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Veröffentlicht am 14.04.2024

Viel Liebe, geringe Fallhöhe

Zeilenflüstern (Sweet Lemon Agency, Band 1)
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Ich habe das Buch gelesen, weil es um einen Hörbuchsprecher geht und nach einer leichten Lektüre klang. Leider war's für mich zu leicht, zu schwärmerisch und eher ein Jugendbuch. Die Liebe steht klar im ...

Ich habe das Buch gelesen, weil es um einen Hörbuchsprecher geht und nach einer leichten Lektüre klang. Leider war's für mich zu leicht, zu schwärmerisch und eher ein Jugendbuch. Die Liebe steht klar im Mittelpunkt. Und es gibt sehr, sehr viele Themen, die das Buch aussführlich durch- und zerdenkt.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Klara hat gehörlose Eltern und hadert mit dieser Rolle. Außerdem hat sie nach einigen Rückschlägen ihren ersten Job bei einer Werbeagentur angefangen und ist unsicher, ob sie das hinbekommt. Ihre Stütze ist die Stimme eines Hörbuchsprechers, der sie jeden Nacht in den Schlaf begleitet. Als sich die beiden treffen, sprühen Funken. Doch auch Noel ist gescheitert: Der Schaupsieler ist nach einer Durststrecke wieder bei seinen Eltern eingezogen und kann sich nicht aufraffen, weiterzumachen. Zwei Menschen, die geschaffen sind, einander zu stützen.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Als erstes aufgefallen ist mir, dass Klaras CODA-Dasein behandelt wird, aber nicht im Mittelpunkt steht. Ich fand das gut, weil das ein Teil ihrer Kultur ist, aber nicht ihr Leben definiert. Als Kind gehörloser Eltern muss sie oft die Vermittlerrolle zwischen der "hörenden" Welt und der Welt der Hörbehinderten einnehmen. Sie ist es gewohnt, Verantwortung zu tragen, kann diese aber schwer ablegen. Außerdem eckt sie in beiden Kulturen an. Interessant fand ich, dass sie oft laute Geräusche macht, weil diese in ihrer Kultur keine Rolle spielen. Deswegen hat sie manchmal Probleme mit Hörenden. Das klang für mich realistisch. Ich hätte aber gern mehr davon gelesen. Die Eltern spielen eher eine Nebenrolle, was ich später beim Thema "Abnabeln" nicht so gut fand.

Klara kämpft mit der Ablehnung und heilt langsam.

Im Gegensatz dazu ist Noels Probleme komplexer und ich hatte leider das Gefühl, dass es in 70 % des Buches um ihn geht. Noel kommt aus einer Handwerker-Familie, die sein Dasein als Schauspieler nicht wertschätzt. Er überdeckt das mit vermeintlicher Selbstsicherheit, spricht aber oft davon, dass er es nicht ist. Als er ein wichtiges Angebot für seine Ex-Freundin ablehnt, gibt er sich dem Selbtsmitleid hin und versinkt in Frust. Gerettet wird er nicht durch Klara, sondern durch ein Angebot seines Mentors.

Noel war für mich als Charakter interessant, aber nicht stimmig. Er redet ständig davon, arrogant zu sein, ist es aber nicht. Ohnehin sind die Figuren im Buch selten wirklich gemein, sondern eher selbstmitleidig. Er will ständig Rauchen, tut es aber oft nicht - ich wusste nicht, ob ich das witzig finde oder unnötig. Ich fand's interessant, dass er gern Theater spielt, aber TV usw. ablehnt. Ich hätte gern mehr über das Theater und seinen Ansatz gelesen, das ging aber unter. Stattdessen liest man die üblichen Phrasen, dass sich ein Schauspielender durchsichtig machen müsse. Das ist leider ein Klischee.

Gut fand ich den Konflikt mit der Familie. Denn dort wird klar, dass beide Seiten ihren Teil dazu beigetragen haben, dass Noel sich unwohl fühlt.

