexueller Exklusivität haben als Männer. Martin gelangt zu der Auffassung, dass die sexuelle Autonomie von Frauen das ultimative Maß der Geschlechtergerechtigkeit ist.
Eine zeitgemäße Darstellung weiblicher Untreue, die alles auf den Kopf stellt, was wir über Frauen und Sex zu wissen glauben.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.12.2019

Viele Fakten, wenig Einheit

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"Untrue" hat mich mit seinem Thema und dem fetzigen Cover geködert und ich hoffte, dass es ein lockeres, nahbares Buch mit vielen Fakten ist. Letztlich war es ein Buch, das mich bereichert, aber insgesamt ...


"Untrue" hat mich mit seinem Thema und dem fetzigen Cover geködert und ich hoffte, dass es ein lockeres, nahbares Buch mit vielen Fakten ist. Letztlich war es ein Buch, das mich bereichert, aber insgesamt nicht glücklich gemacht hat. An das im Buch zitierte "Sex - die wahre Geschichte" kommt die Autorin nicht heran.

Meine Meinung zum Inhalt

Der englische Titel spielt sehr gut mit dem Thema - "untrue" bedeutet "unwahr"; "untreu" übersetzt man meist mit "unfaithful". Es geht weniger um die Frage, ob Untreue gut ist, sondern wie der Begriff und seine Verwendung insgesamt zu bewerten sind. Warum wird von Frauen erwartet, dass sie "treu" sind - und stimmt das? Nicht gut ist, dass sich der deutsche Titel und der Untertitel auf "Treue" beschränken, während der englische verspricht, dass es auch im Lust und Frauen (allgemein) geht. Das wird dem Buch besser gerecht.

Zuerst geht es im Buch darum, warum der Frau die Rolle zugeschrieben wird, bevor die Autorin den Sinn und Un-Sinn von "Treue" erläutert und mittels matriarchalischer Gesellschaften zeigt, dass auch Frauen manipulieren und bewusst "untreu" sein können. Leider greift sie dabei meist auf Affen zurück, was ich wenig aussagekräftig fand. Trotzdem war das ein sehr spannendes Kapitel.

Später zeigt uns die Autorin, wie wichtig Frauen auch heute noch das Ideal der "treuen" Frau ist und wie die Partner das ausnutzen. Bedrückend fand ich die Geschichte einer Frau, die ihren Mann betrügt, von ihm auf's Land gedrängt wird, damit er seiner Affäre nachgehen kann - und das später lange Zeit als ausgleichende Gerechtigkeit sieht. Ähnliches bei einem lesbischen Ehepaar, bei dem eine Frau aus der unglücklichen Beziehung in Form des Betrugs und später einer offenen Beziehung flieht - und dann zurückkehrt, weil ihre Frau das nicht möchte. Und die Schuldgefühle hat, weil sie ihrer Frau so etwas angetan hat. Ob der Betrug "gerecht" war, darüber kann man streiten, aber es hat mich sehr traurig und wütend gemacht. Als leider sehr typisches Gegenbeispiel wird eine offene Ehe am Ende genannt, bei der die Frau einen dritten Partner eingeführt hat, während der Mann mit anderen Frauen schläft - aber unter Einhaltung bestimmter Regeln. Ich fand das gut, aber die Autorin ist hier an eine Grenze gestoßen, weil sie das nicht analysiert, aufbereitet, sondern nur erzählt.

Ohnehin stört mich im Buch, dass uns die Autorin eher Fakten darlegt, als Erzählerin zu sein. Das Buch versucht an einigen Stellen brachial, Atmosphäre zu erzeugen, indem die Autorin das Aussehen und die Umgebung ihrer Gesprächspartner beschreibt - obwohl das für den Inhalt nicht relevant ist. Ich habe sie eher als Diener der Sache gesehen, denn als jemand, der aktiv daran teilnimmt, der den Leser mitnehmen will auf seine Reise. Was der Begriff "Treue" mit der Autorin zu tun hat, wusste ich nicht. Ich habe keine Bindung zu ihr aufgebaut und mir ging die Glaubwürdigkeit verloren.

