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Veröffentlicht am 21.05.2025

Zwei Beziehungen und eine Selbstzerstörung

Play Boy
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Ich fand die Idee einer Frau, die ihre Weiblichkeit und ihr Leben ablegt, um sich dem Exzess hinzugeben, interessant und dachte, dass ich etwas Tiefgründiges lesen werde. Letztlich ist es ein weiterer ...

Ich fand die Idee einer Frau, die ihre Weiblichkeit und ihr Leben ablegt, um sich dem Exzess hinzugeben, interessant und dachte, dass ich etwas Tiefgründiges lesen werde. Letztlich ist es ein weiterer Roman über eine Enddreißigerin in der Lebenskrise.

Worum geht es?

Die Hauptfigur hat ihren Mann Laurant verlassen und gibt sich der lesbischen Liebe hin. Geschildert werden zwei Beziehungen: Die verheiratete Agnes lässt sich immer bitten, lässt kaum Nähe zu. Mit der jungen Albertine erlebt die Figur eine intensive Leidenschaft, doch die Beziehung zerbricht, als Albertine zu viel Nähe fordert. Außerdem lässt die Figur ihr Leben immer mehr zerbrechen.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Inhaltlich hat es mir nicht viel gegeben. Ich fand es interessant zu erleben, welches Verhältnis zu ihrer Männlichkeit die Figur hat. Sie sieht sich selbst eher als Vater und Laurant als Mutter des Kindes. Gleichzeitig lehnt sie ihr bürgerliches Leben ab, Job, Wohnung. Nur um den Sohn kämpft sie. Die Ursachen liegen vermutlich in der Familie, der Vater ein Heroin-Junkie, die verstorbenen Mutter Alkoholikerin. Oft wirkt es, als ob die Figur Ordnung als langweilig empfindet, Extreme benötigt, um sich lebendig zu fühlen.

Außerdem ist die Figur ein sehr körperlicher Mensch, ihre Umgebung scheint sie intentiver zu fühlen. Es macht Spaß, sich so tief in die Gedanken fallen zu lassen.

Das Schwimmen als monotone Bewegung zieht sich durch das Buch und gibt der Figur Struktur, es ist eine wichtige Säule ihres Lebens.

Die Sprache ist etwas umgangssprachlich, ein bisschen vulgär, vor allem in den expliziten Szenen. Ansonsten ist das Buch aber gut lesbar. Die Kapitel sind kurz, eine halbe bis vier Seiten. Daher ist man binnen einer Stunde durch.

Ich fand die negative Energie manchmal schwer auszuhalten, die Freude an der Selbstzerstörung, das Festhalten an schlechten Beziehungen, das ständige Vorgaukeln, dass der Figur alles egal ist, obwohl es wohl nicht egal ist.

Fazit

Man kann aus dem Buch einige Gedanken über Feminismus mitnehmen und sich in der Resignation der Figur wälzen. Ich fand's eher lustlos.

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Veröffentlicht am 06.05.2025

Grant, der Retter

How To End A Love Story
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Ich habe das Buch über eine Leserunde bekommen. Gereizt hat mich das knallpinke Cover und dass es ums Schreiben geht. Letztlich versucht die Autorin, viele Themen zubehandeln, schafft es aber nicht, sie ...

Ich habe das Buch über eine Leserunde bekommen. Gereizt hat mich das knallpinke Cover und dass es ums Schreiben geht. Letztlich versucht die Autorin, viele Themen zubehandeln, schafft es aber nicht, sie so zu verpacken, dass es emotional mitnimmt.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Helen ist Tochter zweier chinesischer Einwanderer:innen und hat als Teenager ihre Schwester durch Suzid verloren. Diese hat sich nachts vor das Auto von Grant gestürzt. 14 Jahre später ist Helen eine gefeierte Autorin, deren Buch verfilmt werden soll - mit Grant im Team der Drehbuch-Autoren. Neben ihren Gefühlen für den hübschen Kerl muss sich Helen auch mit der Trauer, ihrer sozialen Isolation und ihrer Wut auseinandersetzen. Grant wiederum hat eigene Probleme.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Im ersten Viertel folgen wir Helen und Grant bis sie sich annähern, in der Mitte erleben wir die beiden auf Wolke sieben, bis es im letzten Viertel dramatischer wird und das Thema "Einwanderer-Eltern" stärker zum Tragen kommt.

