Cover-Bild Wenn ich wiederkomme
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22,00
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  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 320
  • Ersterscheinung: 29.09.2021
  • ISBN: 9783257071702
Marco Balzano

Wenn ich wiederkomme

Peter Klöss (Übersetzer)

Sie lassen die eigene Familie zurück, um sich um fremde Menschen zu kümmern – die Frauen aus Osteuropa. Daniela ist eine von ihnen. Sie arbeitet in Mailand, rund um die Uhr, ist zuverlässig und liebevoll als Pflegerin und als Kinderfrau. Doch je mehr sie fremden Familien hilft, desto heftiger vermisst sie die eigenen Kinder. Als ihrem heranwachsenden Sohn etwas zustößt, muss sie eine Entscheidung treffen.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.11.2021

Italienkrankheit und Eurowaisen

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Wenn alte Menschen Hilfe benötigen, nicht ins Heim möchten und die Angehörigen sie nicht pflegen können oder wollen, kommen osteuropäische Pflegekräfte als tragende Säule der Altenpflege ins Spiel. Genaue ...

Wenn alte Menschen Hilfe benötigen, nicht ins Heim möchten und die Angehörigen sie nicht pflegen können oder wollen, kommen osteuropäische Pflegekräfte als tragende Säule der Altenpflege ins Spiel. Genaue Zahlen gibt es nicht, doch gehen Fachleute von einigen Hunderttausend Pflegemigrantinnen aus, vor allem aus Polen, Rumänien, Bulgarien oder der Ukraine. Ihre persönlichen Schicksale und die ihrer zurückgelassenen Familien bleiben meist im Dunkeln.

Der italienische Autor Marco Balzano greift solche verborgenen Themen gerne auf, zuletzt das Schicksal der Südtirolerinnen und Südtiroler in "Ich bleibe hier". Für seinen Roman "Wenn ich wiederkomme" hat er über Rumäninnen in italienischen Haushalten und ihre sogenannte „Italienkrankheit“ recherchiert, hat mit vielen von ihnen gesprochen, in Rumänien Einrichtungen für zurückgelassene Kinder und Jugendliche, die „Eurowaisen“, besucht und sich ein hohes Ziel gesetzt:

"Es zu schreiben, war für mich ein Versuch der Wiedergutmachung." (Nachwort S. 311)

Eine Familie von vielen
Aus drei Perspektiven schildert Marco Balzano das Leben der Familie Matei aus einem ostrumänischen Dorf an der moldawischen Grenze. Im ersten Teil erfahren wir durch Manuel, wie die Mutter Daniela die Familie ohne Ankündigung verließ, als er zwölf Jahre alt war, seine Schwester Angelica zwanzig. Mit einer illegalen Beschäftigung als Altenpflegerin in Mailand möchte Daniela die finanziellen Notlage durch die Arbeitslosigkeit des antriebsschwachen Ehemanns lindern. Manuel verliert nacheinander die Mutter, den Vater, der Arbeit in Russland findet, die Schwester, als sie ein Architekturstudium beginnt, und den geliebten Großvater. Unausweichlich kommt es zur Tragödie, als die exklusive Privatschule sich als Qual entpuppt, die Einsamkeit immer unerträglicher und der sporadische Kontakt zur Mutter von zunehmender Entfremdung und Befangenheit überschattet wird:

"Ein unbekanntes Schweigen drückte uns nieder, und ich wusste weder ein noch aus." (S. 33)

Im zweiten Teil, dem umfangreichsten, erfahren wir Danielas Sicht: die Alternativlosigkeit ihres Weggehens, die Schuldgefühle, die unerfüllten Träume und ihr von Abhängigkeit und Rassismus geprägtes Leben in Italien:

„Ihr habt echt ein Händchen im Umgang mit unseren Alten und Kinder…“
„Wen meinen Sie mit >ihr<, Signora?“
„Na, ihr aus dem Osten. Ihr könnt das besser als Philippinas, dafür können die besser putzen, stimmt’s?“ (S. 185)

