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Veröffentlicht am 26.09.2019

Spannendes Wiedersehen mit der Fährmannstochter Myntha

Die silberne Nadel
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Da mir schon der erste Band „Die Fährmannstochter“ sehr gut gefallen hat, habe ich mich auf ein Wiedersehen mit den Charakteren gefreut, die ich im Lauf des ersten Romans lieb gewonnen habe. Myntha ist ...

Da mir schon der erste Band „Die Fährmannstochter“ sehr gut gefallen hat, habe ich mich auf ein Wiedersehen mit den Charakteren gefreut, die ich im Lauf des ersten Romans lieb gewonnen habe. Myntha ist eine besondere junge Frau, die in ihrem Leben schon einiges an Bösem erfahren musste. Die Nachwirkungen der negativen Erlebnisse bekommt sie immer wieder zu spüren, denn seit sie fast ertrunken wäre und quasi auf dem Totenbett wieder erwacht ist, gilt sie als Wiedergängerin. Dass sie schlafwandelt, macht es nicht einfacher, und sie ist vielen Menschen unheimlich. Dabei ist sie so ein liebenswerter und kluger Mensch. Das erkennen außer ihrer Familie aber nur wenige. In Frederic Bowmann, dem „Rabenmeister“, hat sie jedoch einen verlässlichen Freund gefunden, denn auch er musste schon harte Schicksalsschläge erdulden und kann Myntha gut verstehen. Ganz besonders haben es mir in der Geschichte die geflügelten Protagonisten angetan, denn die Rabenschar, die Frederic gezähmt hat, ist außergewöhnlich und faszinierend. Die Raben sind äußerst klug und können zum Teil sogar sprechen. Das fand ich so unglaublich, dass ich direkt ein wenig nachforschen musste, denn bisher waren mir nur Papageien oder Beos als sprechende Vögel bekannt. Meine Recherchen haben aber gezeigt, dass die Autorin ihre sprechenden Raben nicht einfach erfunden hat, sondern dass es dieses Phänomen tatsächlich gibt! Jedenfalls bringen Frederics Rabenwächter eine sehr interessante Komponente in die Geschichte. Insgesamt ist die Handlung zwar eher ernst, denn immerhin hat es einen Mord gegeben, und eine gute Freundin von Myntha, die Witwe Ellen, wir verdächtigt, ihren Geliebten umgebracht zu haben, aber Mynthas scharfer Verstand sagt ihr, dass etwas anderes dahinter steckt, und ihr Gerechtigkeitssinn lässt nicht zu, dass die arme Ellen für etwas verurteilt werden soll, was sie nicht getan hat. Auch diesmal findet sie in Frederic Unterstützung, denn auch er ist Ellen freundschaftlich verbunden.
Und dann ist da noch Mynthas ärgster Feind, der Mühlheimer Vikar Volmarus. Er glaubt, Myntha sei von Dämonen besessen, dabei hört er selbst Stimmen in seinem Kopf. Für Myntha hat er sich schon einiges ausgedacht und alles für einen Exorzismus vorbereitet. In ihrem Bestreben, anderen zu helfen und für Gerechtigkeit zu sorgen, merkt Myntha gar nicht, dass sie selbst in Gefahr ist...

Ich fand diesen Band noch spannender als den Vorgänger. Der Fall um den toten Brotbeschauer ist abgeschlossen, aber Mynthas Geschichte geht weiter. Der Schreibstil von Andrea Schacht ist eingängig und mit vielen Wortspielereien und Metaphern ausgeschmückt. Ich lese ihre Bücher mit großem Vergnügen, denn immer ist da auch ein feiner, versteckter Humor dabei. Daher freue ich mich, dass weitere Bände um die Fährmannstochter Myntha auf mich warten.

Veröffentlicht am 25.09.2019

Aufbruch in ein neues Leben

Das Weingut. Aufbruch in ein neues Leben
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Dies ist, nach „In stürmischen Zeiten“, der zweite Band über „Das Weingut“ von Marie Lacrosse. Ging es im ersten Band um die Zeit des Deutsch-französischen Kriegs, so dreht sich die Handlung in diesem ...

