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Veröffentlicht am 29.09.2019

Enttäuschung, statt "blühende Landschaften"

Kastanienjahre
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Das Buch Kastanienjahre beginnt im Jahr 2018. Elise lebt in Paris und hat eine kleine Boutique, die ihr ganzer Stolz ist. Ihr bester Freund ist Tarek, ein Mann aus Algerien, der wie sie, nicht in Frankreich ...

Das Buch Kastanienjahre beginnt im Jahr 2018. Elise lebt in Paris und hat eine kleine Boutique, die ihr ganzer Stolz ist. Ihr bester Freund ist Tarek, ein Mann aus Algerien, der wie sie, nicht in Frankreich geboren ist. Zufällig wird sie durch einen Zeitungsausschnitt an ihren Heimatort Peleroich erinnert. Er soll dem Erdboden gleich gemacht werden. Der Ort liegt in der ehemaligen DDR, nahe der Grenze zur BRD. Sie ist erschrocken und möchte bald in den Osten fahren.

Danach gibt es einen Schwenk in das Jahr 1950. Ein Lehrer in Peleroich unterrichtet 15 Kinder, die Deutsche Demokratische Republik befindet sich im Aufbau. Drei Jahre später gibt es Pläne zur Produktionssteigerung und kleine Höfe sollen nicht mehr nur den Eigentümern gehören. Sie werde zu einer LPG zusammengefasst. Der Bürgermeister von Peleroich ist ein Anhänger der Regierung und gleichzeitig auch ein Spitzel der Stasi. Die Menschen des Ortes fürchten sich vor ihm.

Das Buch wechselt immer wieder vom Jahr 2018 in die Jahre ab 1950. Die Autorin ist selbst ein Kind der DDR und das merkt der Leser. Sie weiß, wovon sie schreibt. Es werden die Anfänge des sozialistischen Staates beschrieben, die Einschränkungen und Bevormundungen durch die Regierenden. Immer mal wieder gab es einen Mangel an Konsumgütern und auf Möbel mussten die Menschen lange warten. Aber, es gab keine Arbeitslose, Ausländer oder Flüchtlinge auch nicht.

Kastanienjahre ist eine Mischung aus Historie, Liebe und Familiengeschichte. Interessant für mich, da ich viele Dinge des Lebens im Osten erst auf diese Weise erfuhr. Es macht aber auch nicht vor den Enttäuschungen halt, nachdem die Mauer fiel. Es wurde den Menschen in Ost und West so viel versprochen und nur wenig gehalten. Die vergessenen Orte gibt es dort zuhauf und es ist berührend zu lesen, wie die dort Geborenen damit umgehen. Ein Buch, welches berührt, ein wenig spannend und zudem recht unterhaltsam ist. Ich empfehle es allen, die sich für die Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik interessieren und dabei auf Authentizität der Berichte achten.

Ich habe das Buch als Hörbuch genossen. Gelesen wird es von Wolfgang Berger. Die ungekürzte Lesung erstreckt sich über 667 Minuten.

Veröffentlicht am 24.09.2019

Bewegend und mit Humor gespickt

Laufen
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Die Ich-Erzählerin ist 40 Jahre alt und nach einer Fußverletzung vor acht Jahren gab sie das Laufen auf. Jetzt sieht es ganz anders aus. Sie muss nicht nur mit dem Verlust eines geliebten Menschen fertig ...

Die Ich-Erzählerin ist 40 Jahre alt und nach einer Fußverletzung vor acht Jahren gab sie das Laufen auf. Jetzt sieht es ganz anders aus. Sie muss nicht nur mit dem Verlust eines geliebten Menschen fertig werden. Auch das Wie des Todes setzt ihr hart zu und sie hat das Bedürfnis, sich beim Laufen von den traurigen Gedanken abzulenken. Zumal es auch Schuldgefühle sind, die sie quälen. Daran hat aber nicht nur ihre eigene Einstellung schuld. Es sind auch die Eltern des Toten, die sie durch ihr Auftreten fertig machen.

Laufen beginnt mit dem ersten Mal, wo sie wieder ihr Training beginnt. Bereits nach wenigen Metern meint sie, dass sie aufhören muss. Sie kann nicht mehr und spürt alle Muskeln. Doch sie setzt sich durch, überwindet ihre Schwäche und das Laufpensum wird von Tag zu Tag höher. Beim Laufen geht sie ihren Gedanken nach und wir als Leser erfahren sie in allen Einzelheiten. Auch ihre Ansichten gegenüber den anderen Läufern teilt sie uns mit.

Trost möchte sie nicht immer haben. Sie steht auf dem Standpunkt, dass viele Worte in dieser Situation nur Floskeln sind. Sie denkt dazu: Manchmal muss man eben in der Ecke liegen, wie ein Putzlappen und wimmern. Nur ihre beste Freundin Rike versteht sie wirklich. Ihre Eltern zeigen zu viel Mitleid und bedauern sie zu sehr. Das hilft ihr nicht. Sie möchte wieder Freude am Leben haben und sich nicht in Trauer vergraben.

