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Veröffentlicht am 22.01.2024

Die Familie aus Elmshorn

Das Haus Kölln. Glänzende Zeiten
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Wohl jeder kennt sie seit frühster Kindheit- die zartschmelzenden Haferflocken. Doch wer kennt schon das traditionsreiche Familienunternehmen, das dahintersteht? Ich zumindest kannte es bisher nicht. Also ...

Wohl jeder kennt sie seit frühster Kindheit- die zartschmelzenden Haferflocken. Doch wer kennt schon das traditionsreiche Familienunternehmen, das dahintersteht? Ich zumindest kannte es bisher nicht. Also habe ich mich zum Mühlwerk nach Elmshorn in die Zeit Um 1890 entführen lassen. Starke und innovative Frauen sind mir begegnet. Die Mutter Charlotte ist noch sehr gefangen in den alten Konventionen und pflegt weiter die strenge Hierarchie in der Familie, nachdem ihr Mann verunglückt ist. Damit macht sie ihren Töchtern und Schwiegertöchtern das Leben schwer. Doch die Frauen des Hauses Kölln sind ihrer Zeit voraus und wollen selbstständig sein, studieren und einen Beruf ergreifen. Heirat und Kinder sollen auch sein aber nicht als einziger Lebensinhalt. Der Wandel bestimmt diese Zeit, an dem die Frauen teilhaben wollen. Zu Recht, denn warum soll so etwas wie das Fahrradfahren nur den Männern vorbehalten bleiben. Ich bin nur so durch die Seiten geflogen und habe mich in dieser wunderschönen Geschichte total verloren. Die Charaktere waren alle so charismatisch und liebenswert, dass ich mit ihnen mitgefiebert habe. Durch diesen großartigen, bildhaften Schreibstil der Autorin konnte ich mich total in diese Zeit hineinversetzen und habe oft darüber nachgedacht, was ich wohl für ein Mensch in dieser Zeit gewesen wäre. Und ob ich nicht auch dem vielen Neuen in unserer Zeit öfter eine Chance geben sollte, denn schließlich kann daraus etwas Großes erwachsen und sein es nur so etwas Kleines wie eine Haferflocke. Ein überaus gelungener Reihenstart! Ich fiebere jetzt schon dem zweiten Teil im April entgegen.

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Veröffentlicht am 07.01.2024

Der gleiche Mond, ein anderes Leben

Eine halbe Ewigkeit
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Ich habe das Buch „Mondscheintarif“ damals sehr geliebt. Es passte in diese (meine) Zeit. Mit Erkenntnissen die endlich mal jemand in Worte fasste, hatte mich die Autorin total abgeholt. Einer dieser Sätze ...

Ich habe das Buch „Mondscheintarif“ damals sehr geliebt. Es passte in diese (meine) Zeit. Mit Erkenntnissen die endlich mal jemand in Worte fasste, hatte mich die Autorin total abgeholt. Einer dieser Sätze hat mich mein Leben lang begleitet und lautet in etwa sinngemäß: Ich wiege nicht einfach nur, entweder bin ich gerade am Zunehmen oder am Abnehmen. Ich war deshalb total begeistert, als ich las, dass es nun nach 25 Jahren eine Fortsetzung geben soll, in der wir Cora Hübsch wiedertreffen. Mittlerweile ist sie 54 Jahre alt, verheiratet und hat 3 Kinder großgezogen. Sie schaut auf ihr Leben zurück, auf das was sie sich einmal erträumt hatte und auf das, was daraus geworden ist. Ihre große Liebe hat sie verloren, ihre beste Freundin ebenfalls. Sie trägt viel Schuld und Trauer in ihrem Herzen und ersehnt sich einen Neuanfang. Ihr altes Tagebuch fällt ihr wieder in die Hände und Vergangenheit vermischt sich mit Gegenwart.
Faszinierend ist wirklich, dass ich mit der Protagonistin gealtert bin. Und wie wohl jeder in dieser Altersklasse habe, ich ähnliches erlebt, dass mich geprägt und gezeichnet hat. Deshalb habe ich mich auch in diesem Buch total wiedergefunden. Mit starken Sätzen und klaren Wahrheiten hat mir Cora aus der Seele gesprochen. Ich habe mich tief berührt in ihrem Leben wiedergefunden, konnte ihre Gedanken und wünsche nachempfinden und ihre Entscheidungen verstehen. Ich bin mir nicht sicher ob jüngere sich in dieser Geschichte wiederfinden. Aber Frauen, die schon eine halbe Ewigkeit hinter sich haben, werden es lieben und sich verstanden fühlen.

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Veröffentlicht am 29.12.2023

Die Sucht

Muna oder Die Hälfte des Lebens -
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Die Protagonistin Muna wächst bei ihrer alkoholkranken Mutter in einer Kleinstadt der ehemaligen DDR auf. Ihr Vater ist gestorben als Muna noch ein Kind war und wird von ihr schmerzlich vermisst. Sie beginnt ...

