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Veröffentlicht am 24.01.2021

Das Leben neu leben

Die Mitternachtsbibliothek
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Ab einer bestimmten Stelle, einer maßgeblichen Wendung im Leben alles noch einmal ändern, neu vorgehen - was würde dann passieren? Wer hat nicht schon mal überlegt, ob er an einem bestimmten ...

Ab einer bestimmten Stelle, einer maßgeblichen Wendung im Leben alles noch einmal ändern, neu vorgehen - was würde dann passieren? Wer hat nicht schon mal überlegt, ob er an einem bestimmten Scheideweg im Leben nicht einen Fehler gemacht hat? Ob sein Leben nicht schöner, sinnvoller, erfüllter, glücklicher gewesen wäre, wenn er zu dem Zeitpunkt eine grundlegend andere Entscheidung getroffen hätte?

Mit eben diesem Gedanken spielt der britische Autor Matt Haig in seinem Roman "Die Mitternachtsbibliothek": Nora Seed, eine Frau Anfang Dreißig empfindet ihr Leben als verpfuscht und in einem Moment, in dem alles schief geht, entschließt sie sich, diesem ein Ende zu setzen.

Und findet sich nicht in der Hölle, auch nicht an der Himmelspforte, sondern in einer Bibliothek. In der sie eine alte Bekannte aus vergangenen Zeiten trifft: nämlich Mrs. Elm, die Bibliothekarin ihrer früheren Schule: einer der wenigen Menschen in ihrem Leben, der uneingeschränkt gut zu ihr war, eine, die immer das Richtige gemacht hat, selbst in der dunkelsten Stunde in Noras Leben.

Von ihr erfährt sie, die ihre Tat zu bereuen gibt, dass es für sie eine Möglichkeit zur Rückkehr ins Leben gibt: in ein anderes Leben und sie hat sogar die Wahl. Und zwar zwischen vielen, vielen Leben, je nachdem, an welchem Wendepunkt sie sich neu orientiert.

Sie springt quasi in ein Buch und ist schwupp - an einer anderen Stelle ihres Lebens angelangt, an einer, die es in der Form nie gegeben hat. Die es aber gegeben haben könnte.

Eine wirklich tolle Idee, finde ich. Eine, auf die nur Matt Haig kommen kann. Matt Haig, der so tolle Bücher wie "Wie man die Zeit anhält" geschrieben hat. Ich war voller Vorfreude und Erwartung und konnte nicht schnell genug an dieses Buch kommen.

Das sich in der Tat ausgesprochen süffig las. Aber: sowohl beim Aufbau der Bibliothek als auch bei der Gestaltung von Noras zahlreichen möglichen Leben hat der Autor eine Menge Potential verschenkt. Meiner Meinung nach. Da hätte einiges mehr kommen, das Geschehene dichter gestaltet werden können. Auch so hatte ich meinen (Lese)Spaß. Aber nicht so wie erhofft, leider! Beim nächsten Haig-Roman dann wieder!

Veröffentlicht am 10.12.2020

Krieg auf allen Ebenen

In den Schuhen einer anderen
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Und in allen Schichten: auch wenn die Engländer angenommen hatten, dass der "Große Krieg", uns als der Erste Weltkrieg bekannt, das schlimmste ist, was passieren könnte, müssen sie nur 21 Jahre später ...

Und in allen Schichten: auch wenn die Engländer angenommen hatten, dass der "Große Krieg", uns als der Erste Weltkrieg bekannt, das schlimmste ist, was passieren könnte, müssen sie nur 21 Jahre später feststellen, dass es mindestens genauso schlimm weitergeht. Nur anders.

Und zwar so, dass reihenweise Städte durch Bomben der Nationalsozialisten zerstört werden - über viele Jahre hinweg. In diesem brutalen Krieg finden Audrey und Eve wieder zusammen - zwei junge Frauen aus völlig unterschiedlichen Verhältnissen, die als Kinder befreundet waren und sich dann verloren. Doch nun stellen sie fest, dass sie gemeinsam stark sind und treten als Fahrerinnen in die Armee ein - in die Einheit, in der auch die jetzige Königin Elizabeth II. ihre Frau steht! Und diese beiden Frauen tun dies ebenso, die reiche, bisher verwöhnte Audrey wächst unter Eves Schutz über sich hinaus. Und sie haben noch mehr gemeinsam - sie sorgen sich um denselben Mann, um Audreys Bruder Arnie, der Eves Geliebter ist, auch wenn es für sie, die aus ärmlichen Verhältnissen stammt, nur wenig Aussichten darauf gibt, seine Frau zu werden. Doch sie gibt die Hoffnung nicht auf.

Doch zunächst müssen die beiden mitten im Krieg einen ganz anderen furchtbaren Verlust hinnehmen und damit zurecht kommen, auch mit ihren jeweiligen Rollen darin.

Dann findet Audrey mitten im Krieg, als alle Hoffnung verloren scheint, ihr persönliches Glück mit dem Amerikaner Robert, der in England stationiert ist. Doch alles Glück ist vergänglich und alle Freundschaft auch.

Die Autorin Lynn Austin hat hier einen dramatischen Roman entworfen, in dem neben Liebe, Gewissen und Vergebung auch der christliche Glaube eine große Rolle spielt. Auch wenn dieser durchgehend packend zu lesen ist, entwickelt sich die Handlung zum Ende hin doch in eine Richtung, die mir sehr konstruiert vorkommt. Und nicht so richtig zu dem großartigen ersten Teil des Buches passt, in dem der Zweite Weltkrieg in England so eindringlich und gleichzeitig gut recherchiert dargestellt wird wie selten.