Es ist eine Mischung aus Wut und Trauer, welche die junge Frau täglich durchlebt. Aber so wie sie beim Laufen nicht aufgibt, tut sie das auch nicht bei ihrem Leben. Sie kämpft sich zurück, lernt neue Menschen kennen und kauft sich sogar ein neues Bett. Alles das sind Schritte, die sie eines Tages zum Ziel führen. Wie gut, dass sie dabei Unterstützung findet. Es sind ihre Freunde und die Arbeitskollegen, die sie tragen, wenn es mit dem Gehen nicht klappt.

Das Buch berührt und zeigt so viele Tatsachen, die nach dem Suizid des Partners auf den Zurückbleibenden einstürmen. Es wird sich wohl jeder Selbstvorwürfe machen und dazu braucht es keine Anklagen von Außen. Gut, dass die Frau den Kontakt zu jenen Anklägern abbricht. Nur so kann sie das Unbegreifliche durchstehen. Nein,

Laufen ist keineswegs weinerlich geschrieben. Hin und wieder gibt es auch humorvolle Stellen. Es ist ein Buch für alle, die Ähnliches erlebten oder für jene, die mehr Verständnis für Betroffene aufbringen möchten.

Ich danke dem Verlag und #NetGalleyDE, dass ich das Buch lesen durfte.

Veröffentlicht am 23.09.2019

Spannende Unterhaltung mit viel Historie

Rote Ikone
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Es ist der 02.02.1945 und Hauptmann Proskurjakow sowie sein Fahrer Owtschinikow finden zufällig eine wertvolles Gemälde. Was es damit auf sich hat und warum es ausgerechnet in einem Sarg versteckt wurde, ...

Es ist der 02.02.1945 und Hauptmann Proskurjakow sowie sein Fahrer Owtschinikow finden zufällig eine wertvolles Gemälde. Was es damit auf sich hat und warum es ausgerechnet in einem Sarg versteckt wurde, erklärt der Autor im Laufe des Buches.

Ein Schwenk in die Vergangenheit folgt. Es ist der 02.08.1914 und der Leser lernt Herrn Pekkala kennen, der als enger Vertrauter und Personenschützer des Zaren tätig ist. Und nicht nur das. Er tritt immer dann als Ermittler auf, wenn Geheimnisse zu schützen und Verräter zu überführen sind. Am 02.08. bekommt der vom Zaren persönlich den Auftrag, mit Rasputin zu sprechen. Dem Zaren missfällt der Plan seiner Frau, die rote Ikone, das symbolträchtige Gemälde, an den Vertrauten der Zaren zu übergeben.

Beim Lesen lernte ich einiges über die Geschichte Russlands. Die Fragen, warum Rasputin am Zarenhof so sehr willkommen war oder wie es den „Wolgadeutschen“ nach dem Ersten Weltkrieg und bis zum Beginn des Zweiten Krieges erging, wurden beantwortet. Ich besuchte Stalin in seinem Büro und habe mir diesen Mann genau so vorgestellt, wie hier beschrieben.

Es ist ein munteres Hin und Her zwischen den Jahren 1914 und 1945. Dabei geht der Autor nicht immer chronologisch vor und beim Lesen ist hohe Konzentration gefragt. Es ist ein guter Kriminalroman der durch seine vielen Wendungen überzeugt. Das Cover zeigt die für Russland typischen Zwiebeltürme im Hintergrund einer Schneelandschaft. Auch das ist treffend gewählt. Ein Buch, das ich durchaus empfehle. Nicht, weil es so spannend wäre, sondern weil es so viele historische Fakten bietet.

Veröffentlicht am 15.09.2019

Erster Band einer Trilogie über Englands berühmtes Hotel

Das Savoy - Aufbruch einer Familie
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Maxim Wahl, so nennt sich der Autor des Romans Das Savoy - Aufbruch einer Familie. Er hat wohl schon einige Bestseller geschrieben und dieses Buch ist der erste Band einer Trilogie. Es ist eine Mischung ...

Maxim Wahl, so nennt sich der Autor des Romans Das Savoy - Aufbruch einer Familie. Er hat wohl schon einige Bestseller geschrieben und dieses Buch ist der erste Band einer Trilogie. Es ist eine Mischung aus Kriminalroman, Lovestory und ein wenig Historie.

Der Roman beginnt im Jahr 1932. Violet, eine junge Frau, die bei der BBC arbeitet, hat soeben eine Standpauke ihres Chefs erduldet. Sie kam zwei Minuten zu spät und das mag der Herr absolut nicht. Eigentlich möchte sie an ihren Arbeitsplatz aber sofort wird sie zum Telefon gerufen. Ein Mitarbeiter des Hotels Savoy ruft an. Sofort ist sie besorgt um ihren Großvater, den Chef des Hotels Savoy und ihre Sorge ist berechtigt. Er hatte einen Zusammenbruch.