Dies ist, nach „In stürmischen Zeiten“, der zweite Band über „Das Weingut“ von Marie Lacrosse. Ging es im ersten Band um die Zeit des Deutsch-französischen Kriegs, so dreht sich die Handlung in diesem Folgeband um die wirtschaftliche und politische Lage der Nachkriegszeit. Im Mittelpunkt des Romans steht die Weinhändlerfamilie Gerban. Franz, der Sohn des Inhabers Wilhelm Gerban, kommt versehrt aus dem Krieg zurück und muss feststellen, dass seine Geliebte, das Dienstmädchen Irene, verschwunden ist. Niemand kann oder will ihm sagen, wie es dazu kam, was Irene dazu bewegt hat, ohne Abschied zu gehen. Was dahinter steckt, wissen diejenigen, die den ersten Band bereits gelesen haben. Da Band 1 nicht in sich abgeschlossen war, sondern mit einem gewaltigen Cliffhanger endete und vieles ungeklärt blieb, war ich sehr gespannt, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Aus diesem Grund empfehle ich auch, unbedingt Band 1 erst zu lesen. Zwar wird auch im vorliegenden Band auf vieles eingegangen, was sich damals abgespielt hat, aber die Informationen sind nicht umfassend, sondern bleiben eher vage.

Zu den Charakteren kann ich sagen, sie machen allesamt eine starke Entwicklung durch, manche zum Positiven, manche auch eher umgekehrt. Die Handlung teilt sich in vier große Blöcke und innerhalb der fortlaufenden Kapitel noch in viele kurze Abschnitte, die in der Überschrift jeweils über Ort und Zeit informieren, wo und wann sich die beschriebenen Szenen abspielen. Geschickt lässt die Autorin bei den kurzen Abschnitten die Handlung am Ende offen, so dass man automatisch immer weiter lesen möchte, um schnell zu erfahren, wie es weiter geht. Obwohl die gesamte Handlung sehr geschichtsträchtig ist, liest sich der Roman flüssig, denn der Schreibstil ist sehr schön und eingängig. Es werden viele brisante Themen der damaligen Zeit angesprochen, beispielsweise das schwere Schicksal und die Ausbeutung der Arbeiterklasse und die Lebens- und Arbeitsbedingungen der armen Menschen. Auch Kinderarbeit war damals an der Tagesordnung, und vor allem die Sicherheit der Arbeiter war oft nicht gewährleistet. Hier hat die Autorin ausgiebig recherchiert, und für ihre Charaktere gibt es häufig reale Vorbilder, wie sie im Nachwort erklärt.

Auch das Leben und die Arbeit auf dem Weingut kommen nicht zu kurz, und man erfährt so einiges über den Weinanbau.

Ein weiteres historisches Thema ist die politische Situation nach dem Krieg im annektierten Elsass. Viele Anordnungen der nun preußischen Regierung stürzten die ehemaligen Franzosen in schwere Identitätsprobleme.

Außerdem erfährt man viel über die damalige Psychiatrie und die Behandlungsmethoden in einem Irrenhaus des 19. Jahrhunderts. All das spielt eine wichtige Rolle im Leben der Familie Gerban und wurde sehr gekonnt in die Handlung eingebunden.

Wer das Cover des Buches betrachtet, erwartet vermutlich etwas ganz anderes, aber spätestens wenn klar wird, dass sich hinter dem Pseudonym Marie Lacrosse die Autorin Marita Spang verbirgt, wird klar, dass hinter dem schönen Titelbild keinesfalls ein seichter, romantischer Liebesroman steckt, sondern ein fundierter und exzellent recherchierter historischer Roman. Dieser zweite Band hat mir noch besser gefallen als der Vorgänger, denn diesmal ist das Ende rund und für mich zufriedenstellend. Anfangs bin ich davon ausgegangen, das „Das Weingut“ sei als Dilogie angelegt und wäre damit auch durchaus zufrieden gewesen, aber in Kürze erscheint der dritte Band. Momentan kämpfe ich noch mit mir, ob ich auch Band 3 lesen soll. Eine Leseprobe im vorliegenden Buch zeigt, dass sich die Handlung dann in eine völlig neue Richtung wendet. Wie gesagt, ich war mit dem Abschluss dieses Bandes mehr als zufrieden und bin mir momentan noch nicht sicher, ob ich wirklich erfahren möchte, wo die Geschichte weiter hinführt. Aber hier geht es ja in erster Linie um Band 2, und den kann ich absolut empfehlen.



Veröffentlicht am 10.09.2019

Ein kurzweiliger, heiterer Inselroman

Die Inselfreundinnen
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An einem Abend, als die drei Freundinnen Clara, Vicki und Rachel aus Liebeskummer dem Sekt etwas intensiv zugesprochen hatten, ersteigerten sie im Internet eine alte Dorfschule auf Wangerooge. Anfangs ...

