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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.07.2018

Eine fremde, ganz andere Welt

Wüstenblut
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offenbart sich den Lesern von Zoe Ferraris Reihe um den für seinen Kulturkreis durchaus unkonventionellen Ermittler Ibrahim Zahrami von der Mordkommission Dschidda in Saudi-Arabien nun schon im dritten ...

offenbart sich den Lesern von Zoe Ferraris Reihe um den für seinen Kulturkreis durchaus unkonventionellen Ermittler Ibrahim Zahrami von der Mordkommission Dschidda in Saudi-Arabien nun schon im dritten Band. Die beiden Vorgänger "Die letzte Sure" und "Totenverse" habe ich bereits mit Begeisterung verschlungen und "Wüstenblut" steht ihnen in nichts nach. Diesmal geht es um einen Serien-, ja um einen Massenmord: in der Wüste Saudi-Arabiens werden die sterblichen Überreste von insgesamt 19 Frauen aufgefunden - im Islam eine bedeutsame, symbolträchtige Zahl, die sämtliche Akteure aufmerken lässt. Neben der Arbeit hat Ibrahim seine üblichen Probleme mit seiner von ihm ungeliebten, ihn nicht verstehenden Frau und den Kindern, die er sehr liebt, für die er jedoch nicht genug Zeit hat - und nun ist auch noch seine Geliebte Sabria, das Licht seines Lebens, spurlos verschwunden! Ibrahim hat sie während ihrer Zeit als verdeckte Ermittlerin kennengelernt - steht ihr Verschwinden mit dieser Tätigkeit in Zusammenhang?

Zoe Ferraris schreibt einfühlsam und mit großer Regional- und Sachkenntnis und widmet sich wie immer auch ausgiebig dem Rahmen, den das Leben in Saudi-Arabien seinen Bewohnern setzt: dem Verhältnis von Männern und Frauen, dem Leben der Frauen quasi im Verborgenen, ihrem Kampf um Präsenz im (Arbeits)Alltag und vielen, vielen anderen Details des Alltagslebens in Saudi-Arabien, wobei die Spannung, die ein Krimi ja ebenfalls beinhalten sollte, keineswegs zu kurz kommt. Gelegentlich blitzt auch die ein oder andere humorvolle Komponente hervor. Widersprüchliches, Fragwürdiges, für den Westeuropäer schwer nachzuvollziehende Wertvorstellungen - das alles wird hier thematisiert und ist nach den Lektüre ein wenig einsichtiger.

Kurzum: die Lektüre von "Wüstenblut" ist ein Riesengewinn, den ich absolut jedem ans Herz lege, der anspruchsvolle Krimis mag und sich gut unterhalten lassen will. Ich kann Ihnen versichern - auf diese ganz spezielle Art und Weise sind sie noch nie unterhalten worden und sie werden noch lange an diesen ganz besonderen Krimi zurückdenken!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Eine Meisterin der Verdrängung

Die stille Frau
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das ist die Psychologin Jodi Brett, die sich vormacht, dass bei ihr alles in bester Ordnung ist. Nein, ihr Mann Todd, in bestem Alter, immer schon ein Filou und inzwischen mitten in der Midlife Crisis, ...

das ist die Psychologin Jodi Brett, die sich vormacht, dass bei ihr alles in bester Ordnung ist. Nein, ihr Mann Todd, in bestem Alter, immer schon ein Filou und inzwischen mitten in der Midlife Crisis, betrügt sie nicht, alles ist bei ihr in bester Ordnung und absolut perfekt. Doch allmählich steuert ihre Partnerschaft Niederungen an, die sie nicht einmal in ihren tiefsten Befürchtungen beschritten hat.

In ihrem Erstling, bei dem es aufgrund ihres frühen Todes leider auch bleibt, schildert die Autorin A.S.A. Harrison ein Drama - wohlgemerkt ein Psychodrama. Es lebt sowohl von der eleganten, gewählten und teilweise reduzierten Sprache, vor allem jedoch durch die gelungene Abbildung der Dynamik, der die Figuren im Laufe der Handlung unterworfen sind.