Großvater Laurence Wilder ist der Sohn deutscher Einwanderer und übernahm vor 40 Jahren die Geschicke des noblen Hauses. Erst durch sein Engagement wurde es zur ersten Adresse in London. Nun hatte der 72jährige einen Zusammenbruch und Violet, seine Enkelin, ist erschüttert. Sie lebt seit Kleinkindtagen bei ihm und er ist alles, was sie an familiären Bindungen hat. Nun liegt er da und begreift nicht, was mit ihm geschah. Er denkt sogar, dass er einem Giftanschlag zum Opfer fiel.

#DasSavoyAufbruchEinerFamilie wurde in leichter und angenehmer Sprache geschrieben. Ein wenig Spannung, etwas Zwischenmenschliches und die 30er Jahre des Letzten Jahrhunderts machen einen bunten Strauß netter Unterhaltung. Für mich war interessant, welchen Einfluss Hitler damals selbst beim Adel in England hatte. Seine Fühler waren sogar bis über den Ärmelkanal ausgestreckt. Im nächsten Jahr kommt der zweite Band und daher gibt es zum Schluss dieses Buches auch einen großen Cliffhanger. Was wird aus Violet, überlebt ihr Großvater und für welchen Mann wird sie sich entscheiden? Die Spannung bleibt und wer leichte Kost mag, wird das Buch auch mögen.

Veröffentlicht am 13.09.2019

Wer kennt die Wahrheit?

Die Leben der Elena Silber
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Menschen ändern sich nicht. Nur die Umstände änderten sich.

Alexander Osang arbeitet als Journalist und schreibt für den Spiegel aus Tel Aviv. Sein erster Roman Die Nachrichten wurde verfilmt und mit ...

Menschen ändern sich nicht. Nur die Umstände änderten sich.

Alexander Osang arbeitet als Journalist und schreibt für den Spiegel aus Tel Aviv. Sein erster Roman Die Nachrichten wurde verfilmt und mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Die Leben der Elena Silber ist seine eigene Familiengeschichte, die er genau recherchierte.

Die Hauptperson ist Jelena und zu Beginn des Buches ist sie zweieinhalb Jahre alt. Damals lebte sie mit den Eltern und ihrem Bruder P.. in dem kleinen Ort Gorbatow. Im Februar 1905 wird dort der Vater von Aufständischen ermordet. Die Mutter Sina Krasnowa floh mit ihren beiden Kindern vor den Mördern, da sonst auch sie deren Opfer geworden wäre. Ihr Bruder Pawel nannte sie „Feuerköpfchen“, sie hatte kräftige rote Haare.

Vierzehn Jahre nach der Flucht kehrt die Mutter mit ihrem neuen Mann und Jelena zurück nach Gorbatow. Mittlerweile bekam sie weitere Kinder und ihr Mann, Alexander Petrowitsch verging sich an Jelena. Dass die Mutter sie nicht schützte, konnte sie ihr nie verzeihen. Jelena verliebt sich zum ersten Mal, verliert den Jungen aber aus den Augen. Dann folgt der Wegzug von zuhause. Sie arbeitet als Sekretärin in einer Tuchfabrik. Als sie einen deutschen Textilingenieur zur Seite stehen soll, sagt sie zu und lernt so ihren späteren Ehemann kennen. Fünf Kinder hat sie und lebt mit ihrem Mann in einem großen Haus mit Bediensteten. Zum Schluss lebt sie in Berlin, wo sie dann in einem Altersheim stirbt.

Neben dem Leben Jelenas, die später dann Elena wird, schreibt der Autor über ihren Enkel Konstantin. Der begibt sich auf die Suche nach Erinnerungen und fährt sogar mit einem Cousin nach Gorbatow. Er redet mit seinen Tanten und kann doch nicht alle Geheimnisse und weißen Flecken lüften.

Die Leben der Elena Silber ist ein Roman, der für mich schwer zu lesen war. Ständig wechselte der Autor in den Zeiten und es bleiben einige Fragen offen. Was mich berührte, das war die Rastlosigkeit der Elena. Sie musste ihre Kinder alleine unterhalten und das in einem fremden Land. Sie wurde nie so recht anerkannt und selbst ihre Töchter konnten viele ihrer Entscheidungen nicht verstehen. Ihre Verhältnis war unterkühlt. Dass ihr Mann ein Nazi war, konnte sie nicht glauben. In der Nähe des Wohnortes war aber ein KZ für Frauen und im Giftschrank des Hauses lagerten Büchsen mit dem Aufdruck: „Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung.“

Zwei Zitate möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: Die Fluchtbewegung ist das, was Europa zurzeit definiert, all die Wahlen werden dadurch entschieden. Und Nach dem Krieg gab es für viele Nazis keine Strafe. Im Gegenteil, ihnen wurden die höchsten Ämter der jungen Republik zuteil.

Mir persönlich hatte das Buch zu viele Enden, die nicht erklärt und schon gar nicht aufgeklärt wurden. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Russen kommt aber in dem Roman gut zum Ausdruck.

Ich danke dem Verlag und #NetGalleyDE, dass ich das Buch lesen durfte.