Profilbild von Recensio

Recensio

Lesejury Star
offline

Recensio ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Recensio über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.08.2019

Poetisch, spannend, dramatisch!

Der Gesang der Flusskrebse
0

Dieses Buch hatte ich schon länger im Blick - vor allem wegen des wunderschönen Covers. Von heute auf morgen schien es der Bestseller in den USA zu sein, es gab nur positive Stimmen, und so war ganz klar: ...

Dieses Buch hatte ich schon länger im Blick - vor allem wegen des wunderschönen Covers. Von heute auf morgen schien es der Bestseller in den USA zu sein, es gab nur positive Stimmen, und so war ganz klar: muss ich lesen! Ich hatte also sehr hohe Erwartungen.

Gemeinsam mit Kya (gesprochen Kaya) tauchen wir ein in das Marschland von North Carolina. Dort lebt sie seit ihrer Geburt – die Wildnis ist ihr Zuhause. Nachdem die Mutter die Familie verlassen hat und auch die Geschwister nach und nach weggegangen sind, bleibt Kya bei ihrem alkoholkranken und gewalttätigen Vater zurück. Sie ist einsam und hat nur sich selbst. Die Bewohner des nächstgelegenen Dorfes halten sich von ihr fern und isolieren sie damit. Aber das „Marschmädchen“ ist ihnen nicht geheuer. Sie ist anders, ungeschliffen. Und das ist nicht gern gesehen. Das Thema Vorurteile ist hier ein ganz wichtiges, und die Autorin bringt eindeutig rüber, dass es manchmal besser ist, seine eigenen hin und wieder zu überdenken.

Kya kann weder lesen, noch schreiben oder rechnen. Sie hat kaum Allgemeinwissen über die Welt „da draußen“. Dafür findet sie mit verbundenen Augen die besten Muscheln im Sumpf, überlebt in der Natur und kann ihre Mahlzeiten selber fangen. Die Selbstverständlichkeit, mit der Kya ihr Leben lebt, hat die Autorin wunderbar beschrieben. Auch die Zerrissenheit konnte man absolut nachempfinden. Kya mag ihr Leben, aber nicht den damit verbundenen Außenseiterstatus. Sie möchte zu einer Gruppe dazugehören, Teil einer Gemeinschaft sein. So lernt sie Chase kennen, der ihr etwas von seinem Wissen mitgibt. Jahre später wird er tot aufgefunden und alle verdächtigen Kya.

Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Einmal ab 1952, das Jahr, in dem Kya erwachsen wird. Dann in 1969 – das Jahr des Mordes. Diese beiden Stränge verzahnen sich immer tiefer ineinander, bis der Leser ein mehr oder weniger vollständiges Bild von Kya hat. Bis es jedoch so weit ist, hat man sein Urteil über einen Protagonisten schon gefällt.

Die Energie, mit der die Autorin die Geschichte erzählt und zwischen den Zeiten springt, treibt die Entwicklungen stets voran. Im Gegensatz dazu bringt sie jedoch mit ihrer fast schon poetischen Beschreibung der Natur viel Ruhe in die Story. Oft erscheint die Umwelt trist, grau, und auch Kyas Situation macht die Atmosphäre deutlich trostlos. Doch bevor die Stimmung schon fast ins Melancholische kippt, zaubert die Autorin eine dramatische Kehrtwendung herbei, mit der man nicht gerechnet hat und die einen weiter durch die spannungsgewaltige Handlung treibt.

Weil ich das Buch nicht einfach liegen lassen konnte, habe ich unterwegs auf das Hörbuch zurückgegriffen. Luise Helm kenne ich bereits von anderen Hörbüchern, daher habe ich mich gefreut, dass sie für dieses Buch ihre Stimme hergeben durfte. Sie führt mit unaufgeregtem Ton durch die Geschichte, sodass ich mich zurücklehnen und mich von ihr an die Hand nehmen lassen konnte. Ihre Erzählweise passt genau zur Stimmung des Buches. Ein sehr angenehmes Hörerlebnis!

Persönliches Fazit: Der Titel lässt einen Roman vermuten, doch „Der Gesang der Flusskrebse“ ist so viel mehr. Poesie, Spannung, Drama, Nervenkitzel - mein Herz blieb in jeder einzelnen Seite stecken. Ich kann das Buch jedem empfehlen, der atmosphärische Spannung mag und auch gerne mal einen Ausreißer liest. Großartiges Debüt!

Veröffentlicht am 07.08.2019

Ein starker Thriller!

Opfer
0

Stockholm. In einer Scheune kann das Team der Reichsmordkommission einen brutal gefolterten Mann knapp vor dem Tod retten. Ironisch, da das Opfer selbst ein bekannter Krimineller ist und die Ermittler ...

