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Veröffentlicht am 28.08.2020

Ich. Will. Mehr.

Gawain: Lichtfalke
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"Gawain: Lichtfalke" von Jessica Bernett erschien am 17. April im Sternensand Verlag.

"Gawain, der Lichtfalke von Lothian, hat genau zwei Regeln, wenn es darum geht, eine Geliebte zu finden: keine Jungfrauen ...

"Gawain: Lichtfalke" von Jessica Bernett erschien am 17. April im Sternensand Verlag.

"Gawain, der Lichtfalke von Lothian, hat genau zwei Regeln, wenn es darum geht, eine Geliebte zu finden: keine Jungfrauen & keine Ehefrauen. Der Held der Tafelrunde wird auf eine harte Probe gestellt, als er auf der Insel Erínn die wunderschöne Gemahlin des Clanführers trifft … Seine Liebschaften rücken allerdings in den Hintergrund, nachdem ihn eine traurige Nachricht erreicht hat, die ihn zurück in den Norden Britanniens ruft. Eine Reise, die Gawain für immer verändert, denn sein Weg führt ihn durch einen Wald, der nicht nur gefährlich, sondern auch verzaubert ist."



"Gawain: Lichtfalke" war mein erstes Buch von Jessica Bernett, & das ich bisher noch nichts von der jungen Autorin gelesen habe ärgert mich!

Ich wusste ehrlich gesagt nicht genau, welche Welt mich in dem historischen Fantasyroman aus dem Sternensand Verlag erwartet. Umso überraschter war ich, als ich mich doch tatsächlich an der Seite eines Ritters der Tafelrunde einfand.
Während der ersten Kapitel musste ich mich erstmal einfinden, in meinen Augen beginnt die Geschichte etwas schleppend, regelrecht unspektakulär, in dem man Gawain kennenlernt. Doch je weiter ich las, umso schneller flogen die 236 Seiten dahin. Was anfangs wie eine neutral geschilderte Verhandlungsmission mit einem humorvollen, unglaublich sympathischen Protagonisten aussieht, entwickelt sich zu einer lebhaften, unerwarteten & fesselnden Story. Jessicas Art, das Geschehen zu schildern, ist klar, flüssig & mit den jeweiligen Ereignissen & Situationen absolut stimmig. Bildhaft tauchten Orte & Landschaften auf, ich spürte den Nebel im Zauberwald, hörte, wie sich die Wurzeln an die Oberfläche drückten. Auch die Charaktere & Wesen, denen man begegnet, waren vorstellbar gezeichnet. Raffiniert wird Gawains trockene, lockere Art selbst in brenzligen Situationen eingebracht, sodass ich mehr als einmal Lachen musste, & dennoch ging sein Verstand, sein Ehr - & Pflichtgefühl ebenso wenig unter, wie seine kämpferischen Züge. Ich habe mich in diesen charmanten "Dummling" definitiv verliebt.
Verwirrt wurde ich durch all die, zum Teil ähnlichen, Namen & Beziehungskonstellationen. Dennoch gingen die Hauptakteure sowie der vordergründige Verlauf nie unter. Es machte mir wirklich großen Spaß, den lockeren Ritter & sein treues Pferd "Wurzel" zu begleiten; es wurde nicht langweilig, Prioritäten & Ziele änderten sich, die Ortschaften & Charaktere variierten – "Gawain" steht nie still, ist interessant & vielfältig. Der Verlauf führt stetig in neues & anderes, wirkt aber nicht überladen. Jessica machte mich neugierig, überfiel mich regelrecht
mit überraschenden Wendungen & Ereignissen. Ich wurde in eine zum Teil rasante & aufregende Fantasygeschichte um eine der berühmtesten Sagen überhaupt gezogen, in der sich Magie & Wunder, mit Spannung & viel Gefühl vereinen - ja, auch der berüchtigte Lichtfalke kommt nicht um eine Liebe herum.