Ein Schwerpunkt des Buches ist das Kollektiv, vor allem in der Werbeagentur. Ob Feministin Franka, die überkorrekte Amelie, Chef-mit-Herz Felix oder Jesse, jeder hat eine Rolle und diese machen das Buch bunt. Vor allem Franka tritt immer wieder für Klara ein und legt sich gern mit Felix an. Auch wenn die Fallhöhe bei allen Konflikten gering ist, empfand ich Franka als Fels in der Brandung. Das hat großen Spaß gemacht, ich habe mich dort sehr wohl gefühlt.

Der zweite Schwerpunkt sind die Gefühle. Liebe wird in aller Ausführlichkeit geschildert, das Schwanken zwischen Zweifel und Freude, später Leiden. Ich wähnte mich deswegen eher in einem Jugendbuch und man hätte das Buch gern um 50 Seiten kürzen können. Es war nett zu lesen, aber irgendwann hatte ich genug davon. Außerdem nervte mich, dass die Figuren lieber denken als reden.

Die Ausführlichkeit betrifft auch die erotischen Szenen - sie sind wenig vorhanden, sind explizit, aber sanft geschildert. Aber auch sie ziehen sich sehr in die Länge, ohne, dass es interessant ist. Immerhin wird erwähnt, dass Klara ihren Körper nicht überall mag.

Was nicht hätte sein müssen, war die Nebengeschichte um einen Kunden, der Klara belästigt. Es fügte sich gut ein, wirkte aber wie ein Spannungspunkt, der nicht nötig war. Es ist ein wichtiges Thema, aber hier hätte man das weglassen können. Vor allem, weil es nach Klaras Rettung wieder nur um Noels Problem geht; sie selbst scheint das so gut verkraftet zu haben, dass sie danach problemlos körperlich werden kann.

Auch einen Ex-Freund Klaras fand ich unnötig, weil die Idee eines anderen CODAs toll war, aber sein Auftritt zu klein ist.

Allgemein hat mich gestört, dass Konflikte schnell gelöst werden oder nie so schlimm sind, dass ich als Leser:in leide. Ein Satz, der oft vorkommt ist "Ich habe mich damit gerechnet, dass ..." - und dann passiert es trotzdem. Deutlich wird das am Anfang, als Klara sich innerlich aufregt, dass niemand wertschätzt, wie anstrengend die Übersetzung von Gebärden ist - aber einige Moment später Noel genau DAS feststellt.


Die Geschichte spielt überwiegend in Frankfurt, viele Orte werden genannt. Als Einheimischer hat man sicher Spaß dabei. Dresden als zweiter Schauplatz wird erwähnt, die Stadt aber nicht beschrieben. Ich habe mich gefreut, dass endlich mal eine ungewöhnliche Kleinstadt im Mittelpunkt steht, aber letztlich hätte es auch Annaberg, Chemnitz oder Buxtehude sein können.

Fazit

"Zeilenflüstern" ist ein gemütlicher Liebesroman mit interessanten Themen. Man leidet nicht viel, die Liebe wird in aller Ausführlichkeit geschildert, nebenbei gibt es ein tolles Kollektiv. Meins war es nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass viele Leser:innen genau das lieben werden.

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Veröffentlicht am 11.04.2024

Klischeehaft, aber Schattentheater

Zwischen uns das Licht
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Am Roman gereizt hat mich das Motorradfahren und eine Frau mit wechselndenen Frauengeschichten. Letztlich ist das Buch ein gut geschriebener, aber klischeehafter Roman mit dem Schattentheater als Schwerpunkt.

Rezi ...

Am Roman gereizt hat mich das Motorradfahren und eine Frau mit wechselndenen Frauengeschichten. Letztlich ist das Buch ein gut geschriebener, aber klischeehafter Roman mit dem Schattentheater als Schwerpunkt.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Lea arbeitet bei einem Security-Service und fährt semi-professionell Motorrad. Sie kann jedoch nie gewinnen, weil sie kurz vor dem Ende abbremst - offensichtlich ein emotionales Problem. Als sie an den Ort ihrer Kindheit, einem Schattentheater, zurückkehrt, trifft sie dort die Tochter des Leiters und Schauspielerin Sophie. Die beiden verlieben sich, doch Sophie ist deutlich älter und eher unstet. Doch mit der vereinten Kraft der Liebe können sie beide Herausforderungen bewältigen.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Die Autorin weiß, was sie tut. Das Buch schafft es in 222 Seiten eine Geschichte aufzubauen, interessant zu erzählen und abzuschließen. Romantisch wird es, aber leider auch ziemlich klischeehaft.