Erzählerin im dritten Teil ist Angelica. Ihre Promotion beweist Daniela, dass ihr Opfer nicht vergebens war. Zwar ist Angelica ihrer Mutter dankbar, andererseits prangert sie deren ausschließliche Fixierung auf das Geld an, möchte selbst einen anderen Weg gehen und fühlt sich um ihre Jugend gebracht:

"Mein Vater mag alle möglichen Mängel dieser Welt haben, aber er ist der Einzige in der Familie, der mich nie ausgenutzt hat.“ (S. 270)

Melancholisch und relevant
Mein anfängliches Verständnis für Daniela und ihre Notlage und meine Bewunderung für ihren Ehrgeiz bezüglich der Ausbildung ihrer Kinder schwanden leider im Laufe des Romans. Wie sie Manuel und Angelica immer fremder wird, so erging es auch mir, und ich konnte zunehmend weniger Mitgefühl für ihre Sturheit aufbringen. Marco Balzano hat angesichts seines großen Materialvorrats viel in diese Figur gepackt, unter anderem auch eine unkommentierte Ceaușescu-Nostalgie, die mich angesichts von dessen unzweifelhaften Verbrechen gestört hat. Trotzdem ist der melancholische, einfach geschriebene Roman unbedingt zu empfehlen, denn er rückt Menschen ins Licht, mit denen wir – direkt oder indirekt – in Berührung kommen, von denen wir aber nichts wissen.

Veröffentlicht am 13.11.2021

Wenn ich fort bin, wird alles besser

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Als ich die ersten Zeilen von Marco Balzanos Familiendrama "Wenn ich wiederkomme" gelesen habe, kamen meine Gedanken bereits ins Stocken. "Du hättest eigentlich gar nicht geboren werden dürfen". Der Satz, ...

Als ich die ersten Zeilen von Marco Balzanos Familiendrama "Wenn ich wiederkomme" gelesen habe, kamen meine Gedanken bereits ins Stocken. "Du hättest eigentlich gar nicht geboren werden dürfen". Der Satz, den eine Mutter vielleicht manchmal denkt, zu schwierigen Zeiten, wenn das ganze Alltagsgerüst über einem zusammenbricht und man am liebsten den Tag unter eine Decke verkrochen verbringen will. Dieser Satz ausgesprochen jedoch, in das Gesicht eben jener Kinder, der ist unwiderruflich und so mächtig in seinen Folgen, wie der Schmetterlingsflügelschlag, der einen Orkan auslöst. Unabsehbare Konsequenzen der Macht unserer Worte, die wir in Momenten, in denen wir nicht bei uns selbst sind, hinaus in die Welt schicken und nicht mehr einzufangen vermögen.

Daniela lebt in einer rumänischen Stadt am Existenzminimum zusammen mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern. Wie viele träumt sie von einem besseren Leben für ihre Kinder und schlussendlich auch sich selbst, also sucht sie das Glück in Mailand. Die Arbeit ist beschwerlich und sie vermisst ihr Leben und vor allem ihre Kinder. Als ihr Sohn einen schwerwiegenden Unfall erleidet, sieht sie sich gezwungen, der Wahrheit ins Auge zu blicken, denn Glück bedeutet nicht nur ein gewisser Wohlstand, sondern Glück bedeutet auch Zeit.

Der Stil ist nahezu erschreckend leicht, was in Kontrast zur schweren Thematik steht. Das erzeugt jedoch eine gewisse objektive Gleichgültigkeit auf die subjektive Sicht auf die Dinge, die dem Leser aus allen Perspektiven entgegenschallt. Egal, wie intensiv die Gedanken sind, der Leser kratzt durch die Wechsel immer nur an der Oberfläche und so fühlte ich mich über weite Strecken versunken im Sumpf der ungehörten Gedanken und verborgenen Emotionen. Vor allem die Wechsel der Protagonisten hat mir sehr gut gefallen, dabei bleibt die Erzählsicht spannend und fesselnd. Viele wunderbare Metaphern und visuelle Momente erzeugen nahezu einen Klang in meinem Kopf, wie eine Sinfonie der Sinnlosigkeit der Situation. Die Protagonisten sind dabei gut skizziert, nicht zu komplex dargestellt und bleiben doch mysteriös. Es fühlt sich an wie eine Begegnung auf der Straße, die auf einen Kaffee reicht, einige Gespräche und die dich dann auf unbestimmte Zeit in die Nacht entlässt. Eine Empfehlung für alle, die vielschichtige Romane schätzen, die mehr über die "Italienkrankheit" erfahren möchten und die viel aus einer Geschichte mitnehmen können, die dich mit Fragezeichen im Kopf in den Alltag entlässt.