Dass das Thema der Selbstbestimmung & Freiheit von Frauen einfließt, & die Botschaft mitschwingt, dass das Äußere keinen Einfluss darauf nimmt, wie wohl man sich mit / bei einem Menschen fühlt, machen die fünf Sterne, trotz anfänglicher Längen, voll.


Mein Fazit: Ich will mehr. Ich muss die Trilogie "Elayne" unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 19.06.2025

Berührende, aufwühlende Familiengeschichte, deren Cover trügerisch ist

Ehemänner & Liebhaber
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In „Ehemänner und Liebhaber“ verbindet Beatriz Williams reale Ereignisse, ausgiebige Recherche und relevante Themen mit Fiktion, Dramatik und purer Liebe. Es entstand ein Roman, der gleichermaßen fesselt ...


In „Ehemänner und Liebhaber“ verbindet Beatriz Williams reale Ereignisse, ausgiebige Recherche und relevante Themen mit Fiktion, Dramatik und purer Liebe. Es entstand ein Roman, der gleichermaßen fesselt wie berührt, der Mitgefühl weckt und zum Mitfiebern verführt.

Zwei starke, beeindruckende Frauen, die auf unterschiedliche Art mit dem Schicksal ringen, getrennt durch Kontinente und Zeiten, nehmen uns mit in intimste Empfindungen und echtes Leid –

Kairo, ~ 1950: Nach traumatischen Erfahrungen, tiefschürfenden Verlusten und dem Elend des Kriegs blieb Hannah Ainsworth nichts anderes übrig, als zu flüchten. Gelandet in einer Ehe, die Sicherheit und Wohlstand versprach, treibt sie das Sehnen nach dem, was sie verloren hat, nach Leidenschaft und dem gewissen Mehr in die Arme eines anderen …

Neuengland, ~ 2022: Für Mallory Dunne ist jeder Tag mit ihrem Sohn ein Geschenk. Denn vor drei Jahren hing Sams Leben am seidenen Faden. Auch jetzt vergeht kein Tag ohne Sorgen – und doch weigert sich Mallory, ihre einstige, heute berühmte Sommerliebe zu kontaktieren. Indes macht sich Paige auf die Suche nach Alternativen und kommt einem Geheimnis auf die Spur, das die Schwestern in ein irisches, von Grausamkeit und Tragik behaftetes Waisenhaus führt …

Bereits mit den konträren Settings sorgt Williams für Interesse, ungute Vorahnungen und flirrende Spannung. Während im Ägypten der Nachkriegszeit, in dem Hass und politische Intrigen, Angst und Vorsicht schwelen, die Atmosphäre bedrohlich, nie wahrhaft ausgelassen ist, Hannahs Entscheidungen und Intentionen im Vordergrund stehen – oft die Luft anhalten, schwer schlucken lassen –, umspielt der fiktive, malerische Küstenort Winthrop Island eine Ballade aus ungesagten Worten und verlorener Liebe. Aus Nostalgie und „Was wäre, wenns“. Reue und Wehmut vermischen sich mit Humor und bittersüßer Hoffnung.

Die Frage, was die Linien von Hannah und Mallory trennte, ist stets präsent. Selbst als ein Teil ihrer Verbindung längst gelüftet ist, nimmt der Drang, tiefer in das Schweigen ein-, zu den Details und (Hinter)Gründen durchdringen zu wollen, nicht ab. Stilistisch finden wir einen angenehmen, klaren Ton, der Verzweiflung, Erschöpfung und Schwere mit einer gewissen Distanz unterstreicht – diese übertüncht jedoch zu keiner Zeit die guten, die warmen Gefühle. Die Storyline wurde nachvollziehbar ausgearbeitet, die Settings wunderschön und detailliert und die Hauptcharaktere mit Eigenheiten und ihren Fehlern.