Das Schattentheater steht im Mittelpunkt und es gibt sehr rührende Szenen rund um das Thema. Leider schafft es das Buch nicht, mir ein Bild von dieser Kunstform und von der Faszination zu vermitteln, aber das liegt in der Natur der Sache. Ich bewundere aber die Energie, die in all diese Szenen geflossen ist; die Mühe dahinter wertschätze ich.

Das Motorradfahren und das Alter werden relativ kurz behandelt. Beim Motorradfahren geht es scheinbar eher ums Gewinnen, was dem sportlichen Aspekt, aber nicht dem Genuss gerecht wird. Das Thema Alter kommt erst kurz vor dem Schluss zum Tragen. Ich hatte lange Zeit das Gefühl, dass der Altersunterschied Spannung verheißen soll, aber nicht erfüllt. Ich empfand beide Figuren als gleichalt, daher bin ich oft mit den Namen durcheinander gekommen. Ich hätte mir hier mehr Unterschiede gewünscht.

Schwierig fand ich auch, dass im Klappentext Leas Frauenbekanntschaften eher negativ betrachtet werden. Sie hat aber nur wenige Bekanntschaften, diese entwickeln sich - was ich erfrischend fand! - zu Freundschaften. Außerdem ist sie übertrieben ergeizig, doch das Gewinnen bringt ihr am Ende keine Erfüllung. Sophie wiederum reist gern mit ihrem Theater durch Deutschland, was Lea ihr vorwirft. Letztlich ist Sophies Drang der Abgrenzung vom Vater geschuldet. Indem sie akzeptiert, dass sie anders ist und sein Erbe nicht fortführen kann, legt sich das scheinbar. Mich frustriert, dass hier wieder der Eindruck erweckt wird, dass die Figuren Fehler haben, die durch Liebe bereinigt werden. Es gibt aber Menschen, die gern mit anderen schlafen. Oder die gern neue Eindrücke haben und oft an fremden Orten leben. Ich verstehe aber auch, dass der Roman Probleme brauchte, die gelöst werden müssen.

Mich hat's emotional nur an wenigen Stellen gepackt, oft kam mir der Roman altbacken vor. Ich kann mir aber vorstellen, dass es Leser:innen gibt, die genau das mögen.

Es gibt im Roman einige erotische Szenen, aber für mich war das Maß in Ordnung. Gut fand ich, dass sich die Szenen real angefühlt haben, was Körperstellen betraf. Es las sich nicht wie ein Porno, sondern fühlte sich liebend an. Der Schreibstil ist jedoch sehr beschreibend, über-korrekt und hölzern. Das spürte ich leider auch bei den Liebesszenen. Hier haperte es oft an der Dynamik z.B. 76 % "Sophies Hände legten sich um ihren Oberkörper, auf Leas Schulterblätter und krallten sich ungehemmt in ihre Haut."

Fazit

Für mich ist der Roman ein unterhaltsamer Text, der sich binnen einer Stunde lesen lässt. Außer dem interessanten Grundthema gibt es leider kaum Dinge, die das Werk einzigartig machen, ganz im Gegenteil: Zu oft wird hier auf Altbewärtes zurückgegriffen. Damit ist der Roman aber auch eine gute Wahl für Leute, die Berechenbarkeit mit etwas Romantik mögen. Mich hat es leider nicht umgehauen und im Zweifel eher Flop.

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Veröffentlicht am 29.03.2024

Solide Kost

Beelitz Heilstätten
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Die Heilsätten ein Beelitz sind bekannt, daher habe ich mich in das Genre des historischen Romans gewagt.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Der Text schildert das Leben der Biologiestudentin Antonia ...