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Veröffentlicht am 12.11.2021

Folgen der modernen Sklaverei

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Auf der ganzen Welt verlassen Frauen ihre Familien um Geld zu verdienen, damit ihre Kinder eine bessere Zukunft haben sollen. Doch um welchen Preis? Von einer dieser Frauen und ihrer Familie handelt Marco ...

Auf der ganzen Welt verlassen Frauen ihre Familien um Geld zu verdienen, damit ihre Kinder eine bessere Zukunft haben sollen. Doch um welchen Preis? Von einer dieser Frauen und ihrer Familie handelt Marco Bolzanos neues Buch, und es macht deutlich, welche Bürde auf solchen Familien lastet.

Daniela aus einem kleinen Dorf in Rumänien verschwindet ohne jemandem Bescheid zu sagen buchstäblich bei Nacht und Nebel nach Italien, um sich dort wie viele ihrer Landsfrauen eine Arbeit als Pflegerin zu suchen, damit sie ihren Kindern ein Studium finanzieren kann. Nur einen Brief hinterlässt sie für den zwölfjährigen Manuel und die 20jährige Angelica und so versuchen sie sowie ihr Vater und die Großeltern, ihr Leben so gut wie möglich weiterzuleben.

Erzählt wird aus den Perspektiven Danielas sowie der Kinder, und so unterschiedlich diese auch sein mögen, ist schnell klar, dass alle sehr unter der Situation zu leiden haben. Als der mittlerweile 16jährige Manuel einen schrecklichen Unfall erleidet, ist Daniela sofort an seiner Seite, voller Schuldgefühle und schlechtem Gewissen, das durch die Distanz zu ihrer nunmehr 24jährigen Tochter noch verstärkt wird.

Marco Bolzano macht mit den unterschiedlichen Sichtweisen deutlich, welche Probleme durch die Entscheidung Danielas entstanden sind und was diese Arbeit in der Ferne für Alle bedeutet. Manuel, mit 12 Jahren noch ein Kind, fehlt die ihn unterstützende und liebende Mutter am meisten; als sein Großvater stirbt, der einzig verbliebene Vertraute, bricht ihm sein letzter Halt weg. Daniela hingegen, die in der Fremde in einer Art modernem Sklaventum lebt und daran fast zugrunde geht, erwartet dafür zumindest in gewisser Weise eine Form der Dankbarkeit, die ihr jedoch verwehrt wird. Zu stark ist das Gefühl der Kinder, verraten worden zu sein; zu groß der Abstand geworden in den Zeiten zwischen ihren jährlichen Besuchen; zu erdrückend das Schweigen über die Dinge, die gesagt werden müssten. Und Angelica findet sich mit 20 Jahren ungefragt in der Rolle einer Erziehungsberechtigten wieder, in der sie sich nicht sieht, die sie aber dennoch versucht auszufüllen; einer Rolle, der sich der Vater verweigert und stattdessen davor flüchtet.

Es ist ein belastendes weil realistisches Szenario, das hier dargestellt wird; insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass dieser Exodus von Frauen, die ihre Familien hinter sich lassen, um ihnen eine bessere Zukunft zu bieten, noch immer alltäglich ist und vermutlich so bald kein Ende finden wird. Nicht nur in Italien – überall auf der Welt, auch bei uns.

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Veröffentlicht am 12.11.2021

Weibliche Gastarbeiter im Schatten der Gesellschaft...

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Nachdem ich "Ich bleibe hier" und "Das Leben wartet nicht" mit großer Begeisterung gelesen habe, war klar dass ich auch sein neustes Werk lesen wollen würde.

In der Geschichte geht es um die Rumänin Daniela, ...

Nachdem ich "Ich bleibe hier" und "Das Leben wartet nicht" mit großer Begeisterung gelesen habe, war klar dass ich auch sein neustes Werk lesen wollen würde.

