Ein modernes Märchen über die Kraft der Bücher
Als ich „Der Buchspazierer“ im Buchladen im Regal stehen sah, war ich ganz verzaubert von dem gebundenen Werk und seinem Cover. Ich mochte es auf Anhieb. Nachdem lesen muss ich sagen, dass die beiden Figuren, ...
Als ich „Der Buchspazierer“ im Buchladen im Regal stehen sah, war ich ganz verzaubert von dem gebundenen Werk und seinem Cover. Ich mochte es auf Anhieb. Nachdem lesen muss ich sagen, dass die beiden Figuren, die auf dem Cover abgebildet waren, nicht denen entsprachen, die ich beim Lesen vor Augen hatte. Aber das macht mir nichts, denn noch immer bin ich vom Buchkleid ganz angetan.
Nicht so angetan war ich am Anfang von der Geschichte selbst. Herr Henn schrieb mir viel zu ausschweifend und sein detailverliebter Szenenaufbau ließ mich mit den Augen rollen. Hinzukam, dass ich den Eindruck hatte, in einer Dauerwerbesendung eines Teleshoppingkanals über Bücher festzustecken. Abgerundet wurde das Ganze von einem alleswissenden Erzähler, der es liebte, ständig Perspektivwechsel zu vollführen, ohne dass ich es habe kommen sehen. Das störte mich schon ein wenig, weil dieses Hin und Her Gehüpfe zwischen den Figuren Verwirrung bei mir schürte. So glaubte ich manchmal einem Logikfehler auf der Spur zu sein, der aber gar keiner war.
„Das kann ja heiter werden“, dachte ich mir so und hatte Angst vor den nächsten Seiten mit ihrem schwülstigen und teilweise antiquierten Schreibstil.
Doch zum Glück entpuppte sich „Der Buchspazierer“ als eine ganz zauberhafte Geschichte. Ja, es war jetzt sicherlich keine sehr anspruchsvolle und tiefgründige Lektüre, aber sie war so voller Wärme und Liebe für das geschriebene Wort.
Das Lesen der Geschichte glich einem gemütlichen Spaziergang durch die Gassen eines beschaulichen Städtchens in Begleitung des charmanten Buchhändlers Carl Kollhoff. Auf seiner täglichen Buchauslieferungsroute lernte ich seine Kundschaft aber auch ihn näher kennen, erfuhr von ihren Leben, Ängsten und Sorgen. Mittendrin in dieses so festgefahrene Leben von Carl platzt ein quirliges neunjähriges Mädchen mit Namen Schascha, die ordentlich Schwung in die Geschichte brachte.
Carsten Henn spielte in „Der Buchspazierer“ gern mit deutlichen Gegensätzen. Während Carl trotz seines stattlichen Alters von 72 Jahren eher naiv und in seinem Verhalten kindlich schüchtern wirkte, hatte Schascha mit ihren 9 Jahren schon eine ziemlich altkluge Art und die Gabe, hinter die Fassaden der Mitmenschen zu blicken. Ihre aufgeweckte Art war aber durchaus erfrischend und so stand Schascha sinnbildlich dafür, alte Strukturen aufzubrechen und diese für Schönes und Neues zu öffnen.
„Der Buchspazierer“ lebte von seinen unterschiedlichen Charakteren. Jeder hatte sein persönliches Päckchen zu tragen, sie alle versteckten sich hinter Alltagsmasken. Das machte diese Geschichte zu einer gemütlich kuscheligen und ganz märchenhaften Erzählung, in der nicht nur viele wundervolle Werke namentlich Einzug hielten, sondern auch die Magie von Büchern eingefangen wurde.
Fast jeder Charakter in dieser Geschichte machte eine Entwicklung seiner selbst durch. Auch wenn sich hier das Buch nicht selbst zu ernst nahm und sich manches schon sehr einfach in eine neue Richtung und günstigen Lösungsansätzen wendete, so blieb doch der Zauber bestehen.
Das Finale berührte mein Herz und ich kam nicht umhin, ein paar Tränchen zu verdrücken. Ja, für den ein oder anderen mag es ein wenig zu viel Kitsch bereithalten, aber ich fand die Dosierung genau richtig.
Das Ende gefiel mir genauso, wie es geschrieben wurde, für mich hätte da gern noch stehen dürften: „Und wenn sie nicht gestorben sind, so liefern sie noch heute auf einem schönen Spaziergang Bücher aus“.
Fazit:
Eine Geschichte, die durch ihre Rührseligkeit Liebe, Wärme und Geborgenheit schenkt, aber auch nicht auf eine gute Portion Drama verzichtet. Ein tolles Buch für alle, die Bücher lieben und es gemütlich mögen.