Die Heilsätten ein Beelitz sind bekannt, daher habe ich mich in das Genre des historischen Romans gewagt.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Der Text schildert das Leben der Biologiestudentin Antonia Marquardt, die 1938 mit einem Tuberkulose-Verdacht in die Heilstätten geschickt wird und dort eine Leidenschaft für Medizin entdeckt. 1942 kehrt sie zurück und erlebt, wie sich die Lage verschärft und sterbenskranke Patientinnen in Sondereinrichtungen geschickt werden. Außerdem gibt es noch eine Flucht-Geschichte. Die letzten Seiten beschäftigen sich mit der Nachkriegszeit 1945 und dem Fortgang der Figuren.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Für jemanden, der zum ersten Mal ein solches Buch liest oder das Genre mag, ist es eine gute Wahl. Grundsätzlich aber solide Kost, bei der die Autorin die Regeln des Genres beherrscht.

Für mich war es eine klischeehafte Liebesgeschichte - bis das Nazi-Thema aufkommt. Erst dann wurde es interessant.

Die Autorin schafft gut einen Kontrast zwischen der behüteten Stimmung in Beelitz und der Realität. Die sich immer weiter verschärft.

Die Heilstätten selbst werden dabei am Anfang und Ende ausführlich beschrieben, auch wenn Worte das Flair der Einrichtung nur schwer beschreiben können.

Neben der Fluchtgeschichte gibt es verschiedene Nebenfiguren, die für Typen innerhalb der Gesellschaft stehen: Antonias Vater, der den Veränderungen betroffen gegenüber steht, aber sich für seine Gesundheit entscheidet. Einen Arzt, der für die Patienten da ist und einen Opportunisten inklusive frustrierter Geliebte. Einen Klinikchef, der seine Karriere riskiert. Eine Teeager, den das System im Griff hat und der unter den Soldaten die Kameradschaft findet, die er vermisst. Das zu lesen, das tat weh. Sein Bruder, der körperlich schwächer ist und den Krieg nicht mag. Der Vater, ehemaliger Sozialist, der deswegen mit dem Sohn aneinandergerät. Es ist ein wundervolles Kollektiv, das gut zusammengefügt ist!

Daher ist der Roman flott zu lesen.

Emotional hat es mich nur manchmal gepackt und manches war ein bisschen zu klischeehaft. Wirklich dramatisch wird es selten. Die Gefahr, der Antonia als Frau und Mitwisserin ausgesetzt ist, wird nie so groß, dass es wehtut. Und der einzige Tod, der im Buch vorkommt, war nicht schön. Aber die Autorin breitet das Leid nicht stärker aus als notwenig.

Fazit

Der Text ist ein schönes Buch für eine Zugfahrt und als historischer Roman wirklich gut. Ich hätte mich über weniger Klischees gefreut, aber so sind die Grenzen des Genres.

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Veröffentlicht am 16.03.2024

Intensiv, aber es fehlt etwas

Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann
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Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen: Im Jahre 1949 steht Thomas Mann vor einer Vortragreise über Goethe und die Frage ist, ob Erika mit ihm die Termine in Deutschland wahrnimmt. Gleichzeitig erleben wir ...

Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen: Im Jahre 1949 steht Thomas Mann vor einer Vortragreise über Goethe und die Frage ist, ob Erika mit ihm die Termine in Deutschland wahrnimmt. Gleichzeitig erleben wir die Biografie der Frau bis zu diesem Punkt. Und dann trifft die Nachricht vom Tod des geliebten Brudes ein ...

Wie hat mir das Buch gefallen?

Ich habe ihm Buch viele interessanten Fakten gelesen (z.B. die Affäre mit Bruno Walter) und ein besseres Gefühl für die Kämpferin Erika Mann bekommen. Ähnlich wie ihr Bruder war Erika stets getrieben vom Leben und dieses Rastlose spürt man im Buch gut. Es wirkt, als brauchte Erika immer einen Kampf.