Ohnehin habe ich nicht verstanden, warum das Wort "Untreue" nicht hinterfragt, sondern im ganzen Buch verwendet wird. Warum sollte jemand nicht loyal zu seinem Partner sein, wenn er mit anderen schläft? Kann man das von außen bewerten?

Ein Begriff, der für mich neu war, war "Fortpflanzungserfolg" - die Autorin erklärt das leider nicht ausführlich, sondern bindet ihn nur ein. Aber er bedeutet die Anzahl der überlebenden Nachkommen bzw. Maßnahmen, die sie erhöhen. "Untreue" kann den Fortpflanzungserfolg erhöhen, wenn sich die Frau z.B. in einer sozial schwachen Schicht befindet und offen lässt, wer der Vater des Kindes ist. Dann hat sie mehrere Männer, die sie versorgen, was von Vorteil ist.

Schuld an der Untreue ist übrigens ein alter Bekannter - die "Neolithische Revolution". In dieser Zeit wandelten sich die Menschen von umherziehenden Jägern und Sammlern zu sesshaften Ackerbauern. Die Techniken zur Bewirtschaftung verbesserten sich, bis die Erfindung des Pfluges den Wert von Mann und Frau trennte - trugen Frauen bis dahin gleichberechtigt zum Lebensunterhalt bei, konnte die schwere Arbeit des Pfluges eher von Männern durchgeführt werden, sodass die Frau am Herd stand und die Kinder versorgte. Manchmal ging dieser "Wertverlust" als Teil der Gemeinschaft bzw. "Wertsteigerung" als Objekt soweit, dass es sich manche Männer "leisten" konnten, eine "Frau am Herd" wie ein Schmuckstück zu haben. Dieser Werteverfall durch die patriachalische Gesellschaft reicht bis in die heutige Zeit.

Interessant fand ich, dass manche Frauen, besonders in weiblich organisierten Gesellschaften, weder "brav" noch "nett" sind. Ganz im Gegenteil: Sie nötigen Männer zum Akt, nutzen körperliche Nähe, um Bündnisse zu schließen.

Wie wurde das Wissen präsentiert?

Ich habe zum Erzähler keinen Zugang gefunden, konnte das Buch aber gut lesen. Mehr Erklärungen wären gut gewesen.

Es wird viel zitiert und das sehr korrekt - 512 Fußnoten gibt es, einschließlich des konkreten Wortlautes und der Stelle. Ich hätte mich gefreut, wenn man mehr davon eingebunden hätte, weil ich es, besonders bei kleiner Schrift, mühselig finde, die Fußnote auf dem Reader zu treffen.

In den seltenen Fällen, in denen mehr als eine Wortgruppe zitiert wird, ist diese mit einem Absatz abgegrenzt - in Grau. Das ist digital sehr schlecht lesbar.

Fazit

Der engliche Untertitel verspricht "Why Nearly Everything We Believe About Women, Lust, and Infidelity Is Wrong and How the New Science Can Set Us Free" - besonderes letztes habe ich nicht so empfunden. Die Autorin geht oft zurück zu den Ursprüngen, vergleicht mit Gesellschaften, die weiblich geprägt sind. Aber sie zeigt nicht, was wir in unserer (männlich) dominierten Gesellschaft ändern können, damit die Last der Untreue gleichmäßig auf beide Geschlechter verteilt wird. Warum (sexuelle) Untreue oft gleichgesetzt wird mit emotionaler Untreue. Im Nachwort relativiert die Autorin: dass das nur ein Ausschnitt aus einem sehr umfassenden Thema sei, dass ihre Forschung weitergeht usw. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich hier eher ein Klecks-Gemälde aus Fakten, vielen Zitaten anderer Forscher und einigen Geschichten habe. Aber kein stimmiges Ganzes. Immerhin habe ich einiges gelernt.

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