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Veröffentlicht am 14.06.2021

Spannende historische Geschichte mit leichten Webfehlern

Die Frauen von Kopenhagen
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Die Geschichte erzählt vom Leben der Arbeiterfrauen in einer Weberei in Kopenhagen Ende des 19. Jahrhunderts. Die brutalen Arbeitsbedingungen und der niedrige Lohn bringen die Frauen immer wieder in Existenznöte. ...

Die Geschichte erzählt vom Leben der Arbeiterfrauen in einer Weberei in Kopenhagen Ende des 19. Jahrhunderts. Die brutalen Arbeitsbedingungen und der niedrige Lohn bringen die Frauen immer wieder in Existenznöte. Ein schwerer Unfall ist der Auslöser, dass Nelly die teils kriminellen Vorgänge der Weberei ans Tageslicht bringen will. Ihr Ziel ist es bessere Bedingungen für die Frauen zu erzwingen. Damit bringt sie sich selbst in Gefahr und das Unglück nimmt seinen Lauf. Wochen später gerät auch Anna, die Nellys Spur aufgenommen hat, ins Visier der Bosse.

Die Autorin hat ein wunderbar authentisches Setting geschaffen, dem man die intensive Recherche anmerkt, das ja auf tatsächlichen Geschehnissen aufbaut. Das Buch wird aus mehreren Perspektiven erzählt und enthält zwei unterschiedliche Erzählstränge. Die Rollen der Protagonisten sind sehr unterschiedlich gewichtet und es fällt mir schwer, die einzelnen Erzählstränge zu werten, ohne zu spoilern.

Im ersten Teil werden mir die Lebensbedingungen der Arbeiterfrauen in Kopenhagen eindrucksvoll vor Augen geführt und schon nach wenigen Seiten leide ich mit den Protagonistin Nelly und ihrer Schwägerin Marie, sehe die hungrigen Augen der Kinder vor mir und spüre die Kälte in meinen Knochen. Mit dem Unfall ist die Existenznot kaum mehr auszuhalten, Nelly nimmt all ihren Mut zusammen und ergreift die Initiative. Am Höhepunkt der Spannungskurve erwartet mich ein Cliffhanger und die Szenerie wechselt.

Im zweiten Teil lerne ich Anna, Tochter eines Kleinbauern, kennen, die ebenfalls ein karges und hartes Leben führt und deren einzige Chance dem zu entkommen, eine gute Heirat zu sein scheint. Auch Annas Konflikt wird wunderbar transportiert und dieser zweite Erzählstrang hat seinen eigene Spannungsbogen.

Im dritten Teil versucht Anna in der Stadt Koppenhagen ihren geliebten Bruder, der unschuldig im Gefängnis sitzt und in die Vorgänge um Nelly verstrickt zu sein scheint, zu unterstützen. Anna muss dafür die Vorfälle um Nelly und die Weberei aufklären. Die Entwicklung des Plots in diesem Teil überrascht mich sehr. Ich hatte mit einer Zusammenführung der beiden Erzählstränge erwartet und mit der Initiierung der Arbeitskämpfe gerechnet, doch die Geschichte entwickelt sich zu einem sehr spannenden Krimi, in der die akribische Suche Annas nach dem Täter im Vordergrund steht, bei der sie selbst in Gefahr gerät. Nellys Pläne und die Arbeitsbedingungen der Arbeiterfrauen dienen leider nur als Hintergrundkulisse.

Im Showdown gelingt es der Autorin, das Verbrechen zufriedenstellend aufzuklären und auch die Fäden aus dem ersten Teil wieder aufzunehmen und abschließend einzubinden. Für mich kam es etwas zu spät. Die Geschichte wirkt durch das Ungleichgewicht der Erzählstränge etwas holperig, obwohl alles für sich gesehen ein sehr spannenden und schlüssigen Verlauf genommen hat und auch Anna eine eindrucksvoll Protagonistin ist, der ich gerne gefolgt bin.

Fazit: Spannender und authentischer historischer Roman, der durch die ungleiche Gewichtung der Erzählstränge keine eindeutige Prämisse erfüllt.

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Veröffentlicht am 14.02.2021

humoriger Spinn-off-Appetithappen

Doktor Maxwells weihnachtliche Zeitpanne
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Die kleine kostenlose Spinn-off-Geschichte trifft den gleichen humorigen Ton wie ihre großen Vorgänger. Es macht einfach Spaß mit Max in die Vergangenheit zu springen. Dieses Mal nach London zum 25.12.1066. ...

Die kleine kostenlose Spinn-off-Geschichte trifft den gleichen humorigen Ton wie ihre großen Vorgänger. Es macht einfach Spaß mit Max in die Vergangenheit zu springen. Dieses Mal nach London zum 25.12.1066. Eigentlich soll sie die Krönung von König William I. beiwohnen. Aber Max wäre nicht Max, wenn ihre Expedition nicht wieder einmal ganz anders verläuft als geplant und Max die Regeln ganz nach ihrem Gusto der Situation anpasst. Das Team bleibt diese Mal brav, aber es ist schließlich auch Weihnachten.