Das Verhältnis zum Bruder nimmt ebenfalls viel Raum ein. Ich vermute, dass Erika in Klaus den fehlenden Teil gefunden hat, den Gefährten, aber auch jemanden, den sie beschützen konnte. Schwäche gegenüber Klaus zu zeigen, fiel ihr schwer und wahrscheinlich konnte Klaus nicht gut damit umgehen. Die Autorin schildert eine Episode, in der Erika mit dem Fahrrad fällt und Angst hat, aber ihr Bruder nicht weiß, wie er ihr seelisch beisteht. Klaus wiederum sah in ihr eine bessere Version seiner selbst, jemand, der all die Zweifel in etwas Positives verwandelte und nicht dem Abgrund so zugeneigt war wie er. Die Gewissheit der Einheit der beiden hat sie aber auch von den anderen Geschwistern abgegrenzt, was die Eltern indirekte gefördert haben. Monika Mann wurde z.B. verachtet, weil sie nicht so intelligent war. Wahrscheinlich duldeten die Geschwister auch keine Konkurrenz um den Patriachen Thomas Mann, der ohnehin nur geschrieben hat.

Auch das Verhältnis zum Vater ist interessant. Erika war die Lieblingstochter und war später Sekräterin und Verwalterin für den Vater. Ähnlich wie Sigmund Freunds Tochter Anna war sie eine Partnerin auf intellektueller Ebene. Sie versuchte immer, den diplomatisch agierenden Vater zu klaren Aussagen und Taten zu bewegen.

Letztlich passte sie wohl auf beide Männer auf und ich stelle mir diese Bürde sehr anstrengend vor.

Auch ihr Kampf um Deutschland und die Welt und vor allem der Glaube daran, dass sie mit Worten die Menschen aufklären kann, waren bewegend.

Die Umtriebigkeit Manns kommt im Buch gut raus und auch Kritik an ihrem Verhalten wird deutlich. Allerdings ist das Buch so sehr im Fluss der Ereignisse, dass die private Person außen vor bleibt. Vielleicht gibt es auch zuwenig Stoff, denn selbst in Briefen ist man nicht privat. Ich habe ein Gefühl für die Autorin Erika Mann bekommen, aber der Mensch blieb mir überwiegend verborgen.

Zwei Aspekte habe mich im Buch gestört: Die Zeitebenen werden teilweise binnen eines Absatzes gewechselt, und besonders am Anfang wusste ich oft nicht, wo ich mich gerade befinde. Später arbeitet die Autorin mit Absätzen, aber Zwischenüberschriften oder Jahreszahlen hätten mir geholfen. Das ist aber eine Geschmacksfrage.

Außerdem war für mich nicht klar, was fiktiv ist. Ob die Dialoge Zitaten entsprechen, wo sie geäußert wurden. Der Text liest sich ein bisschen belletristisch, ein bisschen sachlich und das Literaturverzeichnis ist umfangreich. Vielleicht ist das genre-typisch, aber ich hätte mich über eine Aussage gefreut, wie die Autorin arbeitet, damit ich das besser einordnen kann.

Und das sich das Buch auf einen dunklen Teil der Weltgeschichte bezieht, wird es nicht fröhlich. Fast das gesamte Buch erzählt von einer Welt am Abgrund und dem Versuch der Manns damit umzugehen. Das einen als Leser herunterziehen.

Fazit

Ich habe das Buch gern und schnell gelesen. Aber ich frage mich trotzdem, ob das Buch die Rezeption zu Erika Mann voranbringt. Es beleuchtet den wesentlichen Teil von Manns Leben, aber ich hatte das Gefühl, dass etwas fehlt. Der Text ist keine schlechte Lektüre, aber mir fehlte das Ganze.

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Veröffentlicht am 24.02.2024

Aus der Blase heraus

Pornopositiv
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Ich hatte das Buch angefordert, um mich mit meinen Vorurteilen auseinander zu setzen und tiefer in die Materie einzusteigen. Leider enthält das Buch einige tolle Sätze, allerdings spricht es eher über ...