In der Geschichte geht es um die Rumänin Daniela, die ihre Heimat verlässt, um ihren Kindern ein besseres Leben zu bieten. Sie geht einfach heimlich. Was hat das für Konsequenzen für die zurückgelassenen Kinder und auf die Partnerschaft? Und wie wird es ihr in der Ferne ergehen?

Der Roman ist in drei Abschnitte gegliedert und man erlebt aus der Sicht von Daniela und ihren beiden Kindern wie sie das Weggehen empfinden. Im Fokus stand für mein Gefühl stets Daniela als die Flüchtige.

Am meisten hat mich das Schicksal von Daniela berührt, wie roh die Arbeitgeber mit ihr umgehen, in welchen Klischees sie denken und was von ihr alles abgefordert wird. Beim Lesen hatte ich beinahe selbst seelische und körperliche Schmerzen, weil mir das Geschilderte so nahe ging. Vor allem glaubte ich zwischendrin, dass sie als Kindermädchen ihr Glück und ihre Zufriedenheit gefunden hat und dann kommt ihr das Leben dazwischen.

Wie gewohnt ist der Erzählstil Balzanos eher unaufgeregt und nüchtern. Der Leser wird mehr durch die Geschehnisse als durch schöne Worte berührt. Mir gefällt diese Art, da die aktuellen Zeiten im echten Leben aufregend genug sind.

Gut gefallen hat mir außerdem, dass man für jeden Protagonisten Partei ergreift. Zu Beginn konnte ich Tochter Angelica so gar nicht einschätzen und mochte sie nicht so wirklich, aber als sie zu Wort kommt, entwickelt man Verständnis und die bereits gebildete, eigene Meinung wendet sich nochmal.

Fazit: Ein Thema, welches unbedingt offener und häufiger angesprochen gehört, denn der Gastarbeiter von heute ist eben nicht mehr nur der starke Mann vom Lande. Solide Unterhaltung, die bei mir noch lange nachwirken wird. Gern spreche ich eine Empfehlung aus.

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Veröffentlicht am 11.11.2021

Verschiedene Blickwinkel

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Marco Balzano schafft es irgendwie immer wieder, Themen aufzugreifen, über die ich mir bisher noch überhaupt keine Gedanken gemacht habe; sei es, weil ich keine Berührungspunkte damit hatte oder weil ich ...

Marco Balzano schafft es irgendwie immer wieder, Themen aufzugreifen, über die ich mir bisher noch überhaupt keine Gedanken gemacht habe; sei es, weil ich keine Berührungspunkte damit hatte oder weil ich sie verdrängt habe. Die Geschichte der Pflegekräfte aus dem Osten, die ins Ausland auswandern um mit der Knochenarbeit, die bei uns niemand übernehmen möchte, ihre Familien zuhause versorgen, ist ein solches Thema.

Daniela lässt eines Nachts ihre Familie und ihre rumänische Heimat hinter sich, um in Italien als Pflegerin Geld zu verdienen und damit ihre Lieben daheim zu ernähren. Was diese Entscheidung sowohl für sie als Zurücklassende als auch für ihren Sohn und ihre Tochter als Zurückgelassene bedeutet, beleuchtet der Roman in drei Teilen.

Durch die wechselnde Perspektive wird die Erzählung besonders eindrücklich. Man erhält Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt aller Beteiligten, entwickelt sowohl Verständnis für Manuels jugendlichen Trotz als auch für die Hilfslosigkeit und Verlorenheit Danielas, die sich in der neuen Stadt mit schwierigen Patienten und Verständnisbarrieren auseinandersetzen muss und dafür Verständnis und Anerkennung von der Familie erhofft, die ihr verwehrt bleibt.

Die Figuren bleiben für mich, obwohl die Einblicke teilweise sehr tiefgreifend sind, etwas unnahbar. Manchmal fehlen mir ein wenig die Emotionen. Und doch schafft es das Buch, eine gewisse Verbindung aufzubauen. Das Verständnis, das Daniela bei ihren Kindern sucht, findet sie zumindest bei mir.

Fazit:
Ein interessantes und wichtiges Thema, aus allen Blickwinkeln betrachtet.

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