Intensiv, aber es fehlt etwas
Solange es eine Heimat gibt. Erika MannDas Buch spielt auf zwei Zeitebenen: Im Jahre 1949 steht Thomas Mann vor einer Vortragreise über Goethe und die Frage ist, ob Erika mit ihm die Termine in Deutschland wahrnimmt. Gleichzeitig erleben wir ...
Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen: Im Jahre 1949 steht Thomas Mann vor einer Vortragreise über Goethe und die Frage ist, ob Erika mit ihm die Termine in Deutschland wahrnimmt. Gleichzeitig erleben wir die Biografie der Frau bis zu diesem Punkt. Und dann trifft die Nachricht vom Tod des geliebten Brudes ein ...
Wie hat mir das Buch gefallen?
Ich habe ihm Buch viele interessanten Fakten gelesen (z.B. die Affäre mit Bruno Walter) und ein besseres Gefühl für die Kämpferin Erika Mann bekommen. Ähnlich wie ihr Bruder war Erika stets getrieben vom Leben und dieses Rastlose spürt man im Buch gut. Es wirkt, als brauchte Erika immer einen Kampf.
Das Verhältnis zum Bruder nimmt ebenfalls viel Raum ein. Ich vermute, dass Erika in Klaus den fehlenden Teil gefunden hat, den Gefährten, aber auch jemanden, den sie beschützen konnte. Schwäche gegenüber Klaus zu zeigen, fiel ihr schwer und wahrscheinlich konnte Klaus nicht gut damit umgehen. Die Autorin schildert eine Episode, in der Erika mit dem Fahrrad fällt und Angst hat, aber ihr Bruder nicht weiß, wie er ihr seelisch beisteht. Klaus wiederum sah in ihr eine bessere Version seiner selbst, jemand, der all die Zweifel in etwas Positives verwandelte und nicht dem Abgrund so zugeneigt war wie er. Die Gewissheit der Einheit der beiden hat sie aber auch von den anderen Geschwistern abgegrenzt, was die Eltern indirekte gefördert haben. Monika Mann wurde z.B. verachtet, weil sie nicht so intelligent war. Wahrscheinlich duldeten die Geschwister auch keine Konkurrenz um den Patriachen Thomas Mann, der ohnehin nur geschrieben hat.
Auch das Verhältnis zum Vater ist interessant. Erika war die Lieblingstochter und war später Sekräterin und Verwalterin für den Vater. Ähnlich wie Sigmund Freunds Tochter Anna war sie eine Partnerin auf intellektueller Ebene. Sie versuchte immer, den diplomatisch agierenden Vater zu klaren Aussagen und Taten zu bewegen.
Letztlich passte sie wohl auf beide Männer auf und ich stelle mir diese Bürde sehr anstrengend vor.
Auch ihr Kampf um Deutschland und die Welt und vor allem der Glaube daran, dass sie mit Worten die Menschen aufklären kann, waren bewegend.
Die Umtriebigkeit Manns kommt im Buch gut raus und auch Kritik an ihrem Verhalten wird deutlich. Allerdings ist das Buch so sehr im Fluss der Ereignisse, dass die private Person außen vor bleibt. Vielleicht gibt es auch zuwenig Stoff, denn selbst in Briefen ist man nicht privat. Ich habe ein Gefühl für die Autorin Erika Mann bekommen, aber der Mensch blieb mir überwiegend verborgen.
Zwei Aspekte habe mich im Buch gestört: Die Zeitebenen werden teilweise binnen eines Absatzes gewechselt, und besonders am Anfang wusste ich oft nicht, wo ich mich gerade befinde. Später arbeitet die Autorin mit Absätzen, aber Zwischenüberschriften oder Jahreszahlen hätten mir geholfen. Das ist aber eine Geschmacksfrage.
Außerdem war für mich nicht klar, was fiktiv ist. Ob die Dialoge Zitaten entsprechen, wo sie geäußert wurden. Der Text liest sich ein bisschen belletristisch, ein bisschen sachlich und das Literaturverzeichnis ist umfangreich. Vielleicht ist das genre-typisch, aber ich hätte mich über eine Aussage gefreut, wie die Autorin arbeitet, damit ich das besser einordnen kann.
Und das sich das Buch auf einen dunklen Teil der Weltgeschichte bezieht, wird es nicht fröhlich. Fast das gesamte Buch erzählt von einer Welt am Abgrund und dem Versuch der Manns damit umzugehen. Das einen als Leser herunterziehen.
Fazit
Ich habe das Buch gern und schnell gelesen. Aber ich frage mich trotzdem, ob das Buch die Rezeption zu Erika Mann voranbringt. Es beleuchtet den wesentlichen Teil von Manns Leben, aber ich hatte das Gefühl, dass etwas fehlt. Der Text ist keine schlechte Lektüre, aber mir fehlte das Ganze.