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Veröffentlicht am 01.08.2018

Gerechtigkeit

Nachsommer
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ist oft nur ein Wort. Gerade im Familienleben gibt es so viele Bevorzugungen von Kindern seitens der Eltern. Häufig und gerade auch, wenn diese längst dem Kindesalter entronnen sind und sich nur noch ...

ist oft nur ein Wort. Gerade im Familienleben gibt es so viele Bevorzugungen von Kindern seitens der Eltern. Häufig und gerade auch, wenn diese längst dem Kindesalter entronnen sind und sich nur noch selten bei den Eltern blicken lassen. Dann müssen sich die Geschwister, die in der Nähe geblieben sind, sich um die Eltern kümmern und quasi immer zur Verfügung stehen, starke Nerven haben. So auch Olof, dessen jüngerer Bruder Carl - von jeher der Erfolgreichere, Hübschere, Beliebtere - letzteres gerade auch bei der längst verwitweten Mutter - sich längst in die Staaten davongemacht hat, was seine Mutter sehr verletzt hat. Es bringt sie jedoch nicht davon ab, seinen Namen ständig im Munde zu führen, ihn gegenüber seinem Bruder Olof als den besseren, liebenswerteren darzustellen. Auch wenn sie seit Jahren sauer ist auf Carl. Aber sie will ihn unbedingt nochmal sehen vor ihrem Tod.

Wie im Vorgängerroman "Septembernovelle" geht es hier um eine Dreiecksbeziehung, vielmehr um zwei: Olof, Carl und ihre Mutter sowie Olof, Carl und Carls Frau Klara.

Der Autor Johan Bargum erzählt seine Geschichte in wenigen Worten, die aber umso mehr sagen - und noch mehr Fragen hinterlassen. Denn vieles wird nur angedeutet und das betrifft sowohl Ereignisse als auch Gedanken. In der Hinsicht hat das Büchlein durchaus etwas Philosophisches, auch wenn die Erzählweise eher eine pragmatische ist. Auf jeden Fall lohnenswert für Leser, die nach der Lektüre gern weiterdenken und ein Büchlein, das man so schnell nicht vergessen wird!

Veröffentlicht am 29.07.2018

Der Erwählte

Die Gesichter
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Nein, ich spreche (bzw. schreibe) hier nicht von Thomas Manns Rezeption des mittelalterlichen Werkes "Gregorius" von Hartmann von Aue - die Rede ist von Pinch, dem Sohn des Künstlers Bear Bavinsky. ...

Nein, ich spreche (bzw. schreibe) hier nicht von Thomas Manns Rezeption des mittelalterlichen Werkes "Gregorius" von Hartmann von Aue - die Rede ist von Pinch, dem Sohn des Künstlers Bear Bavinsky. Einem von vielen, muss man sagen, denn Bear hat in seinem frauenreichen Leben eine Reihe von Kindern gezeugt, von denen er die meisten nur selten oder sogar nie zu Gesicht bekommt.

Pinch, der in Wirklichkeit Charles heißt, schon, denn er ist über all die Jahre hinweg, der einzige, zu dem der Maler, eine vereinnahmende und schillernde Persönlichkeit, über die Jahre bzw. Jahrzehnte hinweg Kontakt hält, auch wenn sie sich fast immer in verschiedenen Ländern, meist auch auf unterschiedlichen Kontinenten aufhalten. Doch jeden Sommer treffen sie sich in Bears Ferienhaus in Südfrankreich, einem recht kleinen Häuschen in einem winzigen Nest. Dort haben sie Geheimnisse - sowohl gemeinsame als auch jeweils eigene.

Warum gerade Pinch? Er ist vollkommen anders als sein Vater, ein unscheinbarer Typ, der als Lehrer in einer Sprachenschule in London arbeitet und nicht gerade gesellig ist. Manchmal erscheint er als einer, mit dem die Dinge einfach so geschehen, aber das ist nur ein Teil seiner Persönlichkeit.

Denn es ist Pinch, der im Fokus des Romans steht, natürlich vor allem im Verhältnis zu seinem Vater, aber doch auch als Charakter mit einem eigenen Leben. Ein zurückhaltender Mann, der doch imstande ist, gelegentlich Einfluss auf andere auszuüben, nicht nur auf seinen Vater.

Und der sicher von vielen Zeitgenossen mit ganz anderen Augen betrachtet werden würde, wenn sie alles über ihn wüssten. Was ihnen aber nicht vergönnt ist, im Gegensatz zum Leser.

Der Autor Tom Rachman hat ebenso einen Entwicklungs- wie einen Beziehungsroman geschaffen. Ich habe vor allem genossen, dass er im Künstlermilieu spielt, das hat ihn für mich ganz besonders lesenswert gemacht. Wobei es für mich auch einige Abstriche gab, denn der ruhige Pinch und mehr noch sein Vater rasen durch das Leben - und letzterer dazu noch durch Beziehungen - als wenn es kein Morgen gäbe. An manchen Figuren ziehen sie regelrecht vorbei, auch wenn diese mehrfach auftauchen. Stellenweise nahm ich dies als ein unstetes Buch wahr, gefüllt mit unsteten Figuren, was sicher zu einem großen Teil an Bear und an seinem Verständnis von Familie liegt und möglicherweise von anderen Lesern mit einem anderen persönlichen Hintergrund als ich ihn habe, auch anders wahrgenommen wird.