Helen ist eine kühle Figur, die sich sozial abkapselt, weil sie den Anforderungen der Eltern gerecht werden will. Besonders, seit die rebellische Schwester weg ist. Helens Zweifel an ihrer Liebe treiben die Handlung an.

Grant dagegen ist anfangs mürrisch, später versucht er aber, die Beziehung zu kitten. Er ist der nette Typ, der eine Frau immer auf Händen tragen würde. Grants Makel sind die Panikattacken, die ihn seit dem Tod der Schwester quälen. Und im letzten Viertel die Frage, ob er immer Co-Autor bleibt oder ein eigenes Projekt machen will.

Das große Thema ist der Suizid. Hier geht das Buch den cleveren Weg, dass die Schwester fast unsichtbar bleibt - sie ist immer da, wir hören sie aber nie, es gibt auch keinen Abschiedsbrief. Das ist real, aber nicht förderlich für die Beziehung des Lesers zu Helen. Ohnehin hatte Helen als Erstgeborene, die sich alles erkämpfen musste, ein distanziertes Verhältnis zu ihrer Schwester. Im Buch lesen wir Helens Unverständnis über den Tod und das Verhalten der Schwester, die sich immer in den Mittelpunkt rücken musste - es geht also auch um eine Konkurrenz um die Liebe und Aufmerksamkeit der Eltern, die ihre Zuneigung wiederum nicht äußern können. Auch wenn es einige bewegende Momente gibt - ich hab's nicht gefühlt.

Daher kommt im letzten Viertel auch das Einwanderer-Thema stärker raus. Die Eltern fordern Leistung und soziale Angepasstheit, können Liebe aber nicht vermitteln. Das zu lesen, das war hart. Vor allem, weil sich das Verhalten der Eltern nur mäßig verbessert.

Im Buch gibt es außerdem zwei Panikattacken Grants, Autounfälle und Begegnungen mit Helen wirken als Trigger. Die Attacken sind ausführlich, aber nicht drastisch geschildert. Sie könnten aber Leser:innen triggern. Ab dem letzten Drittel tauchen sie nicht mehr auf. Sie sind verloren gegangen.

Das Kollektiv in der Schreibgruppe ist nett - ein Ehepaar, zwei Frauen, ein Spaßvogel usw. Das Kollektiv ist dazu da, um Helen auftauen zu lassen und Freunde finden lassen. Dass das nach einem Gummibärchen mit Zusatz geschieht, fand ich zweifelhaft und dass jemand ganz plötzlich Anschluss findet, ein bisschen ZU märchenhaft. Interessant wiederum war Leiterin Suraya, die als Ersatzmutter für Helen fungiert und die ihr später sagt, dass sie genau DAS nicht sein kann. Auch das fand ich real.

An Erotik wird nicht gesparrt, der Mann bereitet der Frau gern orale Freude, was nett war, aber nicht besonders. In der Mitte des Buches reden sich die beiden ein, ihre Beziehung hätte ein Verfallsdatum daher stecken sie häufig ineinander. Ich fand die Szenen oft unnötig, weil ich keinen Bezug zu Helen hatte und sie zur dramatischen Handlung nichts beigetragen haben. Vor allem die Szene kurz vor Schluss.

Dramaturgisch macht die Autorin handwerklich vieles richtig - Einführung beider Figuren, die Schreibgruppe als Spielplatz und um zu zeigen, dass Helen menschlich ist, ein paar schöne Szenen, dann Trennung, dramatischer Autounfall, Auseinandersetzung mit den Eltern, Happy End. Es gibt einige nette Szenen wie der Besuch der alten Schule, Gedanken Grants an seinen Exen usw. Gekonnt, aber nicht kreativ. Vielleicht, weil das Buch eigentlich auf einer Fanfic basiert?

