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Veröffentlicht am 04.11.2019

Emotionales Buch über körperliche und seelische Narben

Sieh mich an
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Ava hat mit 16 Jahren durch ein Feuer alles verloren, was ihr wichtig war: Ihre Familie, ihre Cousine und gleichzeitig beste Freundin Sara, ihr Zuhause und letztendlich auch ihr Gesicht und das ihr bis ...

Ava hat mit 16 Jahren durch ein Feuer alles verloren, was ihr wichtig war: Ihre Familie, ihre Cousine und gleichzeitig beste Freundin Sara, ihr Zuhause und letztendlich auch ihr Gesicht und das ihr bis dahin bekannte Aussehen. 60% ihres Körpers wurden verbrannt. Deshalb ist sie von Narben übersät. Sie hat ein sehr schwieriges und schmerzhaftes Jahr hinter sich, sowohl psychisch als auch physisch. Ihre Tante und ihr Onkel, bei denen sie nun lebt, haben zusammen mit ihrem Arzt und ihrer Therapeutin beschlossen, dass es an der Zeit ist zur Highschool zurückzukehren. Für Ava ist das der Super-GAU, denn sie kennt die Blicke und Sprüche, die auf die zukommen. Sie selber kann sich kaum im Spiegel anschauen, denn sie meint, dass sie aussieht wie ein Monster. Doch dann trifft sie auf Asad und Piper, die beide so ganz anders sind als erwartet.

Bereits auf den ersten Seiten wird der Leser auf die Probe gestellt. Ava beschreibt dort ihr Aussehen und teilweise auch die OPs, die sie über sich hat ergehen lassen müssen. Das Ganze kommt so plastisch und authentisch rüber, dass es kaum zu ertragen ist. Sie tut einem unheimlich Leid, weil man eben auch merkt, wie es um ihr Selbstbild und ihr Selbstbewusstsein bestellt ist. Am Liebsten würde sie sich in ihr Zimmer zurückziehen und nie mehr das Haus verlassen. Sie kann es nicht ertragen von anderen begafft zu werden oder als "Überlebende", "Vorbild" oder "Inspiration" bezeichnet zu werden. Sie selber sieht in sich nichts davon. Sie wünscht sich verzweifelt ihr altes Leben zurück und möchte wieder die Ava von vor dem Brand sein. Doch leider ist das nicht möglich. Sie ist der Meinung, dass von ihr selber nichts mehr übrig geblieben ist und sie jetzt nur noch "das verbrannte Mädchen" ist, welches nichts zu bieten hat.

Man merkt, dass Erin Stewart sich eingehend mit dem Thema Brandverletzung, Hauttransplantation, Nachsorge/ Therapie und auch der seelischen Verfassung der Opfer/ Überlebenden beschäftigt hat. Diese medizinischen und psychologischen Aspekte werden ziemlich gut recherchiert und authentisch beschrieben.

So traurig und tragisch ihre Geschichte ist und obwohl sie kaum mit der Situation zurecht kommt, legt Ava trotzdem eine Menge Sarkasmus und schwarzen Humor an den Tag. Das und vieles andere macht sie einem direkt sympathisch. Man kann sich gut in ihre Gedanken- und Gefühlswelt hineinversetzen. Spannend fand ich auch, dass Ava immer wieder Einträge in ihr Therapietagebuch macht. Diese wirken fast wie Rückblicke, welche von der schicksalhaften Nacht, über die Zeit der Genesung bis hin zur Gegenwart reichen.

"Sieh mich an" ist ein trauriges, emotionales und tiefgründiges Buch über Freundschaft, Familie, Verlust und Trauer. Es regt zum Nachdenken an und führt einem wieder mal vor Augen, was im Leben wichtig ist und wie glücklich man sich schätzen kann, wenn man gesund ist und all seine Lieben noch um sich hat. All das kann sich von der einen auf die andere Sekunde ändern. Das Buch zeigt außerdem, dass jeder Mensch Narben hat, dass man manche davon aber nicht unbedingt sehen kann. Ein perfektes Äußeres bedeutet nicht, dass der Mensch keine seelischen Narben hat. Innerlich sieht es oft viel wüster aus als man denkt. Das Äußere ist nicht das, was im Leben zählt und einen Menschen liebenswert macht. Wichtig sind doch die inneren Werte, die Meinung oder das Verhalten.