Stockholm. In einer Scheune kann das Team der Reichsmordkommission einen brutal gefolterten Mann knapp vor dem Tod retten. Ironisch, da das Opfer selbst ein bekannter Krimineller ist und die Ermittler nicht allzu verstört darüber sind – da wird wohl jemand der Gerechtigkeit nachgeholfen haben. Doch bevor er den Täter identifizieren kann, verstirbt er, und es werden weitere Gräueltaten an anderen Kriminellen verübt, die bis auf dieses eine Merkmal keine Verbindung zu haben scheinen.

Das Sonderermittlungsteam muss tief graben, um der Lösung auf die Spur zu kommen. Man findet heraus, dass es sich bei dem Scheunen-Toten um einen Schwerverbrecher handelt. De facto lässt sich Rache als Motiv nicht ausschließen. Man folgt also dieser und weiterer Spuren.
Angeleitet von Carl Edson als Ermittler gibt es im Team einige fein gezeichnete Charaktere. Besonders Lars-Erik Wallquist, der Kriminaltechniker, hat mir sehr gefallen. Ich musste schmunzeln, als ich las, dass er Menschen im Allgemeinen nicht besonders mag (Seite 9). Manchmal behaupte ich das von mir auch.
Carl selbst zeichnet sich durch eine fast typisch deutsche Eigenschaft aus: Er ist wahnsinnig genau, seine Arbeitstechniken sind penibel und er fühlt sich grundsätzlich von allen Menschen missverstanden. Doch auf den zweiten Blick ist er ein durchaus komplexer Charakter, der seine Fähigkeit zum analytischen Denken mit seinem Bauchgefühl kombiniert und so der Lösung einen Schritt näher kommt. Die Zeit rennt, denn immer mehr Details dringen nach draußen und werden zu einem gefundenen Fressen für die Presse.

Wie hatten sie nur so schnell Wind von der Sache bekommen?, überlegte Carl. Wer war der Maulwurf? (Seite 262)

Gut gewählt fand ich hier die Perspektiven und drei Hauptteile. Im ersten Teil steht der 51-jährige Ermittler Carl mit seinem Team sowie der Reporterin Alexandra Bengtssons im Vordergrund, während der Fokus im zweiten Teil auf den Mörder gerichtet ist und hier die Ich-Perspektive gewählt wurde. Wer jetzt denkt, dass das die Spannung nimmt, liegt völlig falsch. Gerade die Tätersicht finde ich ungemein spannend. Die Frage nach seinen Motivationen kann man so besser nachvollziehen. Ich nahm relativ früh an, die Lösung zu kennen, doch diese war ein ganzes Stück anders als erwartet. Bis man im Finale angelangt, liest man sich durch eine Wendung nach der anderen, verirrt sich, überlegt hin und her.

Der Schreibstil ist flüssig und so lässt sich das Buch gut lesen. Die detaillierten Beschreibungen der Tatorte waren für mich schon nah an der Grenze, denn ich persönlich mag es mehr psychologisch subtil als blutrünstig.

Am Ende werden alle offenen Fragen beantwortet. Ich bin nicht enttäuscht worden.

Persönliches Fazit: Konstante Spannung und viele Morde machen die Story zu einem außergewöhnlichen und typisch schwedischen Thriller, den man in einem Rutsch verschlingt.

Veröffentlicht am 18.07.2019

Ein starker Thriller!

Kinderspiel - Die Fesseln der Vergangenheit
0

Tobias Miller, Psychologe und Profiler, kehrt aus seiner Wahlheimat USA zurück nach Österreich. In Übersee hat er als Psychologe im Todestrakt gearbeitet und in die Abgründe der menschlichen Psyche geblickt. ...

Tobias Miller, Psychologe und Profiler, kehrt aus seiner Wahlheimat USA zurück nach Österreich. In Übersee hat er als Psychologe im Todestrakt gearbeitet und in die Abgründe der menschlichen Psyche geblickt. Doch ein Rätsel konnte er bis heute nicht lösen: das Verschwinden von Ilona, seiner Freundin aus Kindertagen.

„Wir hatten akzeptiert, dass der Wald seine dunklen Seiten barg und dass der Tod zum Leben gehörte.“ (Zitat)

Nach dreißig Jahren verschwindet ein zweites Kind, Ilona zum Verwechseln ähnlich, und Tobias schöpft wieder Hoffnung - auch wenn bereits niemand mehr daran glaubt, dass Ilona noch lebt. Dieses Erlebnis machte Tobias zu dem Menschen, der er heute ist, und zu einem außergewöhnlich sympathischen Protagonisten.