An einem Abend, als die drei Freundinnen Clara, Vicki und Rachel aus Liebeskummer dem Sekt etwas intensiv zugesprochen hatten, ersteigerten sie im Internet eine alte Dorfschule auf Wangerooge. Anfangs sind die drei Frauen geschockt über ihre eigene Courage, aber letztendlich sehen sie es als eine Chance zur Veränderung, die sie alle drei dringend brauchen. Darum lassen sie sich auf diese waghalsige Unternehmung ein, denn die alte Schule ist in einem ziemlich heruntergekommenen Zustand,und es steht schnell fest, dass sie hier einiges investieren müssen, einerseits materiell aber auch Zeit. Aber sie haben vor, ein Hotel für Menschen mit Liebeskummer zu eröffnen.
Sehr bald nach ihrer Ankunft auf der Insel begegnen die Freundinnen ihrem „Nachbarn“. Der Aushilfs-Schäfer Jonathan treibt seine Schafherde nämlich ausgerechnet immer über den angrenzenden Schulhof, was den neuen Besitzerinnen ganz und gar nicht gefällt. Aber da ist etwas in Jonathans Blick, das besonders Clara schnell den Wind aus den Segeln nimmt, denn wenn er sie ansieht, kann sie nicht mehr klar denken.

Diesmal nimmt uns Brigitte Janson mit auf die Insel Wangerooge. Es ist ein kurzweiliger Roman mit viel Lokalkolorit, einerseits heiter aber auch mit ernsten Tönen, denn vor allem über die alte Insulanerin Rieke erfährt man viel über Wangerooges zum Teil sehr tragische Geschichte. Auch die Atmosphäre der Insel ist wunderbar eingefangen. Ich war selbst noch nie auf Wangerooge, habe aber direkt Fernweh bekommen und konnte mir die geschilderten Situationen sehr gut vorstellen. Auf jeden Fall wird es im wahrsten Sinn des Wortes stürmisch auf der Insel – in jeder Beziehung.
Sehr gut haben mir die verschiedenen Charaktere gefallen. Da sind zum einen die drei Freundinnen, die unterschiedlicher gar nicht sein könnten, und es ist wunderbar und interessant beschrieben, wie sie sich gerade durch ihre Verschiedenheit ergänzen und wie unterschiedlich sie mit der neuen Situation auf der Insel umgehen. Der wortkarge Jonathan ist anfangs ein Buch mit sieben Siegeln. Eigentlich würde er recht gut zu dem Frauentrio passen, denn auch er hat Liebeskummer. Aber da muss erst seine Tochter ihre Ferien auf Wangerooge verbringen, um ihren Vater aus seiner selbst gewählten Isolation zu holen.
Besonders ist mir im Lauf der Handlung Rieke ans Herz gewachsen. Die alte Dame ist lebensklug und resolut und spielt nur zu gerne ein wenig Schicksal. Aber auch sie ist nicht gegen falsche Entscheidungen gefeit, und ihre „Vermittlungskünste“ bringen zusätzlich noch einige Turbulenzen in die Geschichte.
Ich habe diesen Roman mit großem Vergnügen gelesen und kann ihn als Urlaubslektüre wärmstens empfehlen, denn man kann so richtig schön in die Handlung abtauchen.

Veröffentlicht am 04.10.2019

Grandioser Blick zurück in die frühere Geschichte der Waringhams zur Zeit von Richard Löwenherz und John Ohneland

Teufelskrone
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Dies ist der sechste Band von Rebecca Gablés Waringham-Saga. Im Gegensatz zu den vorherigen Bänden schließt sich die Handlung diesmal aber nicht chronologisch an, sondern sie spielt fast zweihundert Jahre ...