Man mag meinen, man würde die groben Entwicklungen im Voraus kennen, voraussehen können, worum es der Autorin geht, doch ist dies ein Spannungsroman im besten Sinne mit etlichen unvorhersehbaren Wendungen. Tatsächlich ist "Die stille Frau" ganz klar ein eher stiller Roman, aber dabei ein ausgesprochen atmosphärischer.Diejenigen, die auf die Werbekampagne angesprungen sind, die sich auf Thriller wie "Gone Girl" oder "Ich.darf.nicht.schlafen" fokussiert, werden enttäuscht sein - für Freunde harter Kost ist dieses eher auf Stimmungen und Entwicklungen aufgebaute Buch eher nichts. Wer sich aber auf anspruchsvolle Weise entspannen und ebenso unterhalten werden will - für den ist dieses Buch sicher das Richtige!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Ein Mädchen will sich auslöschen

Alles so leicht
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und zwar am ersten Jahrestag des Todes ihres Bruders. Es ist viel passiert in ihrer Familie, vieles, was sie dazu bringt, sich Grenzen zu setzen, bspw. durch Essensverweigerung, durch das Setzen von Grenzen ...

und zwar am ersten Jahrestag des Todes ihres Bruders. Es ist viel passiert in ihrer Familie, vieles, was sie dazu bringt, sich Grenzen zu setzen, bspw. durch Essensverweigerung, durch das Setzen von Grenzen für die eigene Lebensdauer. Ihr Vater steckt sie daher in eine Therapie auf der anderen Seite des Kontinents.

Und dieser Aufenthalt von Stevie - so heißt das Mädchen - ist es, der im Mittelpunkt des Buches steht, ihre Tage in der Psychiatrischen Klinik, die Kommunikation mit ihrer Therapeutin Anna, von Stevie nur SK (Seelenklempnerin) genannt sowie mit den anderen Mädchen, vor allem mit Ashley, ihrer Zimmernachbarin. Doch genauso geht es um die Aufarbeitung dessen, was ihr widerfahren ist.

Nichts Besonderes, alles wie gehabt? Oh nein, Meg Haston erzählt - durchaus auch auf der Grundlage eigener Erfahrungen - sehr authentisch, sehr locker, ja trotz des traurigen Themas durchaus spritzig: denn Stevie ist trotz allem, was sie durchmachen musste, ein junges Mädchen und das wird entsprechend und ausgesprochen nachvollziehbar transportiert. Wie sie nach und nach in Interaktion mit ihrer Therapeutin Anna, der "Seelenklempnerin" tritt, das ist ergreifend und auch nachvollziehbar.

Auch die Sprache ist einer Erwähnung wert: stark und klar ist sie, messerscharf gestochen die Darstellung von Stevies Empfindungen: "Mein Körper ist sowohl Waffe wie auch Wunde, Jäger und auch Beute. Ich werde mich ohne Hilfe selbst zerstören." (S.59), um ein Beispiel zu nennen.

Trotzdem würde ich dieses Buch nicht jedem jungen Menschen in die Hand geben, dazu ist es zu heftig und stellenweise auch zu hart. Doch wenn man sich mit diesem ernsten Thema auseinandersetzen will bzw. muss, dann ist es auf jeden Fall empfehlenswert. Es ragt aus der Masse heraus, auch durch die liebevolle Aufmachung, die signalisiert: hier wird sich nicht nur um Stevie, sondern auch um den Leser gekümmert. Stevie durchläuft einen Prozess sowohl der Heilung und Reifung, der nicht übertrieben ist, der eher in behutsamen Schritten dargestellt wird. Und so kann sie irgendwann sagen "Ich glaube, dass für einige Menschen eine Familie aus den Leuten besteht, die immer in der Nähe sind, wenn etwas Schreckliches geschieht". (S 282)

Veröffentlicht am 27.07.2018

Ein Liebeskrimi

Kiss & Crime 1 - Zeugenkussprogramm
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Was ist das? Und kann es so etwas überhaupt geben? Natürlich, bei Eva Völler ist alles möglich! Sie versteht dies als eine besonders effektive Kombination aus spannendem Krimi und mitreißender Liebesgeschichte ...