Trotz all dieser ernsten und wichtigen Themen, ist das Buch aber auch oft sehr humorvoll und lässt einen schmunzeln. Man schließt Ava, Asad und Piper sofort in sein Herz. Die drei sind wirklich ganz besondere Charaktere. Grade Ava macht im Verlauf des Buches eine bewundernswerte Entwicklung durch.

Für mich ist dieses Buch definitiv eines meiner Jahres-Highlights. Es ist der Weg eines körperlich und seelisch gezeichneten Mädchens, welches langsam wieder zurück ins Leben findet. Wer beispielsweise auch "Wunder" mochte, wird diese Geschichte lieben!

Veröffentlicht am 03.11.2019

Märchen mal anders

Grimoria
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Sophia hat früh ihre Eltern verloren. Durch einen glücklichen Zufall rettet Prinz Erik ihr das Leben. Fortan lebt sie am Hofe der Königsfamilie als Hofdame für Prinzessin Vivitasia. Die beiden jungen Frauen ...

Sophia hat früh ihre Eltern verloren. Durch einen glücklichen Zufall rettet Prinz Erik ihr das Leben. Fortan lebt sie am Hofe der Königsfamilie als Hofdame für Prinzessin Vivitasia. Die beiden jungen Frauen sind beste Freundinnen und auch Erik ist Sophia sehr wichtig. Doch was auf den ersten Blick prunkvoll und schön klingt, entpuppt sich eigentlich als Gefängnis, denn dem König sind Regeln, Etikette und deren Einhaltung sehr wichtig. Jeder hat seinen Platz bei Hofe, daran wird auch Sophia immer wieder erinnert. Dementsprechend vergräbt sie ihr wahres Ich tief in ihrem Inneren und hält sich stets im Hintergrund.

Nach langer Abwesenheit kehrt Prinz Erik mit seiner Verlobten Cinopia zurück. Alles sollte perfekt sein, doch irgendetwas stimmt nicht. Plötzlich muss Sophia sich entscheiden, ob sie ihrer besten Freundin mehr vertrauen kann als sich selber. Denn während alle Menschen an der zukünftigen Königin nur das Gute sehen und wie bezaubernd und liebreizend sie doch ist, scheint Vivitasia deren wahre Beweggründe zu durchschauen. Können Vivitasia und Sophia das Mysterium um Cinopia lüften?

Lilly London hat hier eine etwas andere Märchenadaption zu Cinderella geschaffen. Sie stellt sich die Frage: Was wäre, wenn die Gute im Märchen gar nicht wirklich gut wäre, sondern alles nur eine Lüge? Ich finde diese Idee absolut grandios und toll umgesetzt. Die Geschichte ist etwas ganz neues und sehr spannend. Das Szenario ist märchenhaft, humorvoll, aber auch ein wenig düster, bedrückend und ab und zu einen Hauch gruselig. Super gefallen hat mir auch der Bezug zu dem Märchen "Blaubart", welches ich als Kind oft mit schauriger Begeisterung gelesen habe.

Die Charaktere sind mir alle sehr schnell ans Herz gewachsen. Besonders Vivitasia und Protagonistin Sophia, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, haben mich beeindruckt. Beide wirken sehr sympathisch, authentisch und liebenswert. Grade in Bezug auf Sophias Leben bemerkt man schnell, dass nicht alles gold ist, was glänzt. Nach Außen führt sie das perfekte Leben, doch in ihrem Inneren sieht es eigentlich ganz anders aus. Das Buch behandelt dementsprechend auch ernstere Themen: Freundschaft, Familie, Vertrauen und Verrat. Zudem geht es um die Freiheit, man selber sein zu können und dafür einzustehen, wer man ist oder was man denkt.

Es handelt sich bei "Grimoria - Traue niemals einer Taube" um den ersten Band einer Dilogie. Der zweite Teil wird im April 2020 erscheinen. Darauf fiebere ich bereits sehnsüchtig hin, denn es gibt einen fiesen Cliffhanger!

Veröffentlicht am 29.09.2019

Monstermäßig witzig, abwechslungsreich und actiongeladen

Jack, der Monsterschreck, und die Zombie-Apokalypse
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Wie wird man zum postapokalyptischen Actionhelden?

Jack ist 13 Jahre alt, Waisenkind, Außenseiter und begeisterter Gamer. Deshalb ist er auch theoretisch ziemlich gut auf die Zombie- und Monsterwellen ...

Wie wird man zum postapokalyptischen Actionhelden?