Ich hatte das Buch angefordert, um mich mit meinen Vorurteilen auseinander zu setzen und tiefer in die Materie einzusteigen. Leider enthält das Buch einige tolle Sätze, allerdings spricht es eher über Pornos, anstatt die "Pornokompetenz" zu stärken.

Worum geht es?

In ihrem Essay spricht die Pornodarstellerin und Kuratorin des Pornofilm-Festivals in Berlin darüber, warum Pornos verpöhnt sind und wie das geändert werden kann.


Wie hat mir das Buch gefallen?

Richtig Spaß hatte ich im Buch mit drei Stellen: Am Anfang legt die Autorin dar, wie sie ihre Sexualität entdeckt und sich für Pornos entschieden hat. Später beschreibt sie, wie sie eine Gangbang-Szene inszenierte, die sie am Ende nicht veröffentlichen konnte. An diesem Beispiel konnte man gut erkennen, wie eine Produzentin arbeitet, man hat ein Gefühl für die Materie bekommen. Und ganz am Ende gibt es einen Guide, um Pornos besser und bewusster zu konsumieren.

Dazwischen geht es um Feminismus, Gesetze usw.

Die Grundthesen der Autorin sind, dass wir Pornos als Filme begreifen, bei denen Sex einvernehmlich stattfindet. Tut er das nicht, dann ist das sexualisierte Gewalt und strafbar. Außerdem plädiert sie dafür, diese Filme wie alle Filme zu betrachten, weil sie klar als Fiktion erkennbar sind. Deswegen sollen sie von der Filmförderung gefördert werden, damit die Qualität steigt und sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Durch die Darstellung von Sexualität wird der Respekt vor der eigenen Sexualität gefördert und das ist wichtig.

Mit den meisten dieser Gedanken gehe ich mit. Ich sehe aber nicht, dass Kinder schon früh erkennen können, was real und Fiktion ist und dass sie damit einen Porno von ihrer eigenen Sexualität unterscheiden können. Selbst Erwachsene vergessen das manchmal und besonders, wenn man sich nicht damit auseinandersetzt, wie Filme gedreht werden, übersieht man leicht, dass vieles nicht real ist.

Und hier liegt das Problem des Buches: Es beschreibt nicht, wie ein Porno gedreht wird, die künstlerischen und wirtschaftlichen Mechanismen. Ein paar Fakten gibt es z.B. wie Darsteller:innen ihre Leistungsfähigkeit behalten und dass der Vertrieb auch ethisch produzierter Filme behindert wird, weil Zahlungsunternehmen nicht mit den Firmen kooperieren wollen. Aber ich hätte mich über einen Blick hinter die Kulissen gefreut. Wieviele Arbeit steckt in deinem Drehbuch? Wie lange wird gedreht? Wie werden sie vertrieben? Gibt es Gewerkschaften für Filmschaffende? Vielleicht wären ein paar Stimmen von Darsteller:innen gut gewesen. Und überhaupt: Wie kann ich bei einem Film erkennen, ob er ethisch produziert wurde? Ob die Darstellenden ein gutes Catering hatten und ob sie das freiwillig gemacht haben? Da den meisten Leser:innen diese Ebene fehlt, weil sie bisher eher Konsument als Beteiligter waren, verfehlt das Buch seine Wirkung.

Die Autorin hat vieles gelernt: als Darstellerin, als Produzentin und Intimacy-Coordinator und als Kuratorin. Aber die meisten Gedanken auf diesen Wegen bleiben dem Leser verborgen, weil sie uns nur mit den Schluss-Erkenntnissen versorgt. Das ist schade.

Fazit

Hinter "Pornopositiv" steht eine Frau, die viele Erfahrungen gemacht hat. Sie schafft es aber nicht, diese Erfahrungen zu nutzen, um Pornos aus der Schmuddelecke zu holen. Stattdessen stellt sie sich über die Konsumenten, schafft es nicht, sie abzuholen. Aus dem Buch hätte viel Großes werden können, wenn es nicht aus einer Blase heraus für genau diese Blase geschrieben worden wäre.

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