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Venatrix

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Veröffentlicht am 27.10.2019

Rechtsgeschichte von der Neuzeit bis in die Gegenwart

"Alles, was geschieht, geschieht mit Recht."
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Alles, was geschieht, geschieht mit Recht“ - dieser Titel ist ein Zitat aus Marc Aurels „Selbstbetrachtungen“. Doch stimmt das überhaupt?

In seinem zweiten Buch zur Rechtsgeschichte befasst sich Alfred ...

Alles, was geschieht, geschieht mit Recht“ - dieser Titel ist ein Zitat aus Marc Aurels „Selbstbetrachtungen“. Doch stimmt das überhaupt?

In seinem zweiten Buch zur Rechtsgeschichte befasst sich Alfred J. Noll mit dem Staat, dem Eigentum und dem modernen Sicherheitsfetischismus. Der Autor ist begeisterter Jurist und versucht in zehn Kapiteln den Lesern seine Leidenschaft zu vermitteln. ?

Eigentum: seit jeher und für immer?
Staat und Gesetz
Volkssouveränität: Das Beispiel Österreich
Demokratie als Perpektivenvielfalt
Parlamentarismus
Höchstgerichtsbarkeit und Justiz
Menschenrechtspolitik und Völkerrecht
Europa braucht eine Verfassung
Migration und Multikulturalismus
Sicherheit vor allem

Meine Meinung:

Wie schon das Vorgängerbuch „Wie das Recht in die Welt kam“ ist auch dieses hier mit großer Sachkenntnis geschrieben.
Schmunzeln musste ich beim Zitat von Johann Wolfgang von Goethe, der ja nicht nur Dichter und Universalgelehrter war, sondern vornehmlich Jurist, der die Gesetzesflucht schon zu seiner Zeit anprangert: „Wenn man alle Gesetze studi[e]ren sollte, so hätte man keine Zeit sie zu übertreten.“ (S. 69).

Im Kapitel 4 - „Demokratie als Perspektivenvielfalt“ geht Alfred J. Noll mit den Medien hart ins Gericht. Er stellt die durchaus berechtigte, provokante These auf, dass die Medien die „Entstehung von Wissen sogar verhindern“. (S. 120)

Bedenklich kann einen stimmen, wenn, wie der Autor auf S. 179 ausführt, dass bei Eingabe des Wortes „Freiheit“ in die Stichwortsuche des RIS (Rechtsinfomationssystem), der Datenbank des österreichischen Bundeskanzleramtes, eingibt die Trefferanzahl 867 ergibt. Bei Eingabe des Suchwortes „Sicherheit“ erhöht sich die Trefferquote auf 9.450. Also ein Verhältnis 10:1 für die Sicherheit. Das gilt auch für die größte Internetsuchmaschine.

In seinem Postskriptum geht der Autor noch auf die Beziehung „Recht und Revolution“ ein. „Jedes Recht kommt durch Unrecht auf die Welt. Die Revolution stört die Ordnung, schafft Unrecht.“ (S. 200)

Wie schon im Vorgängerbuch geschrieben ist die umfassende Sachkenntnis gleichzeitig Stärke und Schwäche dieses Buches. Kaum jemand kann dem Autor ein x für ein u vormachen (ausgenommen ein Juristenkollege natürlich).

Das Buch, das vom Verlag als Essay bezeichnet wird, besticht durch die schier unerschöpfliche Sachkenntnis und einen beeindruckenden Schreibstil, der allerdings manchmal zu lange Sätze mit einer Wendung zu viel, beinhaltet. Wieder zitiert der Autor ausgiebig aus vielen anderen Werken. Doch Nicht-Juristen, denen die philosophischen Werk Hegels oder Karl Marx‘ nicht geläufig sind, müssen beinahe über diese Zitate hinweglesen.


Das Buch verfügt über eine gediegene Aufmachung: Als Hardcover mit einem Lesebändchen und abgerundeten Ecken. Die Schriftart und Schriftgröße sind augenfreundlich gewählt.

Fazit:

Dieses Buch zeigt viele Facetten des Rechtes seit der Bildung von Nationalstaaten bis in die Gegenwart und warum es nicht möglich ist, ohne Recht auszukommen. Ein paar Gesetze weniger wären auch genug (siehe J. W. von Goethe). Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 26.10.2019

EIne Anleitung zur Weiterentwicklung

Aufrichten!
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Die Grande Dame der österreichischen Psychotherapie hat ein leicht lesbares Buch darüber geschrieben, wie sich vor allem Frauen, nach kleinen oder größeren Schicksalsschlägen wieder aufrichten können.