Eine gelungene Kombination aus Spannung, Überraschung und Situationskomik und damit sie in die Weihnachtszeit passt, mit einer Spur Romantik garniert. Die Geschichte macht auf jeden Fall Lust auf mehr und ist eine gute Möglichkeit mal reinzuriechen.

Fazit: Kostenlose Geschichte, die Spaß macht

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Veröffentlicht am 10.02.2021

Spannung und Romantik im historischen Kohlemillieu

Das verlorene Medaillon
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Die verwaiste Emma wird von ihrem Onkel aufgenommen, der Aufseher in der Kohlemine von Coal River ist. Die Familie lässt sich ihre „Mildtätigkeit“ von Emma durch harte Arbeit und finanzielle Verbindlichkeiten ...

Die verwaiste Emma wird von ihrem Onkel aufgenommen, der Aufseher in der Kohlemine von Coal River ist. Die Familie lässt sich ihre „Mildtätigkeit“ von Emma durch harte Arbeit und finanzielle Verbindlichkeiten bezahlen und verlangt von ihr ein perfektes Bild in der Gesellschaft abzugeben. Doch dies entspricht nicht Emmas Naturell. Angesichts der elenden Verhältnissen und gesundheitlichen Gefahren, in denen die Kohlejungen leben, beschließt Emma trotz ihrer eingeschränkten Möglichkeiten zu helfen und gerät schnell in Konflikt mit der Familie ihres Onkels und dem mächtigen Minenbesitzer.

Emma ist eine sympathische Heldin, manches Mal sehr naiv in ihren Handlungen, dann sehr fortschrittlich und despektierlich in ihrem Auftreten als Frau. Schon nach kurzer Zeit hatte mich ihr Schicksal gefangen genommen. Manchmal wiederholten sich ihre gedankliche Auseinandersetzung und ihre Erinnerungen an ein kindliches Trauma. Doch die abwechslungsreiche Handlung und die wirklich realistischen Beschreibungen der menschlichen Ausbeutung sind so fesselnd, dass ich gut darüber hinweglesen konnte.

Die Mischung aus tollen Spannungsbogen und einige romantisch verklärte Situationen, die aber durchaus in die Zeit und die Jugend der Protagonistin passen, ist sehr gelungen.

Fazit: Eine spannende Geschichte, die einen guten Einblick in die Arbeitsbedingungen der Kohleförderung und sozialen Verhältnisse der Bergarbeiter und ihrer Familien zu Beginn des 19. Jahrhundert in den Staaten gibt. Die eindrücklich beschriebenen Atmosphäre lässt den Leser den Staub und Schmutz förmlich fühlen. Ein rund um gelungenes Lesevergnügen.

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Veröffentlicht am 10.01.2021

Mikroskopischer Blick auf dörfische Strukturen

Unterleuten
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Nach außen scheint das Dorf ruhig und beschaulich, doch die Dorfgemeinschaft wurde durch ihre Geschichte und Politik bereits vor langer Zeit in Bewegung gesetzt, zieht Strippen, streitet offen und hinter ...

Nach außen scheint das Dorf ruhig und beschaulich, doch die Dorfgemeinschaft wurde durch ihre Geschichte und Politik bereits vor langer Zeit in Bewegung gesetzt, zieht Strippen, streitet offen und hinter verschlossenen Türen, besinnt sich auf alte Banden, knüpft neue Kontakte, manipuliert, sabotiert und prügelt wüst aufeinander ein – alles unter dem Deckmäntelchen, das Beste für das Dorf erreichen zu wollen. Mitten drin ein paar Zugezogenen mit ihren ganz eigenen Problemen und Zielen und dem Gefühl, den Punkt erreicht zu haben, an dem man im Dorf endlich mitmischen kann.

Nach gut 150 Seiten zündet die Autorin eine Lunte, die ganz nach ihrem Plan abbrennt. Die Planung der Landesregierung, eine Windkraftanlage in Unterleuten zu platzieren. teilt das Dorf in Gegner und Befürworter. Die teils jahrzehntelangen schwelenden Konflikte beginnen wieder aufzulodern und steigern sich zu einem martialischem Flächenbrand.

Das Buch lebt von dem Blick hinter die Kulissen, es seziert die Beziehungen bis tief in die Vergangenheit und räumt jedem Protagonisten viel Raum und Zeit zum Denken und Fühlen vor dem eigentlichen Handeln ein. Ein Buch, das mich auf der einen Seite fasziniert, auf der anderen unbeteiligt lässt.