Beatriz hüllt die Vergangenheit in Sepiatöne, lässt sie als stimmig eingeflochtenen Nebenstrang mitfließen – jedoch nicht weniger real, nicht weniger wahr. Dass die Autorin Aufmerksamkeit für marginale Minderheiten und deren Verfolgung, für Frauen, denen das Kostbarste entrissen wurde, generiert, gibt dem hier aufgegriffenen Geschehen der 1950er Jahre zusätzlich etliche Gänsehautmomente. Die Gegenwart wurde lebendiger, freier gestaltet. Es war leichter, sich mit Mallorys Situation und den hier verwobenen Themen – DNA-Tests, Organspende, Trauma, den Vorzügen und Tücken des öffentlichen Lebens – zu identifizieren. Doch beide Zeiten, die Fülle der unterschiedlichen, schrecklichen Ereignisse, das Potpourri an Empfindungen, Verlusten und Veränderungen gingen mir nah.

Mallory, allem Anschein nach eine alleinerziehende Mutter, die alles unter Kontrolle hat und mit den Schlägen des Lebens umzugehen weiß, wackelt und wankt im Inneren, kämpft mit Selbstvorwürfen, Sehnsucht und Erinnerungen. Hat es seit dem Sommer 14 Jahre zuvor nie wieder zugelassen, sich zu verlieben. Als Monk Adams nun aus dem Wasser steigt, bleibt ihre geordnete Welt kurz stehen. Bevor ihr Geheimnis den Musiker erschlägt …
Es war unterhaltsam und rührend, dem sachten Aufeinanderzugehen von Mallory und Adams beizuwohnen – von unbeholfenen Aussagen und An- sowie Entschuldigungen, von kurzen Blicken und dem leisen Wieder- und Neuerkennen. Wenn die Anfang Dreißigerin auch versucht, die Beherrschte zu mimen, lässt vor allem Monks Art, mit seiner neuen Realität umzugehen – mühelos und aufopferungsvoll – die Schmetterlinge fliegen. Dass die gegenwärtigen Entwicklungen von Einblicken in die Anfänge ihres ‚Gemeinsams' durchbrochen werden, gibt den LeserInnen die Möglichkeit, ein genaues Bild der beiden zu bekommen, ihren Gefühlen füreinander nachzuspüren – und zu verstehen, warum Mallory ihre erste Liebe und den Küstenort verlassen, ihre Zukunftspläne und -träume losgelassen hat …

Abgesehen von den im Fokus stehenden Couples und deren Geschichten treffen wir auf weitere Konflikte und Figuren, die die – im Mittelteil auf der Stelle tretende – Handlung bereichern und für Abwechslung sorgen. Bspw. Paige, die unterstützend ist, fürsorglich und hilfsbereit – jedoch von mir manchmal als bevormundend wahrgenommen wurde.
Lucien, der bereit ist, sein Herz zu öffnen, trotz der Gewissheit, dass es brechen wird.
Oder Sam. Die sacht entstehende Dynamik zwischen ihm und dem Rockstar bildet eine ganz eigene, aufmerksamkeitsheischende Komponente.

Es gab so viele erkenntnisreiche, schmerzhafte Augenblicke wie es Wahrheiten und Witz gab, Charme und reine Emotionen. Unterschiedliche Nuancen von Liebe und Mut, schwere Entscheidungen, deren Konsequenzen nachhallen – ertragen werden müssen.
Je weiter der Verlauf voranschreitet, umso dichter wird die Storyline, umso deutlicher treten einzelne Verbindungen und Zusammenhänge hervor, umso öfter überraschen Enthüllungen.

Du suchst nach einem Mix aus cozy Feelings, hartem Tobak und ergreifenden Momenten? Nach einer spannenden Familiengeschichte, realistischen Themen und Geheimnissen, die die Kraft haben, alles zu verändern?
Dann ist „Ehemänner und Liebhaber“ vielleicht genau dein Buch!

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Veröffentlicht am 19.06.2025

Unterhaltsame, gefühlvolle RomCom.

Der Hot-Henry-Effekt
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Ihr liebt Ali Hazelwood, habt aber alle ihre Bücher schon durchgelesen?
Ihr steht auf Frauen, die in den MINT-Gebieten aktiv sind, auf nerdige Metaphern und amüsant integrierte Fachbegriffe? Auf unbeholfene ...