Der Schreibstil hat vielen Leser:innen Probleme bereitet, denn er ist relativ trocken und personal. Anstatt ganz nah dabei zu sein, wie bei Ich-Erzähler:innen, haben wir hier Distanz. Auch, weil die Autorin vieles über Umgebungs- und Handlungsbeschreibungen ausdrückt, weniger über klare Gefühle oder Gespräche. Mich hat das nicht gestört, aber für manche war das ein wichtiger Punkt. Zu Helen als Figur passte es, aber der Stil selbst hat sein Potential nicht ausgeschöpft. Ich kann mir das besser in einem Roman über das Leben von Anfang-Zwanzigjährigen vorstellen. Dass die Perspektive zwischen Grant und Helen innerhalb eines Kapitels wechselt, ohne Kennzeichen, macht es nicht besser.

Über das Schreiben erfahren wir nicht viel, auch Humor ist kaum drin.

Fazit

"How to end a love story" hat viel versprochen, aber nur wenig gehalten. Für einen klassischen Liebesroman ist er zu schwer und nicht leicht genug, nicht spritzig genug. Für ein Buch über Suizid und mentale Probleme wiederum bleibt der Roman ein Stück oberflächlich. Wer sich mit Helen als introvertierte Person gut identifiziert, hat sicher Spaß am Buch. Für mich war es eine Coming-of-Age-Geschichte, die in einen Liebesroman gepresst wurde.

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Veröffentlicht am 05.05.2025

Gut gelesen

Meine bessere Hälfte
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Als Nicht-Musikerin wollte ich schon lange wissen, welche Beziehung die Künstler:innen zu ihren Instrumenten haben. Daher habe ich es angefordert. Für mich eines der wenigen Bücher, die ich ganz klar empfehle. ...

Als Nicht-Musikerin wollte ich schon lange wissen, welche Beziehung die Künstler:innen zu ihren Instrumenten haben. Daher habe ich es angefordert. Für mich eines der wenigen Bücher, die ich ganz klar empfehle. Mit der Gestaltung habe ich aber meine Probleme.

Worum geht es?

Das Buch versammelt 23 Musiker:innen, die über ihre Instrumente sprechen. Als Instrument gilt aber auch die Stimme, der Sauerstoff und die Mitmusiker:innen. Die Bandbreite reicht von Klassik über Jazz bis Eletro. Das Buch beginnt mit klassischen (greifbaren) Instrumenten und arbeitet sich vor zu eher abstrakten Begriffen.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Fasziniert hat mich, dass die Musiker relativ frei und ehrlich ihre Gedanken darlegen und nebenbei manches Vorurteil auflösen. Manche spielen gerne auf jahrhunderte alten Instrumenten, anderen ist das völlig egal. Ich hab das gern und flott gelesen.

Besonders Anne Sophie Mutter, die über ihre Geige spricht, Yuriy Gurzhy, der seine Plattensammlung zeigt, und Masha Qrella, deren Instrumentensammlung mehr über ihre Beziehung zum Musikmachen aussagt, als über ein einzelnes Stück.

Es gibt aber auch Texte, die für mich weniger gut zugänglich waren. Jochen Distelmeyer spricht mehr über sein politisches Engagement als über seine Gitarre. Und Sebastian Krämers "Die Klaviatur" musste ich nach einer halben Seiten abbrechen. Seine Sätze sind lang, metaphernreich und kunstvoll, aber ich habe sie nicht verstanden.

23 Musiker:innen bedeuten auch 23 verschiedene Schreibstile, Köpfe, die man guckt. Das ist ein Abenteuer, mit dem man klarkommen muss.