Im ...

Die Grande Dame der österreichischen Psychotherapie hat ein leicht lesbares Buch darüber geschrieben, wie sich vor allem Frauen, nach kleinen oder größeren Schicksalsschlägen wieder aufrichten können.

Im Grunde erzählt sie wenig Neues. Eine Vielzahl der Ratschläge ist sattsam bekannt. Worin liegt also der Mehrwert dieses Buches? Zum einem können Ermunterungen nicht oft genug wiederholt werden und zum anderen sind die Beispiele, aus dem reichen Erfahrungsschatz der Autorin, so bildhaft dargestellt, dass es möglich ist, das eine oder andere für sich selbst zu adaptieren.

In acht Kapiteln zeigt uns Rotraut Perner wie es möglich ist, sich (wieder) Aufzurichten und eine andere Haltung einzunehmen:

Einige Vorbemerkungen
vom Boden empor
Blickrichtungen
Aufrichten
Haltungen
Bewegung
Selbstbestimmung
Wachsen in Schritten

Ergänzt wird das Buch durch Anmerkungen und ein Literaturverzeichnis.

Interessant habe ich gefunden, dass sie das Buch ursprünglich „Haltung“ nennen wollte, und dann auf Grund des gleichnamigen Buches von Reinhold Mitterlehner davon Abstand genommen hat. Trotzdem geht es in diesem Buch um „Haltung“ - nämlich um „Kopf hoch, Bauch einziehen und gerader Rücken“. Wer dies schon selbst ausprobiert hat, merkt, dass diese nunmehr gestraffte Körperhaltung sich auch auf die Psyche auswirkt. Allerdings bedarf es einiger Übung, diese Haltung auch in kritischen Situationen des Alltags einzunehmen. Hier muss ich ein altes Sprichwort zitieren: „Gut Ding braucht Weile“. Auch die Autorin weist darauf hin, dass diese „Anleitung zum seelischen Wachstum“ nichts für Eilige ist.

Fazit:

Ein gutes Buch, um Bekanntes zu wiederholen und zu verinnerlichen. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 19.10.2019

Ein Fall für Antoine Sturni

Pariser Enthüllungen - Kommissar Sturnis zweiter Fall
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In seinem zweiten Fall für den Elsässer Mordermittler Antoine Sturni präsentiert Autor Stefan Böhm gleich mehrere Themen: Zum einem der ambivalente Umgang mit Atomstrom in Frankreich, dem Schicksal der ...

In seinem zweiten Fall für den Elsässer Mordermittler Antoine Sturni präsentiert Autor Stefan Böhm gleich mehrere Themen: Zum einem der ambivalente Umgang mit Atomstrom in Frankreich, dem Schicksal der Immigranten und der sehr patriotischen Haltung im Elsass.

Sturni wird von seinem Chef nach Paris „weggelobt“, um in einer Gruppe von verschiedensten Ermittlern eine Untersuchungskommission zu bilden, die einen „Persil-Schein“ für die Atomlobby ausstellen soll. Denn die Atomkraftwerke in Frankreich sind längst nicht so sicher, wie die Betreiber das den Menschen vorgaukeln (wollen). Für viele Franzosen ist es wichtig, dass der Strom billig und stets aus der Steckdose kommt. Sicherheitsbedenken? Nicht bei uns in Frankreich. Schrottmeiler haben die anderen, die Russen, die Japaner usw.. Dass dem doch nicht so ist, und ausgerechnet das Atomkraftwerk im Elsass ein enormes Sicherheitsrisiko birgt, hat die junge ambitionierte Journalistin Zoé Le Coq herausgefunden. Wenige Minuten nachdem sie Sturni höchst brisante Informationen übergibt, wird sie mit ihrem Auto in die Luft gesprengt. Als dann noch die Untersuchungskommission aufgelöst und die Pariser Mordkommission hier nicht ermitteln darf, ist für Sturni klar, dass die Ermordete im Recht war. Und so begibt sich Antoine Sturni auf eine private Recherche. Mit von der Partie sind die Mitglieder seiner WG Sophia, Saba und Abdel.

Der zweite Handlungsstrang um die algerischen Immigranten Saba und Abdel, die es auf ähnliche Weise nach Paris, der Stadt ihrer Träume verschlagen hat, zeigt die Probleme der illegalen Einwanderer. Besonders Frauen wie Saba sind häufig sexuellen Angriffen durch ihre Arbeitgeber ausgesetzt.