Insgesamt habe ich das Buch, obwohl gelegentlich für mich verwirrend, sehr gerne gelesen und empfand es als unterhaltsam. Zudem habe ich - nach "Die Unperfekten" und "Aufstieg und Fall großer Mächte" den Stil des Autors sehr genossen. Rachman bleibt sich treu im Hinblick auf unvorhergesehene Entwicklungen, überraschende Windungen, Ränke und - sprachliche - Schwänke. Dennoch ein Buch, das man nicht schnell mal zwischendurch lesen kann, aber durchaus eines für Rezipienten, die ihre Mußestunden gern auch mal mit Anspruchsvollerem füllen!

Veröffentlicht am 28.07.2018

Tausendundeine Nacht im Balkan-Stil

Die Tigerfrau
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Der Tiger und seine Frau sind - als Thema einer Geschichte - für Tea Obreht ein Mittel, das enge und vertraute, seit ihrer Kindheit gereifte, doch durchaus komplexe und nicht unkomplizierte Verhältnis ...

Der Tiger und seine Frau sind - als Thema einer Geschichte - für Tea Obreht ein Mittel, das enge und vertraute, seit ihrer Kindheit gereifte, doch durchaus komplexe und nicht unkomplizierte Verhältnis ihrer Protagonistin und Ich-Erzählerin Natalia zu ihrem Großvater zu beschreiben. Dieser ist nun verstorben - auf einer geheimnisvollen Reise, für die zunächst niemand den Grund kennt - und Natalia blickt zurück.

Die Basis für die Beziehung zwischen Großvater und Enkelin bestand in zwei Geschichten aus dem Leben des Großvaters, die er ihr - wie ein Geschenk, quasi als Beweis seines Vertrauens - anvertraut hatte. Auf diesem Hintergrund spürt sie dem Tod des Großvaters und seinem Leben nach, folgt ihm an seinen Todesort...

Obwohl die junge Autorin wundervoll mit der Sprache umzugehen versteht, wird die detailgenaue Darstellung von Figuren und Vorgängen von teilweise nur nebensächlicher Bedeutung an manchen Stellen zu umständlich und verkompliziert so das Geschehen und aus meiner Sicht auch den Lesegenuss. Ein wenig hapert es gelegentlich auch an der Übersetzung: Der Originaltitel des Romans lautet "The Tiger's Wife", also "Die Frau des Tigers", was aus meiner Sicht eine ganz andere Bedeutung als der jetzige deutsche Titel transportiert und dem Inhalt des Buches viel stärker entspricht. Ein weiterer "Störfaktor" war für mich die Verwendung des Wortes "sachlich" in der deutschen Ausgabe: Natalia und ihre Freundin werden "sachlich auf die Wangen" geküsst (S.33), auf S. 136 hat ein sachlicher Bauer seinen Auftritt - ich finde die Anwendung dieses Adjektivs im Deutschen an den beiden Stellen etwas befremdlich und gehe davon aus, dass die Autorin etwas anderes im Sinn hatte.

Der Stil der noch so jungen amerikanischen Autorin mit serbischen Wurzeln, - Obreht ist Mitte der 1980er Jahre in Belgrad geboren und im Alter von 12 Jahren in die Staaten ausgewandert - ihre Detailverliebtheit und die Einbindung paranormaler und fantastischer Elemente gemahnen auch an die großen Autoren und Nobelpreisträger aus dem lateinamerikanischen Kulturkreis wie Garcia Marquez oder Vargas Llosa - Freunde dieser Autoren dürften hier auf ihre Kosten kommen und durch ihre Unterstützung der jungen Schriftstellerin möglicherweise einen Weg ganz nach oben ebnen.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Lost in Africa

Mission Munroe - Die Touristin
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Eine Touristin, die junge Amerikanerin Emily, die mit 2 Gefährten durch verschiedene afrikanische Länder reiste, verschwindet - und der gramgebeugte Stiefvater beauftragt Vanessa bzw. Michael Munroe, knallharte ...

Eine Touristin, die junge Amerikanerin Emily, die mit 2 Gefährten durch verschiedene afrikanische Länder reiste, verschwindet - und der gramgebeugte Stiefvater beauftragt Vanessa bzw. Michael Munroe, knallharte Frau für alle Fälle, sie zu finden. Inzwischen sind bereits vier Jahre vergangen, die Mutter des Mädchens ist nicht mehr, nur einer der Reisegefährten ist wieder zurückgekehrt, befindet sich seitdem aber in der geschlossenen Psychatrie und ist Munroe keine Hilfe.