Von Vorteil ist aber, wenn man die Künstler:innen bereits kennt. Denn das Buch stellt die Instrumente in den Vordergrund, daher sind am Anfang eines jeden Kapitels Bilder der Instrumente zu finden. Am Ende gibt es kurze Biografien der Musiker:innen, allerdings in alphabetischer Reihenfolge, nicht nach der Chronologie es Buches. Das hat mich ziemlich durcheinander gebracht, weil ich gern wissen wollte, welche Musik die Menschen machen. Dann hätte ich ihre Texte noch besser einordnen können.

Immerhin arbeitet das Buch mit Fußnoten, die als kleines Fenster geöffnet werden, man springt nicht im Buch.

Cover und Titel finde ich leider nicht gelungen. Der Titel ist knackig, könnte aber auf viele Dinge zutreffen. Ich verstehe, dass das die beste Beschreibung für ein Instrument ist. Aber ich würde das nicht mit einem Sachbuch assoziieren. Genauso wie das Cover. Es ist zu fröhlich, zu verspielt, die Instrumente auf einem kleinen Bild im Reader nicht zu erkennen. Ich dachte immer, dass es sich um einen Selbstfindungs-Roman über eine Twentysomething handelt.

Fazit

Wenn man im Buchladen steht und sich frag, ob man das Buch kaufen soll - ja, sollte man. Es bietet Einblicke in interessante Persönlichkeiten und Arten, Musik zu betrachten. Keine Zeitverschwendung :)

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Veröffentlicht am 26.04.2025

Nich halb, nich ganz

Sorry, war noch kurz laufen
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Ich habe das Buch angefordert, weil ich die Verknüpfung aus Laufen und Feminismus interessant finde. Letztlich ist das Buch als Laufratgeber mittelmäßig, der Schwerpunkt liegt auf der Grafik. Bis man zum ...

Ich habe das Buch angefordert, weil ich die Verknüpfung aus Laufen und Feminismus interessant finde. Letztlich ist das Buch als Laufratgeber mittelmäßig, der Schwerpunkt liegt auf der Grafik. Bis man zum feministischen Teil gekommen ist, ist die Spannung schon raus.

Meine Bewertung

Das Buch wechselt stetig zwischen Erfahrungsberichten bzw. Interviews und Fakten. Die erste Hälfte bietet klassisches Wissen zu Ernährung, fairer Laufkleidung, Selbtbewusstsein. Nichts Neues, kann man sich aus dem Internet zusammen suchen. Auch der Abschnitt zum Zyklus war eher klein, der geschichtliche Abriss so klein, dass man ihn hätte erweitern sollen um Frauen im Sport allgemein. Wirklich gut wird das Buch, wenn der Feminismus-Aspekt zum Tragen kommt. Die Autorin hat einige Läuferinnen und Organisatorinnen von Laufgruppen und NGOs interviewt, und obwohl diese immer ähnliche Sachen sagen, gibt es einige Sätze, die man sich an die Pinnwand heften kann. Und bei denen ich das Gefühl hatte, wirklich etwas zu lernen. Letztlich sagen aber alle Frauen, dass Sport den Zusammenhalt stärkt, man sich keine Gedanken machen soll, ob man genügend leistet oder gut dabei aussieht.

Ich verstehe die Intuition dahinter, aber richtig gezündet hat es nicht, die Idee mit dem Feminimus.

Am Ende noch ein Abstecher zu Zyklus und Dehnübungen - fand ich sehr praktisch, auch wenn die Bildchen nur semi-gut erklären, wie die Übungen aussehen sollen.

Inhaltlich wirkt es im positiven Sinn abwechslungsreich, im negativen durcheinander. Auch innerhalb eines Abschnitts.

Mein großes Problem ist die Grafik. Das Buch wird nur als Papier-Version vertrieben, mein Rezensions-Exemplar habe ich auf dem Computer gelesen. Barrierfreundlich ist aber auch die Papierversion wohl nicht. Die Schrift wechselt zwischen Serifen und nicht Serifen, teilweise durchschneiden Bilder den Text, manchmal ist der "Fließtext" mit einem unruhigen Hintergrund hinterlegt z.B. als ein BH-Träger eine ansonsten schwarze Fläche durchschneidet. Die Schrift ist klein, die Farben teilweise schreiend. Ein Farbschema ist erkennbar. Die ganze Gestaltung wirkt wie ein Haufen bunter Flächen und das macht das Lesen anstrengend. Obwohl sich die Designerinnen viel dabei gedacht haben.