Der dritte Handlungsstrang ist das komplizierte Privatleben Sturnis. Seit einem Jahr geschieden und mit seiner feschen Sekretärin Margeaux liiert, leidet er unter seiner dominanten Mutter Clothilde. Bei einem Besuch von Margeaux und Clothilde, die auch Sturnis Sohn Christian nach Paris mitbringen, kommt es zum Eklat.

Meine Meinung:

Wie schon im letzten Fall wird Sturni ein bisschen hinterwäldlerisch dargestellt, der in der großen weiten Welt verloren wirkt. So ist Antoine aber nicht. Bodenständig ja, er liebt seine Heimat das Elsass sehr und fühlt sich außerhalb anfangs nicht sehr wohl. Er ist durch und durch ein Genussmensch und so kann er über die lukullischen Speisen auch Paris etwas abgewinnen. Trotzdem, ein Gericht mit Elsässer Sauerkraut schmeckt ihm doch noch am besten.

Autor Stefan Böhm erzählt die Geschichte mit feinem Humor und die Eigenarten einzelner Personen lässt die Leser schmunzeln. Clothilde Sturni ist, wie wir aus Band 1 wissen, sehr, sehr bodenständig, und so trägt sie beim Paris-Besuch Elsässer Tracht und wird für eine Touristenattraktion gehalten. Über diese ihre Empörung habe ich herzlich lachen müssen. Sonst ist die Dame ziemlich nervig. Ihre „Jetzt-komm-ich“-Mentalität ist ziemlich überzogen. Mehrmals müssen sich Antoine und der siebenjährige Sohn für Clothilde genieren. Ich hätte sie ja von den Flics abholen lassen.

Lachen musste ich auch über die Abreiseszene und die Bahnreise. Der intensive Geruch des Munster-Käses die Mitreisenden aus dem Abteil vertreibt.
Sehr gut ist die katastrophale Wohnungsnot in Paris geschildert. Da werden klitzekleine Verschläge als Wohnungen vermietet. Denn in Paris entscheidet oft die Adresse, ob man einen Job erhält oder nicht. Eine Innenstadt-Adresse ist hui, eine in den Banlieus pfui.

Einen Stern muss ich trotzdem abziehen: Einiges wird mehrfach wiederholt. Auch wenn wir Leser manchmal mehrere Bücher parallel lesen, können wir uns Informationen merken. Ich hoffe, dass Clothilde im nächsten Fall, auf den ich mich übrigens freue, ein wenig zurecht gestutzt wird. Ihre Auftritte sind mir persönlich zu dominant.

Fazit:

Ein vergnüglicher Krimi mit ernsten Untertönen, dem ich gerne 4 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 11.10.2019

Klassiker im modernem Gewand

Ich bin Circe
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Circe ist die Tochter von Sonnengott Helios und der Okeaniden Perse. Sie gilt als hässlich, linkisch und steht im Schatten ihrer Geschwister Pasiphaë und Aietes - die genießen das Wohlwollen der Götter.
Die ...

Circe ist die Tochter von Sonnengott Helios und der Okeaniden Perse. Sie gilt als hässlich, linkisch und steht im Schatten ihrer Geschwister Pasiphaë und Aietes - die genießen das Wohlwollen der Götter.
Die aufmüpfige Circe wird von ihrem Vater auf die kleine Insel Aiaia verbannt. Dort verfeinert sie ihre Fähigkeiten als Kräuterhexe und lebt mit wilden Tieren und der ungezügelten Natur. Die Insel mausert sich im Laufe der Zeit als „Parkplatz“ für ungezogenen Nymphen. Doch auch Menschen landen an ihrer Küste. Eine alleinstehende Frau ist auch dann Freiwild, wenn es sich um die Tochter eines Gottes handelt...

Doch im Laufe der Zeit wird Circe weiser, setzt ihre Zauberkräfte gezielt ein und lernt auch die Gesellschaft von Sterblichen wie Odysseus zu schätzen. Damit stellt sie sich allerdings gegen diverse Vorschriften der göttlichen Familie.


Meine Meinung:

Eigentlich müsste der Titel ja „Kirke“ lauten, denn so hieß die Tochter des Helios auf altgriechisch. Es hat sich aber die latinisierte Form mit „C“ eingebürgert, die häufig auch Zirze geschrieben wird. Sei es wie es sei. Der Autorin ist ein gut lesbarer Fantasy-Roman gelungen. Angelehnt an die Griechischen Sagen des Altertum begegnen wir einer Vielzahl von Göttern, Halbgöttern, Nymphen, Hexen und Sterblichen.