Dies ist der sechste Band von Rebecca Gablés Waringham-Saga. Im Gegensatz zu den vorherigen Bänden schließt sich die Handlung diesmal aber nicht chronologisch an, sondern sie spielt fast zweihundert Jahre früher als „Das Lächeln der Fortuna“. Genau genommen erleben wir die letzten Jahre der Regierungszeit von Richard Löwenherz und im Anschluss die Krönung und Herrschaft seines Bruders John „Ohneland“. Ein zweites Brüderpaar steht im Mittelpunkt des Romans, und das sind Guillaume und Yvain of Waringham. Im Gegensatz zu den königlichen Brüdern, die mehr oder weniger verfeindet sind, ist die Beziehung der Waringham-Brüder von Zuneigung geprägt, obwohl sie verschiedenen Seiten dienen. Während der ältere Guillaume seinen Herrn, Richard Löwenherz, auf einem Kreuzzug begleitet hat und sehr betroffen über Richards Gefangennahme kurz nach der Rückkehr aus dem heiligen Land ist, steht dem jüngeren Yvain etwas ganz anderes bevor, denn sein Vater, Lord Jocelyn of Waringham, hat für ihn eine Laufbahn bei den Templern vorgesehen. Doch es kommt alles ganz anders, denn er tritt bei Prinz John seinen Dienst als Knappe an. Fortan stehen Yvain und Guillaume auf verschiedenen Seiten, was durchaus zu kritischen Situationen und sogar zu einem Zerwürfnis führen könnte, aber die Brüder schließen einen Pakt, dass, ganz egal was zwischen König Richard und Prinz John geschehen wird, dies nicht zu einer Fehde zwischen ihnen selbst führen soll. Und doch gibt es eines, was die Brüder einerseits gemeinsam haben, was auch einen Keil zwischen sie treiben könnte, und das ist die Liebe zur selben Frau.

Zur Handlung, die sich von 1193 über die folgenden 23 Jahre erstreckt, möchte ich gar nicht allzu viel sagen, denn die Ereignisse sind so vielfältig, umfangreich und fesselnd, dass ich dem nicht in wenigen Sätzen gerecht werden könnte. Es wäre auch gar nicht Sinn der Sache, viel zu verraten, denn gerade das Buch selbst zu lesen und gefühlsmäßig mittendrin zu sein, ist eine Erfahrung, die jeder für sich machen sollte. Vieles was geschildert wird, gerade die unglaublichsten Ereignisse, sind wirklich passiert. Realität und Fiktion hat Rebecca Gablé auch in diesem Buch kunstgerecht verschmolzen. Die Grenzen zwischen Wahrheit und erfundener Geschichte sind fließend, und es fasziniert mich immer wieder aufs Neue, wie es der Autorin gelingt, stets die richtigen Worte zu finden und ihre Leser mitzureißen. Auch dieses Buch ist wieder eine tolle Mischung aus englischer Geschichte, Abenteuer, Ritterleben und Romantik. Bei einigen wichtigen historischen Ereignissen hat man das Gefühl, selbst dabei zu sein, so plastisch und lebendig sind sie erzählt, beispielsweise erlebt man die Entstehung der Magna Carta hautnah mit.

Neben ihrem fundierten Wissen und dem packenden Erzählstil sind es die vielschichtigen Charaktere, die mir an Rebecca Gablés Büchern besonders gefallen. Mit Yvain of Waringham hat sie auch diesem Roman einen charmanten, sympathischen Protagonisten gegeben, der über viele ritterliche Tugenden verfügt, zugleich aber das Herz auf der Zunge trägt und sich manchmal dadurch selbst in Gefahr bringt. Yvain ist einerseits ein tapferer Held, der viele Schlachten zu schlagen hat, wobei ich nicht nur die mit dem Schwert meine, bei denen er für den König kämpft. Sehr oft gewährt uns die Autorin aber auch einen tiefen Blick in seine Gedanken und seine Seele, und da wird schnell klar, dass sich hinter seiner harten Schale ein sensibles Herz verbirgt und dass auch dieser tapfere Ritter nicht gegen Angst und Sorgen gefeit ist. Viele von Yvains Eigenschaften und Vorlieben erkennt man wieder, wenn man die Waringham-Saga von Anfang an verfolgt hat, denn der Ritter und seine Familie haben ihren Nachfahren so manches vererbt, sei es die besondere Liebe zu Pferden oder die „gläsernen Träume“, ganz besonders aber die unerschütterliche Loyalität ihren weltlichen Herrschern gegenüber. Bei Yvain ist das König John, der seinem Bruder Richard, nach dessen Tod, auf den Thron folgt. John ist eine facettenreiche Persönlichkeit, die ich hier noch einmal neu kennengelernt habe. Während sein Bruder Richard Löwenherz stets als Held gefeiert wird, ist John meist als abgrundtief böse dargestellt.

Wie es damals wirklich war, welche Charaktereigenschaften und welches Verhältnis zueinander die königlichen Brüder hatten, können wir heutzutage nur vermuten bzw. uns auf die Überlieferungen stützen. Letztendlich müssen wir uns aus den vorhandenen Fakten selbst ein Bild zurechtlegen. Die Eindrücke, die ich von Richard Löwenherz und seinem Bruder John bisher hatte, haben durch Rebecca Gablés Roman viele neue Facetten dazu bekommen, denn hier wird gezeigt, dass auch Richard ein brutaler Herrscher war und falsche Entscheidungen traf und dass auch John, trotz seiner vielen negativen Eigenschaften, durchaus auch menschliche Regungen zeigen konnte, wenn auch eher selten.