Jack ist 13 Jahre alt, Waisenkind, Außenseiter und begeisterter Gamer. Deshalb ist er auch theoretisch ziemlich gut auf die Zombie- und Monsterwellen vorbereitet, die seinen Wohnort plötzlich überrennen. Er verbarrikadiert sich im Baumhaus seines Stiefbruders, denn seine Pflegefamilie hat ihn bei ihrer Flucht einfach zurück gelassen. Weil die ganze Situation an sich schon gruselig und furchterregend genug ist, beschließt er diese Apokalypse als Actionspiel zu sehen, in dem er selber der Held ist. Doch welches Endzeit-Spiel macht im Multiplayer-Modus nicht noch mehr Spaß? Zur Seite stehen im daher Quint und Dirk. Ersterer ist angehender Wissenschaftler und entwickelt allerlei krasse Items zur Bekämpfung und Abwehr der Monster. Dirk hingegen beeindruckt durch überragende Muskelkraft.

Natürlich dürfen in einem Action-Abenteuer auch die Herausforderungen nicht fehlen. Jacks "ultimative apokalyptische Glanztat" besteht also darin, die "holde Maid" aka June Del Toro zu retten, in die er "heimlich" verliebt ist. Blöd, dass diese eigentlich gar keine Hilfe benötigt. Alle Charaktere sind durch die Bank total sympatisch und sehr unterschiedlich. Mit dieser Gruppe wird es niemals langweilig. Ganz im Gegenteil: Das Abenteuer ist monstermäßig witzig, abwechslungsreich und actiongeladen.

Überzeugt haben mich auch die Themen, die im Buch Beachtung finden: Freundschaft, Mut und Zusammenhalt. Denn nur wenn die Freunde füreinander einstehen, können sie gegen sie Übermacht an Zombies und Monstern bestehen!

Das Besondere an "Jack, der Monsterschreck und die Zombie-Apokalypse" ist außerdem, dass es sich dabei um einen Comic-Roman handelt. Zahlreiche Illustrationen lockern dementsprechend Text und Geschichte auf. Allein diese Comic-Bilder sind schon der absolute Wahnsinn und machen definitiv Lust auf mehr.

Der Schreibstil ist sehr humorvoll und in einer einfachen und verständlichen Sprache geschrieben. Das Abenteuer ist ausgelegt für Kinder ab 10 Jahren. Doch auch jeder Erwachsene, der Spaß an Zombie- und Monstergeschichten hat, wird auf seine Kosten kommen.

Es handelt sich hierbei übrigens um die Buchreihe zur gleichnamigen Netflix-Serie, welche ich auch schon geschaut und geliebt habe! Dort kommt June noch tougher rüber und das Ganze ist MINDESTENS genauso lustig wie der Comic-Roman! Absolute Empfehlung!

Veröffentlicht am 17.09.2019

Für Weltenbummler oder solche, die es werden wollen

Die geilste Lücke im Lebenslauf
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Nick Martin ist seinem Traum gefolgt: Während seiner Weltreisen erkundet er 70 Länder und lernt dabei mehr für das Leben als man es in einem Nine-to-five-Job je könnte. In "Die geilste Lücke im Lebenslauf" ...

Nick Martin ist seinem Traum gefolgt: Während seiner Weltreisen erkundet er 70 Länder und lernt dabei mehr für das Leben als man es in einem Nine-to-five-Job je könnte. In "Die geilste Lücke im Lebenslauf" nimmt er den Leser mit zu zahlreichen wunderschönen und faszinierenden Destinationen und berichtet von seinen Erlebnissen.

Der Schreibstil ist mitreißend, spannend, emotional und macht Lust auf mehr. Die kurzen und auch manchmal längeren Episoden sind humorvoll und spannend geschrieben. Es gibt witzige, schöne, erschreckende und eben auch berührende Anekdoten, die ich alle gerne gelesen habe. Es war wirklich so als würde ein Freund einem das Ganze erzählen, nicht aufgesetzt oder effekthaschend, sondern einfach ehrlich und echt. Das Buch zeigt Höhen und Tiefen einer Weltreise, gute wie auch unschöne Begegnungen und Erfahrungen. Doch Nick berichtet nicht nur von seinen Reisen, sondern auch von der Rückkehr nach Deutschland und wie man sich dabei fühlt, als anderer Mensch heimzukehren und sich als Nummer im System wiederzufinden.

Besonders spannend fand ich auch die zahlreichen Bilder von Land und Leuten. Am besten gefallen hat mir an ihnen, dass Nick auf jedem Bild ein breites Grinsen im Gesicht hat und man ihm ansieht, dass er zufrieden ist und seinen Traum lebt. Vor allem mag ich diese positive und lebensbejahende Art, die man im ganzen Buch spürt. Die Botschaft, dass man versuchen sollte seine Träume zu verwirklichen und das man das Glück selbst in der Hand hat, finde ich äußerst inspirierend. Wenn man etwas unbedingt möchte und positiv denkt, wird auch gutes geschehen.