Die Protagonistin Muna wächst bei ihrer alkoholkranken Mutter in einer Kleinstadt der ehemaligen DDR auf. Ihr Vater ist gestorben als Muna noch ein Kind war und wird von ihr schmerzlich vermisst. Sie beginnt sich mit Schrift auszudrücken und liebt Literatur. Als sie ein Praktikum bei einer Zeitung macht, lernt sie blutjung den dort arbeitenden Magnus kennen und verliebt sich in ihn. Es beginnt eine Abhängigkeit, aus der sie nicht wieder herausfindet. Zum Mauerfall verschwand nicht nur das Land, in dem Muna aufwuchs, sondern auch ihre Kindheit. Munas und Magnus Wege trennen sich kurz vor dem Mauerfall durch Magnus Flucht in den Westen. Muna beginnt ihr Leben und ihre Karriere ohne ihn und ist damit auch sehr erfolgreich, bis sie ihn zufällig wiedertrifft und die Sucht nach diesem Menschen sie erneut zu Boden reißt.
Meiner Meinung nach stand dieses Buch ganz zu Recht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2023. Die Autorin hat eine ganz eigene Erzählweise. So vermischen sich Gesagtes und Gedachtes, aber auch dass was lieber nicht gesagt werden sollte, jedoch zu Muna gehört und deshalb als gestrichener Text aufgeführt wird. So leben wir als Leser völlig in Muna auf und haben doch Mühe zu verstehen, warum sie ist wie sie ist. Während sie die Alkoholsucht ihrer Mutter verteufelt, geht sie völlig in ihrer Sucht nach Magnus auf und nennt es Liebe. Ihr Leben und Handeln sind teilweise unverständlich jedoch geprägt von ihrer Abhängigkeit. Viele sehr interessante Charaktere säumen Munas Leben, die alle wunderschön inszeniert und facettenreich sind. Munas Geschichte ist bedrückend, die Erzählung jedoch großartig. Ein Kunstwerk und absolut lesenswert!

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Veröffentlicht am 28.12.2023

Daheim und nicht zu Hause

Daheim
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Mit 47 Jahren endet für die Ich-Erzählerin das Leben mit Mann und Kind. Die Tochter ist flügge geworden und das Ehepaar hat sich zwar noch viel zu sagen, jedoch auf einer anderen Ebene. So zieht sie ans ...

Mit 47 Jahren endet für die Ich-Erzählerin das Leben mit Mann und Kind. Die Tochter ist flügge geworden und das Ehepaar hat sich zwar noch viel zu sagen, jedoch auf einer anderen Ebene. So zieht sie ans Meer, zu ihrem Bruder, um ihm in seinem Restaurant zu helfen. Mit ihrem Mann schreibt sie sich Briefe, von ihrer Tochter hört sie nur sporadisch. Sie findet Menschen im Ort die ihr wichtig sind, aber irgendwie auch nicht wirklich nahe. Der Schreibstil wirkt nüchtern und einfach, bewirkt dadurch jedoch eine gewisse Tristesse. Der Blick der Ich-Erzählerin geht oft zurück und nur selten in die Zukunft. Der Umzug wirkt, wie eine nicht geplante Flucht aus dem bisherigen Leben ohne die Vorstellung wie es anders sein könnte. Die neue Liebe, die sie findet, wirkt zufällig und nicht besonders leidenschaftlich, genau wie sie selbst. Ich mag den Schreibstil von Judith Hermann sehr gerne und auch das, was sie damit ausdrückt. Das Buch erinnert mich an ein Gemälde, dass auf den ersten Blick klar und einfach wirkt und bei dem man bei längerer Betrachtung immer mehr Details sieht. Worte die Stimmung erzeugen, ohne viel zu sagen. Wie schwarze Wolken, die aufziehen und in einem das Bedürfnis wecken tätig zu werden, alles zusammenzupacken und heimzugehen.

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Veröffentlicht am 23.12.2023

Zeitinseln über alles

Achtsam morden
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Der Anwalt Björn wird von seiner Frau gezwungen, ein Achtsamkeitstraining zu absolvieren. Denn Björn wird von seinem einzigen Mandanten dem Gangsterboss Dragan total vereinnahmt, sodass kaum noch Zeit ...

Der Anwalt Björn wird von seiner Frau gezwungen, ein Achtsamkeitstraining zu absolvieren. Denn Björn wird von seinem einzigen Mandanten dem Gangsterboss Dragan total vereinnahmt, sodass kaum noch Zeit für seine Frau Katharina und Tochter Emily bleibt. Und das Training trägt Früchte mit viel Achtsamkeit entledigt er sich all der Personen und Situationen die seine Zeitinseln stören.
Ich hatte das Buch schon ziemlich lange auf meinem Sub liegen. Aber so wie das immer ist mit der Zeit habe ich mir für dieses Buch bisher keine genommen. War dem Buch gegenüber also nicht sehr achtsam. Als es mir dann vor ein paar Tagen wieder in die Hände fiel, konnte ich es einfach nicht mehr weglegen. Björn versinkt völlig im Chaos des kriminellen Milieus und behält trotzdem, dank Achtsamkeitsratgeber seines Achtsamkeits-Gurus die Nerven. Wie er die völlig abgefahrenen Situationen bewertet und ins Gegenteil umwandelt, ist schreiend komisch, kreativ und unvorhersehbar. Björn manövriert sich immer weiter in die Bredouillen und bleibt dennoch gelassen. Und ganz nebenbei habe ich tatsächlich noch etwas über Achtsamkeit gelernt. Ich kann den Hype um dieses Buch total verstehen. Es ist wirklich sehr lesenswert.

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