Als Bilder-Buch allein ist das Buch hübsch. Die Comic-Figuren mit großen Körpern und kleinen Köpfen erinnern an die 50er und ich hab sie mir gerne angeguckt. Ich würde mir manche Seiten als Poster ins Wohnzimmer hängen.

Auch der Schreibstil ist nett, nahbar, aber nicht zu umgangssprachlich; nicht belehrend.

Fazit

Letzlich ist das Buch nichts halbes und nichts Ganzes: Als Laufratgeber zu wenig, als feministischer Text nicht tief genug und als Buch für die Buchwand zu teuer. Obwohl lobend erwähnt werden muss, dass es über Crowdfounding finanziert wurde und 35 Euro für ein grafisches Werk in kleiner Auflage normal sind.

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Veröffentlicht am 24.04.2025

Erstickt in Vorurteilen

Make IT Real
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Ich hatte das Buch angefordert, weil ich die Verknüpfung von MINT und Belletristik interessant finde. Leider erfüllt das Buch sämtliche Klischees, ist vorhersehbar und lässt spannende Konflikte links liegen. ...

Ich hatte das Buch angefordert, weil ich die Verknüpfung von MINT und Belletristik interessant finde. Leider erfüllt das Buch sämtliche Klischees, ist vorhersehbar und lässt spannende Konflikte links liegen. Man bekommt, was man erwartet. Oder weniger.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Informatikerin Fallon arbeitet in einem Männer-Betrieb und wird bei Beförderungen übergangen. Gleichzeitig versucht sie, ihre Identität als Autorin von Liebesromanen zu verheimlichen. Als ein Kollege zufällig auf einer Lesung auftaucht, greift Fallon zu einer Notlüge.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Von der Informatik sieht man ein bisschen, für mich war's das richtige Maß. Die Autorin schafft es gut, die Arbeit der Entwickler an Beispielen zu erklären, und auch wenn ich nicht jedes Detail verstanden habe, war mir der Kontext klar. Trotzdem wirkt es für mich nicht "lebendig", nicht authentisch, sondern verkrampft. Ein Problem, das sich durch das ganze Buch zieht. Auch, dass der Begriff "Dev" nur kurz erklärt wird, war frustrierend. Ich habe mich das ganze Buch lange gefragt, was das bedeutet. "Dev" steht für "Developer", also jemand aus der Entwickungsabteilung.

"Spicy" wird es auch nicht, es gibt nur eine ausführliche Sexszene, die überwiegend aus Perspektive der Frau geschildert wird, bei der es aber darum geht, dass sie dem Mann Spaß bereitet. Dass Frauen einfach so Spaß haben, wird auch hier ausgeblendet.

Von Fallons Schreiberei sieht man fast gar nichts. Sie gibt eine Lesung, aber man liest weder Auszüge noch erfährt man, worüber sie genau schreibt. Alles wirkt sehr oberflächlich. Was ich schwierig finde, ist das Thema Pseudonym: Am Ende deckt Fallon das Pseudonym auf, weil sie sich nicht mehr verstecken will. Es ist ein Zeichen für ihre Befreiung. Hier wird das Vorurteil geschürt, dass sich Autor:innen nicht mutig genug sind. Es ist aber ein bewusster Schutz aus privatem Ich und Schreiberei. Weil sich Autor:innen angreifbar machen. Weil es einen Arbeitgeber nichts angeht, was man in seiner Freizeit tut. Oder weil man später aufhören will und nicht möchte, dass der eigene Name nur damit verknüpft ist.