Was ist das? Und kann es so etwas überhaupt geben? Natürlich, bei Eva Völler ist alles möglich! Sie versteht dies als eine besonders effektive Kombination aus spannendem Krimi und mitreißender Liebesgeschichte - genau das Richtige also für schmökerfreudige (weibliche) Teenies!

Ihr neuestes Setting ist ebenso witzig wie auch spritzig: Emily gerät in ein Zeugenschutzprogramm und das nur, weil ihre Mutter das Laster hat, sich ständig in die falschen Typen zu verlieben! Der aktuelle ist besonders schlimm in dieser Hinsicht: Jonas hat die ganze Familie mit seinen undurchsichtigen Machenschaften in etwas reingezogen, aus dem nur schwer herauszukommen ist und deswegen landen er und Emilys Mutter erstmal im Krankenhaus. Und Emily im Zeugenschutzprogramm - und das, wo sie doch eigentlich fürs Abi pauken muss!

Eva Völler hat sich hier einmal mehr eine absolut originelle und unkonventionelle Geschichte ausgedacht mit schrägen und überraschenden Charakteren - wobei mir Emilys Omi, eine Autorin von Schnulzenromanen, besonders ans Herz gewachsen ist.

Wie aus dem Zeugenschutzprogramm ein Zeugenkussprogramm wird und dass auch damit der Drops noch längst nicht gelutscht ist - das beschreibt Eva Völler total witzig und unterhaltsam auf weit über 300 Seiten, die auch nicht die kleinste Länge aufweisen. Ach so, Spannung ist natürlich auch vorhanden! Genau das Richtige also für Teenies, die gut unterhalten werden wollen!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Sozusagen eine kleine Witwe

Was uns bleibt ist jetzt
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lange vor ihrer Zeit ist die junge Jam, deren große Liebe Reeve verstirbt. Sie kann und will sich lange nicht berappeln - eigentlich scheint es so, als sei sie dazu gar nicht imstande. Und dann führen ...

lange vor ihrer Zeit ist die junge Jam, deren große Liebe Reeve verstirbt. Sie kann und will sich lange nicht berappeln - eigentlich scheint es so, als sei sie dazu gar nicht imstande. Und dann führen äußere Umstände doch eine Änderung vorbei - Meg findet eine Art des Ausdrucks, der für sie die Rettung bedeutet - das geschriebene Wort. Wie sie sich fängt und im Geschriebenen einfängt - das ist eine ganz eigene, ungewöhnliche Geschichte!

Ungeachtet des absolut dämlichen Klappentexts (ich zitiere: "Jam verliebt sich zum ersten Mal. So intensiv wie nie zuvor in ihrem Leben" - was denn jetzt, bitte: erstmalig oder so sehr wie noch nie) ist diese Lektüre mehr als lohnend und zwar nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene und zwar aus den folgenden Gründen:
- die begnadete Meg Wolitzer schreibt wie eine junge Göttin, egal, ob sie das für Erwachsene, Jugendliche oder sonstwen tut und schon die Konfrontation mit ihrem ganz besonderen Stil ist ein Hochgenuss.
- neuen Lebensmut kann und sollte man in jedem Alter gewinnen, also ist Jam eine Protagonistin, die mit ihren Bedürfnissen und Sehnsüchten Leser jeder Altersklasse anspricht.
- das Buch bereitet ungeachtet des nicht gerade leichten Themas große Lesefreuden!

Also von mir eine uneingeschränkte Empfehlung, wobei ich der Autorin in Zukunft sorgfältigere Texter für die Beschriftung ihrer Bucheinbände wünsche und zwar von ganzem Herzen!