Mit seinen Ecken und Kanten wirkt er authentisch. Äußerlich hat er zwar weniger Ecken, dafür mehr Rundungen, aber auch (oder gerade) das macht ihn sympathisch. Die Schuldgefühle, ausgelöst durch Ilonas Verschwinden, sind bis heute geblieben. Ebenso wie die quälenden Fragen. Was wäre gewesen, wenn ...?

„Das ganze Leben ist ein Todestrakt . . . “ (Zitat)

Dieser Satz sagt so viel über Tobias aus, was ich niemals beschreiben könnte. Und doch erklärt er vieles im Nachhinein. Keine Bindungen eingehen, zurückhaltend sein. Er lässt tief blicken, gerade in den Kapiteln, in denen wir ihn begleiten.

Die Handlung wirkt anfangs durch die vielen Zeitebenen komplex. In der Vergangenheit lernt der Leser Tobias und Iris als Kinder kennen und geht in einem anderen Erzählstrang sogar zurück bis in die Zeit des II. Weltkriegs. In der Gegenwart lassen uns Tobias und Chefinspektor Bruno Horvarth an den Geschehnissen teilhaben. Diese Ebenen sind toll miteinander verflochten. So führen die Hinweise der unterschiedlichen Zeiten schließlich zum Täter und vervollständigen einander.

„Nicht mehr lange. […] Dann wird die Wahrheit über uns kommen. Sie ist schon auf dem Weg zu uns. Und mit ihr die Gerechtigkeit!“ (Zitat)

Man rätselt, insbesondere als Thrillerleser, immer gerne mit, und hier kommt man voll auf seine Kosten. Bis zum Ende hin habe ich im Dunkeln getappt, hatte zwar einige Vermutungen, doch die habe ich wieder verworfen und neue Theorien aufgestellt. Die Handlung spielt sich in einer knappen Woche ab, und so bleibt auch keine Zeit zum Luftholen.

Besonders gut hat mir der Schreibstil gefallen. Sehr gut zu lesen, flüssig, und dennoch so detailliert, dass ich oft das Gefühl hatte, mittendrin zu sein. Ich konnte die Gerüche riechen, den Staub atmen und die Kälte spüren. Die Gänsehaut gab es noch obendrauf – Tobias jagt den Leser schier durch die Handlung. Es bleibt immer spannend, selbst in den Rückblenden, und das schaffen wenige Autoren.

Persönliches Fazit: Ein Thriller, der tief in die dunkle Seele der Menschen schaut und lange nachhallt. Sehr gute Recherche und ständig wachsende Spannung sind das Geheimrezept.

© Recensio Online, 2019, Katharina

Veröffentlicht am 18.07.2019

Ein starker Thriller!

Heuchler
0

Der Thriller beginnt sehr gut – der Leser wird direkt in die Handlung „geworfen“ und man erfährt, dass es sich bei der gefundenen Leiche sogar schon um die 13. handelt. Wer jetzt denkt, dass das schon ...

Der Thriller beginnt sehr gut – der Leser wird direkt in die Handlung „geworfen“ und man erfährt, dass es sich bei der gefundenen Leiche sogar schon um die 13. handelt. Wer jetzt denkt, dass das schon spannend ist, liegt falsch. Denn es geht erst richtig los, als Peter ins Krankenhaus kommt und Mike von dem Fall abgezogen wird. Der Ermittler beschließt, den Zwangsurlaub zu nutzen und mit seiner Familie nach Finnland zu reisen – ein fataler Fehler, wie sich herausstellt. Denn dort schlägt der Täter erst richtig zu – und hat Mike und seine Familie direkt im Visier.

Für Fans von Hardcore-Thrillern ist dies genau das richtige Buch. Der Autor schreckt vor ausführlichen Beschreibungen bei der Folter nicht zurück. Die Spannung wird zum Schluss hin schier unerträglich, das Katz-und-Maus-Spiel mit dem Täter ist nervenaufreibend. Man glaubt zu wissen, wer er ist, muss sich aber im Verlauf der Geschichte eingestehen, dass der Autor einen völlig in die Irre geführt hat.

Dass der Täter es auf Kinder abgesehen hat, macht die Geschichte umso schrecklicher. Gerade auch, weil der Ermittler selber zwei hat und man als Leser Fingernägel kauend nur darauf wartet, dass den Kleinen etwas zustoßen wird. Nicht sehr gut hat mir dann aber gefallen, wie in Bezug auf die Kinder manche Themen umgesetzt werden.

1. Ist es wirklich sinnvoll, seinem (zehnjährigen) Kind zu erklären, dass ein Skalp-Mörder Jagd auf ihn macht?

2. Man kann während der Periode sehr wohl schwanger werden.

3. Wenn man mitten in einer Ermittlung steckt, sollte einen ein offensichtlich getötetes Tier stutzig werden lassen. Leider blieben somit einige Frage offen, aber vielleicht wird auf diese im nächsten Teil Bezug genommen.