Diese reist also nach Afrika - und bei ihren Reisezielen handelt es sich nicht um kuschlige Ressorts, sondern um die knallharte Realität bspw. in Kamerun und Äquatorialafrika, also die brutale Seite Schwarzafrikas - um vor Ort zu ermitteln. Es erweist sich, dass Munroe über beste Ortskenntnisse verfügt, da sie als Missionarstochter selbst eine langjährige afrikanische Vergangenheit hat. Der Leser begegnet Gestalten aus Munroes früherem Leben, wobei vor allem Francisco Beyard nachhaltig in Erscheinung tritt und zu ihrem Begleiter wird, zudem wird ihr vom Auftraggeber ein weiterer Reisegefährte, Miles Bradford, an die Seite gestellt - der offiziell als Beschützer, aus Munroes Sicht als Aufpasser fungiert. Beide erscheinen der passionierten Einzelgängerin als Last, zudem weiss sie nicht, ob sie ihnen vertrauen kann.

Vertrauen, das ist neben Verrat, Rache und körperlichen und seelischen Narben eines der großen Themen, das sich durch die gesamte Geschichte zieht. Dazu kommt die Bedrohung von vielen Seiten, der Munroe während der Erfüllung ihres Auftrags unentwegt ausgesetzt ist. Vieles ist verwirrend sowohl für Romanfiguren als auch für Leser, einiges ist anders als es zunächst scheint. Spannend ist die Geschichte, wenn auch gelegentlich schwer zu glauben: die erfahrene und extrem professionelle Munroe ist erst 23 und spricht 22 Sprachen - zur Erschließung weiterer Sprachen benötigt sie lediglich eine Woche. Zudem boten sich für Munroe zu Beginn ihrer Ermittlungen viele verschiedene Ansätze dar, nicht alle erwiesen sich als relevant und wurden von daher nicht weiter vefolgt - ich persönlich fand einige davon recht anregend und hätte doch sehr gerne vom weiteren Verlauf bzw. Schicksal der damit verknüpften Figuren erfahren.

Lost in Afrika - das ist im vorliegenden Buch nicht nur die verschollene Emily, nein, auch Munroe, Beyard, Bradford und einige andere sind es - jeder auf seine Weise!

Wer sich von den erwähnten kleinen Unregelmäßigkeiten nicht beeinflussen lässt und den etwas schwerfälligen Anfang übersteht, den erwartet ein spannender, nicht anspruchsloser Thriller in ungewöhnlichem Setting. Harte Zeiten mit intellektuellem Pfiff - Freunde aktionsreicher Erzählkunst kommen hier klar auf ihre Kosten. Für sie mag es perfekte Spannungsliteratur sein, für mich war es dann doch ein bisschen zu hart.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Projektmanagement im Freien

Hurra, es wächst!
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für die Jugend, bzw. für Kinder beinhaltet dieses Buch! Aus meiner Sicht ist es ein witziges und originelles Buch, aber keines, das Kinder ausführlich das Gärtnern näherbringt, sondern wirklich eher im ...

für die Jugend, bzw. für Kinder beinhaltet dieses Buch! Aus meiner Sicht ist es ein witziges und originelles Buch, aber keines, das Kinder ausführlich das Gärtnern näherbringt, sondern wirklich eher im Projektformat. Ob das in irgendeiner Form negativ ist? Eher nicht, denn hier können auch Kinder, die sich vielleicht nicht ganz so lange konzentrieren können, modular bzw. punktuell lernen - Eltern und Kinder selbst können entscheiden, ob die Heranführung ganzheitlich oder eher punktuell vonstatten gehen soll - das ist ganz vom Wesen des jeweiligen Kindes abhängig. Man kann also in von Fotos begleiteten Schritten erfahren, wie Gurken, Salat, Erdbeeren und vieles mehr angepflanzt werden können - als kleiner Abstrich wäre da die teilweise fehlende Variabilität zu nennen. So kann man bspw. einen Erdbeerbrunnen anlegen, aber wie man unter anderen Bedingungen Erdbeeren anpflanzt, das bleibt außen vor. Es sind also im wahrsten Sinne Projekte inklusive deren Management, die hier beschrieben werden.
Aber es gibt auch Übergreifendes und Einführendes bspw. zum Anpflanzen sowohl im Freien als auch in Räumen, in verschiedenen Töpfen sowie zum Anlegen von Beeten.
Der Clou findet sich aus meiner Sicht eher im zweiten Teil des Buches, wo die jungen Gärtner lernen, wie sie ihre Pizzakräuter gesammelt anpflanzen, fast unkostenfrei Blumentöpfe kreieren oder selber alles für ihren Obstsalat ziehen. Danach wird es noch spannender: es geht nämlich um Tiere im Garten - wie man nützliche Insekten, diverse Wassertiere oder Vögel, die den Garten besuchen sollen oder eben auch gerade nicht, in die Planung mit einbezieht. Auch bei einigen Gärtnerproblemen hilft das Buch.
Ein schönes Buch, trotzdem glaube ich, dass die meisten Kinder die ausführliche Assistenz der Eltern brauchen, um hier am Ball zu bleiben. Ein schönes Geschenk - aber eines, bei dem man vorher überlegen sollte, ob die jeweiligen Eltern bereit sind, sich im Falle eines großen Engagements bedingungslos einspannen zu lassen.