Seite um Seite werden die Dorfbewohner entblättert und ihr Inneres vor dem Leser ausgebreitet. Dies entbehrt nicht einer gewissen Spannung, gleichzeitig benötigt man auch Geduld und Konzentration. Es zieht sich, bis ich die Vielzahl der Protagonisten erst einmal kennengelernt, ihren Tag- und Nachtträumen beigewohnt habe und den sich im Alltag spiegelnden Abgründe gewahr geworden bin.

Leider gelingt es der Autorin nicht, mich emotional zu beteiligen. Mir fehlen Identifikationsfiguren, es scheint nur Macher oder Opfer zu geben und jede Entwicklung in diesem Spektrum wandelt sich zu einem Extrem. Weder Dörfler noch Zugezogenen bieten mir einen Platz an, an dem ich mich einrichten möchte.

Ich fühle mich wie ein unbeteiligter Zaungast bei einem Faustkampf, dessen Choreographie einem Plan folgt. Die Anfeuerungsrufen und wüsten Beschimpfungen der Umstehenden gellen in meinen Ohren, aber der Ausgang bleibt mir völlig egal.

Die Technik der Autorin, jede Szene unter einem Vergrößerungsglas zu betrachten, ist auf der einen Seite interessant und ungewöhnlich - auf Dauer aber auch anstrengend und langatmig. Ich fühle mich durch die detaillierte und Zeit verzögerten Beobachtungen gezwungen, die Bahn jedes einzelnen Schweißtropfens oder Speichelfadens dieses Kampfes zu verfolgen. Manches Mal hätte ich mir weniger Details, weniger Verknüpfungen und weniger innere Landkarten gewünscht und dafür mehr Handlung und mehr Freiraum eigene Gedanken spinnen zu dürfen.

Fazit: Die Geschichte folgt einem genialem Plan, der nichts dem Zufall überlässt, aber auch leider kaum Platz für emotionale Beteiligung lässt. Jeder Gedanke wird mir abgenommen, weil die Autorin bereits festgelegt hat, was ich zu denken habe.

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Veröffentlicht am 27.12.2020

Die Macht der Wortlosigkeit

Still!
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Mariella ist zu der Erkenntnis gekommen, das Reden keine Probleme löst. Folgerichtig hat sie sich entschlossen, nicht mehr zu sprechen - mit niemanden. Es ist überraschend, wie umfassend sie diese Entscheidung ...

Mariella ist zu der Erkenntnis gekommen, das Reden keine Probleme löst. Folgerichtig hat sie sich entschlossen, nicht mehr zu sprechen - mit niemanden. Es ist überraschend, wie umfassend sie diese Entscheidung umsetzt und selbst in Situationen, in der klärende Worte alles vereinfachen würden, bleibt sie stumm. Konsequent in allen Lebenslagen.

Ihr Umfeld kommt damit nicht zurecht. Besonders bei ihrer Mutter liegen die Nerven blank. Aber auch in der Schule wird ihr vieles zum Nachteil ausgelegt, und es ist überraschend, wie aggressiv sowohl Lehrer als auch Mitschüler auf die Stille reagieren.
Als Mariella den gehörlosen Stan trifft, scheint sie endlich jemanden gefunden zu haben, der ihre Entscheidung akzeptiert. Sie beginnt Hoffnung zu schöpfen, doch unterschätzt sie die weitreichenden Folgen ihrer Sprachlosigkeit.

Die Geschichte spiegelt Mariellas Innenleben. Stück für Stück durchlebt man ihren Alltag, ihre Gefühle, ihre Ängste, ihre Träume. Es ist bewundernswert wie konsequent sie ihre Entscheidung umsetzt. Und auch in Momenten der Schwäche, bleibt sie dabei. Das hat mich sehr beeindruckt. Gleichzeitig wird gezeigt, wie wenig Bereitschaft im Umfeld besteht, sich auf Mariella einzustellen.

Mir gefällt die Grundidee des Buches sehr. Es wird mir sehr leicht gemacht, in Mariellas Haut zu schlüpfen und die Welt durch ihre Augen zu betrachten. Doch manches hätte ich mir ausführlicher gewünscht. Viele Szenen bleiben bruchstückhaft. Durch die strikte Wahl der Perspektive bleiben leider auch einige Hintergründe, die zu Mariellas Entscheidung geführt haben diffus. Prägende Ereignisse werden nur angerissen. Mariella wirkt an manchen Stellen stur, doch ich denke, es zeigt gut ihre Überforderung.

Erst die drastischen Ereignisse am Ende machen ihr einen Entwicklungsschritt möglich. Zum Ende gibt es einen Hoffnungsschimmer, doch zur Klärung scheint es noch ein langer Weg.

Fazit: Hilflosigkeit und Sprachlosigkeit liegen dicht beieinander. Doch man sollte sie nicht verwechseln.

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