Ihr liebt Ali Hazelwood, habt aber alle ihre Bücher schon durchgelesen?
Ihr steht auf Frauen, die in den MINT-Gebieten aktiv sind, auf nerdige Metaphern und amüsant integrierte Fachbegriffe? Auf unbeholfene Flirtversuche und Charaktere, die mit tiefliegenden Wunden kämpfen? Auf trockenen Humor, süße Romantik und einen MMC der Kategorie Green-Flag?
Dann schnappt euch unbedingt den „𝐇𝐨𝐭-𝐇𝐞𝐧𝐫𝐲-𝐄𝐟𝐟𝐞𝐤𝐭“ von Lucy Chalice …

Sieben Jahre ist es her, seit sich die Wege von Dr. Clara Clancy und Dr. Henry Fraser trennten – und ihre besondere Freundschaft auf Eis gelegt wurde. Gerade jetzt, als eine wichtige Präsentation von Clara gehörig in die Hose – oder auf die Bluse – geht, taucht der Frauenschwarm, der sich seiner Anziehung noch immer nicht bewusst zu sein scheint, vor ihr auf. Und das auch noch als zukünftiger Geschäftspartner.
Man könnte meinen, dass sowohl die stille Zeit, ihre unterschiedlich eingeschlagenen Wege als auch das Älterwerden zwischen ihnen stehen, doch es braucht nicht lange, bis Fraser & Clancy wieder das scherzende Dreamteam von früher sind und sie zurück in ihre lockere, von Insider-Witzen und nostalgischen Erinnerungen geprägte Freundschaft finden. Während Claras Herz schneller schlägt und sich unwillkommene Gedanken, die es erneut zu verdrängen gilt, in ihr breitmachen, ist Henry der Ruhepol, der, der sie noch immer ansieht, als wäre sie seine persönliche Sonne.

Als die beiden auch noch zu „Versteck-mich“-Komplizen werden, nachdem sowohl der CEO von FraserTech als auch die begnadete Wissenschaftlerin mit unerwünschten Avancen konfrontiert werden, lädt sich die Stimmung zwischen ihnen – die vor unausgesprochenen Worten und vor zum Schweigen gebrachtem Verlangen prickelt – kontinuierlich auf. Doch Claras Selbstzweifel erlauben es ihr nicht, an Mehr zu glauben …

♡»(…) 𝗱𝘂 𝗺𝘂𝘀𝘀𝘁 𝘄𝗶𝘀𝘀𝗲𝗻, 𝗱𝗮𝘀𝘀 𝗱𝘂 𝗴𝗲𝗻𝗮𝘂 𝘀𝗼, 𝘄𝗶𝗲 𝗱𝘂 𝗯𝗶𝘀𝘁, 𝗴𝗲𝗻𝘂𝗴 𝗯𝗶𝘀𝘁 𝘂𝗻𝗱 𝗱𝗮𝘀𝘀 𝗶𝗰𝗵 𝗱𝗶𝗰𝗵 𝗶𝗺𝗺𝗲𝗿 𝗹𝗶𝗲𝗯𝗲𝗻 𝘄𝗲𝗿𝗱𝗲 (…)«♡

Lucy Chalice schrieb eine herzerwärmende RomCom, die mehr als einmal zum Seufzen, Schwärmen und laut Lachen verleitet. Hin und wieder weckt jedoch vor allem die Protagonistin den Drang, selbige schütteln zu wollen, denn Clara ist gefangen – in Gefühlen der Unzulänglichkeit, in „Nicht gut, niemals liebenswert genug“, der trügerischen Gewissheit, am Ende verlassen zu werden. Wir lernen eine Frau kennen, die sich und ihr Wesen degradiert, people pleasert, um keine Angriffsfläche zu bieten, und Sarkasmus und Witz wie eine Rüstung trägt, damit ihre Ängste verborgen bleiben und niemand zu ihr durchdringt. Lediglich bei Jo und Simmy lässt sie (fast) alles raus. Dabei ist Henry der Mensch, bei dem die 32-jährige Geborgenheit empfindet, Schmetterlinge, Bauchkribbeln …
Und ehrlich? Selbst ich habe mich bei ihm wohlgefühlt, habe bei seiner aufmerksamen, rücksichts- und durch und durch liebevollen Art geschmachtet. Denn Henry Fraser ist ein echter Superman!