Der Schreibstil ist kurz und prägnant, mit vielen eingestreuten Details, und macht die trügerische Idylle in Finnland um einiges gruseliger. Die knappen Sätze haben viel zur Spannung beigetragen. Der Autor beschreibt gerade genug, damit der Leser alles vor Augen hat, aber nicht zu viel, um ausschweifend zu sein. Das Ende rundet die Geschichte ab- ich hätte mir kein besseres vorstellen können. Es passt einfach!

Persönliches Fazit: Empfehlung für alle, die auf Nervenkitzel stehen. Ein spannender Thriller mit blutrünstiger Geschichte.

Veröffentlicht am 15.07.2019

Unterhaltsam und blutig

Der Horror der frühen Medizin
0

Früher war alles besser. Wie oft habe ich diesen Spruch wohl gehört? Und auf vieles mag er zutreffen, jedoch nicht auf die Anfänge der früheren Medizin. Es geht in diesem Buch primär um die Mediziner des ...

Früher war alles besser. Wie oft habe ich diesen Spruch wohl gehört? Und auf vieles mag er zutreffen, jedoch nicht auf die Anfänge der früheren Medizin. Es geht in diesem Buch primär um die Mediziner des 19. Jahrhunderts und wie sie einst praktizierten. Ganz explizit um die damaligen Chirurgen. Es war für viele Patienten ein wahrer Albtraum, einen solchen Arzt aufzusuchen, da es oft nicht mit rechten Dingen zuging. Nicht nur, dass man sich die Behandlungen selten leisten konnte, so gab es allerlei schockierende Zustände innerhalb der medizinischen Räumlichkeiten - und auch die Mediziner selbst betreffend. Dies führte zu Krankheiten, die hätten verhindert werden können. Zu ungeklärten Todesfällen, um die sich niemand zu kümmern schien. Bis Joseph Lister, zu der Zeit noch Medizin-Student, sich traute, diese Dinge öffentlich zu benennen und gegen sie anzukämpfen. Aus ihm wurde ein Forscher und Wissenschaftler, der stets bemüht war, den richtigen Weg einzuschlagen und Methoden der Heilung zu finden, die fortschrittlich und des Menschen würdig sind.

In mehreren kurzen Kapiteln werden unterschiedliche Desaströsitäten erläutert, die mich häufig sprachlos machten. Jedes Kapitel wird mit einem Zitat eines Forschers, Wissenschaftlers oder Arztes eingeleitet. Es wird auf die fallbezogenen Charaktere eingegangen und dargelegt, wie es zu dem jeweiligen Umstand kam. Dabei greift die Autorin auf eine präzise und leicht verständliche Sprache zurück, was ich ob der Themen sehr begrüßte.

"Das begeisterte Publikum sah gebannt zu, wie der Anatom die aufgeblähten Bäuche verwesender Leichname aufschnitt, aus denen Blut und stinkender Eiter quoll. Manchmal wurde das makabre Schauspiel von lieblicher Flötenmusik begleitet." (S. 10)

Außerdem lernen wir Robert Liston kennen, ein ehemaliger britischer Chirurg, dessen enthusiastische und unachtsame Schnelligkeit bereits vor der Erfindung der Äther-Anästhesie sein Markenzeichen war. So schnitt er zum Beispiel Patienten versehentlich mehr ab als nötig, oder verstümmelte seinen Assistenten während einer Operation, indem er abrutschte und ihm drei Finger abtrennte. Womöglich brachte es ihn deswegen dazu, verschiedene Verbesserungen bei Amputationen und Wundverbänden einzuführen und somit das Gebiet der Wundheilung in den Fokus zu rücken.

Persönliches Fazit: Informativ, spannend und schockierend. Nichts für schwache Nerven und sensible Mägen. Interessant für Diejenigen, die im medizinischen Bereich tätig sind und/oder ein allgemeines Interesse an Medizin und Geschichte haben. // Oder es blutig mögen ;)

Fazit zum Hörbuch: Friedhelm Ptok ist nicht nur ein großartiger Schauspieler, sondern ein ebenso begnadeter Synchron- und Hörbuchsprecher. Mit seiner angenehmen Stimme, punktgenauen Betonungen und Pausen schafft er es, eine passende Atmosphäre entstehen zu lassen. Ich werde bestimmt weitere Hörbücher mit ihm genießen.

Die 8 Stunden und 36 Minuten gingen so schnell vorbei, dass ich am Ende etwas traurig war. Ich hätte gerne noch ein Weilchen gelauscht.

© Recensio Online, 2019, Julie