Sehr gelungen finde ich die Idee, die Geschichte(n) aus Circes Perspektive zu erzählen. Der Schreibstil ist weit flapsiger als die Neubearbeitung der Sagen des Klassischen Altertums von Michael Köhlmeiers. Die Sprache ist stellenweise sehr modern und man begegnet Dingen, die in der Antike noch lange nicht bekannt waren, wie zum Beispiel den Paradeisern: „Hast du Tomaten auf den Augen?“ Das Nachtschattengewächs wurde erst mit Kolumbus & Co. so rund um 1500 n. Chr. nach Europa gebracht.

Mir hat Circe gut gefallen. Sie ist alles andere als unfehlbar. Sie hat mehr mit den Sterblichen gemeinsam, als ihr bewusst ist. Sie kränkt sich, sie ist wütend und manchmal unentschlossen. Sehr energisch geht sie vor, als Athene ihren Sohn bedroht: Wie eine Helikoptermutter der Gegenwart, räumt sie Telegonos alle möglichen Gefahren aus dem Weg.

Fazit:

Wer gerne klassischen Stoff auf moderne Art dargebracht, liest, ist hier richtig. Gerne gebe ich 4 Sterne.

Veröffentlicht am 03.10.2019

Maht neugierig, Biografien abseits von Lincoln und Kennedy zu lesen

Trinker, Cowboys, Sonderlinge
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Wer glaubt, dass Donald Trump der erste und einzige etwas sonderbare Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist, wird eines Besseren belehrt. Schon einige vor ihm sind durch Exzentrik oder unkonventionelles ...

Wer glaubt, dass Donald Trump der erste und einzige etwas sonderbare Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist, wird eines Besseren belehrt. Schon einige vor ihm sind durch Exzentrik oder unkonventionelles Benehmen aufgefallen. Es war nur nicht gar so bekannt. Immerhin haben Nachrichten im 18. und 19. Jahrhundert einige Wochen gebraucht, um an ihr Ziel zu gelangen. Halbwahre/halbfalsche Geschichten von und über Präsidenten sind auch nichts wirklich Neues. Allein die übermäßige Präsenz des derzeitigen Amtsinhaber nervt zusehends. Wenn weder Zeitungen noch TV über ihn berichten würden - eine Wohltat.

Doch zurück zu vorliegendem Buch: Autor Ronald D. Gerste ist Augenarzt und (Medizin)Historiker, der vor allem durch seine Biografien über Abraham Lincoln
und John F. Kennedy bekannt geworden ist.

Wir erfahren einiges über

Andrew Jackson
Franklin Pierce
Ulysses S. Grant
Rutherford B. Haynes
Chester A. Arthur
Grover Cleveland
Theodore Roosevelt
William Howard Taft
Calvin Coolidge
Harry S. Truman
John F. Kennedy
Richard Nixon

Wie es für Kurzbiografien üblich, kann es nur Blitzlichter in den Leben der Porträtierten geben.

Ein bisschen verwirrend ist das amerikanische Wahlsystem. Allerdings hat es schon früher denkbar knappe Wahlausgänge in den diversen Wahlbezirken gegeben. Man könnte fast sagen: „alles schon einmal da gewesen“ - egal ob verhaltensoriginelle, besonders Umtriebige oder Revolverhelden.

Einzig das Wort „Sonderlinge“ ist für mich nicht ganz greifbar. In Zeiten der Duelle und der rauchenden Colts, ist es ganz normal zur Waffe zu greifen, auch wenn man Präsident der Vereinigten Staaten ist. Oder übermäßiger Alkoholgenuss ist ein Thema, aber gesellschaftlich akzeptiert. Es muss also ein Mann ein besonders starker Trinker gewesen sein, wenn dies extra erwähnt wird. Ich denke, das Prädikat „Sonderling“ muss im Kontext des jeweiligen Jahrhunderts bzw. Jahrzehnts gesehen werden. Nicht vergessen darf man auch, dass Journalisten, Biografen oder sonstige Zeitgenossen nicht immer die ganze Wahrheit über die Präsidenten kannten oder sagten.

Fazit:

Dieses Buch weckt die Neugier und das Interesse, andere Biografien der Präsidenten abseits von Kennedy und Lincoln zu lesen. 4 Sterne.