Der Verlauf ist äußerst unterhaltsam, wenn auch stellenweise ein bisschen schleppend. Dafür bekommen wir einen guten Eindruck von der Protagonistin und ihrem „Kumpel“, von ihren Situationen und der einzigartigen Dynamik. Chalice verzichtet weder auf skurrile noch auf rührende oder spannende Momente, spricht unterschwellig die Missstände von Frauen in der Forschung und deutlicher jene an, die ihnen – auch Männern – im (Berufs)Alltag begegnen.
Stilistisch findet sich ein angenehmer, großteils leichter und humorvoller Ton, der weder den Ernst, die seelischen, inneren Verletzungen noch Claras Ängste oder Henrys aufrichtige Liebe, sein Interesse schmälert.

Insgesamt bescherte mir „Der Hot-Henry-Effekt“ tolle Wohlfühl-Lesestunden und bekommt somit eine Empfehlung.

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Veröffentlicht am 16.06.2025

Gelesen als eBook

Die Erben der Asche
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Ah … schwierig – von der Idee über den Stil bis hin zu der detailreichen Ausarbeitung der einzelnen Protagonisten fand ich „𝐃𝐢𝐞 𝐄𝐫𝐛𝐞𝐧 𝐝𝐞𝐫 𝐀𝐬𝐜𝐡𝐞“ echt klasse. Doch fehlte es mir persönlich an Mehr – vor ...

Ah … schwierig – von der Idee über den Stil bis hin zu der detailreichen Ausarbeitung der einzelnen Protagonisten fand ich „𝐃𝐢𝐞 𝐄𝐫𝐛𝐞𝐧 𝐝𝐞𝐫 𝐀𝐬𝐜𝐡𝐞“ echt klasse. Doch fehlte es mir persönlich an Mehr – vor allem in den ersten 60 % hätte ich mir mehr Spannung, Tempo und stellenweise auch mehr signifikante Ereignisse erhofft. Dementsprechend kam es mir öfter so vor, als dehnten sich die 583 eBook-Seiten immer weiter aus, statt weniger zu werden. Ein weiterer Kritikpunkt ist das flotte Ende, das konträr zu der slowen Reise steht, und das Fehlen von Kapitelüberschriften bzw. jenen Namen, von dessen Gedanken wir gerade Teil sind.

Denn erzählt wird aus vier Perspektiven: Azran und Morrow, die sich hinter der Mauer, an einem Ort, der die Stadt gegen mysteriöse Monster verteidigt, kennenlernen – aus Rivalen werden Verbündete und Liebende. Außerdem begleiten wir den vor seiner Bürde flüchtenden Dian und den tierfreundlichen Assassinen Kemlen. Auch das erste Aufeinandertreffen dieser beiden stand unter einem – mehr oder weniger – schicksalhaften Stern und machte aus einem Mörder und dessen Auftrag nicht nur Weggefährten und Freunde …
Während wir einiges über diese unterschiedlichen Figuren, ihre individuellen Geschichten, inneren Blessuren und gegenwärtigen Situationen erfahren, ihren Weg verfolgen, gerät etwas in Schieflage: Laut einer Prophezeiung des – niemals fälschlich sprechenden – Orakels bleiben der Menschheit und der Welt, wie sie im Jetzt besteht, nur noch 592 Schimmer – kein ganzes Jahr mehr, bevor sie untergeht. …
Wie würdest du die letzten Monate deines Lebens verbringen?
Wahrscheinlich nicht hinter Gittern, auf der riskanten Jagd nach Killcounts, nicht in den Fängen von Fanatikern, mit Angst in jeder Faser, nicht als Werkzeug, mit blutgetränkten Händen.
Auf der Suche nach Antworten, die das Volk weder von dem Ersten Morgen noch von anderen Obrigkeiten oder irgendwelchen Historikern erhielt, nach Lösungen, Freiheit (…) kommen die – nicht ganz freiwillig gebildeten – Zweierteams Geheimnissen nahe, finden Gefahren, stolpern von Hoffnungslosigkeit in Schwärze – auch in die eigene …