Die Dramaturgie ist relativ klar: Frau gibt sich als ihre eigene Schwester aus, was dem Mann gar nicht auffällt, irgendwann kommt das raus, aber er verzeiht ihr. Sie ist aber so zerfressen von ihren Vorurteilen (!), dass sie ihn wegstößt. Sie wird geläutert, Happy End. Weitere Nebenhandlungsstränge sind, dass Fallon den Job wechseln will, aber ihre Ansprüche nicht aufgeben will. Und dass der Mann seine chronisch klammen Musiker-Eltern nicht mehr unterstützen will und seinen Job kündigen und ein Projekt starten will. Besonders die letzten beiden Stränge hätten Potential, werden aber nur wenig ausgeführt. Obwohl vor allem das Thema Eltern selten in Romanen vorkommt.

Auch die Nebenfiguren sind klischeehaft, vor allem die Männer: Es gibt den netten Typen, es gibt den grummligen Typen und es gibt den sexistischen Idioten. Bei Fallon gibt es eine Biologin (?) und eine Frau, die auf die Kinder ihres Bruders aufpasst, weil die Frau verstorben ist. Beide hatten trotz interessanter Ausgangslage nur wenig Raum. Ein wirkliches Kollektiv-Gefühl kam nicht auf.

Was mich am meisten gestört hat, waren Fallons Vorurteile gegenüber Männern in der IT. Sie geht davon aus, dass sie nicht geachtet wird und sich beweisen muss. Diesen Aspekt wiederum fand ich interessant. Sie gibt nicht auf und empfindet es als persönliches Versagen, wenn sie kündigen würde. Ich denke, damit können sich viele Leser:innen identifizieren. Auf mich wirkten die Vorurteile sehr klischeehaft dargestellt und das größte Ekel ist der Mensch, den sie abgewiesen hat. Auch wenn diese Zustände in manchen Branchen (leider) vorhanden sind, hätte man hier künstlerisch und handwerklich mehr machen können. Denn es hat mich emotional nicht gepackt. Mich hat nicht der Sexismus wütend gemacht, sondern die Figur, die das als Rechtfertigung nimmt, sich abzugrenzen. Andererseits ist genau das die Lektion, die die Figur lernen muss - dass sie geliebt wird. Trotzdem fand ich das langweilig.

Auch mit der Sprache hatte ich Probleme. Die Sätze sind teilweise sehr lang und manche Formulierungen waren komisch. Fallon fragt z.B. "wo bei Ada Lovelace wir hier gelandet waren." (S. 164) Die Idee ist gut, wirkt aber nicht fließend. Vor allem, weil Fallon manchmal mehr, manchmal weniger Bezug auf sie nimmt. Außerdem kommen kaum engliche Lehnwörter vor, aber dann Perlen wie "reveale" oder "gemockupten" - vor allem letztes ist nur aus dem Kontext zu entschlüsseln.

Was mir gefallen hat, waren Details, die nebenbei mitlaufen z.B. Fallons Wunsch, ihrem Vater zu gefallen und deswegen Metal Bands zu hören, obwohl sie das nicht mag. Obwohl ihr Vater sie scheinbar trotzdem liebt. Am Ende fragt der Protagonist, ob sich Fallon.exe aufgehängt hat - den Witz fand ich schön, weil er natürlich wirkte. Auch die Feststellung, dass ein Alpha-Male ein (vermeintlich) starkes Männchen ist, eine Alpha-Version aber die erste, fehlerbehaftete Version eines Programms (und einer Geschichte), fand ich witzig. Das macht den Roman sympatisch und es wäre besser gewesen, wenn es mehr davon gegeben hätte.

Fazit

Das Thema Feminismus und Geschlechter-Diskreminierung in MINT ist wichtig - aber als Aufhänger im Text wirkte es zu eindimensional, zu gewollt. Dazu die klischeehafte Liebesgeschichte, die Frauen letztlich nicht wertschätzt, sondern vorführt und das Thema damit etwas ad absurdum führt. Für mich ein Roman, der trotz guter Ausgangslage schnell aus dem Kopf verschwunden ist.

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