Ich könnte hier noch ewig so weiter erzählen, denn es gäbe noch so viel zu erwähnen, was bei einem Roman mit über 900 Seiten nicht verwundert. Zum Abschluss bleibt mir eigentlich nur zu sagen, dass es wieder ein wundervoller, lebendiger und mitreißender Roman ist, der seinen Vorgängern in nichts nachsteht.

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Veröffentlicht am 27.08.2019

Nach dem Happy End geht das Leben weiter

Solange sie tanzen
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Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen. Er erzählt die Geschichte von Ada und Hans Friedberg.
In der Gegenwart gibt es nur noch Ada, denn Hans ist ein Jahr zuvor gestorben. Ihr Tagesablauf dreht sich mittlerweile ...

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen. Er erzählt die Geschichte von Ada und Hans Friedberg.
In der Gegenwart gibt es nur noch Ada, denn Hans ist ein Jahr zuvor gestorben. Ihr Tagesablauf dreht sich mittlerweile fast ausschließlich um den Boxer Hemingway, der ihre ganze Liebe und Sorge beansprucht. Sie ist viel allein und blickt zurück auf ihr erfülltes, glückliches Leben. So erfährt man, wie sich Ada und Hans kennengelernt und verliebt haben. Aber das Glück war nicht ungetrübt, und für das junge Paar galt es, viele Hürden zu überwinden, denn Ada stand zwischen den Fronten. Ihr Vater, ein eingefleischter und unbelehrbarer Nationalsozialist, wollte Hans Friedberg nicht in seinem Haus und seiner Familie dulden, denn Hans war jüdischer Abstammung. Wehmütig erinnert sich Ada an die alten Zeiten und erlebt in Gedanken noch einmal viele Ereignisse von damals. Als sie eines Tages entdeckt, dass in dem alten Haus, von dem sie und Hans immer geträumt haben, Licht brennt und hinter dem erleuchteten Fenster ein Paar tanzt, ist sie fasziniert und beobachtet die Tänzer täglich aufs Neue durch ihr Fernglas.
Mit der Zeit merkt Ada zu ihrem großen Schrecken, dass sie immer vergesslicher wird. Mehr und mehr versinkt sie in ihrer eigenen Welt, da mischt sich Reales mit ihren Träumen, und die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart werden durchlässig und verschwimmen. Aber immer wenn Ada das tanzende Paar beobachten kann, ist sie glücklich und ihre kleine Welt in Ordnung.

Dieses Buch hat so viele Facetten!
In erster Linie beinhaltet es eine ganz besondere, sehr berührende Liebesgeschichte. Sehr realistisch wird Adas und Hans‘ Leben im Alltag beschrieben, denn auch Liebende schweben nicht immer auf rosa Wolken. Es gibt so vieles, was eine Beziehung verkraften muss, und wie Hans so treffend bemerkt, „Nach dem Happy End geht das Leben weiter“.
Ein weiteres großes Thema des Romans ist Adas Problem mit dem Vergessen. Die alte Dame gleitet immer weiter in die Demenz, und ihre Gedanken und Reaktionen in den Momenten, wenn ihr bewusst wird, dass sie wieder einmal etwas Gravierendes vergessen hat und sich an Stunden oder ganze Tage nicht erinnern kann, ebenso wie die Reaktionen ihrer Mitmenschen, sind sehr feinfühlig und achtsam beschrieben.
Dazwischen gibt es viele kurze aber bedeutsame Episoden, die zeigen, dass es oft die kleinen Katastrophen sind (in diesem Fall beispielsweise ein defekter Aufzug), die Menschen aus der Anonymität holen und näher zusammenführen.

Schon lange hat mich kein Roman derart intensiv berührt wie diese starke Geschichte mit wunderbaren Charakteren und bittersüßem Ende. Ich habe mit Ada gelacht und geweint, mich mit ihr gefreut und getrauert. Ich habe in meinem privaten Umfeld momentan häufiger Kontakt zu mehreren alten Menschen, die unterschiedlich stark von Demenz betroffen sind, und viele von Adas Reaktionen kamen mir nur allzu bekannt vor. Schon aus diesem Grund ist mir diese Geschichte ganz besonders nahe gegangen.
Es ist ein Roman der leisen Töne, der jedoch lange im Gedächtnis haften bleibt und nachhallt, der beeindruckt und sehr berührt.