~ 𝗔𝗹𝗹𝗲 𝗠𝗲𝗻𝘀𝗰𝗵𝗲𝗻 𝘀𝗶𝗻𝗱 𝗴𝗲𝗳𝗮𝗲𝗵𝗿𝗹𝗶𝗰𝗵. 𝗘𝘀 𝗶𝘀𝘁 𝗻𝘂𝗿 𝗲𝗶𝗻𝗲 𝗙𝗿𝗮𝗴𝗲 𝗱𝗲𝗿 𝗨𝗺𝘀𝘁𝗮𝗲𝗻𝗱𝗲. ~

Dieser High-Fantasy-Roman war mein erstes Buch von Gabriella Queen – stilistisch fand ich Ton und Formulierungen sehr passend, das Setting kam vorstellbar zur Geltung und auch die bedrückende, ausweglose Stimmung lastet, entsprechend der Umstände, schwer auf dem Geschehen. Hierarchien und Gegebenheiten kristallisieren sich im Verlauf greifbar heraus, genau wie die Facetten und Intentionen der Charaktere. Queens Figurenausarbeitung, die (inneren) Konflikte und Motivationen, ihre Hintergründe sorgen dafür, dass Leser:innen sie trotz moralischer Fragwürdigkeit verstehen und mitfühlen können.
Wenn Morrow auch schwerer zu greifen war als die anderen, generiert die Autorin mit diesem – körperlich überlegenen – Mann durchweg Interesse und Neugier, genau wie mit Kemlen, der erst später seine eigenen Wahrheiten findet. Azran und Dian sind die treibenden Kräfte, die uns hauptsächlich mit Informationen versorgen und durch die Story tragen.
Wie erwähnt fehlte es mir großflächig an Spannung und Catch-Moments, dabei bietet die Handlung interessante Entwicklungen, Mysterien und reichlich Gefühl. Auch die eine oder andere Nebenfigur ist dem Gesamtpaket und dem Vorankommen zuträglich, genau wie Verluste und der hier und da mitschwingende Humor. Zwar verzichtet die Autorin nicht auf romantische Empfindungen und Intimitäten, jedoch sind diese passend dosiert und übertünchen zu keiner Zeit den über allem schwelenden Untergang … Apropos Zeit: Erklärungen zu Queens Zeitrechnung finden sich zu Beginn.
Sowohl die Zusammenführung der Paare als auch das Ende selbst hätte ich mir aufregender, spektakulärer gewünscht, doch letztlich ist „Die Erben der Asche“ eine gelungene, logisch ausgearbeitete High-Fantasy-Geschichte, die trotz kleiner Kritikpunkte überzeugen konnte.

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Veröffentlicht am 05.06.2025

Realitätsnah, bewegend und spannend

Lavender House
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»Es gibt kein homosexuelles Problem außer dem, das von einer heterosexuellen Gesellschaft geschaffen wurde«

Lev AC Rosen führt uns in klaren Worten durch ihre Geschichte, lässt uns an den Missständen ...