Für Weltenbummler oder solche, die es werden wollen eine absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 02.09.2019

Grandios - absolute Lese-Empfehlung!

Wir gegen euch
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Dies ist der zweite Teil von „Stadt der großen Träume“ und schließt direkt an die vergangenen Ereignisse an. In den ersten Kapiteln fasst Backman kurz und prägnant die wichtigsten Dinge aus dem ersten ...

Dies ist der zweite Teil von „Stadt der großen Träume“ und schließt direkt an die vergangenen Ereignisse an. In den ersten Kapiteln fasst Backman kurz und prägnant die wichtigsten Dinge aus dem ersten Teil zusammen, so dass man schnell wieder in die Geschichte rein finden kann. Oft hat er auch gleiche oder ähnliche Sätze aus dem ersten Teil verwendet, so dass ich immer wieder kleine Deja-vu Effekte hatte. Klasse! Man kann diese Geschichte unabhängig vom ersten Teil lesen. Noch besser verständlich ist sie aber natürlich, wenn man auch die Vorgeschichte und seine Charaktere detaillierter kennt.

Ich finde den Schreibstil aus der dritten Person richtig gut, man erfährt von jedem etwas. Grade auch, dass in wichtigen Situationen Personen und Orte immer wieder wechseln, macht die Sache für mich so spannend. Ich finde es auch einfach toll, wie viele verschiedene und unglaublich gut ausgearbeitete Charaktere Backman hier erschafft. Das ist meiner Meinung generell ein großes Talent von ihm und in all seinen Büchern so.

Dieses Buch hat bei mir ein Wechselbad der Gefühle ausgelöst: Es schwankte immer zwischen Wut, Trauer, Entsetzen, Unverständnis, Angst... Zum Glück gab es auch einige witzige und schöne Szenen. Dennoch herrscht primär eigentlich eher eine düstere und bedrückende Stimmung. Grade weil Backman immer wieder verheerende Andeutungen macht, was die Zukunft angeht, liest man ständig mit der Angst um heiß geliebte Charaktere.

Die Björnstädter leben von Vorurteilen und festgefahrenen Meinungen. Der Eishockey geht über alles, auch über die Familie oder das eigene Wohl. Wer sich dem in den Weg stellt, ob beabsichtigt oder nicht, gerät ins Kreuzfeuer. Die Bewohner versuchen ihre Probleme mit Gewalt, Hetzjagden, Ausgrenzung und dem Verbreiten von Angst zu lösen. Gerne verdrängen sie auch unangenehme Tatsachen oder leugnen sie strikt.

Man muss schon sagen, dass die Björnstädter wirklich ziemlich grenzwertig drauf sind. Sie wirken oft nicht grade sympathisch. Wie kann man nur so verblendet sein?! Teilweise lässt die Lektüre meinen Blutdruck echt unangenehm in die Höhe schießen... Man kann schon verstehen, dass sie enttäuscht sind, weil sie das Finale verloren haben, weil es auch wirtschaftlich viel für die Stadt bedeutet hätte. Aber das scheint für die meisten (außer die Sponsoren und Politiker) noch nicht mal das größte Problem zu sein, es geht sich lediglich um sportlichen Ehrgeiz und Stolz. Was in Grenzen ja okay wäre. Generell ist es aber echt fragwürdig, wie mit manchen Menschen umgegangen wird und wem sie so ihre Loyalität schenken...

Anfangs war ich auch etwas skeptisch was die Thematiken Mannschaftssport, insbesondere Eishockey und diese extreme Fan-Mentalität angeht. Doch Backman beschreibt das Ganze so toll, dass ich voll mitgefiebert habe. Dennoch sind es eher die zwischenmenschlichen Aspekte, die mich hier so begeistern, fesseln und aufregen.

Die Gewalt im Buch finde ich schon sehr krass. Aber ich glaube noch nicht mal, dass sie überspitzt dargestellt wurde. Das sind Hooligans und leider verhalten die sich tatsächlich so. Nachvollziehbar finde ich es nicht, aber doch authentisch.

Für mich war „Wir gegen euch“ noch besser als „Stadt der großen Träume“, welches ich schon grandios fand. Von mir wieder eine absolute Lese-Empfehlung!