Dennoch: auf die Gefahr hin, dass Sie am Ende ein bisschen enttäuscht sind, emfehle ich dieses Buch als lesenswerte und spannungsreiche Lektüre!

Veröffentlicht am 20.11.2020

Botschaften von der Insel

Ein Jahr mit C. S. Lewis
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Diese wurden von einem wirklich großen Briten gesandt, nämlich von C.S. Lewis: Literaturprofessor, Theologe und Autor großartiger, ewig aktueller Werke, allem voran der "Chroniken von Narnia".

Ein Andachtsbuch ...

Diese wurden von einem wirklich großen Briten gesandt, nämlich von C.S. Lewis: Literaturprofessor, Theologe und Autor großartiger, ewig aktueller Werke, allem voran der "Chroniken von Narnia".

Ein Andachtsbuch für das ganze Jahr, zusammengestellt mit Texten aus verschiedenen seiner Bücher. Alle Texte sind klug und erkenntnisreich, ja, sie sind auch weise. Was mich ein bisschen gestört hat, hat nichts mit den Worten des großen Mannes zu tun: Ich lese gerne zwischendurch mal an einem beliebigen Tag, der für mich von Bedeutung ist, sei es als Geburtstag eines lieben Menschen, sei es eine wichtige Wegmarke für mich wie der Tag, an dem ich mein Universitätsexamen ablegte oder auch meinen ersten "echten" Arbeitstag beging, oder eben auch einer mit besonders traurigen Gedanken, bspw. der Todestag eines lieben Menschen. Natürlich gibt es auch besonders fröhliche Tage wie den Hochzeits- oder Jahrestag.

Ich bin also eine, die gerne einzelne Tage voneinander losgekoppelt nachliest. Und genau damit tue ich mich schwer. Denn es folgen oft in logischer Folge mehrere zueinander gehörende Texte und man verliert den Faden.

Das ist für mich nicht der Sinn eines Andachtsbuches, auch wenn ich das Vorgehen natürlich verstehe und es den Texten nichts von ihrer Qualität raubt. Aber zu mir passt es nicht so ganz - dafür sicher zu vielen anderen Lesern!

Veröffentlicht am 30.09.2020

Oranges Lehrstück für bereits Belehrte

Der größte Kapitän aller Zeiten
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Ein großes Schiff, das peu à peu ins Aus gesteuerte, dessen fähigste Besatzungsmitglieder und Reisende nach und nach ausgeknockt werden - das klingt doch schon sehr nach einem Machthaber mit kleinen Händen ...

Ein großes Schiff, das peu à peu ins Aus gesteuerte, dessen fähigste Besatzungsmitglieder und Reisende nach und nach ausgeknockt werden - das klingt doch schon sehr nach einem Machthaber mit kleinen Händen und Füßen und einem großen Ego. Und natürlich ist er es, um den es geht. Man braucht gar nicht viele Parallelen, um ihn zu karrikieren, die Wirklichkeit kann kaum noch durch die Persiflage überboten werden.

Auch, wenn sich Dave Eggers so einiges hat einfallen lassen - manches amüsant, anderes so platt, wie man es diesem so virtuosen Wort- und Stilzauberer niemals zugetraut hätte. Doch andererseits passt hier nur platt, platter, am plattesten. So platt, wie er hoffentlich nach dem Wahldienstag im November sein wird.

Allerdings wage ich es nicht, darauf zu hoffen, gerade wenn mir sein Weg noch einmal so wie hier vor Augen geführt wird!

Veröffentlicht am 20.09.2020

Ihren Willen durchsetzen

Die zitternde Welt
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Das will Maria, die Anfang des 20. Jahrhunderts hochschwanger ihrem Liebsten in den Orient, nämlich nach Anatolien folgt. Und sie bleibt bei Wilhelm, dem österreichischen Ingenieur, der mit am ...

Das will Maria, die Anfang des 20. Jahrhunderts hochschwanger ihrem Liebsten in den Orient, nämlich nach Anatolien folgt. Und sie bleibt bei Wilhelm, dem österreichischen Ingenieur, der mit am Bau der Bagdadbahn arbeitet. Heiraten werden sie aber erst nach Jahren, dann haben sie bereits drei Kinder.

Maria - das ist eine, die ihren Kopf durchsetzen will und zwar mit Erfolg. Dass das nicht immer klappt, das lernt sie erst Jahre später - da ist sie wieder in Wien, ihre Familie in alle Winde verstreut, teilweise auch tot. Und muss erkennen, dass es nicht immer nach ihrem Kopf geht.

Es ist aber nicht ein Roman um Maria, nein, es ist einer um die gesamte Familie Paar (ja, sie heißt wie die Autorin, die allein weiß, warum?). Es ist eine schillernde, eine bunte Geschichte, in der aber aus meiner Sicht leider nicht immer das Wichtigste erzählt wird. Manches - wie die Ankunft Marias in Anatolien - erfährt man eher so nebenher, oft sind das die interessantesten Aspekte.

Ein Roman um den eigenen Willen, um Individualismus und um den Lauf der Welt im allgemeinen und im besonderen. Ich habe ihn gern gelesen, auch wenn ich nicht immer dem nachspüren konnte, worauf ich am neugierigsten war - hier hatten die Autorin Tanja Paar - die übrigens eindringlich und mitreißend zu schreiben vermag - und ich unsere Prioritäten leider doch sehr unterschiedlich gesetzt.