»Es gibt kein homosexuelles Problem außer dem, das von einer heterosexuellen Gesellschaft geschaffen wurde«

Lev AC Rosen führt uns in klaren Worten durch ihre Geschichte, lässt uns an den Missständen der Gesellschaft, an Homophobie und den notwendigen Versteckspielen teilhaben, schafft allein dadurch eine beklemmende Atmosphäre, eine dichte Storyline, die bewegt, und Mitgefühl für jene Menschen entfacht, denen „damals“ mit Hass und Abneigung begegnet wurde. Die eingesperrt, ausgeschlossen, verachtet wurden, weil sie liebten, wen sie liebten. Dass es noch immer Teile in der Welt gibt, in denen die Sexualität verurteilt, vorgeschrieben, verfolgt wird, in denen noch immer Vorurteile herrschen, holt diesen Roman, trotz des Settings der 1950er, auch in die Gegenwart.

Nachdem das streng gehütete Geheimnis von Polizeiinspektor Evander Mills enthüllt, er aus dem Dienst entlassen und gesellschaftlich diffamiert wurde, nun perspektiv- und chancenlos, sieht er nur noch wenig Sinn im Leben. Als sich eine wohlhabende Frau zu ihm an die Bar gesellt und ihm ein mysteriöses Angebot macht, mit kryptischen Worten Neugier entfacht, ist er gewillt, seine Pläne aufzuschieben.
Mills kann sein Erstaunen nur schwerlich verbergen, als ihn Pearl Velez an einen Ort bringt, an dem die Menschen teilen, was der Cop so viele Jahre verbarg. Im „Lavender House“ wohnt eine queere Wahlfamilie, größtenteils abgeschottet und auf Vorsicht bedacht, doch zumindest privilegiert genug, um in den eigenen Mauern frei und unverstellt zu sein. Wäre da nicht der Todesfall, wegen dem der Anfang-Dreißiger überhaupt hier ist …
Könnte eine oder einer der „Eingeweihten“ den Kopf des erfolgreichen Seifen-Imperiums ausgeschaltet haben? Und wenn ja: warum? Oder war es nur ein unglücklicher Unfall, der Irene Lamontaine das Leben kostete?
Je mehr „Andy“ in die Familienbande eintaucht, sich in den öfter nicht eindeutigen Dynamiken verliert, Teil von subtilen Sticheleien, leisen Konflikten und schwelender Uneinigkeit wird, Vorteile sowie Gram des Einzelnen ergründet, umso schwieriger ist es für den ehemaligen, nicht schuldfreien Polizisten, etwaige Motive und den wahren Kern der BewohnerInnen herauszufiltern. Denn wie auch er selbst haben es diese Menschen perfektioniert, sich zu verstellen, eine Nuance ihrer selbst zu verbergen, sich anzupassen …

Wir verfolgen die Ermittlungen durch Evander Mills’ Augen. Lernen die Lamontaines, ihr Personal und die pompösen Räumlichkeiten kennen und werden durch ungeahnte Schwierigkeiten, übersehene Beweise; durch vorgetäuschtes Lachen und etliche Fragen mitten hinein in die unterhaltsame, nachdenklich stimmende, bewegende Story gezogen. Dass einige der hier flanierenden Personen weder von Pearls Plan, einen Außenstehenden in eine derart heikle Sache miteinzubeziehen, begeistert sind, noch davon, dass es sich bei diesen um einen Mann handelt, der durch Wegsehen selbst Täter war, lässt die Verdächtigen öfter reserviert und unnahbar erscheinen. Lev AC Rosen schenkt uns Einblicke in die harten Lebensumstände der Figuren, in ihre persönlichen Geschichten und Beziehungen, gibt uns einen Eindruck der gesellschaftlichen Abscheu und der drohenden Konsequenzen – malt Bilder, die schwer schlucken lassen.
Es war spannend, den Beweisen nachzugehen, mitzurätseln und Puzzleteile zusammenzusetzen – wenn mir auch die eine oder andere „Eingebung“ zu plötzlich kam und es der Ermittlungsarbeit insgesamt an Raffinesse fehlte, kann ich diesen queeren Roman, der Missstände thematisiert und realistisch darlegt, von herzerwärmender Found-Family, dem Risiko der Liebe und dem Mut, zu sich selbst zu stehen, erzählt, einfach nur empfehlen!

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